Monte Grappa und die Prosecco Hills entdecken

Monte Grappa und die Porsecco Hills

Wir haben es wieder getan. Den Monte Grappa und die Prosecco Hills mit dem Rennrad erfahren, entdeckt und vor allem genossen. Gelockt vom Paradies. Es war ein Rennradurlaub zwischen Kehren und Wiederkehren, zwischen Apokalypse und brütender Hitze, zwischen wunderbarer Déjà-vus und amateurhafter Vergesslichkeit. Würde es den Monte Grappa nicht geben, müsste man ihn erfinden. Genauso, wie er ist. Imposant, massiv, geschichtsträchtig. Seine langgezogenen Auffahrten sind einladend, seine teils steilen Rampen hingegen eine Härteprüfung, der man sich gerne stellt. Um sich selbst zu beweisen. Der Monte Grappa kann gnädig sein, aber auch in wenigen Sekunden zubeißen. Dieses Jahr war er ein Backofen mit Umluft. Nicht ungut, aber fordernd.

Early Monte Grappa

Hügel, Höhenmeter und Hochhinaufgenuss.

Alle Jahre wieder. Der Rennradurlaub am Monte Grappa ist so fix wie Weihnachten und flexibel wie Ostern. Aus gutem Grund. Diesen Berg muss man erlebt haben. Für mich hat er eine magische Anziehungskraft. Bei Tag und auch bei Nacht. Das haben auch die Organisatoren des Giro d’Italia erkannt. Nach 2024 mit dem „Doppio Grappa“ sind die Profis auch heuer wieder über die klassische Route hinauf geflogen. Der Monte Grappa zieht sie alle in seinen Bann. Die Pause am Rifugio Bassano/Cima Grappa auf 1.736 Metern eine wohltuende Genugtuung. Ganz egal, von welcher Seite dieses Ziel in Angriff genommen wurde.

Aber nicht nur der Monte Grappa selbst. Die ganze Gegend rundherum hat es in sich. Jahr für Jahr gilt es Neues zu entdecken. Im heurigen Jahr, war es das Eck von Foza über Furlani, Stoner, Dori, Enego hinunter nach Primolano. Feinster Asphalt – Giro sei Dank und ein Abfahrtsgenuss der Superlative. 16 Kehren bergab. Wie geil müssen die bergauf sein?

Achtung, erhöhte Ansteckungs- und Wiederholungsgefahr

Wir haben uns langsam an den Monte Grappa und die Prosecco Hills herangetastet und zum Aperitivo am ersten Tag die Auffahrt von Valstagna nach Foza gewählt. 1.000 Höhenmeter verteilt auf 20 Haarnadelkurven. Jede davon mit einem grünen Ausblick ins Tal. Ex-Profis wie Vincenzo Nibali und Thibaut Pinot halten hier den Strava KOM. Den haben wir nicht angegriffen. Weil wir im Urlaub waren. Und im Urlaub mag man es bekanntlich chillig. Mit dem angeschlagenen Tempo hatten wir Zeit uns kennenzulernen. So ein Radurlaub ist ja wie ein Blind-Date. Mit Christa, Doris, Bernhard, Roman, Hubert, Toni, Christian, Stefan und Melitta. Der Schmäh lief, die Stimmung stieg, die erste Kaffeepause oben in Foza ließ schon ein wenig erahnen, was der Tag noch bringen würde. Erste Tröpfchen nässten zaghaft unsere Häupter.

Als hätte ich es verschrien. (Ich habe es verschrien). Der Himmel wurde am Weg nach Asiago immer dunkler. Wind kam auf. Meine Entscheidung, die Pause in Asiago ins Tal zu verschieben, entpuppte sich als Fehlentscheidung. Kurz vor Turcio kamen uns schon die ersten Autos mit eingeschaltetem Scheibenwischer entgegen. Kein gutes Omen. Und dann ging die Welt unter. Sintflutartige Regengüsse, Hagelkörner so groß wie Murmeln prallten auf unsere Helme. Und auf unsere Körper. Ein Aua nach dem anderen. Blitzschnell kam die Entscheidung, nicht mehr weiterzufahren und zu stoppen. Bei der Pizzeria Ristorante al Turcio fanden wir unter einer 1 x 2 Meter großen Stoffmarkise Unterschlupf. 10 Personen auf engstem Raum. Zwei weitere sind dann noch dazugekommen. Blitz und Donner auch. Regenparty statt Kabinenparty.

Abwarten, ohne Tee zu trinken. Die Pizzeria hatte ihren Ruhetag. Uns kamen Zweifel auf, ob wir es nach Hause schaffen würden. Der Regen wollte einfach nicht aufhören. Abstruse Ideen wurden geboren. Einige sollten Heimfahren, Autos holen und den Rest dann hier abholen. Auch ein Taxiunternehmen wurde kontaktiert. Aber wer will schon 10 Personen mit 10 Fahrrädern transportieren? Wer kann das? „No grazie. Mi dispace“ als Antwort war keine gute Lösung. Jene mit den besten Regenjacken froren am meisten. Vieles ist also doch Kopfsache.

Regen, Rebellion, Rettung – was für ein stürmischer Anfang

Also sprach ich ein Machtwort und setzte die Gruppe aufs Rad und in Bewegung. Es regnete immer noch. Normalerweise bin ich der Erste, der bei Kälte jammert. Diesmal hatte ich aber andere Sorgen. Schaffe ich es, alle Schäfchen ins Trockene zu bringen? Schnell waren wir auf ein paar Kilometer verteilt. Ich mittendrin und nicht nur dabei. Jeder für sich, ich für alle. Zureden, weiterpeitschen, motivieren … Conca sollte unser nächster Stopp sein. Es dauerte. Aber nach und nach kamen alle dort an. Sogar der Asphalt war hier schon wieder trocken und die Temperatur zweistellig. Gerettet? Scheint so. Es stand aber noch die Abfahrt nach Bassano del Grappa bevor. Zunft und Ordnung gab es schon längst nicht mehr. Guide-Regeln meuterisch aufgehoben. Eine sanfte Rebellion lag in der Luft. Alle wollten sich nur noch retten. Es war schwer, den Überblick zu behalten. Warten wurde kurzerhand in „Vollgas heim“ übersetzt. Ohne Guide. Dafür mit „Zurück-zum-Ausgangspunkt-Funktion“. Der Einzige, der wartete, war ich. Lange. Bis ich entschloss, retour zu fahren. Um nachzusehen, wo denn die Nachzügler seien. Einige Kilometer weiter oben fand ich sie. Eine Teilnehmerin war in einer Kurve mit dem Vorderrad weggerutscht und hatte eine unsanfte Begegnung mit dem Asphalt. Großer Schreck. Zittrig und durchnässte schafften es dann aber doch alle mit dem Rad oder chauffiert zurück ins Hotel. Wo die Abtrünnigen bereits warteten. Ein spannender erster Tag wurde bei Pizza und Pasta ausgiebig nachbesprochen und analysiert.

Hinauf zur Reue, hinab zur Freude – die Wiedergutmachungs-Etappe

Der zweite Tag stand dann ganz im Zeichen der Wiedergutmachung. Das Wetter war sonnig, die Stimmung gut und die bevorstehenden Kilometer ausgiebig geplant. Ein zweites Mal Asiago. Diesmal verkehrt über die Marostica und erneut Conca. Weitere 1.000 Höhenmeter auf den ersten 60 Kilometern. Die Gegend rund um den Monte Grappa ist nicht flach. Sie ist eine Achterbahn. Es ging hinauf und hinunter. Lang hinauf und lang hinunter. Immer mit dem Ziel des nächsten Tages vor Augen. Der Sacrario Militare del Monte Grappa.

Wir hatten ja alle Zeit der Welt und genossen so einen der längsten Tage im Jahr. Es fühlte sich an, wie die Ruhe vor dem Sturm. Kräfte sparen war die Devise. Was die Ausschau auf 25 Kilometer und über 1.500 Höhenmeter bergauf so alles bewirken kann. Rennrad fahren ist und bleibt Kopfsache.

Doppelt hält besser – der Doppio Grappa

Am dritten Tag war es dann so weit. Der Berg hatte uns gerufen und wir sind seinem Ruf gefolgt. Über die klassische Auffahrt von Romano d’Ezzelino. Bei brütender Hitze bereits um 9 Uhr in der Früh. Die Sonne heizte den Asphalt ordentlich auf. Schattenplätze waren auf den ersten Kehren Mangelware. Schnell bildeten sich Gruppen. Niemand musste sich der Herausforderung alleine stellen. Ich selbst pendelte zwischen den Fronten. Aber immer zügig. Nach knapp etwas mehr als zwei Stunden war für mich der Spuk vorbei. Knapp hinter den Schnellsten. Ende gut, alle oben. Glücklich, es geschafft zu haben. Nach einem ausgiebigen Bad in der Sonne und einer verdienten Stärkung machten wir uns wieder auf den Weg zurück. Über Semonzo del Grappa. Jene Steigung, die der Giro 2024 zweimal hintereinander bewältigt hatte. Ein Vorgeschmack auf das, was der „Ruhetag“ noch bringen würde. Weil doppelt bekanntlich besser hält.

Der „Doppio Grappa“ steht seit ich hier herkomme auf dem Programm. Zweimal Monte Grappa an einem Tag, darf nicht nur eine Challenge sein, die den Profis vorbehalten ist, sondern auch für Normalsterbliche wie meine Gäste und mich. Ganze zwei Freiwillige fanden sich dieses Mal bereit, diese Challenge zu akzeptieren. 29 Kehren, noch einmal 1.500 Höhenmeter auf 20 Kilometer Länge. Mit Spitzen bis zu 15 %. Genau dort, wo Tadej Pogačar den jungen Giulio Pellizari eingeholt und überholt hatte. Macht in Summe knapp 100 Kilometer mit mehr als 3.300 Höhenmetern. Ein fast perfekter Ruhetag.

Ich muss gestehen, dass die zweite Auffahrt eine Tortur war. Mit 32/29 erinnerte sie mich eher an einen Stehversuch an einer Ampel. Ich hatte noch jene Bilder im Kopf, die hier leichtfüßig hinauf strampelnde Profis zeigten. Und habe geglaubt, es ihnen gleich machen zu können. Forget it. Da liegen nicht Welten dazwischen – es sind Universen. Trotzdem war es wieder ein Erlebnis. Ein noch schöneres sollte folgen.

Night fever am Monte Grappa.

Ich nehme es vorweg, weil es ein geniales Erlebnis. Vielleicht das bisher genialste. Etwas, was ich immer schon machen wollte. Das Wetter hatte aber nie mitgespielt. Den Sonnenaufgang am Monte Grappa erleben. Mit einer Auffahrt noch vor dem Morgengrauen. Diesmal war es so weit. Am Abreisetag. Mit Toni, der einzige aus der Gruppe. Gestartet um 4 Uhr bei angenehmen 15°, waren wir knapp vor 6:30 Uhr am Gipfel. Und um 7:30 Uhr mit allen anderen beim Frühstück. Zwar ohne Sonnenaufgang – es war bewölkt, dafür mit einer unvergesslichen Erinnerung. Ganze zwei Autos haben uns überholt und ein Rennradfahrer ist uns auf den letzten Kilometern entgegengekommen. Early Grappa statt Doppio Grappa – auch 2026 sicher im Programm. Zieht euch warm an.

Dreimal Monte Grappa in 5 Tagen. Keine schlechte Ausbeute. Dazu noch (wieder) der Passo San Boldo mit seinen acht in den Fels gemeißelten Tunnelkehren. Gute 500 Höhenmeter auf 6 Kilometern Länge bei über 35 Grad im Schatten. Was haben wir entlang der Stützmauern schwitzen dürfen! Und müssen. So schön der Passo San Boldo auch war, noch schöner war der Weg dorthin. Über die Strada del Prosecco. Monte Grappa und die Prosecco Hills – wenn ein Name Programm ist.
Die sanft geschwungenen Hügel, gesäumt von endlosen Rebreihen, wirkten wie eine grüne Bühne für unser Finale. Es war, als würden Landschaft und Strecke gemeinsam applaudieren – für unsere Beine, unseren Kampfgeist, unsere Lust am Radfahren. Verbunden mit einem abschließenden Abstecher nach Asolo, wo Geschichte, Eleganz und Espresso verschmelzen, war der letzte Tag ein Potpourri an Aufs und Abs. Ein würdiger Abschluss. Und gleichzeitig ein stilles Versprechen.

Grappa, Gänge und Glücksgefühle.

Wenn du denkst, Venetien sei nur was für Weintrinker und Wandervögel – denk noch mal nach. Zwischen dem majestätischen Monte Grappa und den sanften Wellen der Prosecco Hills versteckt sich ein wahres Paradies für Rennrad-Enthusiasten. Hier werden deine Waden gefordert und dein Gaumen verwöhnt.
Die Anstiege? Würzig wie ein gut gereifter Grappa. Die Abfahrten? Prickelnd wie ein Glas Spumante im Sonnenuntergang. Kaum irgendwo sonst verschmelzen sportliche Herausforderung und kulinarische Belohnung so charmant wie hier.

Dort, wo die Superlative enden, fängt der Monte Grappa an. Deshalb komme ich wieder. 20. bis 27. Juni 2026. Urlaub machen und Rennrad fahren. Und bist du mit von der Partie?

Cristian
#machurlaubfahrrennrad

Danke für die Empfehlung

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