Austria Race Across Burgenland – ein Radabenteuer.

Austria Race Across BurgenlandFertig. Nach knapp 7 Stunden Regen und Wind.

Sommer 2018. Heiß und schön. Mit einer Hitzeperiode nach der anderen. Perfektes Rennradwetter für alle. Doch dann patzt sich dieser Sommer einen einzigen Tag so richtig an und genau an diesem Tag findet das Austria Race Across Burgenland statt. Das Ultra Lauf- und Radevent von Kittsee nach Kalch. Burgenland von Norden nach Süden über 223 km (für die Rennradfahrer) und 217 km (für die Läufer). Als Wahl- und Wochenend-Burgenländer war es für mich heuer eine Pflicht, dabei sei zu müssen. Trotz schlechter Wetterprognosen und mitten in der Tapering Phase zum Ötztaler Radmarathon. 

Eine Sonntagsausfahrt mit offiziellem Charakter.

Das Austria Race Across Burgenland ist ein empfehlenswertes Abenteuer. Es gehört aus meiner Sicht auf die Liste jener Dinge, welche man als RennradfahrerIn gemacht haben muss. Als BurgenländerIn und nicht nur. Dieses Event hat einen ganz speziellen Charakter. Es ist wie eine Sonntagsausfahrt mit offiziellem Flair. Aufstehen, zum Start fahren, in der Ströck Filiale in Kittsee frühstücken. Mit Kaffee, Tee, Krapfen, Butter, Brot, Marmelade und Honig. Sponsored. Wenig Hektik und wenig Stress. Nicht ganz. Die Logistik ist eine Herausforderung. Denn wie kommt man nach dem Rennen von Kalch wieder retour nach Kittsee? Ein Rückholservice powered by Verwandte, Freunde, Familie ist quasi Voraussetzung.

Relive ‚Fahrt am Morgen‘

Zurück zum einzigen Wintertag im heurigen Sommer. Die Nacht davor erfüllte alle Prognosen. Der Morgen wolkenverhangen, windig und nass. Einziger Lichtblick die positiven Aussichten auf ein trockenes Ankommen in Kalch. Und der Wind aus Nordwest. Beim Start in Kittsee ist es trocken von oben. Ein Blick in die Runde. Zuversicht und Kälteempfinden sind subjektive Wahrnehmungen. Ich entscheide mich für Beinlinge, Ärmlinge und leichte Windjacke. Und für Regenüberschuhe. Doch diese werden plötzlich überflüssig. Ich stehe am Start ohne Rennradschuhe. Ja. Auch mir darf so etwas nicht passieren. DNS?

Das Austria Race Across Burgenland.

Die Liebes-Hotline rennt heiß. laketterechts wird geweckt. Wie komme ich zu meinen 55 km entfernten Rennradschuhen bzw. wie kommen diese zu mir? Die Entscheidung fällt. Sie kommen mir entgegen. Bis nach Jois. Das sind 24 km vom Start weg. Das Zweitpaar eines Teilnehmers in Größe 42 mit Look KEO hilft mir bis dahin aus. Danke Sigi. Mein Held des Tages. Mit den Überschuhen im Trikot und deutlichem Platzmangel bei Zehen und Ferse starte ich ins Abenteuer Austria Race Across Burgenland 2018.

Es geht gesittet los. Bis zum ersten Kreisverkehr. Vorne das Führungsfahrzeug. Zwei Motorradfahrer begleiten das Feld und kümmern sich um Kreisverkehre und Kreuzungen. Schnell zieht sich das Feld in die Länge. Hinten reißen die ersten ab. Wir sind vorne ca 20 Mann. Unser Bulk benötigt die ganze Fahrbahn. Ein wenig auch jene, welche für den Gegenverkehr gedacht wäre. Starker Seitenwind. Es ist Sonntag morgen, und das ist gut so. Kittsee, Gattendorf, Parndorf, Neusiedl am See. Tempo hoch. Sehr hoch. Smal Talk hier und da. In Jois verabschiede ich mich in Führung liegend auf den Parkplatz des Gut Leithaberg. laketterechts und meine Schuhe stehen schon da. Als Ex-Triathlet schwinge ich gekonnt vom Rad. Schnell sind die Schuhe gewechselt. Die Gruppe natürlich weg. Ich eine gute Minute hinterher.

Austria Race Across Burgenland

fette Ausbeute

Mein eigenes Rennen im Rennen.

Vollgas auf der B50. Ein paar hundert Meter vor mir das Feld. Dazwischen Autos. Ich drängle und schlängle mich durch und vor. Nutze da und dort den Windschatten. Der Abstand wird nicht kleiner. Der starke Seitenwind macht die Sache nicht einfacher. In Breitenbrunn geht es bergauf. Ich spüre das Frühstück hochkommen. Und ich gebe mich auf. Das wird sich nie ausgehen. Schon rechne ich mit einem Soloritt bis ins Ziel. Mache mich auf einen langen Tag gefasst. Das Feld biegt auf den Begleitweg zur B50 ab. Ich auch. Spät. Über die Wiese. Auf nicht interpretierbaren, aber wenig freundlichen Zuruf zweier dort versteckt stehenden Polizisten.

Dann taucht der weiße Mercedes Vito des Teams Mountainbiker am See auf. Vor mir. Hinter anderen Begleitfahrzeugen und dem enteilten Feld. Meine Rettung. Seitlich vom Bus ist es windstill. 300 Watt und mehr auf Anschlag. Durch Purbach durch. Eine rote Ampel. Aus. Vorbei. Sie springt aber auf gelb und dann auf grün. Weiter geht’s. Nochmals Güterweg. Nach 10 km Laktatgemetzel bin ich wieder in der Gruppe und kann endlich meine Rennradschuhe schließen.

Austria Race Across Burgenland

Ein paar Daten zum Rennen.

Das Burgenland ist nicht flach.

Inzwischen hat es zu regnen begonnen. So richtig nass es ist jetzt. Von oben. Von unten. Meine Überschuhe immer noch brav in der Trikottasche. Am ersten ernstzunehmenden Berg, dem Sieggrabner Sattel, wird die Sonntagsausfahrt zum Rennen. Die 20 Mann starke Gruppe zerfällt. Wir sind erst bei km 80. Die erste Labe spendet eine Banane und ein nicht identifizierbares Iso-Getränk bevor es mit Rückenwind ins Mittelburgenland geht. Zuerst allein. Dann wird eingesammelt. Team Mountainbiker am See mit zwei Mann. Ich und ein oder zwei Mitfahrer. Ein Motorradfahrer ist nach wie vor in unserer Nähe. Die Zeit vergeht. Die Kilometer kaum. Oberpullendorf, Piringsdorf, Hochstraß, Lockenhaus. Das Burgenland ist nicht flach. Immer wieder kurze Rampen. Und weiterhin Regen, Wind und Nässe.

Jetzt wartet der Geschriebenstein. Der höchste „Pass“ im Burgenland. 400 Höhenmeter auf knapp 9 Kilometern Länge. Maximale Steigung 12%. Es herbstelt. Nebel hängt über der Straße. Die Nadelbäume schwingen. Der Wind rauscht wie in Heidis Zeichentrickfilmen. Ich bin allein auf weiter Flur. Brauche trotz Müdigkeit und kaputten Beinen, nur 3 Minuten länger als meine PB hier hinauf. Aufgestellt noch vor ein paar Wochen. Oben wieder eine Labe. Es hat knapp 8°. Im August. Pepsi, Iso und Magnesia. Dazu ein Potpourri an Riegel und Gels. Ich nehme, was ich finde. „Beim Abfahren bitte aufpassen. Es liegt sehr viel Laub auf der Straße und es ist rutschig“. Ich nehme mir diese Worte zu Herzen und bremse mich Richtung Rechnitz. Team Mountainbiker am See bremst mir nach. Dass ich am Geschriebenstein auf 780m Seehöhe einen Kältetod hätte sterben können, ist schon paradox. Sommer 2018.

Das Südburgenland. Neues auf meiner Landkarte.

Ab hier ist mir alles fremd. Im Südburgenland war ich noch nie Rennradfahren. Schade, denn die Gegend ist ein Traum. Unendliche Weiten und Ortschaften mit klingenden Namen wie „Kohfidisch“ und „Kirchfidisch“. Dazu jede Menge Achterbahnen. Auch das Südburgenland ist nicht flach. Und es ist nicht windstill. Heute auch nicht trocken. Immer noch hängen die Wolken tief. Es graut. Die Straßen ein paar Kilometer trocken. Dann wieder nass. Meine Kette mittlerweile laut wie die Ketten eines Baustellen-Baggers. Ich suche schon die Nässe, um die Kette zu befeuchten. Das quietschende Geräusch nervt.

Austria Race Across Burgenland

Garmin Edge 1030 mit Regenverhütung.

Zu viert und ab Güssing dann zu fünft strampeln wir den Countdown herunter. Noch 60, noch 50, noch 40 … Kilometer bis Kalch. Essen, trinken und beißen. Jennersdorf ist erreicht. Irgendwo im Kopf habe ich noch die Warnung vor einem letzten Berg. Doch wann kommt der? Wir fahren entlang der ungarischen und dann entlang der slowenischen Grenze. Einmal kurz verfahren und dann sind es nur mehr weniger als 10 Kilometer. Vom Berg noch keine Spur. Inzwischen haben wir noch 3 Läufer überholt. Diese sind am Tag zuvor gestartet. Also bereits mehr als 30 Stunden unterwegs. Hut ab. Chapeau.

Alles hat ein Ende. Auch das Austria Race Across Burgenland.

Nach exakt 223,15 km laut Garmin, knapp 2.000 Höhenmetern und einer Fahrzeit von 7:00:14 erreiche ich Kalch und beende das Austria Race Across Burgenland. Das ganze Dorf ist in Festlaune. Beim Gasthof Zum-Hendlwirt hat die örtliche Feuerwehr zum Finisher-Fest geladen. Schnitzel, Pommes, Spare-Ribbs, Bratwurst und Blechkuchen inklusive Schlagermusik vom Band. 56 Männer und 4 Frauen haben Kalch erreicht. Gewonnen hat ein Ungar bei den Herren mit einem Schnitt von über 35 km/h. Jahrgang 85. Bei den Frauen eine Österreicherin mit knapp 30 km/h Schnitt. Jahrgang 64. Der letzten Teilnehmer braucht 9h33 und hat noch die Sonne genossen. 19 Personen sind gar nicht an den Start gegangen. Selber Schuld. Nur zwei Teilnehmer haben das Rennen nicht beendet.

Ich bleibe dabei. Das Austria Race Across Burgenland ist ein Rennrad-Abenteuer. Mit viel Liebe und Leidenschaft auf die Beine gestellt. Einfach. Reduziert. Urig. Ein Muss nicht nur für alle BurgenländerInnen. Finisher-Medaille, Finisher-Trikot, Essens, Trinken und eine Landschaft, die mehr bietet als den Regen, den wir erlebt haben. Das ganze für € 50,- Startgeld.

ktrchts

PS: Danke MSC Rogner Bad Blumau für den Startplatz und die tadellose Organisation. Danke auch an das Team Mountainbiker am See für die Betreuung im Rennen und für das „Bring me back“ Servcie am Ende dieses langen Tages.

Danke für die Empfehlung

5 Kommentare

  1. Hut ab vor deiner Leistung. Gut gemacht und schön geschrieben.
    Vom Wetter her war es ja anscheinend besser als vorhergesagt. Wenigstens was.
    Hab mitgefühlt mit dir am So! 😉

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