Zuletzt aktualisiert am 21. April 2018 um 19:37
Gran Fondo Riccione. Das war ein Höllenritt durch das Hinterland. Am Hinterrad eines ehemaligen italienischen Radprofi aus Forlì. Radcoach Alessandro Malaguti, 31 Jahre jung. Ale hatte zwar ein paar Dekagramm mehr auf den Rippen, aber immer noch genug Power, die Kette rechts so richtig zu drücken. „Gestisci“ hatte er immer wieder gesagt. Die Kraft einteilen. Am Berg. „Ti riporto io in gruppo.“ Er würde dafür sorgen, die enteilte Gruppe im Flachen wieder einzuholen. Das war nicht nur einmal der Fall. „Mangia qualcosa.“ Nicht auf das Essen vergessen, mahnende Worte. Der von Wien nach Riccione angereiste Italiener hatte seinen persönlichen Domestique. Eine Maschine. Mit einem Oberschenkel so breit, wie zwei des gesund ins Ziel zu bringenden.
Ein Radrennen in Italien ist ein Radrennen.
In Italien eine Gran Fondo aus der ersten Startreihe aus in Angriff zu nehmen ist ein Privileg. Hier stehen normalerweise nur austrainierte und adrenalingetränkte GS Sportler in ihren einheitlichen Radtrikots. GS, das sind die „gruppi sportivi“, die sich Wochenende für Wochenende in den diversen Rennen zu SiegerInnen küren müssen. Hier stehen lokale Mannschaften am Start, deren Sponsoren am Montag in den lokalen Gazzetten mediale Präsenz verlangen. Mit bis zu 10 Fahrern pro Team macht man sich diesen Platz auf der Titelseite streitig. Die Parkplätze rund um das Startgelände sind jene des Giro oder der Tour nicht minder. Begleitfahrzeuge, wohin das Auge reicht. Die Atmosphäre ist genial.
Und mittendrin statt nur daheim, der Italiener. Auf Einladung von terrabici. Erste Reihe fußfrei. Mit ihm Andrew, Journalist und Rapha Australien Räpresentant sowie Frank, CEO von Cycling Vlaanderen.
Gran Fondo Riccione zum 20. Jubiläum.
Es ist die 20. Ausgabe der Gran Fondo Riccione. Zwei strecken zu Auswahl. „Lungo“ mit offiziellen 137 km und „corto“ mit knapp 100 km. Gestartet wird in Riccione Terme mit viel Trara und sattem Beat. Italiener sind laut. Richtig laut. Der Puls jetzt schon knapp an der anaeroben Schwelle. Pünktlich um 8 geht es los. Die erste Reihe entpuppte sich gleich als kleiner Fehler. Von allen Seiten zischen Rennpferde vorbei. Der Sprache mächtig, versteht der Italiener jedes Wort. Attenzione. Attento. Destra. Ein Radrennen in Italien ist ein Radrennen. Von den ersten Metern weg. Auf der Adriatica Richtung Pesaro wird mit Geschwindigkeiten jenseits der 50 km/h fast abgehoben. Die vielen Kreisverkehre links uns rechts werden verschluckt. Trotz des hohen Tempos wird sehr diszipliniert gefahren. Es macht Spass. Man fühlt sich sicher inmitten der Meute. Mitgehangen. Mitgefangen.
Der Italiener ist auf das weiß, rot, grüne Trikot von Alessandro fixiert. Während der Domestique mit allen Fahrern ein paar Worte austauscht, hat er alle Beine voll zu tun, das Tempo zu halten. Das Leistungsniveau ist sehr hoch. Hier wird überall viel später gebremst und noch früher wieder herausbeschleunigt. Das muss man können. Und wollen. Die ersten 40 km sind ein reines Intervalltraining. Das geht an die Substanz. Die Oberschenkel brennen. Der Atem ist kurz.
Eine ziemlich schnelle Rennradreise.
Die Strecke ist abwechslungsreich und vorbildlich abgesperrt. Freiwillige Helfer und die Polizei sorgen sich um die Sicherheit aller. Es geht auf und ab. Kupiert. Verschnaufpausen gibt es wenige. Werden die Beine dann doch hängen gelassen, kommt von hinten ein weiterer Zug und das Feld verdoppelt sich im Nu. Zwei größere Anstiege in San Rocco und Sassofeltrio trennen letztendlich doch die Spreu vom Weizen. Und den Italiener von seinen schnelleren Landsleuten. Hier wird er vom Rennradfahrer zum Radfahrer. Die Labestellen an den jeweiligen höchsten Punkten gönnen ihm jeweils eine kleine Pause. Es gibt Wasser und Cola, Kuchen, Marmelade- und Nutellabrote. Zucker. Viel Zucker. Ganz viel Zucker.
Die mangelnde Rennerfahrung – woher denn auch, spült den Italiener immer wieder in die hinteren Reihen zurück. Tempoverschärfungen, Links- und Rechtskurven, Kreisverkehre und leichte Anstiege wirken sich hier doppelt, dreifach aus. Am Ende wird es ein epischer Suffer Score sein. Kaputte Beine inklusive. 120 km, 1.700 HM und ein Schnitt von 31 km/h. Detail am Rande: Der Sieger war mit einem Schnitt von 43,5 km/h genau 42 Minuten früher im Ziel. Eine ziemlich schnelle Rennradreise.
Epischer Suffer Score als Belohnung.
Von den Sehenswürdigkeiten bekommt er wenig mit. Nur die Türme hoch oben über der Repubblica di San Marino werden wahrgenommen. Im letzten Drittel des Rennens drehen sich diese mit. Die Ankündigung „ultima salita“ nimmt er mit Wohlwollen auf. Vertraut ihr ganz und staunt dann, als aus einer letzten Steigung, noch eine, zwei und dann doch noch drei werden. Kurz, schmerzhaft und mit bis zu 10% unüblich für die Gegend. Die Tafel „5 km“ macht nicht mehr vorhanden geglaubte Kräfte frei. Wie im Sinkflug und von Alessandro angeführt, erreicht ein dezimiertes Feld den „lungomare“. Vorbei an Bäumen, die mit Matratzen von möglichen Touchierungen geschützt wurden. Im Zielbereich geben Absperrgitter links und rechts nochmals Giro-Feeling. Alles ist bereit für einen klassichen Zielsprint. Um die goldene Ananas. Radrennen in Italien sind echt geile Radrennen.
Gran Fondo Riccione. Das war ein Höllenritt durch das Hinterland. Zurück in Riccione ist der Italiener geschafft. Aber glücklich. Ein besonderes Erlebnis. Es war ein lehrreicher Tag auf schmalen Reifen. Auf einem Leihrad von Ex Weltmeister Maurizio Fondriest zur Verfügung gestellt von bikeshop Rimini. Ein C30 mit Shimano 105 11fach.
terrabici – ein Land stellt sich dem Rennrad.
Die Gran Fondo Riccione ist nicht die einzige Gran Fondo in dieser Gegend. Pantanissima, Nove Colli, Gran Fondo degli Squali (mit Vincenzo Nibali), Gran Fondo del Po … um nur einige zu nennen. Es zahlt sich also aus an die adriatische Küste zu fahren. Die Infrastruktur mit den vielen Bike Hotels am Meer oder auch im Hinterland stellt sich gerne den Herausforderungen asphalthungriger RennradfahrerInnen.
ktrchts
PS: für Interessierte. Eine ketterechts Rennradreise geht 2019 sicher nach Riccione. Termine stehe noch nicht fest. Newsletter anmelden und keine Neuigkeit verpassen.
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