Zuletzt aktualisiert am 29. März 2017 um 14:21
Es gibt Wichtigeres. Es gibt Schlimmeres. Und es gibt Dringenderes. Leider gibt es aber auch eine Verletzung. Es gibt Hüfte und ein Becken, die nicht mehr das tun, was sie aus meiner Sicht tun sollten. Funktionieren. Rund funktionieren. Beim Rennradfahren. Lange Rennradfahren. Im Speziellen 235 km und 5.500 Höhenmeter. Nächsten Sonntag. Von Sölden bis Sölden. Bei prognostizierten traumhaften Bedingungen. Das tut weh. Mehr weh als die oben Besagten. Ich weiß. Es gibt echt Wichtigeres. Es gibt viel Schlimmeres. Und es gibt nochmals Dringenderes. Aber leider gibt es auch einen Ötztaler Radmarathon auf den ich möglicherweise verzichten werden muss.
Eine Verletzung ist so schlimm genug.
Bei den Dingen die nicht so einwandfrei funktionieren, handelt es sich um meine Hüfte und mein Becken. Beide Körperteile zusammengahalten und umgeben von vielen Weichteilen. Faszien, Sehnen, Muskeln. Ein ausgeklügeltes System, welches bei mir durch den wuchtigen Aufprall am Asphalt aus dem natürlichen Konzept geworfen worden ist. Mein gegenwärtiges System hat keine geregelten Abläufe mehr. Mein aktuelles System hat keine Selbstverständlichkeiten mehr. Mein beleidigtes System hat Prozesslücken. Mein Bewegungsystem muß nach einem Mißgeschick neu aufgesetzt werden. Ein Neustart dringend gesucht.
Mobilisation statt Degeneration.
Als ich vergangenen Samstag aus dem Krankenhaus entlassen worden bin, stand auf den Papieren bei Therapie “6 Wochen Entlastung”. Mehr nicht. Danke und Aufwiedersehen. Die Schulmedizin hatte ihre Pflicht erfüllt. Erstversorgung. Röntgen. Stationäre Aufnahme. Mal schauen. Entlassen. Part of the game. Part of the system. Gut, dass es die Schulmedizin gibt. Sehr gut, dass es das Gesundheitsystem gibt. Sonst würde ich ja noch am Feiersteig liegen.
Sechs Tage nach meiner Entlassung sitze ich in der Sonne auf der Terrasse und schreibe diesen Blog. Auf die Terrasse bin ich über die Wohnzimmertüre gelangt. Vier Stufen tiefer. Auf meinen Krücken. Gestern war ich 29 Minuten spazieren. Auch auf meinen Krücken. Ich stretche und dehne täglich. Die verschriebenen Schmerzmittel habe ich abgesetzt. Mobilisation ist besser als Degeneration. Mein rechter Fuß immer brav entlastet. Genau so wie die die Ärzte im Krankenhaus es befohlen haben. Das Liegen bekommt mir nicht. Die Nächte sind nach wie vor der Horror. Gerade liegen ist nicht mein Ding.
Wunder geschehen. Selten.
Ich bin weder Wunder noch irgendwas. Ich bin nur selbständig. Auch beruflich. Ich kann und will nicht sechs Wochen liegen und warten. Die Schulmedizin hat ein System, welches über alle Patienten umhüllt wird. Somit ist das System auch halbwegs finanzierbar. Patienten sind aber nicht alle gleich. Ich bin nicht alle. Ich habe sicher Glück gehabt. Ich habe drei Sollbruchstellen: Hüftpfanne, Schambein und Sitzbein. Alle drei weder durch noch glatt. Ich kann kaum was verschlechtern oder verschieben. So dumm mich nochmals von einem Meter Höhe mit 44 km/h auf den Boden zu werfen bin ich ja nicht. Meine Knochen werden schnell heilen. Sie wollen. Sie müssen.
Alles braucht seine Zeit. Gut Ding braucht Weile. Eine gute Heilung auch. Wenn es sechs Wochen sind, dann eben sechs. Wenn es mehr sein sollten, dann eben mehr. Wenn es schneller gehen wird, dann darf das auch sein. Mein Ziel ist, wieder beweglich zu werden. Jeden Tag mehr. Mein Ziel ist, weniger Schmerzen zu haben. Beim Niesen. Beim Husten. Beim Bewegen. Beim Urinieren. Beim Stuhlgang. Faszien, Muskeln und Sehnen müssen wieder geschmeidig werden. Diese schmerzen. Die kaputten Knochen nicht wirklich. Die sind ja entlastet. Mein System muss wieder einwandfrei funktionieren. Die Schulmedizin wird dashalb keine Hilfe sein. Sie will mich erst in drei Wochen wieder sehen. Um mich neu zu röntgen. Was ich jetzt brauche ist Physiotherapie und Osteopathie. Jetzt. Nicht in drei, vier oder sogar sechs Wochen, wenn die Schulmedizin mich als “geheilt” aus ihrem System entlässt.
Das Schlimme an einer Verletzung ist ja nicht die Verletzung, sondern die Art, wie man damit umgeht.
Cristian aka @_ketterechts
PS: Mein Kopf wäre bereit, am Sonntag den Ötztaler Radmarathon zu fahren. Mein rechtes Bein nicht. Es ist noch nicht rasiert.