Rad-WM 2018 in Innsbruck – wie geil ist Radsport.

Rad-WM 2018 in Innsbruck© Bettini Photo

Nach der WM ist vor der WM. Nach Innsbruck 2018 folgt Yorkshire 2019. Und es wird auch dort wieder die beste WM aller Zeiten sein. So wie es 2017 in Bergen war. Und 2016 in Richmond. 2016 lassen wir aus. Die WM in Doha ist ja bekanntlich im Sand verlaufen. Gegenwärtig ist noch Innsbruck Rad-Weltmeister. Mit Recht. Denn Ski-Tirol hat allen gezeigt, dass man dort auch Rennrad-Tirol sein kann. Ich war anfangs skeptisch. Hatte Bedenken darüber, ob der Funken Euphorie auf die Bevölkerung und das Publikum überspringen würde. Anfang August war bei meinem Besuch im Kufsteinerland das WM-Fieber noch in Quarantäne.

Rad-WM 2018 in Innsbruck. Mittendrin und doch daheim.

Auch wenn ich nicht live vor Ort sein konnte. Ich habe die WM soweit es mir möglich war, mittendrin und von daheim verfolgt. Via TV und Social Media. Vom MZF bis hin zur Entscheidung der Herren Elite gestern Nachmittag. Es war etwas ganz Besonderes. Und es bleiben mehr als nur ein paar Erkenntnisse.

Die Höll von Gramartboden.

Das Tüpfelchen auf dem „i“ im gestrigen Herren Elite-Rennen. Knapp 450 Meter mit Spitzen bis zu 28%, die im Vorfeld bereits mythologisiert worden sind und jetzt auf der ganzen Welt Inbegriff für böse Rampen sein werden. Einen Dumoulin, der sich Zick-Zack nach oben windet ist schon ein starkes Bild, welches die Rad-WM 2018 in Innsbruck in die ganze Welt geschickt hat. Man wollte ein WM-Rennen für starke Bergfahrer und hat ein WM-Rennen für starke Bergfahrer bekommen. Es war ein klassisches Ausscheidungsrennen.

Die jungen Wilden.

Laura Stigger hat die österreichische Radsportgeschichte umgeschrieben. Als amtierende MTB Nachwuchs-Weltmeisterin hat die 18jährige Ötztalerin bei ihrem erst zweiten Straßenrad-Rennen in Innsbruck auch den Juniorinnen WM-Titel geholt. In einer souveränen und abgebrühten Manier die sonst nur wenige beherrschen.

Nicht minder sensationell hat sich bei den Junioren Remco Enevepoel wohl selbst am meisten überrascht. Doppel Weltmeister. Straße und EZF. Frech, draufgängerisch und mit viel Herz. Und mechanischen Fähigkeiten. Minutenlang hantiert er nach einem Sturz an der Hinterradbremse seines beschädigten Rades, warte auf ein Ersatzrad, lässt sich von seinen Mannschaftskollegen wieder nach vorne bringen und steht am Ende ganz oben auf der Eins. So muss und darf Radsport sein.

Rad-WM 2018 in Innsbruck

© Bettini Photo

Funkstille.

Der Italiener Caruso vorne und aus dem Feld greift sein Landsmann Cataldo an. Italien schlägt sich selbst. Radrennen ohne Funk können ganz schön verwirrend sein. Dafür sind sie spannend und bis zum Ende offen. Bitte mehr davon. Unbedingt. Wie in den guten alten Zeiten als man Rennen noch „lesen“ musste. Damals hat oft nicht der stärkste Fahrer gewonnen, sondern der intelligenteste. Wir wollen Rennen sehen. Rad an Rad. Und keine ferngesteuerten Computerspiele.

Die Sieger. Mehrfachnennung möglich.

Den einzelnen SiegerInnen herzlichen Glückwunsch. Auch an Alejandro Valverde. Ihm sei der Sieg, den er 15 Jahre lang nachgefahren ist, vergönnt. Er hat gezeigt, was es bedeutet, akribisch auf ein Ziel hinzuarbeiten und nichts dem Zufall zu überlassen. Die ganze spanische Mannschaft stand geschlossen hinter ihrem einzigen Kapitän. Die Rollen ganz genau definiert. Valverde ist ein schlauer Fuchs. Alter schützt nicht vor einem Weltmeistertitel. In der Hölle hat er Kräfte gespart, in der Abfahrt das Tempo gemacht und am Ende von vorne den Sprint angezogen. Trotz eines auf Zehenspitzen heranschleichenden Dumoulin. Ein würdiger Weltmeister.

Rad-WM 2018 in Innsbruck

© Bettini Photo

Das Wetter und das Massen-Picknick im Grünen.

Alle reden darüber. Tirol hatte es. Das schöne Wetter. Sonne pur am Höhepunkt der WM und die Woche davor. Was wäre gewesen, wenn. Ja, wenn. Egal. Es war nicht. Zum Glück. Somit hat sich alles was wollte und konnte Richtung Innsbruck auf die Beine gemacht. An die 600.000 Zuschauer. 250.000 allein am Sonntag. So die offiziellen Zahlen der Polizei. Die Bilder mit den vielen Tausenden am Straßenrand waren eine fantastische Werbung für den Radsport. Die Kulisse kitschig und wie von den Werbestrategen der Tirol Werbung am Computer entworfen.

Rad-WM 2018 in Innsbruck

© Bettini Photo

Was bleibt ist die Hoffnung auf eine weitere Rad-WM in unmittelbarer Nähe. Auf eine weitere Rad-WM, die nicht im Massensprint entschieden wird. Eine würdige Rad-WM mit einer selektiven und interessanten Strecke. Mit Experimenten a la „Höttinger Hölle“. Und natürlich weiterer Funkstille.

Möge der und die Stärkste gewinnen.

ktrchts

Danke für die Empfehlung

3 Kommentare

  1. Ilias homeros

    War die letzten Tage mit meiner Freundin direkt an der Strecke; echt ein Wahnsinn was da abging. Selbst meine Freundin war begeistert – nicht nur von der Kulisse, sondern auch von den sportlich taktischen Finessen besonders beim Herrenelitebewerb. War ja mitreißend bis zum Schluss!
    Nebenbei: Der Streckenabschnitt durch Hötting (Höll) hat nichts mit Hölle zu tun (für Tom Dumoulin und viele andere mittlerweile vermutlich schon), sondern soll sich von der ortsüblichen Bezeichnung „Heal“ ableiten. Dies bezieht sich auf die Form eines Hohlweges, wo früher Holzstämme zu Tal gezogen worden sind und derartige hohle Furchen entstehen ließ.

    • @_ketterechts

      Danke für die ausführliche Höll-Erklärung. Hötting war mir noch als Student in Innsbruck ein Begriff. Den Rest habe ich von den Medien aufgegriffen. Weil man hier stets auch den Begriff „hell“ womöglich fälschlicherweise verwendet hat.

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