So ticken Bahnradfahrer – eine wertfreie Anlayse unterschiedlicher Charaktere.

Von Montag bis Freitag. 1500 bis 2000 Uhr. Das Dusikastation ist beliebter Treffpunkt der Spezies Bahnradfahrer. Im engsten Kreis. Auf engstem Kreis. 250 Meter. Wer schwindelfrei und laktattolerant ist, betritt regelmäßig das Oval im 2. Wiener Gemeindebezirk. Seit letztem Jahr, auch dank der Initiative von Bernahrd K, ist es an manchen Tagen enger als üblich. Viele Kohl Boys sind durch das Schnuppern zu Stammkreiser geworden. Nicht alle aber beherrschen die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze die hier herrschen.

Jeder, der eine Lizenz löst und seine Keycard ordnungsgemäß für den Eintritt nutzt ist frei, sich zu bewegen wie er will. So lange eben keine Mitdreher gefährdet und genötigt werden. Damit das nicht passiert gibt es Hallenregeln. Diese hat man zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren. Einzig allein das Demütigen ist erlaubt. Weil es ja Radsport ist. Für Egoisten. Ich denke, dass beim Bahnradsport fast so viele solcher jener unterwegs sind wie beim Triathlon. Auch wenn ich die Tendenz zu Team- und Gemeinschaft nicht verleugnen kann. In den Pausen.

Trotzdem sind es unterschiedliche Typen (und Innen) welche auf der Bahn ihre Runden drehen. Hier mein komplett wertfreier Versuch sie zu kategorisieren. Nomen est omen.

Der Vornefahrer: Er besticht durch seine Konstanz und Präzision. Wie ein schweizer Uhrwerk spult er seine Runden ab. Meist an der blauen Linie. Mit genialer Linienführung. Wattgesteuert. Im 60 Minuten Takt. Mit Scheuklappen. Nichts bringt ihn aus dem Tritt. Den runden. Weder links von ihm noch rechts von ihm. Der Vornefahrer ist leicht an seinem Schwanz zu erkennen. Jenen, den er in seinem Windschatten mitschleift. Die Länge des Schwanzes variiert je nach Geschwindigkeit. Je schneller, desto kürzer.

Der Nievornefahrer: Dieser ist vergebens vorne im Wind zu finden. Sein bevorzugtes Terrain ist das Schwanzende. In sicherer Position. Seine Stärke ist die Mathematik. Perfekt rechnet er sich aus, wie lange es brauchen wird, bis er durch das regelmäßige abwechseln in der Führung – sofern kein Vornefahrer die Gruppe lenkt – nach vorne gespult wird. Spätestens in Position 3 verabschiedet er sich. Nach unten oder nach oben. Um wenig später wieder am Schwanzende aufzutauchen. Damit beginnt das Spiel wieder von vorne.

Der Vornewegfahren: Der Vornewegfahrer wird in der Gruppe wie üblich pö a pö nach vorne gespult. Sobald dieser Typ dann Wind spürt, beschleunigt er aus der Spitze heraus. Ob wegen des Windschattens, der Euphorie, des Egos oder was auch immer. Schnell hat er die Reisegeschwindigkeit der Gruppe um mindestens 2 bis Spitzen von 5 km/h erhöht. Ganz zum Verzweifeln der Hinterihmherfahrer, welche sich genötigt fühlen auch das Tempo zu verschärfen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Diese Fahrer tragen nicht wirklich zur Harmonisierung der Gruppe bei. Spätestens nach 2 – 3 Runden sind die Vornewegfahrer dann aber wieder eingeholt. Ihr Schicksal wird mit dem Durchreichen nach hinten besiegelt. Bis sie wieder vorne sind.

Der Nebeneinanderfahrer: der Nebeneinanderfahrer hat in den meisten Fällen ein Teamtrikots. Zum Beispiel eines deutschen Reifenherstellers. Oder mit einer rot-weiß-roten Banderole um die Brust. Zu beobachten ist er logischerweise im Rudel. Leicht verwandt mit den Vornefahrern – jedoch mit gemäßigterem Tempo, ist Quatschen das primäre Ziel. An der blauen Linie. Wo er ja laut Hallenordnung auch seine Spezialität trainieren darf.

Der Ichfahreschonseitzwanzigjahren: Auch bekannt als Besserwisser oder Ständignörgler. Dieser Typ ist der geheime Chef. Im Innenfeld und auf der Bahn. Weiß alles. Kann alles. Tut alles. Sein besonderes Kennzeichen: Tiefe Blicke beim Überholen. Frei nach dem Motto „Ich weiß wo dein Auto steht“. Sanktioniert die kleinsten Vergehen mit Zeigefinger und Ermahnung. Egal ob zu frühes Absteigen oder das Überfahren einer Linie um Millimeter. Besonders allergisch reagiert der Ichfahreschonseitzwanzigjahren auf die Nebeneinanderfahrer.

Der Stresser: Dieser Typ kann sich schwer entscheiden. Zu sehen immer und überall. Ständig hält er Ausschau auf schneller Gruppen, um diese ohne Rücksicht auf Verluste aus der bestehenden einzuholen und mitzufahren. Egal ob diese unter oder oberhalb vorbeifährt. Hinterlässt in jedem Fall immer ein Loch, welches von den hinter ihm fahrenden geschlossen werden muss. Besonders Merkmals des Stressers ist auch sein unkonventioneller Stil am Rad. Arschhüpfen deluxe.

Der Schrauber: Diese sympathische Spezies verbringt die meiste Zeit im Innenfeld. Ausgerüstet mit jeder erhältlichen Größe an Imbus- und Schraubenschlüsseln kann er innerhalb kürzester Zeit Zahnkränze und Kettenblätter wechseln, Ketten tauschen, Hinterräder wechseln und Vorbauten ummontieren. Kommt meistens auch mit mehreren Taschen gefüllt ins Stadion. Bedruckt mit italienischen und französischen Wörtern wie Campagnolo und Mavic.

Die Kilometerfresser:  Kurz nach 1430 Uhr, sofern der Hallenwart gute Laune hat, betritt der Kilometerfresser die heilige Halle. Noch bevor das Licht eingeschaltet ist er schon bereit Runden zu drehen. Am liebsten täglich. Was ja nicht geht. Deshalb auch die oft vorherrschende schleichte Laune. Gegen 1800 Uhr hat der Kilometerfresser bereits 100 km am Tacho. Leicht zu erkennen ist der wahre Kilometerfresser an der Aussage „ein paar Runden fahre ich noch – habe ja noch 1 Stunde Zeit“. Eben, nachdem 100 km bereits am Tacho sind.

Natürlich lässt sich diese Aufstellung beliebig erweitern. Vielleicht mache ich es auch noch. Stay tuned.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
www.facebook.com/dieketterechts

Danke für die Empfehlung

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