Schlagwort: Helm

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich

Stell dir vor: Du schwingst dich morgens auf dein Fahrrad, setzt den Helm auf – und bist für manche Autofahrer plötzlich kein Mensch mehr, sondern ein bewegliches Hindernis. Kaum zu glauben? Eine aktuelle australische Studie aus dem Jahr 2023 wirft ein Licht genau auf dieses verzerrte Wahrnehmungsmuster. Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

In “The effect of safety attire on perceptions of cyclist dehumanisation” (Mark Limb & Sarah Collyer, erschienen 2023 in Transportation Research Part F) wurden 563 Autofahrer*innen befragt. 

Das Ergebnis: 30 % der Befragten betrachteten Radfahrende als „nicht vollständig menschlich“ – ein erschütternder Befund, der zeigt, wie tief die Entmenschlichung sitzen kann. 

Mit sogenannten paired-choice-Bildern (je zwei Varianten mit Unterschieden im Erscheinungsbild) testeten die Forscher:innen, welches Bild eher als „weniger menschlich“ wahrgenommen wird. 

Zu ihren Hypothesen gehörte, dass Helme die Sicht auf Augen und Haare verdecken – also zentrale Merkmale, mit denen wir instinktiv Menschsein erkennen – und so die Wahrnehmung dämpfen könnten. 

Kleidung, Helm & Sichtbarkeit – die fatalen Unterschiede

Die Studie identifizierte zwei Knackpunkte, die das Entmenschlichungsgefühl besonders befördern:

  1. Sportliche Kleidung (Lycra, eng anliegendes Rad-Outfit) Autofahrer*innen neigten bei Bildern mit Radlern in Sportklamotten dazu, sie stärker zu entmenschlichen – offenbar, weil diese Kleidung klar signalisiert „Radfahrer“ in Reinform und damit Zugehörigkeit zu einer (oft kritisierten) Gruppe. 
  2. Helm + sichtbare Schutzausrüstung Radfahrende mit Helmen wurden 2,5-mal häufiger als „weniger menschlich“ bewertet im Vergleich zu solchen ohne Helm.  Noch extremer: Radler*innen in Sicherheitswesten ohne Helm landeten auf dem Spitzenplatz der Entmenschlichung – sie wurden 3,7-mal wahrscheinlicher als weniger menschlich gilt. 

Bemerkenswert: Der Effekt war stärker mit sichtbarer Schutzausrüstung verbunden als mit dem reinen Abdecken von Augen und Haaren. 

Auch das Geschlecht der Befragten spielte eine Rolle: Männer neigten eher dazu, keinen Unterschied zwischen Ausstattungen wahrzunehmen, während Frauen stärker Unterschiede in der Vermenschlichung zeigten. 

Wenn Schutz zur Schwäche wird

Das klingt paradox: Der Helm – eigentlich Lebensretter – wird hier zur Barriere in der Wahrnehmung. Doch solange Autofahrer*innen Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Geschichten und Familien erkennen, bleibt der Straßenalltag gefährlich.

Auch politische Maßnahmen wie Helmpflicht wirken in diesem Zusammengang fragwürdig. HeImpflicht, die ich persönlich befürworte. In Ländern mit solchen Gesetzen sank laut früheren Studien die Begeisterung fürs Radfahren – und der Sicherheitsgewinn blieb oft aus. Die australische Studie legt nahe: Wenn Radfahrende mit Schutzkleidung entmenschlicht werden, könnten Autofahrer wiederum riskanteres Fahrverhalten zeigen, da sie die Radfahrer als „geschützte Objekte“ statt als verletzliche Menschen wahrnehmen.

Warum das keine kleine Theorie ist – sondern folgenschwer

Entmenschlichung ist kein harmloses psychologisches Phänomen. In der Soziologie und Psychologie gilt sie als Grundreiniger von Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung. Wer einer Person ihre Identität, Verletzlichkeit oder Einzigartigkeit abspricht, schafft den Nährboden für Aggressionen, Unterdrückung oder Missachtung.

Wenn Radfahrende als „Radfahrer:innen“ entmenschlicht werden, reduziert sich ihr Status in den Augen anderer. Kein Wunder also, dass in Foren und auf der Straße privates Desinteresse bald in aggressive Gesten oder lebensgefährliche Ausweichmanöver umschlägt.

Mein Appell: Mehr Mensch – weniger Hindernis

Ich will hier kein Plädoyer für oder gegen Ausrüstung führen – Sicherheit bleibt wichtig. Doch das eigentlich Erschreckende ist etwas anderes: Die Studie zeigt, dass viele Autofahrende Radler schlicht nicht als Menschen wahrnehmen. Nicht, weil wir uns falsch kleiden oder weil uns ein Detail fehlt, sondern weil wir als „Radfahrer:innen“ automatisch in eine Schublade gesteckt werden – und in dieser Schublade hört das Menschsein auf.

Diese Erkenntnis ist schockierend. Denn sie bedeutet: Ganz egal, wie viele Sicherheitsregeln wir einhalten, wie sichtbar wir uns machen oder wie sehr wir uns bemühen – solange Autofahrer*innen uns nicht als Menschen sehen, sind wir im Straßenverkehr gefährdet. Und genau hier liegt die eigentliche Krise.

Was ich mir wünsche?

  • Kampagnen zur Rehumanisierung: Bilder von Radfahrer*innen mit Gesichtern, Namen, Geschichten können Bewusstsein schaffen (z. B. in der Studie vorgeschlagen). 

  • Fahreraufklärung in Fahrschulen: Nicht nur Technik lehren, sondern Empathie – dass hinter jedem Radfahrer ein Mensch steht.

  • Infrastruktur stärken: Radwege, sichere Übergänge und klare Prioritäten auf der Straße zeigen unmissverständlich: Radfahrende gehören dazu.

  • Politische Debatten differenzieren: Pflichten (wie eine Helmpflicht – die ich persönlich befürworte) allein ist kein Allheilmittel, wenn die Wahrnehmung fehlt – wir brauchen ein viel breiteres Konzept für sichere Mobilität.

Was wirklich zählt

Die Studie liefert eine unbequeme Wahrheit: Mehr Helme, Blinker oder grelle Warnwesten werden das Problem nicht lösen.

Solange

Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Namen, Familien und Geschichten sehen, bleibt die Straße ein unsicherer Ort.

Radfahrende sind nicht „Verkehrshindernisse“ – sie sind Mütter, Väter, Kinder, Freunde. Erst wenn diese Wahrnehmung sich ändert, wird Radfahren wirklich sicher.

Cristian G. aka #ktrchts 

 

Helm-Head-up-Display USEE im ketterechts Visier

Helm-Head-up-Display

Wie die Jungfrau zum Kind. So bin ich zum Helm-Head-up-Display USEE gekommen. Irgendwo davon gelesen, recherchiert, die Vertriebsfirma angeschrieben und schon war es da. Samt Abus Aventor Helm. Die zwei gehören zusammen. Und können nur zusammen. Vorerst. Denn das Helm-Head-up-Display USEE kann nicht mit jedem Kopfschutz. Und wie es sich für dieketterechts als „Schnell-Tester“ so gehört, war alles im Nu ausgepackt und ohne irgendeinen Blick auf eine Gebrauchsanweisung zu werfen, schon im Einsatz.

Selbst ist der Mann. Doch wie selbst ist die USEE Technik?

In meinen Händen, nein, am Kopf, eben der Abus Aventor Helm und das USEE Display für den Helm. Der Adapter für das HUD (Head-up-Display) war bereits am Helm befestigt. Dazu geliefert ein Remote Control für den Lenker und dazu noch ein paar Zusatzgummis und Unterlegstücke. User Manual erhalten, aber weniger als überflogen. Da mir dabei etwas wie Ant+ untergekommen war, habe ich mir ungefähr vorstellen können, wie das funktionieren könnte.

Helm-Head-up-Display

Screenshot o-Synce App iPhone

Helm aufsetzen, Helm justieren, Display einschalten, Display am Helm befestigen, Remote Control am Lenker montieren und die ersten Gehversuche wagen. Ganz so einfach war es dann doch nicht. Pairing das Zauberwort. USEE muss sich erst einmal mit allen verfügbaren Sensoren (jene mit Ant+) verbinden. Also doch nochmals stehen bleiben und warten. Da nichts passierte, musste ich nachhelfen. Hinterm Display versteckt ein Knopf für das Pairing. Dieser ist klein, unauffällig und nur mit einem kleinen Stift benutzbar. Wo also jetzt schnell so einen Ventilstift finden? Improvisieren. Mit einem Teil meines Schlüsselanhängers ist das gelungen. USEE war jetzt funktionsbereit.

Helm-Head-up-Display für den Rennradhelm.

Oben rechts sehe ich ein gelbes Feld mit digitaler Anzeige. Nach ein paar Verschiebeübungen, habe ich das Datenfeld scharf im Blick. Über den Remote Control am Lenker steuere ich die Anzeige. Vorblättern, zurückblättern. Easy. Zuallererst sehe ich nur Zahlen. Links eine Kombination, rechts eine Kombination. Ich kann nur erahnen, was mir angezeigt wird. Mittels menschlichem Pairing, also ein abwechselnder Blick auf meinen Garmin und dem USEE-Display, werde ich aufgeklärt. Rechts oben im Blick werden die Trittfrequenz, die Leistung und die Herzfrequenz angezeigt. Logisch. Diese Signale werden mittels Ant+ an den Garmin Edge gesendet und von USEE mitgelesen. Die Vector2 Pedale und der Brustgurt unterstützen diese Funktion.

Alle andere Signale wie Geschwindigkeit, Höhenmesserangabe, Uhrzeit und Navigation bleiben aus. Diese misst Garmin ja mittels GPS. Somit sind diese Angaben dem Head-up-Display nicht bekannt. Auch die eTap (Gangschaltung, Ladezustand Akku) hätte USEE erkennen können. Das Pairing dazu habe ich vergessen. Sorry. Mit einem Speed-Sensor kann natürlich die Geschwindigkeit mitgelesen werden.

Helm-Head-up-Display

Abus Aventor

Um das All-inklusive Service zu bekommen – ich habe das USEE Manual und die Gebrauchsanleitung nachher angesehen, müsste man die eigens dazu entwickelten O-Synce App benutzen und USEE mit dem Smartphone (Android und iOS) mittels Bluetooth koppeln. Registrierung vorausgesetzt. Dann und nur dann, würde man über das GPS-Signal des Handys eine (ungenaue )Geschwindigkeit, eine genaue Uhrzeit und die Höhenmeterangaben im Datenfeld sehen.

 

Servus, Blick auf den Vorbau. Die Straße im Visier.

Es war irgendwie komisch, mit dem Helm-Head-up-Display zu fahren. Dieser neugierige Blick nach oben rechts. Und dann doch noch Richtung Vorbau, um den Multi-Remote Controller zu bedienen. Zum Glück ist das nach ein paar Kilometern weggefallen. Ein aktives Schauen war nicht mehr notwendig. Die recht scharfen und klar erkennbaren Anzeigen auf den Datenfeldern haben sich gut in den normalen Blickwinkel integriert. Alles in allem, wird der HUD zu einer netten Spielerei. Einer Spielerei mit vielen Funktionen. Trotz Garmin reduzierte ich kontinuierlich meine Blicke Richtung Vorbau.

USEE (vom englischen „you see“) funktioniert auch bei Dunkelheit. Die gelbe Fläche am ca 7 cm großen, L-förmigen Gerät ist ein UV-Kollektor, der die Helligkeit am Display anpasst. Die 2032 Knopfzellen sollen laut Hersteller 400 Stunden Strom liefern. Nach dem Einschalten, geht das USEE nach einer Weile Inaktivität von selber aus.

Helm-Head-up-Display

Funktionen von USEE

USEE Schnelltest Resümee.

Geiler Scheiß. Sorry. Bin schon wieder politisch korrekt. Interessant. Innovativ und wohl die Zukunft. Augmented Realitiy (AD). Erweiterte Realität auch beim Rennrad fahren. Hat es bis dato noch nicht gegeben. Ein dickes ketterechts Plus für die Idee. Leicht zu bedienen und in Betrieb zu nehmen. Sogar für Selbstforscher wie mich. Optisch macht das Ding am Helm einen zum Alien. Vollste Aufmerksamkeit ist damit gewiss. Muss man auch mögen. Zu haben ist das alles für € 129,-.

Helm-Head-up-Display

Alien on bike

Der Idee eines Head-up-Display kann ich einiges abgewinnen. Weniger der Tatsache, dieses mit zwei zusätzlichen Apps am Handy bedienen zu müssen. Ich denke dabei an die Akkuleistung meines in die Jahre gekommene iPhone. Auch das Umschalten der Datenfelder könnte man überdenken. Remote Control am Lenker ist gut, aber da muss ich wieder den Blick von der Straße nehmen. Und für das Umschalten am HUD selber muss ich eine Hand komplett vom Lenker nehmen. Das ist wohl nicht im Sinne des Erfinders (Stichwort Sicherheit).

Ich bleibe dabei: Geiler Scheiß. Für Technik-Nerds, Handy-Hardcore User, Star-Trek Lovers, Bing-Bang-Theoretiker, Renrnad-Einsteiger oder First-Mover.

Zum Schluss blicke ich noch etwas weiter in die Zukunft. Vielleicht lässt sich Augmented Reality (AR) mit Artifizieller Intelligenz (AI) verbinden. Dann denkt das HUD sogar für mich mit und zeigt mir im Datenfeld genau das, was ich aktuell benötige. Also stets die Wattangaben.

ktrchts

PS: Es handelt sich hier um einen unentgeltlichen Produkttest. Nach Testende gehen das USEE Helm-Head-up-Display und der ABUS Aventor Helm wieder retour.