Endlich geht was weiter. Nach 14 Tagen TKM (traditionelle Ketterechts Medizin) war ich heute endlich dort, wo ich seit meinem Crash hingehöre. Beim der Physiotherapie. Überpünktlich. Wie ein kleines Kind habe ich mich unmittelbar nach meinem Aufprall am Asphalt auf diesen Moment gefreut. Die ersten 45 Minuten waren ein echter Hammer. Der esoterisch angehauchte Raum. Die Poster an der Wand mit der Abbildung aller menschlichen Muskeln. Das Skelett. Die chilenische Panflötenmusik bekannt aus Funk, Fernsehen und Fußgängerzone. Die volksschultaugliche Sprossenwand. Die puzzleartig ineinander verkeilten Mattenrechtecke. Das mit einem Papierleintuch abgedeckte Therapiebett. Es hat so gut getan.
Keep calm – your Physiotherapie is here.
Es hat so gut getan, mein rechtes Bein wieder halbwegs zu spüren. Es hat gut getan, dieses nicht nur wie ein Fremdkörper durch die Gegend zu schleifen. Es hat gut getan, winzig kleine Fortschritte zu erleben. Fortschritte auf dem Weg in den Sattel.
„Bringen Sie mich so rasch wie möglich aufs Rennrad.“
Eigentlich wollte ich ja schon selber viel früher aufs Rad steigen. Nicht aufs Rennrad. Auf meinen alten, rostigen Daum. Markante Koordinationsdefizite und eine eingeschränkte Motorik haben mich davon abgehalten. Fremde Hilfe musste mit dem Flehen „Bringen Sie mich so rasch wie möglich aufs Rennrad“ her. Die Suche nach einem Physiotherapeuten in der Nähe gestaltete sich kompliziert einfach. Mehrere Empfehlungen habe ich angeschrieben. Zwei haben sich gemeldet. Die eine mit den Hausbesuchen macht keine und der andere ohne, hat mir gleich einen Termin in seiner Praxis angeboten. Aufgrund des Wortes „Sportphysiotherapie“ auf dessen Homepage habe ich zugesagt.
Als Einstimmung habe ich am Abend davor noch eine Osteopathin besucht. Diese alternative Behandlungmethode hat mich in meinem Entschluss bekräftigt, die 6 Wochen Heilungsdauer by Schulmedizin nicht für bare Münze zu halten. Es war eine sehr entspannte Einheit, bei der ich laut Osteopathin eine Metamorphose vom Panzer zum Weichei vollzogen habe. Fragt mich nicht, was man mir mir gemacht hat. Und auch nicht was. Geholfen hat es. Es wurden viele Sachen korrigiert und ins rechte Lot gerückt. Das freundliche und ehrliche „Das wird schon wieder“ zum Schluss war jeden Cent wert.
Heute Morgen dann mein erster Besuch beim Physiotherapeut. Der Weg in seinen ersten Stock war schon eine Art Bewährungsprobe. Ein alter Hof mit einem engen und steilem Steigenhaus. Oben angekommen, läute ich. „Hallo Herr Gemmato, haben sie gut hergefunden?“ Ich „Ja, ein Lift fehlt aber.“ Ein guter Einstand, oder? Danach eine kurze Anamnese und schon lande ich am Therapiebett.
Was folgt sind eine Reihe von Physiotherapie-Übungen mit denen die Funktionen des Hirns und jene der Beinmuskulatur wieder zu einem deckungsgleichen Tun zusammengeführt werden sollten. Mein rechtes Bein weigert sich nämlich das zu tun, was mein Wille ihm befiehlt. Manche Übungen absolviere ich mit Bravour. Bei anderen hingegen stelle ich mich an, als wäre ich noch nie auf Beinen gestanden. Schwankend und zitternd spüre ich, wie meine Muskeln kaum auf die Reize reagieren. Zuckend geben sie ihr Spielverderbertum zu Protokoll. Fragen wie „Tut’s weh?“ werden kategorisch mit „Nein“ beantwortet.
Alles in allem verläuft die erste Einheit trotzdem für mich zufriedenstellend. Der Physiotherapeut ist entweder schlau, weil er mir genau das sagt, was ich hören möchte, oder er ist wirklich von meinem Willen überrascht und von meinen bis jetzt gezeigten Fortschritten überzeugt. Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg ist steinig und schwer.
Ich habe die letzten 14 Tage Muskelmasse verloren und Bauchfett gewonnen. Auf dass es so weitergeht – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#beatmedicine #ketterechts