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Richtig Windschattenfahren – seine Radregel Nummer eins.

Richtig Windschattenfahren

Wenn du in meinem Windschatten fährst, mache ich für uns die Kilometer, hat er gesagt. Und das Schlimme ist, er hat es wirklich geglaubt und er glaubt es immer noch. Es sei ihm verziehen. Er ist ein Mann und er hat ja auch hinten keine Augen. Er sieht nicht, wenn mir meine Zunge beim Mund hinaushängt und beinahe den Boden streift, wenn ich strample, was das Zeug hält und trotzdem zu langsam bin, wenn ich nicht den richtigen Gang finde, der es mir erlaubt, mit ihm Tritt zu halten, wenn ich tausend Giftpfeile gleichzeitig auf ihn schieße, in der Hoffnung, dass er vom Rad fällt und der ganze Spuk dann endlich vorbei ist. Richtig Windschattenfahren ist die Radregel Nummer eins. Seine Radregel Nummer eins.

Kräfte sparen und viel weiter kommen.

Er hört mich nur rufen. Du bist zu schnell! Fahr langsamer! Ich kann nicht mehr! So fahr ich nicht weiter! Dann ärgert er sich. Du musst beißen, sagt er dann, – so wirst du nie schneller. Du kannst nicht immer in deiner Komfortzone bleiben. Kräfte sparen und viel weiter kommen. Wie oft habe ich das schon gehört. Er weiß nicht, dass ich meine Komfortzone anders definiere. Er weiß nicht, dass ich meine Komfortzone schon lange verlassen habe. Und dass mich seine Einschätzung meiner Komfortzone herzlich wenig interessiert.

Aber ein klein wenig hat er natürlich recht. Ich bin eher die Genussfrau. Am meisten genieße ich es, wenn ich einen guten Tag habe und in seinem Windschatten – idealerweise vom Wind geschoben – mühelos dahingleiten kann. In der Ebene. Und wenn er es lange nicht merkt, dass ich mich nicht anstrenge. Denn seine Devise lautet: Wenn es nicht anstrengend ist, ist es nicht gut. Grundlage kannst du alleine auch fahren.

Richting Windschattenfahren

Augen zu und folgen.

Richtig Windschattenfahren. Bis der Berg kommt.

Anders sobald keine Ebene mehr. Dann ist Schluss mit Dahingleiten. Also für mich jedenfalls. Meine Beine haben gute Sensoren. Sie erkennen jede auch noch so geringe Steigung lange bevor meine Augen sie als solche ausmachen. Seit ich stolze Besitzerin eines Garmin bin, werden diese Steigungen nun auch offiziell bestätigt, sogar in Prozent. Was will Frau mehr! So habe ich es jetzt schwarz auf weiß, wenn er durch sein stetiges Treten zwischen uns wieder einmal ein Loch reißt, sich wundert, wo ich bleibe und so tut, als gäbe es weit und breit keinen Hügel. Seine Stimme schon in meinem Kopf klingend, fragend, warum ich denn abgerissen sei, antworte ich wie aus der Pistole geschossen patzig. Ich sei ja nicht auf der Flucht und die Landschaft biete so viel mehr, wenn sie nicht im Schnelllauf an mir vorbeiziehe. Oder was er denn glaube? Außerdem trittst du eine vierprozentige Steigung gleich schnell wie eine nullprozentige, füge ich dann mit einem abgeklärten Blick auf meinen Garmin hinzu.

Richtig Windschattenfahren

Endlich Windstille.

Rennradfahren ist wie Fliegen in Bodennähe.

Wenn du in meinem Windschatten fährst, mache ich für uns die Kilometer, hat er gesagt. Das stimmt so nicht. Die Kilometer mache trotzdem ich. Aber Windschattenfahren macht Spaß. Sein Windschatten macht Spaß. Diesen gibt es oft exklusiv für mich allein. Ganz allein. Er bringt Geschwindigkeiten, die ich alleine noch nicht erreichen kann. Oder will. Gepaart mit dem Klang der Laufräder fühlt sich das Fahren dann manchmal wie Fliegen an. Nur viel schöner. Weil der Boden trotzdem noch da ist.

laktrchts