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Selbsttest: Was kostet ein winterlicher Sturz mit dem Rennrad?

winterlicher Sturz mit dem Rennrad

Die Statistik war beeindruckend: über ein Jahr unfallfrei. Keine scharf geschnittenen Kurven, keine unbedachten Manöver. Doch im Winter scheint das Glück manchmal auszugleiten – buchstäblich. Wie damals. Es war ein Heimweg, wie so viele. Tag sieben der diesjährigen #festive500. Die Kür nach der Pflicht. Denn bereits an Tag fünf war diese nutzloseste Trophäe mit magischer Energie bereits am Desktop. Nichts mehr als ein virtuelles Abzeichen. Die Beine müde, die Gedanken schon bei einer heißen Dusche. Eine harmlose Rechtskurve, die ich unzählige Male gefahren bin. Ein winterlicher Sturz mit dem Rennrad und plötzlich war ab hier alles anders.

Winter, Asphalt und das Unsichtbare.

Der Asphalt hatte einen feinen, unsichtbaren Film – vielleicht Feuchtigkeit, vielleicht etwas Frost. Es war nichts zu sehen, aber mein Vorderrad fühlte es beim Einlenken sofort. Noch bevor ich realisierte, dass ich nicht mehr Herr der Lage war, war ich schon unterwegs – allerdings nicht in die Richtung, in die ich wollte. Der Moment, in dem man merkt, dass nichts mehr zu retten ist, hat eine ganz eigene Schwere.

Der Zeitlupen-Kopfsprung.

In Sekundenbruchteilen verwandelte sich die Kurve in einen Stuntfilm. Mein Vorderrad klappte weg, mein Oberkörper katapultierte nach vorne. Es war ein Kopfsprung in Zeitlupe, wie man ihn keinem Freibad empfehlen würde. Der Aufprall war heftig, kompromisslos. Meine Schulter traf zuerst den harten Boden, dann der Helm. Das Geräusch war dumpf, der Schmerz direkt und ehrlich. Ich lag da, wie ein Kartoffelsack, der vom LKW gefallen war. Ab Boden liegend sehe ich noch, wie meine blacksheep Brille an mir vorbeirollt und vom Handy aus der hinteren Trikottasche überholt wird.

Der erste Blick: Mein Rad und ich.

Noch bevor ich mich selbst prüfte, wanderte mein Blick zum Rennrad. Der Lenker war grotesk verdreht, tief in den Rahmen eingewickelt. Es sah aus, als hätte es das Rad zerknüllt wie Papier. Ein kurzer Moment des Schocks – nicht nur wegen des Zustands meines Fahrrads, sondern auch, weil mein Atem stockte. Ich schnappte nach Luft, versuchte, die Kontrolle zurückzugewinnen. Was war da eigentlich passiert?

Der Selbstcheck: Was ist kaputt?

Langsam rollte ich mich laut hechelnd zur Seite, die Hand instinktiv zu den Stellen führend, die akut m meisten schmerzten. Die Schulter? Bewegt sich, wenn auch sehr zögerlich. Die Hüfte? Aua, aber tragbar. Das rechte Knie? Ich konnte es durch die zerfetzte Hose sehen. Es blutete. War das alles? Leider nicht. Mein Atem war immer noch schwerfällig und ich spürte verdächtiges Stechen im Brustbereich. Vorne und hinten. Der Schock saß tief. Zum Glück. Das milderte die Schmerzen und stoppte jeden Gedanken an eine gröbere Verletzung. Ich bildete mir einfach ein, es sei alles in Ordnung.

Der Moment der Erkenntnis.

Ich stand schließlich auf, wackelig, wie eine Babygiraffe beim ersten Schritt. Der Körper war eine Baustelle, aber zumindest funktionierte noch alles. Mein Rennrad? Eine andere Geschichte. Der Lenker ließ sich kaum bewegen, die Schaltung hatte offensichtlich genug vom Winter und auch das Vorderrad sah aus, als hätte es die Kurve genauso wenig gemocht wie ich. Der rechte SRAM Red eTap 22 Schalthebel funktioniert nicht mehr, das Lenkerband zerfleddert und die Lenker Kappen (beide) in der Mitte gebrochen.

Auch das erst vor einem halben Jahr ausgetauschte SRAM Red eTap Schaltwerk glich einer vom Gletschereis schroff geschliffene Moräne. Mit kaputtem Helm, kaputter Winterjacke, kaputten Überschuhen (ihren teuren), kaputter Winterhose hochgerechnet ein guter Tausender, den ich am Asphalt von Klingenbach liegen gelassen habe.

Was ich daraus gelernt habe.

Während ich mir aus der Not heraus das manuelle Schalten aus den Tiefen meiner Erinnerung hervorholte, um nicht mit schiefer Kette (groß/groß) nach Hause fahren zu müssen, resümierte ich über die Notwendigkeit dieses letzten Missgeschickes des Jahres.

Winterliches Radfahren ist eine eigene Disziplin. Die versteckten Gefahren lauern überall – auf unsichtbaren Eisflächen, nassem Laub oder eben in einer vermeintlich harmlosen Kurve. Rückblickend hätte ich vorsichtiger sein können, langsamer, aufmerksamer. Oder ich einfach daheim geblieben. Aber manchmal reicht auch das nicht. Der Winter zeigt uns unsere Grenzen, mit aller Konsequenz. Ob am Rad, zu Fuß, oder mit dem Auto.

Fazit: Demut statt Heldentum.

Dieser Sturz war kein heroischer Akt, sondern ein Weckruf. Es geht nicht darum, im Winter besonders hart oder mutig zu sein. Es geht darum, klug zu fahren – und sich bewusst zu machen, dass nicht jede Gefahr sichtbar ist. Mein Rennrad wird repariert, meine Prellungen heilen (hoffentlich). Aber der Respekt vor dem Asphalt im Winter bleibt. Und das ist vielleicht die wichtigste Lektion von allen. Jetzt heißt es, den Ergometer nutzen. Denn das geht erstaunlich gut. Mit Rippengurt und in monotoner Haltung. Im Gegensatz zum Schlafen. Das funktioniert leider nur im aufrecht sitzen,. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Bin mir sicher, dass bis zum Heiraten alle verheilt sein wird. Wünsche allen noch einen unfallfreien Restwinter.

Cristian aka ktrchts