Ossiach. 19. Mai 2014. Der Sommer steht endlich vor der Tür. Marcus Wadsak vermeldet für die kommenden Tage Temperaturen bis zu 30 Grad. Ob hier in Kärnten oder woanders. Egal. Hauptsache Sonne und kein Regen. Es ist also angerichtet. Nach der Einführungsetappe und dem Bergzeitfahren stehen noch 4 spannende und anstrengede Herausforderungen bei der 3. Tour de Kärnten auf dem Speiseplan. Und die haben es in sich. „Dach der Tour“, „Tal der Gesetzlosen“, „enge Gurk“. Da hat wohl ein Hollywood Dramatiker Regie geführt.
Als ich mich vor einigen Monaten entschlossen habe, bei der Tour de Kärnten teilzunehmen, war nicht davon auszugehen, dass ich diese „verloren“ habe, bevor sie eigentlich angefangen hat. Nicht dass ich Siegambitionen gehabt hätte. Nein, zu stark das Teilnehmerfeld. Allen voran der Vorjahressieger Emanuel Nösig vom Team Sporthütte. Unter Radmarathonis kein Unbekannter. Dazu noch jede Menge weiterer Kapazunder vom Bike Express. Geht es doch in 6 Tagen über 400 km und 6.500 Höhenmeter. Ich wollte einfach mitfahren und schauen, was geht. Bis jetzt ist nichts gegangen. Ein Magen-Darm Infekt hat mich in die Knie gezwungen. Gestern habe ich zum Auftakt 30 Minuten verloren. Kraftlos. Leer. Unmotiviert. Heulend. Heute beim Bergzeitfahren waren es die härtesten 10 km meines Lebens. Ich bin als vierletzter gestartet. Zwei haben mit gleich überholt. Die Dame zum Schluss dürfte aufgegeben haben. So hat mich ab km 3 von 9 der Rettungswagen des roten Kreuzes begleitet. Im Schritttempo. 8 – 10 km/h. Immer wieder mussten die Burschen ihren Wagen kurz abstellen und abkühlen. Für mich deprimierend. Mein Ego hat gelitten. Ich war eine erbärmliche Kette links. Das Leid hatte heute einen Namen. Meinen. Nahe an der Aufgabe war ich dann doch oben. Habe eine Ewigkeit bis auf die Kanzelhöhe auf der Gerlitzen gebraucht. Dafür war ich sehr schnell wieder unten. Was leider nicht zählt.
Ein Lächeln nur für die Kamera. |
Normalerweise – Kinder aufgepasst – darf man so leer wie ich es war und wie ich es noch immer bin, nie und nimmer auf ein Rennrad steigen. Hätte ich einen sportlichen Leiter – er hätte es mir verboten. Zum Glück habe ich keinen. So bin ich noch im Rennen. Auf einen der letzten Plätze. Mal sehen, ob und wie ich mich erhole. Eine Wurstsemmerl mit Käse parkt neben mir am Tisch. Ich warte auf den richtigen Moment, um sie zu verschlingen. Wenn alles drinnen bleibt ist das ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein sehr großer Schritt für mich. Derzeit schaut es nicht danach aus, dass ich sie vertragen würde.
Auf alle Fälle kann ich die Tour de Kärnten jedem empfehlen, der in kleinem Rahmen und in sehr familiärer Atmosphäre an einem sehr schönen Plätzchen in Kärnten ein wenig Tour de France oder Giro Feeling erleben will. Was Veranstalter Bernd Neudert da auf die Beine gestellt hat, verdient Respekt und Anerkennung. Diesen Eindruck habe ich bereits an Tag 2 von 6.
Es ist die wunderschöne Kulisse rund um den Ossiacher See in der Region Villach. Dieser Rahmen ist Spektakel genug. Hier scheinen die Uhren sprichwörtlich etwas langsamer zu ticken. Hier gibt es noch den Supermarkt, wo dir der Preis der Wurstsemmel händisch auf die Verpackung geschrieben wird und wo die Waren noch mit orangem Preisetikett gekennzeichnet sind. Hier gibt es entlang des Sees jede Menge Campingplätze und keine noblen Seevillen oder monströse Hotellburgen. Hier gibt es sogar einen autofreien Tag auf der Straße rund um den See.
Tour de Kärnten, das ist Radsport auf höchstem Niveau – heute haben sich die Top 5 auf der Walze für das Bergzeitfahren aufgewärmt – und entspannter Urlaub. Die kurzen Etappen ermöglichen eine rasche Rückkehr zu den Liebsten. Sofern diese mitdürfen ;-). So bleibt Zeit für andere Aktivitäten. Kuscheln. Plantschen. Flanieren. Kinderprogramm. Tour de Kärnten ist das Erkunden interessanter Flecken. So sind wir gestern auf die Burgruine Landskron hinaufgefahren. Normalerweise ist hier für Räder kein Durchkommen. Verständlich. Hat die Straße bis zu 20% Steigung. Tour de Kärnten ist eine ausbaufähige Vision. Kein Vergleich zur Tour Transalp oder dem Peacbreak. Das wäre vermessen. Was hier an Marketingbudget fehlt wird mir viel Skilehrerschmäh und Herzblut wettgemacht.
Tour de Kärnten ist wohl für viele ambitionierte Rennradfahrer eine gute Standortbestimmung. Und es gibt was zu holen. Tagessieger werden gekürt. In verschiedenen Klassen. Und es gibt einen aktuellen Gesamtführenden bzw. eine Gesamtführende. Beide tragen das blaue Trikot. Bei den Damen ist es aktuell Kopietz Caroline vom Team BMW Radsport. Googelt die Dame einmal und staunt. Insgesamt € 3.000 an Preisgeld werden am Ende ausgeschüttet. Ich werde wohl leer ausgehen. Sogar das Finisher Trikot steht noch in den Sternen.
Ich schaue, wie ich die nächsten Tage (und ob ich die nächsten Tage) überstehe und werde dann nochmals berichten. Oder auch mehrmals.
Stay tuned.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
PS: Heute habe ich trotz allem nur eine Position verloren. Das ist doch gut, oder?