Orechová Potôň. Mittwoch 27. Juni 2018. Kurz vor Mittag. Auf der Zielgeraden des Slovakia Ring tummeln sich nervös bunte Gestalten. Damen und Herren mit Rennrad. Dazu gesellen sich Begleiter, Freunde, Bekannte und Familienangehörige. Aus den Lautsprechern tönt eine männlcihe slovakische Stimme. Irgendwas mit “cycling race” und 24 Stunden. Der Rest bleibt ein Geheimnis für viele. Eine Uhr gibt unmissverständich zu Protokoll “time to go 24:00:00”. Es ist wieder 24h Radmarathon Zeit. Ein Radurlaub mit Freunden. Team ketterechts ist nach 2017 auch heuer wieder mittendrin statt nur daheim.
Eine lange Rennradreise im Kreis.
Die erfreulichste Nachricht gleich zu Beginn. Mit knapp 860 km, 145 Runden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von beinahe 38 km/h belegte das Team ketterechts mit Florian, Matthias, Mario und dem Namensgeber schlussendlich den 3. Platz in der Kategorie und den 15. Gesamtplatz. Die wilden Jungs haben den Alten ganz schön gefordert. Die lange Rennradresie im Kreis hat sie belohnt.
Der Weg auf das Stockerl (Podest) war lang. Und vor allem rutschig und nass. Von den 24 Stunden vergingen fast exakt 12 als herbstlich feuchter und sehr stürmischer Ritt durch das slovakische Hinterland. Regen und Wind von sieben Uhr Abends die ganze Nacht durch bis in die frühen Morgenstunden. Dank demokratischer Teamentscheidung – es war Mario, der ein Machtwort gesprochen hatte, während der Teamchef in der Dunkelheit seine Pflicht erfüllte, stellte man sich zu viert dieser nächtlichen Herausforderung. Man wankte, kippte aber nicht.
Mit Erfolg. Auch wenn genau in der Nacht, der weit entfernte, winzig kleine Traum vom Sieg mit dem Regenwasser über die Curbs dahingeschwommen ist. Das Expendables Cycling Team war einfach zu stark. Zu gut. Viel zu schnell. Bei Tag. Bei Nacht. Im Trockenen. Im Regen. Mit dem Wind. Gegen den Wind. Sie zauberten Rundenzeiten in den Asphalt, die einfach unmenschlich waren. 24 Stunden lang. Chapeau. Waren vor Dunkelheit und Regen noch drei 4er Teams gleichauf, brachte das schlechte Wetter auch die Wende. Vorneweg die Sieger von 2017, dahinter Team SKA, dieketterechts, Trinitas Sport Club und Hunday Cycling Team Rad an Rad. Für spannende Langweile war alles bestens vorbereitet. Letztendlich konnten Team SKR und Team ketterechts einen deutlichen Vorsprung herauschwimmen und sich die Plätze 2 und 3 genehmigen.
24h Radmarathon – eine spannende Langweile.
Neben dem sportlichen Aspekt, ist ein 24h Radmarathon auch durch den gebotenen und sich ergebenden Rahmen eine Rennradreise wert. Dabeisein ist mehr als alles. Hören, fühlen und vor allem reden. Mit Gott und der Welt. Über Gott und die Welt. Das Leben an der Rennstrecke erstreckt sich über 31 Boxen, einen rießen Parkplatz und ein Ring-Restaurant. Dort gibt es rund um die Uhr essen. Menü 1 und Menü 2 sind für die Fahrer inklusive. Huhn mit Reis und Huhn mit Salat.
Was den vielen Einzelfahrern verborgen bleibt, bereichert die Teams und deren Fangemeinde. Party, Musik, Kulinarik, Camping – Höhen und Tiefen, alles auf engstem Raum. Fast wie Urlaub. Von All-Inklusive bis Individualtourismus. Von ****Sterne bis zur Übernachtung im Auto. 24h sind lang und haben viel zu erzählen.
Jede Geschichte beim 24h Radmarathon am Slovakia Ring macht diese Veranstaltung so einzigartig. Der Le Mans Start zu Beginn. Ein Wirr-Warr an Rennrädern, Rennradfahrern und Betreuern. Sinnlos aber spektakulär. Die ca 10m2 große Box als pulsierendes Herzstück jedes Teams. Hier wird auf engstem Raum gewohnt, geschlafen und gegessen. Es wird Wäsche gewaschen, Wäsche getrocknet und Wäsche gesucht. Einzigartig ist am Slovakia Ring auch der Wind. Der Wind als Freund, der Wind als Feind. Wenn er schiebt, ordentlich schiebt, dann weiß man, dass man eine Kurve später von ihm gebremst wird. Ordentlich gebremst.
Wenn sanfte Anstiege zu Mörder-Berge werden.
Auch die vier sanften, über den 5,9 km lanken Kurs verteilten Anstiege haben Kultcharakter. Außerdem sind sie ein physikalisches Phänomen. Runde für Runde wachsen sie und werden höher. Am Ende sind sie mit einem Timmelsjoch locker vergleichbar. Sanfte Ansteige die zu Mörder-Berge werden. Einzigartig sind auch die vielen roten Punkte auf der Strecke. In der Nacht. Manche kommen nicht näher. Niemals und nie mehr. Andere hingegen ziehen magisch an. Motivieren. Wecken den Ehrgeiz. Verwandeln sich von rot in einen hellen Lichtkegel, der dann langsam hinten verschwindet. Die teilweise gut beleuchtete Strecke macht es möglich, dass man im Ermangelung einer Ixon IQ Speed auch mit der Ali-Express Knopfzellen-Version auf die Strecke darf. Man sollte da und dort aber keine Angst vor pechschwarzer Dunkelheit haben und dem eigenen Schicksal vertrauen wollen.
Es ist auch die Stimmung. Dieses Miteinander. Auf der Strecke und abseits. Man bestaunt und wird bestaunt. Man lernt sich kennen. Stunde für Stunde. Runde um Runde. Auch Lob ist nicht ausgeschlossen. “Strong” oder “Dobre, dobre” sind öfters gefallen als “Schleich di”. Ich glaube so einen Spirit nennt man Ultracycing. Recht bald weiß man mit wem man fahren will. Man weiß, hinter wen man fahren will und fahren kann. Und bald wissen auch andere, dass sie gerne hinter einem fahren wollen. Falls sie können.
24 Stunden Radmarathon – eine sehr lange Zeit.
Auf der Strecke vergeht die Zeit kaum. Oder nur langsam. Alles rennt in Zeitlupe ab. Vor allem die eigene aktive Runde. Die Uhr ist erbarmungslos. Die große “Time to Go” LED-Anzeige scheint zu hängen. Die Pausen hingegen verstreichen im Schnelldurchlauf. Kaum in der Box, wird gerechnet. Einer ist draußen, zwei sind noch da. Oje. Bald muss ich wieder raus. Diese Psyche treibt einen in den Wahnsinn. Man denkt als 4er Team in Runden. Teilt die Ruhepausen danach ein. Toilette, Essen, Umziehen. Alles eine Frage der Rundenzeit. Dabei sind die Runden der anderen immer viel schneller zu Ende und die eigene Pausen somit auch.
Das Leben in den Boxen ist multikulturell. Der Flair daher besonders. Auch die Stimmung. Rennradfahrer mit Sinn für Ordnung und Planung treffen auf Chaoten und Meistern der Improvisation. Luxus trifft auf Askese. Da ein riesiges Motor-Home, dort ein einzelner in Kältefolie gewickelter Fahrer, der frierend im Stehen auf seinen nächsten Einsatz wartet. Leidenschaft trifft auf Verbissenheit. Vom Sich-auf-der-Rolle-Aufwärmenden bis hin zum Ich-muss-jetzt-schnell-mal-aufs-Rad. Jeder fährt für sein Ziel und gegen seinen Schweinehund. Dieser hatte am Slovakia Ring viele Namen. Regen, Wind, Müdigkeit, Hunger, Nässe, Kälte und Aquaplaning.
Der Innere Schweinehund hat viele Namen.
Plötzlich waren nur mehr 5 Runden zu fahren. “Time to go” wurde zu “laps to go”. Die Sonne hatte den Ring wieder getrocknet. Die letzten Pfützen waren versiegt. Vieles schnell vergessen. Die lange, dunkle, einsame und nasse Nacht. Der Blindflug. Die Angst in den Kurven. Das ständige Ausziehen nasser Sachen und das ständige Anziehen nasser Sachen. Der 24h Radmarathon am Slovakia Ring endete für alle versönlich. In kurzer Hose und kurzem Trikot. Alles, was noch an die harte, vergangene Nacht erinnete, waren die quitschenden Ketten und deren Schrei nach Öl. Ende gut. Alles trocken. Wir sehen uns 2019 wieder.
ktrchts
Hut ab und Respekt vor dieser Leistung. Und noch dazu ein respektables Ergebnis.
Nur weiter so! 🙂
Top Leistung. Gratuliere!
Eine super Leistung! In einer Woche gehts auch für unsere Rennrad-Gruppe gemeinsam in den Urlaub. In Südtirol unternehmen wir schon seit 2 Jahren vom Hotel Lindenhof aus die schönsten Touren, gerne auch mal mit dem Gastgeber. Die Passstraßen haben es uns besonders angetan. Grüße, Johannes
[…] weststeirischen Ökoregion startet gleich. Endlich bin ich mittendrin, statt nur daheim. Nach dem Slovakia Ring das nächste Langzeitabenteuer. Diesmal als Legionär beim “10 minus 1” Mann- Cisco […]