Alle Artikel von @_ketterechts

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich

Stell dir vor: Du schwingst dich morgens auf dein Fahrrad, setzt den Helm auf – und bist für manche Autofahrer plötzlich kein Mensch mehr, sondern ein bewegliches Hindernis. Kaum zu glauben? Eine aktuelle australische Studie aus dem Jahr 2023 wirft ein Licht genau auf dieses verzerrte Wahrnehmungsmuster. Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

In “The effect of safety attire on perceptions of cyclist dehumanisation” (Mark Limb & Sarah Collyer, erschienen 2023 in Transportation Research Part F) wurden 563 Autofahrer*innen befragt. 

Das Ergebnis: 30 % der Befragten betrachteten Radfahrende als „nicht vollständig menschlich“ – ein erschütternder Befund, der zeigt, wie tief die Entmenschlichung sitzen kann. 

Mit sogenannten paired-choice-Bildern (je zwei Varianten mit Unterschieden im Erscheinungsbild) testeten die Forscher:innen, welches Bild eher als „weniger menschlich“ wahrgenommen wird. 

Zu ihren Hypothesen gehörte, dass Helme die Sicht auf Augen und Haare verdecken – also zentrale Merkmale, mit denen wir instinktiv Menschsein erkennen – und so die Wahrnehmung dämpfen könnten. 

Kleidung, Helm & Sichtbarkeit – die fatalen Unterschiede

Die Studie identifizierte zwei Knackpunkte, die das Entmenschlichungsgefühl besonders befördern:

  1. Sportliche Kleidung (Lycra, eng anliegendes Rad-Outfit) Autofahrer*innen neigten bei Bildern mit Radlern in Sportklamotten dazu, sie stärker zu entmenschlichen – offenbar, weil diese Kleidung klar signalisiert „Radfahrer“ in Reinform und damit Zugehörigkeit zu einer (oft kritisierten) Gruppe. 
  2. Helm + sichtbare Schutzausrüstung Radfahrende mit Helmen wurden 2,5-mal häufiger als „weniger menschlich“ bewertet im Vergleich zu solchen ohne Helm.  Noch extremer: Radler*innen in Sicherheitswesten ohne Helm landeten auf dem Spitzenplatz der Entmenschlichung – sie wurden 3,7-mal wahrscheinlicher als weniger menschlich gilt. 

Bemerkenswert: Der Effekt war stärker mit sichtbarer Schutzausrüstung verbunden als mit dem reinen Abdecken von Augen und Haaren. 

Auch das Geschlecht der Befragten spielte eine Rolle: Männer neigten eher dazu, keinen Unterschied zwischen Ausstattungen wahrzunehmen, während Frauen stärker Unterschiede in der Vermenschlichung zeigten. 

Wenn Schutz zur Schwäche wird

Das klingt paradox: Der Helm – eigentlich Lebensretter – wird hier zur Barriere in der Wahrnehmung. Doch solange Autofahrer*innen Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Geschichten und Familien erkennen, bleibt der Straßenalltag gefährlich.

Auch politische Maßnahmen wie Helmpflicht wirken in diesem Zusammengang fragwürdig. HeImpflicht, die ich persönlich befürworte. In Ländern mit solchen Gesetzen sank laut früheren Studien die Begeisterung fürs Radfahren – und der Sicherheitsgewinn blieb oft aus. Die australische Studie legt nahe: Wenn Radfahrende mit Schutzkleidung entmenschlicht werden, könnten Autofahrer wiederum riskanteres Fahrverhalten zeigen, da sie die Radfahrer als „geschützte Objekte“ statt als verletzliche Menschen wahrnehmen.

Warum das keine kleine Theorie ist – sondern folgenschwer

Entmenschlichung ist kein harmloses psychologisches Phänomen. In der Soziologie und Psychologie gilt sie als Grundreiniger von Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung. Wer einer Person ihre Identität, Verletzlichkeit oder Einzigartigkeit abspricht, schafft den Nährboden für Aggressionen, Unterdrückung oder Missachtung.

Wenn Radfahrende als „Radfahrer:innen“ entmenschlicht werden, reduziert sich ihr Status in den Augen anderer. Kein Wunder also, dass in Foren und auf der Straße privates Desinteresse bald in aggressive Gesten oder lebensgefährliche Ausweichmanöver umschlägt.

Mein Appell: Mehr Mensch – weniger Hindernis

Ich will hier kein Plädoyer für oder gegen Ausrüstung führen – Sicherheit bleibt wichtig. Doch das eigentlich Erschreckende ist etwas anderes: Die Studie zeigt, dass viele Autofahrende Radler schlicht nicht als Menschen wahrnehmen. Nicht, weil wir uns falsch kleiden oder weil uns ein Detail fehlt, sondern weil wir als „Radfahrer:innen“ automatisch in eine Schublade gesteckt werden – und in dieser Schublade hört das Menschsein auf.

Diese Erkenntnis ist schockierend. Denn sie bedeutet: Ganz egal, wie viele Sicherheitsregeln wir einhalten, wie sichtbar wir uns machen oder wie sehr wir uns bemühen – solange Autofahrer*innen uns nicht als Menschen sehen, sind wir im Straßenverkehr gefährdet. Und genau hier liegt die eigentliche Krise.

Was ich mir wünsche?

  • Kampagnen zur Rehumanisierung: Bilder von Radfahrer*innen mit Gesichtern, Namen, Geschichten können Bewusstsein schaffen (z. B. in der Studie vorgeschlagen). 

  • Fahreraufklärung in Fahrschulen: Nicht nur Technik lehren, sondern Empathie – dass hinter jedem Radfahrer ein Mensch steht.

  • Infrastruktur stärken: Radwege, sichere Übergänge und klare Prioritäten auf der Straße zeigen unmissverständlich: Radfahrende gehören dazu.

  • Politische Debatten differenzieren: Pflichten (wie eine Helmpflicht – die ich persönlich befürworte) allein ist kein Allheilmittel, wenn die Wahrnehmung fehlt – wir brauchen ein viel breiteres Konzept für sichere Mobilität.

Was wirklich zählt

Die Studie liefert eine unbequeme Wahrheit: Mehr Helme, Blinker oder grelle Warnwesten werden das Problem nicht lösen.

Solange

Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Namen, Familien und Geschichten sehen, bleibt die Straße ein unsicherer Ort.

Radfahrende sind nicht „Verkehrshindernisse“ – sie sind Mütter, Väter, Kinder, Freunde. Erst wenn diese Wahrnehmung sich ändert, wird Radfahren wirklich sicher.

Cristian G. aka #ktrchts 

 

Wer schützt uns Radfahrende, wenn niemand zuständig ist?

Wer schützt uns, wenn niemand zuständig ist

Es war ein ganz normaler Tag, ein ganz normaler Abschnitt Landstraße in Müllendorf. Und doch wurde daraus ein Paradebeispiel dafür, wie man im österreichischen Verwaltungsapparat Verantwortung so lange hin- und herschiebt, bis sie sich in Luft auflöst. Mit der Frage, wer schützt uns Radfahrende, wenn niemand zuständig ist?

Der Vorfall selbst ist schnell erzählt: Ein Linienbus (Linie 904, Verkerhsverbund Ost-Region im Auftrag der NÖVOG) überholt mich auf einer Fahrbahn, die nur knapp drei Meter breit ist. Der Bus selbst misst zweieinhalb Meter. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand beim Überholen von Radfahrenden beträgt 1,5 Meter. Wer einen Taschenrechner besitzt – oder einfach nur gesunden Menschenverstand – kommt rasch zum Ergebnis: Das geht sich nicht aus. Niemals.

Doch die Situation war noch absurder: Der Busfahrer überholte an einer Stelle, die wie ein Lehrbuch-Beispiel für Überholverbote aussieht. In Fahrtrichtung eine Rechtsabbiegespur. Daneben Sperrflächen mit Gitterlinien und ein Fahrbahnteiler. Ein Schutzweg, an dem Überholen sowieso verboten ist. Und gleich danach: wieder Sperrflächen. Jeder Fahrschüler würde lernen: Hier bleibt man hinter dem Radfahrer. Jeder, außer eben dieser Fahrer.

Überholen ohne Regelburch unmölgich

Von der Straße ins Büro

Das Ganze wäre schon schlimm genug – doch der eigentliche Tiefpunkt kam erst nach dem Überholen. An der nächsten Haltestelle sprach ich den Fahrer darauf an. Seine Antwort: „Hob di eh g’sehn.“ Und, mit einer Mischung aus Gelassenheit und Zynismus: „Zeig mich halt an.“ Deutlicher kann man Vorsatz nicht formulieren. Er wusste, was er tat. Und er tat es trotzdem. Über das „is sich eh ausgegangen“ diskutiere ich nicht, dann das war sicher keine Verdienst des Fahrers, sondern ein perfekter Balance-Akt meinerseits.

Also tat ich, was man als Bürger tun kann (soll): Ich dokumentierte den Vorfall, schrieb zuerst an den VOR Kundendienst und danach an die NÖVOG (VOR wäre nicht zuständig, obwohl ganz groß auf dem Bus ersichtlich). Die NÖVOG wolle von allem nichts wissen und keine Ahnung haben (Welcher Bus? Welche Linie?). Ich wurde mit den Worten „Laut Aussage des betroffenen Fahrers wurde der Überholvorgang unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands und in angemessener Geschwindigkeit durchgeführt. Dennoch ist uns bewusst, dass das subjektive Sicherheitsempfinden in solchen Situationen stark variieren kann – insbesondere, wenn es zu einem sehr knappen Überholvorgang bei einem Fahrbahnteiler kommt“) wohl eher verarscht, als besänftigt. 

Also war der nächste Schritt erforderlich. Ich schrieb eine Sachverhaltsdarstellung an die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung. Kopie an die NÖVOG.

Schließlich geht es nicht nur um mein subjektives Empfinden, sondern um ein strukturelles Problem: Eine Straße, auf der ein Überholen rechnerisch unmöglich ist, und ein System, das dennoch Überholmanöver zulässt.

Die Antworten waren ernüchternd. Und zugleich erhellend.

Ping-Pong der Zuständigkeiten

Die NÖVOG meldete sich in Person des Pressesprechers zuerst. Reine Schreibrhetorik. Man könne meinen Unmut verstehen, man stehe zu 100 Prozent auf meiner Seite, wenn es um Sicherheit gehe. Sehr freundlich. Aber dann der entscheidende Satz:

Wir sind nur Auftraggeber der Regionalbusleistungen. Die Fahrer stehen im Dienstverhältnis zum Verkehrsunternehmen.

Mit anderen Worten: Wir machen die Fahrpläne. Für das Fahrverhalten sind wir nicht zuständig.

Das Verkehrsunternehmen wiederum – die Ausführer – tauchten in den Antworten nur indirekt auf. Sie hätten den Fahrer zur Rede gestellt und ermahnt, hieß es. Ermahnt! Für ein Überholmanöver, das objektiv lebensgefährlich war. Keine Konsequenzen, kein Hinweis auf systemische Schulung, nur eine mahnende Geste.

Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung wiederum erklärte, dass sie in diesem Fall nicht zuständig sei. Die StVO mag gebrochen worden sein, die Gefährdung mag da gewesen sein – aber man wolle sich damit nicht befassen.

Und so schaukelte es sich hoch zum vielleicht schönsten Satz in dieser ganzen Chronologie, formuliert vom Pressesprecher der NÖVOG:

Wir sind weder Konzessionsbehörde noch Verkehrsunternehmen noch Exekutivbehörde.

Kürzer lässt sich die Absurdität nicht zusammenfassen: Wir sind’s nicht. Wir machen nur den Fahrplan.

Transparenz oder Verantwortung?

Zwischendurch garnierte man das Ganze noch mit Floskeln: „Wir stehen zu 100 % auf Ihrer Seite.“ Oder: „Dass wir die Darstellung des Verkehrsunternehmens weitergeben, ist nur ein Zeichen unserer Transparenz.“

Das klingt gut. Nur leider bleibt die Frage offen: Wenn alle transparent sind, aber niemand zuständig, wer übernimmt dann Verantwortung?

Auch die Nachfrage nach konkreten Maßnahmen blieb unbeantwortet. Schulungen für Fahrer:innen? Fehlanzeige. Systematische Überprüfung von Strecken, wo Überholen baulich unmöglich ist? Nicht vorgesehen. Konsequenzen, wenn Fahrer trotz Vorsatz handeln? Nicht in ihrem Kompetenzbereich.

Die Mathematik der Realität

Dabei ist das Problem banal, fast kindlich klar.

  • Fahrbahnbreite: 3,0 bis 3,2 Meter
  • Busbreite: 2,5 Meter<
  • Breite des Radfahrers: 0,6 Meter<
  • Mindestabstand: 1,5 Meter
  • Seitenabstand zum Straßenrand: 0,7 Meter< (empfohlen)

Rechnung: 2,5 + 1,5 = 4,0.. Erforderlich wären also mindestens vier Meter – plus Platz für den Radfahrer selbst. Also noch einmal ein Meter. Macht rund fünf Meter. Tatsächlich vorhanden: drei. Es fehlen also mindestens zwei Meter. Diese zwei Meter sind der Unterschied zwischen „sicher überholt“ und „Radfahrer unter dem Bus“.

Und doch bleibt das System gelassen. Der Fahrer: „Hob di eh g’sehn.“ Die NÖVOG: „Wir sind nicht zuständig.“ Die Behörde: „Nicht unser Bereich.“

Das große Ganze

Was sich hier zeigt, ist mehr als ein Einzelfall. Es ist ein System, das Verantwortung in so feine Scheiben schneidet, dass sie am Ende verdampft. Auftraggeber, Ausführer, Fahrer, Behörde – jeder für ein Stück zuständig, aber keiner für das Ganze.

Die Ironie dabei: Würde man denselben Vorfall einem Fahrschüler vorlegen, wäre die Antwort eindeutig: „Hier darf man nicht überholen.“ Ein Anfänger wüsste das. Aber ein Profi am Steuer eines Linienbusses darf es – und bleibt ohne echte Konsequenz.

Resignierter Schluss

So bleibt am Ende nur Zynismus. Wenn der Fahrer sagt: „Ich hab dich gesehen“ „Sei froh, dass alles noch gut gegangenist“ und „Zeig mich halt an“, die NÖVOG sagt: „Wir machen nur Fahrpläne“, und die Behörde sagt: „Nicht unser Bereich“, dann ist wohl tatsächlich niemand zuständig.

Vielleicht muss ich mich künftig an höhere Instanzen wenden. An das Schicksal. An das Universum. Oder an den lieben Gott. Denn wenn es in diesem Land um Zuständigkeiten geht, dann sind alle zuständig – bis keiner mehr übrig bleibt.

Und wenn ich das nächste Mal unter einem Bus liege, dann immerhin mit der beruhigenden Gewissheit: Es war niemand schuld.

Bleibt gesund und passt auf euch auf
Cristian aka #ktrchts 

PS:

Manche werden sagen: „Ach komm, so schlimm war’s doch nicht. Wirst halt knapp überholt. Passiert mir auch ständig. Reg dich nicht so auf.“

Genau deswegen tue ich mir diesen Aufwand an. Weil wir uns schon so sehr an das Gefährliche gewöhnt haben, dass wir es für normal halten. Weil „knapp überholt“ nicht bedeutet, dass nichts passiert ist – sondern, dass diesmal nur zufällig nichts passiert ist.

Wenn ein Linienbusfahrer sagt „Hob di eh g’sehn“ und dabei wissentlich den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand missachtet, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Das ist Vorsatz. Und der Unterschied zwischen Zentimetern und Metern ist in diesem Moment der Unterschied zwischen „alles gut gegangen“ und „Radfahrer unter dem Bus“.

Es geht nicht um mein subjektives Empfinden. Es geht nicht nur darum, dass die StVO klare Regeln vorgibt: 1,5 Meter Mindestabstand. Sondern auch, dass ein gutes Miteinander Regeln und Verständnis braucht. Dass Straßen so geplant und markiert werden müssen, dass dieser Abstand überhaupt eingehalten werden kann. Und dass Unternehmen und Behörden Verantwortung übernehmen, statt sie zwischen sich hin- und herzuschieben, bis sie sich auflöst.

Ich mache mir diesen Aufwand, weil ich nicht akzeptiere, dass Sicherheit im Straßenverkehr zur Verhandlungsmasse wird. Weil jeder Radfahrer, jede Radfahrerin ein Recht darauf hat, nicht nur gesehen, sondern auch geschützt zu werden.

Und ja – ich werde es weiterhin tun. Auch wenn es mühsam ist. Auch wenn es einfacher wäre, zu schweigen und sich zu fügen. Denn wenn wir alle sagen „Es passiert halt, reg dich nicht auf“, dann bleibt am Ende alles beim Alten. Und irgendwann ist das Opfer nicht mehr „nur“ ein paar zerzauste Nerven, sondern ein Menschenleben.

 

King and Queen of the Lake 2025

King and Queen of the Lake 2025

Ein Sommer-wie-damals-Revival punktgenau geplant und ausgeführt. Der Attersee glänzte wie poliertes Carbon. Kaiserwetter im Salzkammergut. Glattes Wasser, brennende Beine. Alles war angerichtet für den King and Queen of the Lake 2025. Und alle wissen und fühlen es. Dieses in Europa einzigartige Einzelzeitfahren rund um den See ist kein Rennen – es ist ein Hochamt des Radsports, ein Watt-Festival für Tempo-Gläubige. Wer hier mitfährt und die Ziellinie so schnell wie möglich überquert, graduiert in Velocitas honoris – Summa cum laude, versteht sich

Mixed Rebels statt Mixed Klischees

Auch dieses Jahr mittendrin statt nur daheim. Mein Mixed-Team. Während die meisten Mixed-Teams (immer noch) aus vier Männern und einer Frau bestehen, drehe ich schon zum dritten Mal den Spieß um. Mixed Rebels – ein Name, der Programm macht. Bei mir sind es drei Damen und ein Herr. Nicht nur aus Prinzip, viel mehr aus Überzeugung: Radsport gehört geteilt, nicht quotiert.


So unterschiedlich die Reaktionen darauf sind, so klar bleibt die Botschaft. Manche feiern uns für den Mut, andere schütteln ungläubig den Kopf, als hätten wir die UCI-Regeln neu erfunden. Doch genau darum geht’s: Den Rahmen zu sprengen, Klischees zu brechen, Chancen zu schaffen. Denn auf der Straße zählen keine Rollenbilder, sondern nur Watt, Wille und Witz.

Die jährliche Damenwahl

Jedes Jahr wiederhole ich mein kleines Ritual: die Damenwahl. Drei Frauen, zufällig ausgewählt, bilden mit mir die Mixed Rebels. Dieses Jahr waren es Anne aus Zürich, die mit schweizerischer Präzision und deutscher Gründlichkeit jede Kurve millimetergenau geschnitten hat. Außerdem hat sie als Rookie das gesamte Internet leer gelesen, um bestens vorbereitet zu sein. Dabei auch Chantal aus Graz, die das Stehvermögen einer Löwin mit dem Humor einer Kabarettistin kombiniert, und Natalie vom Veranstalterverein Atterbiker. Natalie kam erst ins Spiel, als ich schon dachte, wir würden mit einem Loch auf der Startrampe stehen. Doch sie hat meinen Hilfeschrei gehört und das Quartett kurzerhand vervollständigt – ein Joker aus dem eigenen Stall. Und was für ein Joker – Natalie war ein Jackpot.

Von Bewerberinnen und Absagen

Was wie ein lockeres Spiel klingt, ist in Wahrheit die härteste Disziplin. Denn die Nachfrage nach einem Platz bei den Mixed Rebels wächst von Jahr zu Jahr. Viele Bewerberinnen melden sich, voller Energie, voller Lust, den See zu rocken. Und jedes Mal bricht es mir ein kleines Stück das Herz, wenn ich Nein sagen muss. Ich würde mit allen fahren, was erstens organisatorisch nicht möglich ist und zweitens auch meine körperliche Physis nicht zulassen würde. Es gibt eben leider nur vier Startnummern. Dieses „Nein“ ist also kein Ausschluss, sondern eine Einladung: nächstes Jahr, neue Chance.

Kurzfristige Absagen machen die Situation auch nicht besser. Denn je näher der Tag X rückt, desto mehr Speed-Junkies tauchen auf – süchtig nach der einmaligen Chance, Teil dieses Rausches zu sein. Der King and Queen of the Lake wirkt wie eine Droge: Wer einmal geschnuppert hat, will mehr. Und ein vakanter Startplatz lockt wie der letzte Schuss Espresso vor dem Rennen – heiß begehrt, schnell vergriffen und garantiert nicht schlaffördernd.

47,2 Kilometer im Rausch

Und dann, wenn endlich alle Trikots sitzen und die Startnummern klappern, wird aus Theorie Praxis. Schulter an Schulter, im Wind, im Rausch, im Jetzt. 47,2 Kilometer später standen 1 Stunde und 14 Minuten auf der Uhr. 38 km/h im Schnitt, getragen von Teamgeist, Adrenalin und einer Prise Wahnsinn. Kein Rennen im klassischen Sinne, sondern ein Tanz auf schmalen Reifen. Jede Attacke gegen die Uhr, jedes Ziehen im Oberschenkel wurde belohnt – mit dem Wissen, dass man gemeinsam mehr schafft, als man alleine je könnte.

Das Video zum Wahnsinn

Rebels ride different. Festgehalten in Bildern, die nach Schweiß, Watt und Freude riechen. Mitten in der Elite der Zeitfahr-Community und aller, die Radsport im Herzen tragen. Betreut und gehätschelt von einem leidenschaftlichen Organisations-Team, freiwilligen Helfern, Exekutive, Sanitäter und vielen Zuschauern entlang der Strecke. Radsport-Emotionen pur. Laktat und Glück inklusive. Wer das Rennrad liebt, muss einmal beim King and Queen of the Lake starten – oder noch besser, immer wieder.

 


Danke Anne, Chantal und Natalie. Ohne euch wäre dieses Erlebnis nicht möglich gewesen. Ihr habt nicht nur Watt aufs Pedal gebracht, sondern auch Herz, Humor und diese unerschütterliche Lust, Grenzen zu verschieben. Mit euch wurde aus einem Rennen das sprichwörtliche Volksfest – und aus einem Team die Mixed Rebels.

Wir sehen uns auf alle Fälle 2026 wieder. Wer will mitfahren?

Cristian Gemmato aka #ktrchts

1,5 Meter Mindestabstand. Kollision zwischen Gesetz und Realität

1,5 Meter Mindestabstand

Am 5. September habe ich auf der Wiener Straße in Großhöflein nahe Eisenstadt (Burgenland) eine Lektion gelernt, die ich eigentlich nie lernen wollte: Wenn ein Linienbus unbedingt überholen will, dann passt auf drei Metern Fahrbahnbreite plötzlich alles – selbst der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern zu Radfahrenden. Zumindest, wenn man Sicherheit als dehnbare Größe betrachtet.

Der Busfahrer, Linie 904, Kurs 113, rauschte trotz eines Fahrbahnteilers an mir vorbei. Schwer vorstellbar, da auf einer 3 Metern breiten Fahrbahn rechnerisch ein 2,5 Meter breiter Bus, ein 1,5 Meter gesetzlich geregelter seitlicher Abstand und ich nie Platz gehabt hätten. Sicherheit? Objektiv nicht vorhanden. Juristisch eine klare Sache:

  • § 15 Abs. 4 StVO verlangt ausreichenden seitlichen Abstand.

  • Rechtsprechung (OGH 9 ObA 33/18b): innerorts mindestens 1,5 Meter.

  • § 26 Abs. 2a FSG macht das zur Pflicht.

  • Und: Überholen ohne diesen Abstand ist schlicht unzulässig (§ 17 StVO).

Der Fahrer wusste das. Sein Kommentar an der Haltestelle: „Hob di eh g’sehn.“ Übersetzt: Ich habe dich wahrgenommen, aber trotzdem entschieden, dass dein Leben weniger wert ist als meine Pünktlichkeit. Als ich insistierte, legte er nach: „Is sich eh ausgegangen.“ Sprich: Ich hatte Glück. Und zum Schluss: „Zeig mich halt an.“ – begleitet von einem süffisanten Grinsen.

Roulette mit Menschenleben

Ich habe den Vorfall juristisch dokumentiert und an den Verkehrsverbund gemeldet. Die Antworten sind ein Lehrstück dafür, wie man Verantwortung elegant im Kreis schickt:

  1. Der Verkehrsverbund: „Wir sind nicht zuständig, bitte an die NÖVOG wenden.“ – oder anders gesagt: Danke für Ihren Hinweis, aber machen Sie Ihre Hausaufgaben bitte bei jemand anderem.

  2. Die NÖVOG, erste Antwort: „Wir entschuldigen uns, bitte schicken Sie uns die Liniennummer.“ – eine Information, die angesichts von Uhrzeit, Ort und Foto wohl auch intern auffindbar gewesen wäre. Für mich blieb der Eindruck: Recherchearbeit outsourcen, am besten an den Betroffenen selbst.

  3. Die NÖVOG, zweite Antwort:

    • Der Fahrer habe den Mindestabstand eingehalten (was faktisch nicht möglich ist)

    • Sicherheit sei auch „eine Frage des subjektiven Empfindens“.

    • Die unangebrachten Aussagen des Fahrers bedaure man, man werde intern nochmals „auf Rücksichtnahme hinweisen“.

Kurz: alles nicht so schlimm, nur ein Missverständnis im Kopf des Radfahrers.

 

Meine juristische Bewertung

Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um Geometrie. Ein Linienbus ist rund 2,5 Meter breit. Addiert man 1,5 Meter Abstand zum Radfahrer, landet man bei 4 Metern. Die Straße misst 3. Objektiv unmöglich. Kein Empfinden, keine Interpretation – einfach nur Mathematik.

Dass die NÖVOG aus dieser faktischen Unmöglichkeit eine angeblich regelkonforme Handlung macht, ist mehr als absurd. Es ist eine Relativierung einer konkreten Lebensgefahr.

Rein rechtlich bleibt:

  • Vorsatz (§ 5 StGB), weil der Fahrer mich gesehen hat und die Gefährdung bewusst in Kauf nahm.

  • Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB).

  • Arbeitsrechtlich: grober Pflichtenverstoß, da Busfahrer zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind.

  • Zivilrechtlich: volle Haftung im Schadensfall (§§ 1295 ff. ABGB).


Fazit

Nach meinem Verständnis ist ein Überholmanöver auf einer etwa 3 Meter breiten Fahrbahn mit einem Linienbus von ca. 2,5 Metern Breite unter Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes von 1,5 Metern faktisch ausgeschlossen. Die notwendige Fahrbahnbreite übersteigt die tatsächlich vorhandene deutlich. Die Behauptung, ein solches Manöver sei möglich, entbehrt daher jeder realistischen Grundlage.

Es handelt sich hierbei nicht um eine Frage eines subjektiven Sicherheitsempfindens, sondern um eine objektiv nachvollziehbare, mathematisch belegbare Unmöglichkeit.

Aus dem Schreiben der NÖVOG (Kundendienst) entnehme ich, dass weder eine ernsthafte Aufklärung noch eine disziplinarische Prüfung des Sachverhalts beabsichtigt ist. Damit wird eine Handlung, die objektiv geeignet ist, eine Körperverletzung – im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang – herbeizuführen, als Bagatelle eingestuft. Eine solche Bewertung ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch in hohem Maße bedenklich und wirft erhebliche Zweifel an der Schutzfunktion dieser Verkehrsorganisation gegenüber den Verkehrsteilnehmern auf.

Mit tiefem Befremden und aufrichtigem Entsetzen muss ich feststellen, dass hier eine offensichtliche Gefährdung menschlichen Lebens verharmlost und relativiert wird. Es ist schwer nachvollziehbar, wie eine Institution, deren ureigene Aufgabe der Schutz der Allgemeinheit ist, eine derartige Gefährdung nicht nur hinnimmt, sondern faktisch legitimiert. Dieses Vorgehen hinterlässt nicht nur den Eindruck mangelnder Sensibilität, sondern auch den einer eklatanten Missachtung grundlegender Sicherheitsstandards.

 

Zusammengefasst

Ich musste erleben, dass ein Unternehmen und seine übergeordnete Organisation auf einen glasklaren Rechtsverstoß mit Zuständigkeits-Pingpong und Beschwichtigung reagieren. „Subjektives Sicherheitsempfinden“ ist hier kein Argument. Das Risiko war real, messbar und in Paragraphen gegossen.

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack:

  • Ein Fahrer, der Arroganz über Verantwortung stellt.

  • Institutionen, die objektive Gefährdung verharmlosen.

  • Ein System, das Glück zur Sicherheitsstrategie erhebt.

Und irgendwann, wenn dieses Glück versiegt, liegt jemand unter den Rädern. Dann heißt es wieder: „Hab den Radfahrer nicht gesehen.“

 

Meine Forderung:

Mehr als Forderung sind es Wünsche. Einfach mehr Miteinander. Mit Achtsamkeit und gegenseitigem Verständnis. Darüber hinaus aber auch Konsequenzen für jene, die sich nicht an Regeln halten können. Vor allem dann, wenn sie vorsätzlich Menschenleben gefährden. 

Und weil bald Weihnachten ist, wünsche ich mir:

  • Klare Konsequenzen für den Fahrer.

  • Ein explizites Verbot für Überholmanöver, bei denen der Abstand objektiv nicht einhaltbar ist. Keine unnötigen Ausnahmen, die alles verkomplizieren.

  • Eine Kommunikation, die Verantwortung übernimmt, statt sie zu relativieren.

Bis dahin bleibt mein Eindruck: Die NÖVOG und der Verkehrsverbund haben mir zwar geantwortet – aber nicht mir, sondern vor allem sich selbst einen Gefallen getan.

#ktrchts

Zur 33. Novelle StVO geht’s hier

Ötztaler Radmarathon Wahnsinn – Erfahrungen, Erlebnisse, Emotionen

Ötztaler Radmarathon Wahnsinn

19 Mal habe ich mich schon dem Ötzi gestellt – und jedes Mal war es anders: zwischen 9 und 12 Stunden Qual, Regentanz, Schneeballet oder Sonnengruß, Hitzeschlacht und Bibberkrampf – alles freiwillig. Der Ötztaler Radmarathon war immer wieder ein endloses Drehbuch, das mein ganzes Leben diktiert hat. Meine 20. Teilnahme steht vor der Tür. 31. August 2025 – als wäre es ein romantisches Versprechen. Nur dass diese Beziehung weniger Kuscheleinheiten und mehr Satteldruck bietet. Freunde fragen: „Warum tust du dir das an?“ – und ich antworte mit der Würde eines Junkies, der seine nächste Dosis plant. Essen? Schlaf? Familie? Alles nebensächlich – Hauptsache, ich kann wieder 238 Kilometer lang darüber nachdenken, warum ich das alles hasse … und gleichzeitig liebe. 20x Ötztaler Radmarathon Wahnsinn. Ein kleines persönliches Jubiläum. Ich habe viel erlebt, viel gesehen und viel darüber geschrieben.

13 Stunden leidend Rennrad fahren – und dafür auch noch bezahlen

Wie Anton Palzer passend gesagt hat: „13 Stunden leidend Rennrad fahren und dafür auch noch bezahlen.“ Verrückt, oder? Den Spirit des Ötztaler Radmarathon muss man gespürt haben. Es ist eine spezielle Energie, die dich schon bei der Anreise zu Beginn des Ötztales durch den Körper sticht. Magie, die dich trägt und Flügel verleiht. Es ist der Mythos, der dich fesselt. Der Ötztaler ist keine Veranstaltung, er ist ein toxisches Langzeitverhältnis: Eifersüchtig frisst er meine Freizeit, meine Urlaube und gelegentlich meine Beziehung. Es tut weh, und das ist gut so. Während andere sich auf den nächsten Sommerurlaub freuen, notiere ich mir schon das nächste Datum, um mich erneut freiwillig an den Rand der physischen und mentalen Insolvenz zu fahren.

Der Ötztaler Radmarathon verwandelt dich

Wollen und Können sind schwer in Einklang zu bringen. Eine Beziehung, die so harmonisch ist wie Katzen und Wasser. Der Ötztaler Radmarathon Wahnsinn verwandelt dich. Vor dem Start in einen nervösen Nährstoff-Junkie, während des Rennens in ein schwitzendes, fluchendes Fossil und danach in ein weinerliches Häufchen Endorphine. Diese Erfahrung fährt dir nicht nur durch den Körper – sie tritt dir in die Nieren, brennt sich in die Oberschenkel und lässt dich am Ende mit zitternden Händen ein Finisher-Trikot entgegennehmen, als wäre es ein heiliges Relikt. Ja, es rührt dich zu Tränen – vermutlich, weil du dir schon ausrechnest, was dich diese Selbstdemontage an Ruhm und Ehre bringen wird. 

Es gibt Grenzen, die man hier verschieben muss

Beim Ötztaler Radmarathon geht es um Grenzen – deine, die deines Körpers und deines Geistes. Grenzen, die man hier nicht einfach verschiebt, sondern mit dem Presslufthammer bearbeitet, bis sie sich ergeben. Wer glaubt, er kenne seine Limits, wird am Timmelsjoch eines Besseren belehrt: Dort lernt man, dass „kann nicht mehr“ nur eine unverbindliche Empfehlung ist. Und wenn du es doch ins Ziel schaffst, merkst du, dass die einzige Grenze, die wirklich überschritten wurde, die zwischen sportlicher Vernunft und blankem Wahnsinn ist.

Ein Urlaub bei Freunden

Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur ein Rennen – er ist ein Urlaub bei Bekannten. Und mit Bekannten. Also, mit Menschen, die dich 238 Kilometer lang bergauf jagen, sich entlang der Strecke in deinen Dienst stellen und dich am Ende herzlichst empfangen. In Sölden anzukommen ist wie zu Hause anzukommen. Die Schnellsten und die weniger schnellen werden gleichermaßen frenetisch gefeiert. Von den Mitgereisten. Aber auch von Fremden. Das Zielareal ist ein Podium der Emotionen. Hier vermischt sich der Schweiß mit den Tränen. Schmerzen werden zu Zeugen des Triumphs.

Hier endet der Ötztaler Radmarathon. Nicht jedoch die Folterfantasie, ihn wieder zu fahren. Kaum ist der Zielbogen durchquert, fängt das Hirn schon an, den Schmerz zu verklären – wie jene, die eine Beziehung beendet haben und sich nur an guten Momente erinnern wollen. Die Beine brennen noch, die Schultern schreien und der Körper weint – und doch, irgendwo zwischen Iso-Resten, wächst schon wieder die absurde Sehnsucht. Der Ötzi ist vorbei. Aber der Wahnsinn fängt gerade erst wieder n.

Fährst du wieder den Ötzi?

Nach „Willst du mich heiraten?“ kommt in meiner Welt nur noch „Fährst du heuer wieder den Ötzi?“ – und ja, beide Fragen bedeuten in etwa dasselbe: lebenslanger Vertrag mit unklaren Ausstiegsklauseln. Die Teilnahme am Ötztaler ist wie eine Ehe, nur mit mehr Höhenmetern, weniger Zärtlichkeit und garantiertem Herzrasen. Ein Mal ist kein Mal – genau wie bei einer schlechten Entscheidung, die man dann immer wieder trifft, weil man denkt: „Diesmal wird’s besser.“ Spoiler: Wird es nicht. Aber man fährt trotzdem. Bis dass der Sattel uns scheidet.

Und wie wird das Wetter?

Beim Ötztaler Radmarathon Wahnsinn – das sollte man sich hinter die Ohrmuscheln tätowieren – ist das Wetter kein banales Gesprächsthema, sondern eine launische Göttin. Es ist die Metapher, die dir ins Gesicht spuckt, wenn du glaubst, Kontrolle zu haben. Ein Test, wie weit du dich noch selbst belügen kannst, wenn der Himmel beschließt, dein Drehbuch umzuschreiben. Wer braucht schon stabile Bedingungen, wenn man stattdessen ein meteorologisches Drama in Echtzeit haben kann?

Darum: Lieber das Wetter poetisch überhöhen und philosophisch verdrehen, statt sich von Prognosen fesseln zu lassen. Denn wer zu sehr auf Sicherheit pocht, verpasst den wahren Kern des Ötztalers: Er ist kein Radrennen. Er ist eine existenzielle Naturgewalt – ein epischer Wetterporno, der dich vom ersten Tropfen bis zum letzten Sonnenstrahl auszieht.

Alles erlebt, nichts gelernt.

Was ich schon alles erlebt habe? Mehr, als sich in Finisher-Trikots zählen lässt – und ich habe es versucht. Ich war beim Ötzi in brütender Julihitze und bibberndem Spätsommerregen, habe Schneeflocken am Timmelsjoch gesehen und die Sonne am Kühtai verflucht. Ich bin Umleitungen gefahren, die länger waren als mein Geduldsfaden, und habe in Facebook-Foren Debatten über Sicherheit und Höhenmeter überlebt. Bin mit 105 km/h bergab geflogen, um mich danach mit Schwedenpillen bergauf ins Leben zurückzuholen. Ich habe Rennstrategien geplant, nur um sie an der ersten Steigung zu verwerfen, Kuchen, Kekse und heiße Suppen mit Iso heruntergespült sowie Mannerschnitten als Doping missbraucht. Ich habe neue Laufräder getestet, alte Kassetten verflucht und mich im Ziel jedes Mal gefragt, warum ich das alles eigentlich mache – um mir dann schon wieder den nächsten Starttermin einzutragen. Denn nach dem Ötztaler Radmarathon Wahnsinn ist vor dem Ötztaler Radmarathon Wahnsinn.

#ktrchts

Eine satirische Typologie radsportlicher Sonderbarkeiten

Typologie radsportlicher Sonderbarkeiten

Auf zwei Rädern durch die menschliche Komödie. Es gibt Momente im Leben, da meint man, durch ein anthropologisches Freiluftmuseum zu pedalieren. Der gemeine Rennradfahrer – durchtrainiert oder zumindest ambitioniert – begibt sich an einem Sonntagmorgen auf die Landstraße und wähnt sich inmitten der Elemente. Doch er irrt. Denn es sind nicht Regen, Wind und Steigung, die ihm zusetzen – es sind seine Mitmenschen. Und sie erscheinen, wie stets, in mannigfaltigen Formen: skurril, heroisch, tragikomisch. Es folgt ein kleiner Streifzug durch das Panoptikum jener Gestalten, die einem auf schmalen Reifen begegnen – zum Staunen, zum Fluchen und, ja: zur Belustigung.

Der gekränkte E-Biker – Turbo indignatus

Ein tragisches Relikt männlicher Ehre. Vom Stolz durchpulst wie ein galanter Ritter, doch motorisiert wie ein Moped aus dem Baumarkt. Wird er überholt – schlimmstenfalls von einem Bio-Radler! – so erwacht in ihm der Zorn des Zeus. „Turbo!“ befiehlt er seinem Drahtross, das gehorcht, während er mit gesenktem Haupt und verkrampften Oberschenkeln versucht, das Hinterrad des Überholenden zu besetzen. Die mitfahrende Lebensgefährtin indes? Verloren im Windschatten der Beziehung.

Der Triathlet in transzendentaler Umnachtung – Homo Intensivus Mentalis

Er grüßt nicht. Nicht, weil er unhöflich ist – sondern weil er nicht mehr hier ist. Sein Geist kreist in FTP-Zonen, seine Seele ruht in der nächsten Schwelle. Der Körper, durchgestylt wie ein Windkanalmodell, gleitet dahin in trikotierter Stille. Er lebt im schwarzen Tunnel, auf der Suche nach der ultimativen Aerodynamik. Für Zwischenmenschliches bleibt da kein Luftwiderstand übrig.

Der Rechts-Vorbeibrasende – Ignorantus Rasa

Eine Naturgewalt in Lycra. Regeln? Für andere. Er kommt von rechts – stets und überall. Überholt auf Gehsteigen, Radwegen, Einbahnstraßen. Der Verkehr ist für ihn ein Abenteuer, keine Verpflichtung. Sein Lebensmotto: „Ich habe keine Zeit, aber viel Geschwindigkeit.“

Der Schattenlutscherus Parasiticus

Ein Meister der Energieeinsparung. Erst schleicht er sich an – leise, unscheinbar, wie ein Laubfrosch auf Speed. Dann der überraschende Angriff: ein kurzer Sprint an die Spitze. Doch dort? Wind. Physik. Scheitern. Schon bald verlangsamt sich sein Ritt zur Peinlichkeit. Er blickt zurück, klagend, als wäre man ihm eine Gefälligkeit schuldig.

Der autofahrende Wegpatriot – SUV Imperator Maximus

Ein Titan aus Blech und Hybris. Fährt auf Güterwegen, als wären sie römische Heerstraßen. Sein SUV: Bollwerk gegen alles Weiche. Der Radfahrer, der sich ihm nähert? Ein Eindringling, bestenfalls eine Geduldsprobe. Ausweichen? Reduktion der Geschwindigkeit? Niemals! Seine Existenz basiert auf Dominanz. Die Hupe ersetzt das Gespräch, der Kühlergrill die Argumentation.

Die Strava-Helden – Segmentritter im Carbonbund

Sie erscheinen in Gruppen, identisch gewandet, mit Waden wie Monumente und Zungen, die nie ruhen. Jeder Hügel ein Ritterschlag, jede Kurve ein Kriegsschauplatz für Segmentrekorde. Sie grüßen im Chor, halten nach drei Kilometern am Bäcker – zwecks Energiezufuhr und Instagram-Update. Sie leben nicht für das Radfahren – sie leben im Radfahren.

Die Insta-Randonneuse – Influenta Veloce

Eine Erscheinung von großer Ästhetik, doch geringer Verkehrsbeobachtung. Sie fährt mit Style und ohne Schweiß. Ihr Feind: Gegenlicht. Ihre Freundin: der Filter. Jede Ausfahrt ist ein Shooting, jede Pause eine Content-Chance. Der Helm wird abgenommen – das Selfie zählt.

Der wadenzeigende Hochleistungssenior – Senex Furiosus

Alt, aber unbezwingbar. Seine Beine: ein Monument der Erfahrung. Sein Rad: ein Museumsstück, doch von göttlicher Gangschaltung. Er überholt mit leisem Lächeln, flüstert ein „Schönen Tach noch“, und verschwindet wie ein Zen-Meister im Morgendunst. Er ist der lebende Beweis, dass Watt nicht alles ist – manchmal reicht Charakter.

Die Selfisti – Homo Narcissisticus Mobilis

Sie radeln einhändig, mit Smartphone am ausgestreckten Arm, stets im Dienste der Selbstdarstellung. Sie schlittern durch Kurven, fotografieren ihre Knie, das Vorderrad, das Gesicht im Gegenlicht – und all das auf einer Straße, die bereits für zwei Hände zu schmal ist. Jeder Meter ein Selfie, jeder Sturz ein Kapitel.

Der Helmverweigerer – Liber Capitatis Extremus

Er trägt Überzeugung, wo andere Styropor tragen. Der Helm? Ein Symbol der Einschränkung. „Ich fahr seit 30 Jahren ohne“, tönt es stolz – während er an der Ampel das Smartphone sucht. Die Frisur sitzt, der Idealismus weht im Wind. Der Schädel? Eine freie Fläche für philosophische Prinzipien.

Der „Da ist ein Radweg!“-Schimpfer – Homo Indignatus Pathologicus

Ein stets empörter Fußgänger oder Autofahrer, wahlweise in Freizeitweste oder SUV-Sarg, dessen einziger Lebenszweck darin besteht, andere auf imaginäre oder unzumutbare Radwege hinzuweisen. Er ruft, zeigt, fuchtelt – auch wenn der Radweg zugewachsen, unter Wasser oder aus dem 14. Jahrhundert stammt. Der Ruf „DA! IST! EIN! RADWEG!“ gleicht einem bellenden Mantra, stets begleitet von einem Blick, als hätte man ihm soeben den Schrebergarten enteignet. Seine natürlichen Feinde: Radfahrer auf der Fahrbahn. Seine natürlichen Alliierten: Empörung, Halbwissen und ein angegrauter Gerechtigkeitssinn.

Epilog: Vom Sinn des Strampelns

Und so treten wir weiter, dem Sonnenaufgang entgegen, zwischen Turbo-Egos und Filterköniginnen. Wir ärgern uns, wir lachen, wir überholen – und werden überholt. Doch eines sei gewiss: Kein Wattmesser, kein Strava-König und kein Helmverweigerer wird jemals das eine ersetzen können, was uns alle verbindet – die stille, schweißige, wundervolle Erkenntnis, dass das Leben auf zwei Rädern nicht nur schneller, sondern auch menschlicher ist.

Amen. Und: Helm auf!

Cristian
#ktrchts #machurlaubfahrrennrad

 

Monte Grappa und die Prosecco Hills entdecken

Monte Grappa und die Porsecco Hills

Wir haben es wieder getan. Den Monte Grappa und die Prosecco Hills mit dem Rennrad erfahren, entdeckt und vor allem genossen. Gelockt vom Paradies. Es war ein Rennradurlaub zwischen Kehren und Wiederkehren, zwischen Apokalypse und brütender Hitze, zwischen wunderbarer Déjà-vus und amateurhafter Vergesslichkeit. Würde es den Monte Grappa nicht geben, müsste man ihn erfinden. Genauso, wie er ist. Imposant, massiv, geschichtsträchtig. Seine langgezogenen Auffahrten sind einladend, seine teils steilen Rampen hingegen eine Härteprüfung, der man sich gerne stellt. Um sich selbst zu beweisen. Der Monte Grappa kann gnädig sein, aber auch in wenigen Sekunden zubeißen. Dieses Jahr war er ein Backofen mit Umluft. Nicht ungut, aber fordernd.

Early Monte Grappa

Hügel, Höhenmeter und Hochhinaufgenuss.

Alle Jahre wieder. Der Rennradurlaub am Monte Grappa ist so fix wie Weihnachten und flexibel wie Ostern. Aus gutem Grund. Diesen Berg muss man erlebt haben. Für mich hat er eine magische Anziehungskraft. Bei Tag und auch bei Nacht. Das haben auch die Organisatoren des Giro d’Italia erkannt. Nach 2024 mit dem „Doppio Grappa“ sind die Profis auch heuer wieder über die klassische Route hinauf geflogen. Der Monte Grappa zieht sie alle in seinen Bann. Die Pause am Rifugio Bassano/Cima Grappa auf 1.736 Metern eine wohltuende Genugtuung. Ganz egal, von welcher Seite dieses Ziel in Angriff genommen wurde.

Aber nicht nur der Monte Grappa selbst. Die ganze Gegend rundherum hat es in sich. Jahr für Jahr gilt es Neues zu entdecken. Im heurigen Jahr, war es das Eck von Foza über Furlani, Stoner, Dori, Enego hinunter nach Primolano. Feinster Asphalt – Giro sei Dank und ein Abfahrtsgenuss der Superlative. 16 Kehren bergab. Wie geil müssen die bergauf sein?

Achtung, erhöhte Ansteckungs- und Wiederholungsgefahr

Wir haben uns langsam an den Monte Grappa und die Prosecco Hills herangetastet und zum Aperitivo am ersten Tag die Auffahrt von Valstagna nach Foza gewählt. 1.000 Höhenmeter verteilt auf 20 Haarnadelkurven. Jede davon mit einem grünen Ausblick ins Tal. Ex-Profis wie Vincenzo Nibali und Thibaut Pinot halten hier den Strava KOM. Den haben wir nicht angegriffen. Weil wir im Urlaub waren. Und im Urlaub mag man es bekanntlich chillig. Mit dem angeschlagenen Tempo hatten wir Zeit uns kennenzulernen. So ein Radurlaub ist ja wie ein Blind-Date. Mit Christa, Doris, Bernhard, Roman, Hubert, Toni, Christian, Stefan und Melitta. Der Schmäh lief, die Stimmung stieg, die erste Kaffeepause oben in Foza ließ schon ein wenig erahnen, was der Tag noch bringen würde. Erste Tröpfchen nässten zaghaft unsere Häupter.

Als hätte ich es verschrien. (Ich habe es verschrien). Der Himmel wurde am Weg nach Asiago immer dunkler. Wind kam auf. Meine Entscheidung, die Pause in Asiago ins Tal zu verschieben, entpuppte sich als Fehlentscheidung. Kurz vor Turcio kamen uns schon die ersten Autos mit eingeschaltetem Scheibenwischer entgegen. Kein gutes Omen. Und dann ging die Welt unter. Sintflutartige Regengüsse, Hagelkörner so groß wie Murmeln prallten auf unsere Helme. Und auf unsere Körper. Ein Aua nach dem anderen. Blitzschnell kam die Entscheidung, nicht mehr weiterzufahren und zu stoppen. Bei der Pizzeria Ristorante al Turcio fanden wir unter einer 1 x 2 Meter großen Stoffmarkise Unterschlupf. 10 Personen auf engstem Raum. Zwei weitere sind dann noch dazugekommen. Blitz und Donner auch. Regenparty statt Kabinenparty.

Abwarten, ohne Tee zu trinken. Die Pizzeria hatte ihren Ruhetag. Uns kamen Zweifel auf, ob wir es nach Hause schaffen würden. Der Regen wollte einfach nicht aufhören. Abstruse Ideen wurden geboren. Einige sollten Heimfahren, Autos holen und den Rest dann hier abholen. Auch ein Taxiunternehmen wurde kontaktiert. Aber wer will schon 10 Personen mit 10 Fahrrädern transportieren? Wer kann das? „No grazie. Mi dispace“ als Antwort war keine gute Lösung. Jene mit den besten Regenjacken froren am meisten. Vieles ist also doch Kopfsache.

Regen, Rebellion, Rettung – was für ein stürmischer Anfang

Also sprach ich ein Machtwort und setzte die Gruppe aufs Rad und in Bewegung. Es regnete immer noch. Normalerweise bin ich der Erste, der bei Kälte jammert. Diesmal hatte ich aber andere Sorgen. Schaffe ich es, alle Schäfchen ins Trockene zu bringen? Schnell waren wir auf ein paar Kilometer verteilt. Ich mittendrin und nicht nur dabei. Jeder für sich, ich für alle. Zureden, weiterpeitschen, motivieren … Conca sollte unser nächster Stopp sein. Es dauerte. Aber nach und nach kamen alle dort an. Sogar der Asphalt war hier schon wieder trocken und die Temperatur zweistellig. Gerettet? Scheint so. Es stand aber noch die Abfahrt nach Bassano del Grappa bevor. Zunft und Ordnung gab es schon längst nicht mehr. Guide-Regeln meuterisch aufgehoben. Eine sanfte Rebellion lag in der Luft. Alle wollten sich nur noch retten. Es war schwer, den Überblick zu behalten. Warten wurde kurzerhand in „Vollgas heim“ übersetzt. Ohne Guide. Dafür mit „Zurück-zum-Ausgangspunkt-Funktion“. Der Einzige, der wartete, war ich. Lange. Bis ich entschloss, retour zu fahren. Um nachzusehen, wo denn die Nachzügler seien. Einige Kilometer weiter oben fand ich sie. Eine Teilnehmerin war in einer Kurve mit dem Vorderrad weggerutscht und hatte eine unsanfte Begegnung mit dem Asphalt. Großer Schreck. Zittrig und durchnässte schafften es dann aber doch alle mit dem Rad oder chauffiert zurück ins Hotel. Wo die Abtrünnigen bereits warteten. Ein spannender erster Tag wurde bei Pizza und Pasta ausgiebig nachbesprochen und analysiert.

Hinauf zur Reue, hinab zur Freude – die Wiedergutmachungs-Etappe

Der zweite Tag stand dann ganz im Zeichen der Wiedergutmachung. Das Wetter war sonnig, die Stimmung gut und die bevorstehenden Kilometer ausgiebig geplant. Ein zweites Mal Asiago. Diesmal verkehrt über die Marostica und erneut Conca. Weitere 1.000 Höhenmeter auf den ersten 60 Kilometern. Die Gegend rund um den Monte Grappa ist nicht flach. Sie ist eine Achterbahn. Es ging hinauf und hinunter. Lang hinauf und lang hinunter. Immer mit dem Ziel des nächsten Tages vor Augen. Der Sacrario Militare del Monte Grappa.

Wir hatten ja alle Zeit der Welt und genossen so einen der längsten Tage im Jahr. Es fühlte sich an, wie die Ruhe vor dem Sturm. Kräfte sparen war die Devise. Was die Ausschau auf 25 Kilometer und über 1.500 Höhenmeter bergauf so alles bewirken kann. Rennrad fahren ist und bleibt Kopfsache.

Doppelt hält besser – der Doppio Grappa

Am dritten Tag war es dann so weit. Der Berg hatte uns gerufen und wir sind seinem Ruf gefolgt. Über die klassische Auffahrt von Romano d’Ezzelino. Bei brütender Hitze bereits um 9 Uhr in der Früh. Die Sonne heizte den Asphalt ordentlich auf. Schattenplätze waren auf den ersten Kehren Mangelware. Schnell bildeten sich Gruppen. Niemand musste sich der Herausforderung alleine stellen. Ich selbst pendelte zwischen den Fronten. Aber immer zügig. Nach knapp etwas mehr als zwei Stunden war für mich der Spuk vorbei. Knapp hinter den Schnellsten. Ende gut, alle oben. Glücklich, es geschafft zu haben. Nach einem ausgiebigen Bad in der Sonne und einer verdienten Stärkung machten wir uns wieder auf den Weg zurück. Über Semonzo del Grappa. Jene Steigung, die der Giro 2024 zweimal hintereinander bewältigt hatte. Ein Vorgeschmack auf das, was der „Ruhetag“ noch bringen würde. Weil doppelt bekanntlich besser hält.

Der „Doppio Grappa“ steht seit ich hier herkomme auf dem Programm. Zweimal Monte Grappa an einem Tag, darf nicht nur eine Challenge sein, die den Profis vorbehalten ist, sondern auch für Normalsterbliche wie meine Gäste und mich. Ganze zwei Freiwillige fanden sich dieses Mal bereit, diese Challenge zu akzeptieren. 29 Kehren, noch einmal 1.500 Höhenmeter auf 20 Kilometer Länge. Mit Spitzen bis zu 15 %. Genau dort, wo Tadej Pogačar den jungen Giulio Pellizari eingeholt und überholt hatte. Macht in Summe knapp 100 Kilometer mit mehr als 3.300 Höhenmetern. Ein fast perfekter Ruhetag.

Ich muss gestehen, dass die zweite Auffahrt eine Tortur war. Mit 32/29 erinnerte sie mich eher an einen Stehversuch an einer Ampel. Ich hatte noch jene Bilder im Kopf, die hier leichtfüßig hinauf strampelnde Profis zeigten. Und habe geglaubt, es ihnen gleich machen zu können. Forget it. Da liegen nicht Welten dazwischen – es sind Universen. Trotzdem war es wieder ein Erlebnis. Ein noch schöneres sollte folgen.

Night fever am Monte Grappa.

Ich nehme es vorweg, weil es ein geniales Erlebnis. Vielleicht das bisher genialste. Etwas, was ich immer schon machen wollte. Das Wetter hatte aber nie mitgespielt. Den Sonnenaufgang am Monte Grappa erleben. Mit einer Auffahrt noch vor dem Morgengrauen. Diesmal war es so weit. Am Abreisetag. Mit Toni, der einzige aus der Gruppe. Gestartet um 4 Uhr bei angenehmen 15°, waren wir knapp vor 6:30 Uhr am Gipfel. Und um 7:30 Uhr mit allen anderen beim Frühstück. Zwar ohne Sonnenaufgang – es war bewölkt, dafür mit einer unvergesslichen Erinnerung. Ganze zwei Autos haben uns überholt und ein Rennradfahrer ist uns auf den letzten Kilometern entgegengekommen. Early Grappa statt Doppio Grappa – auch 2026 sicher im Programm. Zieht euch warm an.

Dreimal Monte Grappa in 5 Tagen. Keine schlechte Ausbeute. Dazu noch (wieder) der Passo San Boldo mit seinen acht in den Fels gemeißelten Tunnelkehren. Gute 500 Höhenmeter auf 6 Kilometern Länge bei über 35 Grad im Schatten. Was haben wir entlang der Stützmauern schwitzen dürfen! Und müssen. So schön der Passo San Boldo auch war, noch schöner war der Weg dorthin. Über die Strada del Prosecco. Monte Grappa und die Prosecco Hills – wenn ein Name Programm ist.
Die sanft geschwungenen Hügel, gesäumt von endlosen Rebreihen, wirkten wie eine grüne Bühne für unser Finale. Es war, als würden Landschaft und Strecke gemeinsam applaudieren – für unsere Beine, unseren Kampfgeist, unsere Lust am Radfahren. Verbunden mit einem abschließenden Abstecher nach Asolo, wo Geschichte, Eleganz und Espresso verschmelzen, war der letzte Tag ein Potpourri an Aufs und Abs. Ein würdiger Abschluss. Und gleichzeitig ein stilles Versprechen.

Grappa, Gänge und Glücksgefühle.

Wenn du denkst, Venetien sei nur was für Weintrinker und Wandervögel – denk noch mal nach. Zwischen dem majestätischen Monte Grappa und den sanften Wellen der Prosecco Hills versteckt sich ein wahres Paradies für Rennrad-Enthusiasten. Hier werden deine Waden gefordert und dein Gaumen verwöhnt.
Die Anstiege? Würzig wie ein gut gereifter Grappa. Die Abfahrten? Prickelnd wie ein Glas Spumante im Sonnenuntergang. Kaum irgendwo sonst verschmelzen sportliche Herausforderung und kulinarische Belohnung so charmant wie hier.

Dort, wo die Superlative enden, fängt der Monte Grappa an. Deshalb komme ich wieder. 20. bis 27. Juni 2026. Urlaub machen und Rennrad fahren. Und bist du mit von der Partie?

Cristian
#machurlaubfahrrennrad

Radverleih am Monte Grappa – Geschichten eines Vergesslichen

Radverleih am Monte Grappa

Unmittelbar nach Pannonia 400 ging es schon am Tag danach weiter zum Monte Grappa und den Prosecco Hills. Die Rennradreise ist mittlerweile ein Fixpunkt im Programm und scheint auch sehr beliebt zu sein. Schon zum wiederholten Male, waren wir auch dieses Jahr mehr oder weniger ausgebucht. Zu Recht, denn viel ist schon über den Monte Grappa geschrieben und geschwärmt worden. Auch von mir. Ich liebe diesen Berg. Nicht immer. Dafür umso mehr. Die Gegend rund um Bassano del Grappa ist ein Muss auf jeder „Bucket List“. Termin für 2026? Steht noch nicht fest. Aber es wird wohl wieder im Juni sein. Voraussichtlich vom 20. bis 27. Juni. To be confirmed! Fix ist, dass ich im nächsten Jahr sicher nicht ohne Steckachse anreisen werde. Damit erspare ich mir den Radverleih am Monte Grappa. So, wie ich ihn erlebt habe.

Vom Packprofi zum Pannenpilger

Ganz genau. Ich habe zum ersten (und hoffentlich zum letzten Mal) die Steckachse für das Vorderrad einfach nicht mitgenommen. Warum auch immer. Üblicherweise nehme ich diese ab und schraube sie gleich wieder in die Gabel ein (ab und zu geht die Steckachse auch in die Laufradtasche). Dieses Mal aber war mein Prozedere ein anderes. Ich bückte mich, schraubte die Steckachse aus und legte diese auf den Boden. Danach habe ich mein Fahrrad ins Auto eingeladen. Die Steckachse war zu diesem Zeitpunkt schon vergessen. Als Last-Minute-Packer hatte ich ganz andere Dinge zu tun. Wie zum Beispiel mehrmals zwischen trautem Heim und Radkeller hin und her zu rennen. Dinge finden bei mir nicht immer sofort und geballt den Weg ins Auto. Irgendwann bin ich losgefahren. Voller Vorfreude auf meinen gliebten Berg.

600 Kilometer später schießt mir wie aus dem Nichts ein Gedanke in den Sinn. Habe ich die Steckachse eingepackt oder ist zum ersten Mal dieser Anfängerfehler passiert? Mein Gefühlszustand wechselte jetzt in Sekundenschnelle zwischen Panik und Hoffnung. Das Herz raste, der Magen zog sich zusammen – als hätte ich gerade erfahren, dass mein Rennradleben sich dem Ende zuneigt. Doch im nächsten Moment klammerte ich mich an die Möglichkeit, dass alles gut ist, dass die Achse irgendwo verstaut ist, vielleicht dort, wo sie immer liegt. Ich riskierte einen Blick auf die Rückbank, während das Auto weiterrollte. Konnte aber nichts erkennen. Mein Kopfkino malte bereits verschiedene Szenarien aus. Umdrehen? Das wären 600 + 600 + weitere 600 Kilometer! Würde sich bis zum Abendessen nicht ausgehen. Strava-Bekannte aus der Gegend kontaktieren? Ich entschied mich vorerst einmal dafür, bei der nächsten Raststation anzuhalten und der harten Realität direkt in die Augen zu schauen.

Radverleih mit Hindernissen

Die Hoffnung starb beim Kofferraum-Check

Langsam stieg ich aus dem Auto. Näherte mich der hinteren Tür. Öffnete sie langsam. Immer in der Hoffnung, sanft und unbeschadet von diesem Alptraum aufzuwachen. Ich suchte, schaute, blickte mehrmals unter allem, was so herumgelegen ist. Von der Steckachse keine Spur. Fast hätte ich geweint. Aber nur fast. Schnell habe ich mich mit der bitteren Wahrheit auseinandergesetzt und noch Google um Hilfe gebeten. Mein Flehen galt offenen Sportgeschäften. Anmerkung: Es war Sonntag. Und alle mir bekannten Sportgeschäfte hätten am Montagnachmittag wieder geöffnet. Bis auf eines nicht. Das Bassano Club House. Sonntags geöffnet. Eine letzte Rettung? Vielleicht die einzige. Ich sollte es noch bis vor der Schließung schaffen.

Bassano Club House ist ein Cafè, ein Shop, eine Werkstatt und Zimmervermietung in einem. Stylisch, fast direkt am Ponte degli Alpini direkt in Bassane del Grappa gelegen. In der Auslage Basso Räder und das teuerste, was es an Radbekleidung und Zubehör so gibt. Ich war guter Hoffnung. Ich betrat diese heiligen Hallen vorerst einmal ohne Rad und schilderte mein Problem. Eine Steckachse musste her. 100 x 12 mm. Selbstverständlich mit perfektem italienisch. Sprache, die der Mitarbeiter leider nicht verstand. Schnell musste ich auf Englisch umswitchen. Und auf den Mechaniker warten. Der Mitarbeiter hat mich auf ihn verwiesen. Wenig später war der Mechaniker vor Ort. Auch er konnte sich mit mir nicht in italienischer Sprache verständigen. In einem Mix aus englisch und spanisch wurde das Problem analysiert. Die Lösung gab es erst, nachdem ich den Patienten vorgeführt hatte. Es gab keine Steckachse, die in meine 3T-Gabel passten konnte. Das Wort „konisch“ wurde zum unüberwindbarem Hindernis.

Ein Rennradguide frisst in der Not alles

Kein Rad und 11 Gäste, die mich als Guide gebucht hatten. Keine alltägliche Situation. Meine letzte Chance? Ein Leihrad vor Ort. Ein Basso. Der Blick ins System offenbarte die Verfügbarkeit eines Astra Modells in RH 53 und Campagnolo Super Record Wireless 12fach. Bekanntlich frisst ein Rennradguide in der Not alles. Auch ein Basso Astra mit Campagnolo. Ich vereinbarte eine Leihdauer von 5 Tagen. Immer in einer englisch/spanisch Sprachkombination. Sollte ich eine passende Steckachse finden, würde ich das Rad frühzeitig zurückbringen können. Deal perfekt. Bei einem Funktionstest vor Ort fiel mir auf, dass die Bremsen einen späten Bremspunkt hatten. Der Mechaniker meinte, das sei bei Campa normal. Ich habe es im abgenommen. Ich musste zu meinen Gästen ins Hotel. Bezahlte also mein Leihgebür und verabschiedete mich.

Noch am selben Tag vor der Bettruhe wurde das Leihrad an meine Anforderungen angepasst. Soweit das möglich war. Sattel raus – Vorbau runter blieb mir verwehrt. Der Integrität aller Kabel wegen.

Natürlich habe ich versucht, mir meine Steckachse Express zukommen zu lassen. DHL Kosten? Overnight über € 150,-. Post? 2 – 4 Werktage für schlappe € 80,- Mit

Basso Astra Campagnolo Super Record Wireless

Basso Astra – astrein oder nur fast?

Die erste Ausfahrt mit dem Basso Astra galt der Gewöhnung an das Gerät. Schaltung und Übersetzung waren mir fremd. 48/32 und 10/29 ungewohnt und die zwei Schalttasten pro Schalthebel sowieso. Weil diese entgegen meiner Shimano Ultegra Präferenz nicht nur anders gepolt (programmiert) waren, sondern auch anders angelegt. Oben/unten statt vorne/hinten. Unzählige falscher Schaltvorgänge später, hatte ich es immer noch nicht automatisiert. Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier.

Positiv überrascht haben mich die Super Record Wireless Schaltgriffe. Die Form des Griffkörpers hat es mir speziell bei hohem und festen Griff angetan. Äußerst bequem und ergonomisch perfekt. Ganz zu schweigen von dem Bremsen. Auch wenn für mich zu weich: feine Dosierung und wahnsinnig griffig, bei genialem Surren während des Bremsvorganges. Da hat Shimano aus meiner Sicht das Nachsehen. Und das Rad an sich? Schnell habe ich mich an den kleinen Rahmen gewöhnt. Überhaupt kein Problem. Wendig war es auf alle Fälle. Ein feines Rennrad für alltägliche Zwecke. Wie zum Beispiel das Guiden. Vorne im Wind fahren, in der Abfahrt das Tempo und die Spur vorgeben und bergauf so schnell zu sein, dass man nicht von allen Gruppenteilnehmer:innen stehen gelassen wird. Perfekt also? Nicht ganz. Wäre da nicht diese große Kleinigkeit gewesen.

Wenn Radverleih zum Ohrenkrampf wird

Ich habe ein sensibles Ohr, was Geräusche am Rennrad betrifft. Ich höre alles. Oft auch zu viel. Was das Basso Astra aber bereits ab dem zweite Leihtag von sich gegeben hat, war kaum zu überhören. Ohne Übertreibung. Aber hört einfach selber, welches Konzert meine Ohren am dritten Tag ertragen mussten.

Dass das bei einem Leihrad nicht sein darf, ist klar. Auch, dass so etwas passieren kann. Unangenehmes Pech. Deshalb bin ich am dritten Tag ins Bassano Club House gefahren, um mein Fahrrad checken zu lassen. Hätte ich das nicht gemacht. Erstens lies man mich warten und zweitens teilte man mir nach mehrmaligen Nachfragen, was mit meinem Rad los sein, dass dieses morgen an jemanden anderen verliehen worden war. Mein Leihvertrag war auf 3 Tage ausgelegt. What? Keine Chance. Man hat mir das Rad entzogen und keinen Anstand gemacht, mir eine Alternative zu finden. Ja, ein Gravelbike in XL wäre frei gewesen. Nein danke. Und alles in Englisch. Ja, der Mitarbeiter des ersten Tages, nicht der Mechaniker, der hatte sich aus dem Staub gemacht. Ein anderer Mitarbeiter (perfekt Italienisch sprechend) auch. Man ließ mich einfach im Regen stehen, bei 35 Grad im Schatten. Kein Rad, und 10 Gäste, die mich als Guide gebucht hatten. Ein „Hope you will find a solution“ hätte mich fast dazu geführt, den Laden auseinanderzunehmen. Wundert mich, dass ich Kontenance bewahren konnte. Vielleicht weil Stefan und Christa (meine Gäste) auch im Shop waren. Dank ihnen bin ich dann auch zurück ins Hotel chauffiert worden. Radverleih am Monte Grappa – nicht immer ein Erlebnis.

Radlos? Frag ChatGPT

Am Weg dorthin habe ich mich schon im Auto sitzen gesehen. 13 Stunden lang, um meine Steckachse zu holen. Eine ganze Nacht. Ich war gewillt, es zu tun. Um 19:30 Uhr wäre ich losgefahren. Dann aber habe ich ChatGPT gefragt, wo man am Monte Grappa ein Rennrad ausleihen könnte. Die Antwort war prompt.

Irgendwie habe ich mich auf den dritten Vorschlag konzentriert. Auch weil die ChatGPT Beschreibung/Gegenüberstellung der Anbieter sympathisch geklungen hatte. Auch war die Webseite ansprechender. Zwar nicht unbedingt modern. Aber moderner als jene von Veloce Bike Rental. Hier scheint Webdesign nocht in der Kindershcuhen zu steken. Also Via Roma Bike Rental Webseite geklickt, Telefonnummer herausgesucht und angerufen. Am anderen Ende eine männliche Stimme. „Che misura ti serve?“ klang vielversprechend. Mit Massimo schnell noch ein paar Details geklärt. Und ich soll die Ehefrau (Ivana) anrufen. Sie würde alles managen. Ivana angerufen, Ivana nicht erreicht, Ivana WhatsApp Nachricht geschickt, Mann informiert, dass Ivana WhatsApp Nachricht bekommen hat. Funkstille. Die 13 Stunden Autofahrt, waren jetzt schon kein Thema mehr. Mit mulmigem Gefühl, ob alles klappen könnte, Pizza genossen. Dann die erlösende Nachricht. Ein Rennrad würde mir am Morgen um 8 Uhr direkt ins Hotel geliefert. Ein Wilier, mit Scheibenbremsen und Shimano 105 Di2 12fach. Den ganzen Abend war das das Thema. Und die Gruppe litt mit mir mit. Radverleih am Monte Grappa kann auch ganz einfach sein.

Aus der Not eine Liebe gemacht

Am Nächten Morgen war das Rad da. Ein Wilier Garda RH 54 in Grün. Schnell unterschrieben, bezahlt und mit wenigen Handgriffen fahrfertig gemacht. Sattelhöhe eingestellt, Schalt/Bremshebel etwas nach unten gedreht, Garmin Halterung montiert, Pumpe entfernt und Ventilverschlüsse verschwinden lassen. Ich war ready to go.

Die Notlosung entpuppte sich schnell als perfekte Lösung. Das Rad war ideal für die restlichen zwei Tage. Vertraute Shimano Technik (auch wenn anders programmiert), Kompaktkurbel für die Steigungen und ein feines Handling. Ideal zum Im-Wind-Fahren, bergab zügig vorauszufahren und bergauf Tempo zu machen. Listenpreis € 2.700,- Fast hätte ich es mir gekauft. Fast nur. Ich war hellauf begeistert. Vom Rad selbst, vom Verleihangebot und vom Zustellservice. Preislich auch ok. € 50,- pro Tag. Für die Zustellung und Abholung wurden € 20,- verrechnet (im Umkreis). Link zum Verleih? Gerne hier.

Fazit: Keine Steckachse, zwei Verleiher, viele Erkenntnisse

Ende gut, alles gut? Jein. Es war ein teurer Anfängerfehler, der mir hoffentlich nicht mehr passieren wird. Eine zweite Steckachse ist jetzt im Werkzeugkoffer, den ich auch immer mit habe. Ein Plan B für alle Fälle. Und ich habe die Möglichkeit bekommen, Wilier und Basso, Shimano 105 und Campagnolo Super Record Wireless zu testen. Auch habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass ich auch kleine Rahmen (RH 53 und RH 54) gut fahren kann. Mein nächstes Rad wird mit Sicherheit einen kleinen Rahmen haben.


Und noch ein Gedanke: Viele glauben, dass nur das Teuerste gerade gut genug ist – vor allem, wenn es um Rennräder geht. Doch wer sich ausschließlich vom Preisschild leiten lässt, verpasst oft das Wesentliche: das Gefühl, das ein Rad vermittelt. Denn Glück auf zwei Rädern hat nicht zwingend mit Carbon, Wattmessung oder Wireless-Schaltung zu tun. Auch Low-Budget-Räder können überraschen – mit Fahrspaß, Komfort und einem breiten Grinsen nach der Abfahrt. Manchmal ist weniger einfach mehr. Und das Beste? Meistens völlig überbewertet.

#machurlaubfahrrennrad
Cristian

PS: Lust auf Rennradurlaub? Hier geht’s zum Resturlaub in Cesenatico

Pannonia 400 – Ein langer Tag auf dem Rennrad

Pannonia 400

Am 14. Juni 2025 fand sie zum zweiten Mal statt: Pannonia 400. Ein einzigartiges Rennrad-Abenteuer, welches das Burgenland in den Mittelpunkt rückt. 400 Kilometer, 3.300 Höhenmeter – an einem Tag, rund um das ganze Bundesland. Fast. Eine Schnapsidee, wie immer. Mit einer Vorgeschichte. Die längsten Tage des Jahres für die längste Tour des Jahres nutzen. So einfach ist es.

Die Idee hinter Pannonia 400

Pannonia 400 war mehr als nur ein sportliches Kräftemessen. Es ging nicht um Tempo-Rekorde oder Einzelkämpfer. Vielmehr stand der Gedanke „gemeinsam wegfahren – gemeinsam ankommen“ im Vordergrund. Genau dieser Teamspirit machte diese Ausfahrt wieder so besonders: Jeder Kilometer wurde gemeinsam abgespult. Jede und jeder trug die Gruppe mit, jede Panne wurde zusammen gelöst, jede Pause gemeinsam verbracht.

Die Route führte einmal rund um das Burgenland und vereinte landschaftliche Highlights, kleine Anstiege und lange, ruhige Straßen. Dieses Jahr wagten sich 19 Rennrad-Begeisterte an die Herausforderung. Aus dem Burgenland, Niederösterreich, Wien, der Steiermark und der Slowakei. Darunter drei Damen!

Social Ultracycling

Ein früher Start in einen langen Tag

Der Wecker klingelte für die Teilnehmer:innen bereits mitten in der Nacht. Beim mir war es 2:30 Uhr. Um 4 Uhr früh rollte der Tross vom Startpunkt in Eisenstadt los. In der Morgendämmerung zeigte das Thermometer gerade einmal 5 Grad – ich persönlich hatte nicht damit gerechnet. Für eine Hitzeschlacht bewaffnet, war zuerst einmal Frieren angesagt. An den Zehen und an den Fingern.

Die Stimmung? Noch gedämpft. Allen war die Ungewissheit ins Gesicht geschrieben. Und dann: Sonnenaufgang über den burgenländischen Feldern, leer gefegte Straßen, motivierte Gespräche. So verflogen die ersten Stunden fast wie im Flug.

Die Strecke: Burgenland in seiner ganzen Vielfalt

Die Route selbst war eine Liebeserklärung an das Burgenland: sanfte Hügel im Norden, bissige Stiche im Mittelburgenland, endlose Weiten im Südburgenland, der höchste Berg des Landes fast genau zur Mitte, idyllische Ortschaften entlang der Grenze zu Ungarn und weite Ebenen im Seewinkel. Insgesamt sammeltn wir stolze 3.300 Höhenmeter – eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass viele das Burgenland für flach halten.

An vier geplanten Pausenstationen konnten die Energiespeicher aufgefüllt, Trinkflaschen nachgefüllt und müde Beine gelockert werden. Klassiker wie Bananen, Müsliriegel, belegte Brote und viel Kaffee durften dabei nicht fehlen. Kühle Getränke und Eis natürlich auch nicht.

Pannen gehören dazu

Ein Langstrecken-Abenteuer ohne Zwischenfälle? Kaum möglich! Insgesamt siebenmal musste das Pannonia400-Peloton kurz stoppen, um platte Reifen zu flicken oder mechanische Probleme zu beheben. Manche mehrmals. Doch auch hier zeigte sich: Niemand blieb allein zurück. Wir tauschten Schläuche, Patronen und viel Wissen. Was für Außenstehende eine nervige Unterbrechung sein mag, stärkte die Gruppe nur noch mehr.

Von 5 auf 30 Grad: Wetterkapriolen als Begleiter

Ein Tag auf dem Rennrad bringt immer Überraschungen. Dieses Jahr spielte das Wetter perfekt mit – fast zu perfekt! Während es in den Morgenstunden noch empfindlich kühl war, kletterten die Temperaturen am Nachmittag auf über 30 Grad. Die Hitze machte vor allem auf den langen, schattenlosen Passagen ordentlich zu schaffen.

Zum Glück blieb der Wind nahezu aus – für Burgenland-Verhältnisse fast ein kleines Wunder und ein entscheidender Faktor für die gute Laune im Feld.

Die letzten Kilometer: Gemeinsam ins Ziel

Nach rund 18 Stunden brutto im Sattel (Fahrzeit 14 Stunden, 29 km/h Schnitt) zahlreichen Kilometern im Windschatten und unzähligen Gesprächen rollte die Gruppe um 22 Uhr wieder in Eisenstadt ein. Erschöpft, aber glücklich – und vor allem: gemeinsam.

Für viele war es der erste so lange Tag auf dem Rennrad. Für manche eine persönliche Bestleistung, für alle ein unvergessliches Erlebnis. Als Initiator geht mir heute noch das Herz auf. Es ist immer wieder beeindruckend, was man als Gruppe schaffen kann. Das ist die Magie von Social Ultracycling. Und dass einige ihre längste Ausfahrt im Windschatten meiner Idee geschafft haben, erfüllt mich mit Freude. Danke allen, die mitgefahren sind.

Ein Blick ins nächste Jahr

Wer jetzt Lust bekommen hat, selbst Teil dieser besonderen Community zu werden, darf sich freuen: Schon jetzt steht fest, dass es 2026 eine Neuauflage geben wird. Pannonia 400 hat sich in kürzester Zeit zu einem Fixpunkt für Radsportfans im Burgenland entwickelt – und darüber hinaus.

Die Anmeldung wird rechtzeitig über www.machurlaubfahrrennrad.com und die bekannten Kanäle veröffentlicht. Eines ist sicher: Die Plätze werden schnell vergeben sein, denn das Gefühl, einmal das ganze Burgenland in einem Tag zu umrunden, lässt niemanden so schnell los. Und 400 Kilometer fährt man auch nicht alle Tage. Vor allem nicht allein.

Warum man Pannonia 400 erleben sollte

Abseits von Kilometern und Höhenmetern ist es vor allem der soziale Aspekt, der Pannonia 400 so besonders macht. In einer Zeit, in der viele Events immer schneller und härter werden, erinnert dieses Projekt daran, dass Gemeinschaft, gegenseitige Motivation und Rücksicht wichtiger sind als Bestzeiten.

Die Teilnehmer:innen lernen dabei nicht nur ihre körperlichen Grenzen kennen, sondern auch, wie sehr man im Team über sich hinauswachsen kann. Ob man nun vorne im Wind fährt oder hinten Kraft spart – am Ende zählt, dass alle gemeinsam ankommen.

Fazit: Mehr als ein Radmarathon

Pannonia 400 ist keine gewöhnliche Ausfahrt, sondern ein Abenteuer für Körper und Geist – und eine Liebeserklärung an das Burgenland auf zwei Rädern. Wer einmal dabei war, versteht, warum sich so viele auf die dritte Auflage freuen. Oder auch nicht.

 Also: Speichert euch 2026 schon jetzt im Kalender – Pannonia 400 wartet!