Jetzt haben wir den Salat. Besser gesagt, die teuersten Rennradschuhe der Welt. Mavic Comete für läppische € 1.000,-. „Der Rennschuh mit der besten Kraftübertragung und direktesten Verbindung zum Bike aller Zeiten“. Genau das versprechen die Franzosen. Gut, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, mit diesen Rennradschuhen ein paar Runden zu drehen. Nicht vorenthalten möchte ich euch, wie es mir dabei ergangen ist.
Was ich alles für € 1.000,- Schuhe mache.
Mittwoch Vormittag. Ich plage mich über den Radweg am Gürtel Richtung Mountainbiker. Etwas was ich sonst nie mache. Denn ich hasse Radwege. Die Wiener Radwege insbesondere. Wer diese so angelegt hat, war wohl noch nie mit einem Rennrad unterwegs. Schlimmer als jede Form des Autoverkehrs in Bari oder Neapel. Die Gefahr lautert überall. Links- und rechtsabbiegende Autos, Straßenbahnen, Busse und Taxis. Letztere sind die Ärgsten. Gesetzeslos agieren sie. Alles und alle im Auge zu behalten fällt mir schwer. Zum Glück fährt die U6 oberhalb. Ein Feind weniger. Dazu noch Schienen, Fußgänger und Polizeiautos. Ein solches patroullierte mitten am Radweg. Seitlich kaum 30 cm Abstand. Ich habe mir erlaubt die Beamten auf gut wienerisch mit Schweibenwischer freundich zu grüßen. Alles nur für € 1.000,- Rennradschuhe.
Dann der große Moment. Ich bekomme beim Mountainbiker die Rennradschuhe. Nein. Ich bekomme eine schwarze Box mit einem kleinen gelben Streifen. Unboxing – nennt sich das in der Fachsprache. Fritz „Magic“ assistiert mich. Der 6fache Staatsmeister und 8fache WM-Teilnehmer ist heute mein Mann an Ort und Stelle. Box öffnen, Schuhe einzeln aus einer feinen Stofftasche nehmen, eine kurze Einführung in das neue Verschlusssystem (Mavic Ergo Dial-Drehverschlüsse mit Zwei-Wege-Mikro-Justierung) und ich darf mich austoben.
Mit diesen Rennradschuhen muss man schnell fahren.
Vorsichtig und behutsam schlüpfe ich in den Innenschuh. Ich will jede Sekunde voll aufnehmen und spüren. Natürlich habe ich ein anderes Gefühl wie im Suplest Edge3. Der Mavic Comete fühlt sich eben anders an. Enger und steifer. Vor allem seitlich und in der Ferse. Das Anziehen erinnert mich an meine Zeiten als Skifahrer und das Plagen mit dem Dobermann von Nordica mit 150er Flex. Mit beiden Beinen am Boden wage ich erste Schritte. Nein. Der Mavic Comete ist nicht zum Gehen geeignet. Da gibt nicht viel nach. Nur der Innenschuh hebt sich beim Spaziergang durch den Shop hinten ein wenig aus dem Schaft heraus. Ob Größe 42 die richtige ist? Größer auf keinen Fall.
Ich weiß nicht ob es eine Steigerungsform für Beton gibt. Wenn ja, dann beschreibt sie die Kombination aus Mavic Comete und Solestar Carbonsohle. Diese habe ich nämlich den zwei mitgelieferten Mavic Sohlen vorgezogen. Vorerst ohne nennenswerten Durckstellen, verlasse ich den Shop und mache mich auf den Weg.
Der erste Eindruck nach ein paar Flachkilometern auf der Donauinsel? Mit diesen Rennradschuhen muss man einfach schnell fahren. Vielelicht aus Furcht verletzt zu weden oder einfach nur, um schneller wieder retour zu sein. Man weiß ja nie, wie lange die Blutzirkulation in den Fußen damit gewährleistet ist. Möglicherweise auch, weil am Versprechen von Mavic etwas dran sein könnte. Direkte Kraftübertragung. Das Gefühl, immer genug Druck am Pedal zu haben ist schon da. Placebo hin oder her. Kopf, Beine, Schuh und Pedal harmonieren ganz gut und agieren sehr schnell. Die Wattangaben sehen vielversprechend aus. Insbesondere im Wiegetritt und mit der Kette rechts habe ich den Eindruck, dass der Schuh sein ganzes Potential aussschöpft.
55 Strava Pokale – jetzt darf man interpretieren.
Die Schuhe sitzen fest im Sattel. Stehend wie sitzend. Die niedrige Zunge erlaubt ein besseres Rotieren am Toten Punkt. Keine Wissenschaft. Reines Bauchgefühl. Und nach wie vor keine nennenswerten Druckstellen. Links vorne tut mir die große Zehe weh. Die Hornhaut war Schuld. Und eine leichte Falte in der Innensohle. Der Schuh also hier unschuldig. Solestar und Mavic sind vielleicht nicht so gut abgestimmt. Teilweise fahre ich sogar mit komplett offenen Schuhen und habe trotzdem mehr als genug Halt. Sowohl beim Drücken wie auch beim Ziehen.
Strava vermeldete mir 55 Pokale bei der Ausfahrt und Garmin Cycling Dynamics gab mir auch weitere Daten zur profunderen Analyse. Natürlich ist nicht nur der Schuh dafür verantwortlich. Ich war ja auch müde von der BikeAttack100 am vergangenen Sonntag. Eines ist klar. Der Schuh kann was. Die Frage ist, ob er € 1.000,- kann. Mir hat es sehr viel Spass gemacht. Ob ich den Fuß für einen Mavic Comete habe, wird sich zeigen. Ein paar Runden darf ich noch drehen. Zu Hause war einzig eine kleine Druckstelle links vorne unterhalb der kleinen Zehe zu sehen. Metatarsal.
Wir Konsumenten bestimmen den Preis.
Wie viel sind jetzt die € 1.000,- wert? Gute Frage. Berechtigte Frage. Es ist nicht meine Aufgabe über die Sinnhaftigkeit solcher Rennradschuhe und Preise zu urteilen. Auch nicht der Handel. Wie mir „Magic“ erklärt hat. Mavic hat es gewagt Evolution und Innovation in höhere Sphären zu heben. Aus meiner Sicht hat die Industrie das Recht und die Pflicht dazu. Es sind letztendlich wir Konsumenten jene, die entscheiden, ob dieser Schuh einen realen Platz am Markt finden wird. Immerhin haben wir den Preis für Carbonräder weit über die € 10.000 Grenze geschraubt. Jene für Carbonlaufräder liegt auch schon jenseits der € 4.000,-. Da machen € 1.000,- für ein Paar Schuhe das Kraut auch nicht mehr fett. Wer nicht damit einverstanden ist, der kann ja einen anderen Schuh kaufen. Und ganz unter uns: Neben einem € 1.000,- Schuh wirkt ein € 400,- Schuh gleich viel günstiger.
Interessant ist der Mavic Comete abgesehen von den subjektiven Empfindungen wie Optik und Preis schon. Die Konstruktion mit Carbonschadft und herausnehmbaren Innenschuh, das neue Verschlussystem, die Optik der Verpackung und das Gesamtpaket mit mitgelieferten zum Patent angemeldeten Überschuhen, separaten Schutzbeuteln aus Stoff sowie einem extra Putztuch sind stimmig.
Fazit: Ich kann persönlich jedem nur emfpehlen, sich selbst seine Meinung zu bilden. Mountainbiker in Wien hat Testschuhe. Hingehen, Größe auswählen und lostreten. Eines ist gewiss. Der Mavic Comete ist nicht für jeden geegnet. Ich behaupte mal, dass man schon einen sehr schmalen „Sidi“ Fuß haben muss.
ktrchts
PS: Den Mavic Comet habe ich als Leihgabe zu Testzwecken bekommen. Danach findet der Schuh wieder den Weg zurück unter die Viaduktbögen. Der Artikel erscheint unentgeltlich. Ich bin zwar jung und würde das Geld brauchen, ober so sind die Regeln.
Ergänzung:
Jetzt habe ich auch die mitgelieferten Radüberschuhe testen können. Bei leichtem Nieselregen und 9°. Fazit: wenn schon die Schuhe ihr Geld nicht werd sind. Die Überschuhe sind es allemal. Perfektes Fitting, sehr gut verschweißt (nicht genäht). Einzig der Reißverschluss hinten hat ein wenig gezickt. Muss sich wohl noch etwas einarbeiten.
Also für einen Fahrrad-Laien wie mich ist der Preis ja absolut nicht nachvollziehbar aber allein beim Lesen des Beitrages merkt man schon wie viel Leidenschaft da dahintersteckt und dass es beim Rennradfahren wohl um jedes noch so kleine Detail geht und man überall das Beste rausholen möchte. Jedenfalls sehr, sehr gut geschrieben und ich hab wieder ein bissl was gelernt – 1000 Euro und härter als Beton 🙂