Zuletzt aktualisiert am 27. Juli 2018 um 12:00
Rad und Recht. Oh, mein Gott. Recht haben und Recht bekommen. Oh, mein Gott. Nichts ist so frustrierend wie die Tatsache, dass man als Rennradfahrer (und Radfahrer) auf Österreichs Straßen die Arschkarte zieht, sobald man sich aufs geliebte Rad schwingt. Zwar gibt es in der StVO zum Schutz oder einfach nur, um ein Miteinander zu regeln, einen § 68. Dieser ominöse § 68 StVO ist aber für den Hugo. Für die Katz. Für die Würste. Im Fall des Falles ohne Aussicht auf irgendwas. Und solche Fälle gäbe es genug. Schneiden, drängeln, Vorfahrt nehmen. Vergehen, die ein Autofahrer oder Busfahrer rein von den Regulativen her, nicht begehen dürfte. Vom Hausverstand aus betrachtet auch nicht begehen sollte.
Rennradfahrer – die Parasiten auf Österreichs Straßen.
Der Alltag auf Österreichs Straßen. Sodom und Gomorrah. Der Stärkere frisst den Schwächeren. Der Schnellere überfährt den Langsameren. LKW, Bus, Klein-LKW, Klein-Bus, SUV, Auto, Motorrad, Radfahrer. So lautet die Rangordnung. Unterbrochen von Polizeiautos, die da und dort diese Hierarchie etwas durcheinander bringen. Das schwächste Glied in diesem ganzen Zirkus? Genau. Der Radfahrer. Ein ungern gesehener und nur teilweise geduldeter Gast in der Manege. Ein lästiges Hindernis. Ein Parasit. Autofahrer zahlen die Straßen und der Radfahrer nutzt sie. Weil er nicht freiwillig das Feld (die Straße) räumt, wird er einfach hinausgedrängt. Oder man tut so, als gäbe es ihn nicht. Frei nach den Gesetzen der Natur.
Ich kann ein Lied davon singen. Noch besser. Ein paar Zeilen darüber schreiben. Es sind schon ein paar Kilometer im Jahr, welche ich landein und landaus am Straßenrand verbringe. Meistens entlang des Farbahn-Begrenzungsstreifens. Links von mir fahren dann die anderen vorbei. Die schnelleren Verkehrsteilnehmer. Die meisten klopfen dabei an der Illegalität an. Einige davon ziemlich eindeutig und laut. Meine Wahrnehmung dabei ist, dass es vor allem Busfahrer sind, die hier den Schöpfer spielen und über Leben und Tod entscheiden. Einen kürzlich erlebten Fall kann ich in meine fiktive Statistik aufnehmen.
Rad und Recht. Und die unfehlbaren Busfahrer.
Samstagmorgen. B59 zwischsen Eisenstadt und Großhöflein. Ein Bus der Wiener Neustädter Verkehrsbetriebe überholt mich ziemlich knapp, ohne den Fahrbahnstreifen zu wechseln. Damit ist schon alles gesagt. Natürlich äußere ich meinen Unmut über dieses unnötige Manöver mit ziemlich eindeutigen Gesten. Der Busfahrer dürfte das gesehen haben und bleibt an der nächsten Haltestelle stehen. Er öffnet die Tür. Ich nähere mich und frage ihn, warum er mir den Platz zum Überleben genommen hat. Seine Antwort lapidar: „Hast du nicht gesehen, dass mir ein Auto entgegenkommen ist?“ Meine Reaktion darauf waren viele Fragezeichen im Kopf. Meine Antwort „Dann hätten Sie sich hinter mir einreihen müssen und warten“. Ein „ok“ „sorry“ oder ähnliches hätte die Situation besänftigt. Stattdessen werde ich vom Busfahrer daran erinnert, dass ich eigentlich nicht auf die Straße gehöre. Weitere Fragezeichen. Den Rest können sich viele hinzudenken. Einiges war nicht jugendfrei.
Wer glaubt, die Geschichte sei zu Ende, der täuscht sich. Selber Tag. Ca. 8 km später. Derselbe Bus. Kurz vor Steinbrunn. Die Straße eine Gerade. Kein Gegenverkehr. Leicht abschüssig. Ich werde von demselben Bus nochmals überholt. Diesmal weniger als nur knapp. Der Bus hat erneut den rechten Fahrbahnstreifen nicht verlassen. Rache? Revanche? Egowiederherstellung?
Leben oder Spital. Eine Entscheidung der Busfahrer.
So etwas hinterlässt Spüren. Ich versuchte die Sinnhaftigkeit dieser Aktion zu reflektieren. Fragte mich, was in einem Busfahrer vorgehen kann. Am Abend dann, setzte ich mich an den Computer und schrieb den Wiener Neustädter Verkehrsbetrieben eine kurze Email mit der Schilderung des Vorfalles. Hier die Antwort.
„Wir nehmen Bezug auf Ihre Beschwerde vom 30.06.2018 und möchten uns für die von Ihnen übermittelten Informationen bedanken.
Aufgrund des von Ihnen geschilderten Vorfall wurden interne Überprüfungen durchgeführt. Wir teilen Ihnen mit, dass ermittelt werden konnte, dass Sie bei beiden geschilderten Situationen genügend Platz hatten und der Lenker den gesetzlichen Abstand zum Radfahrer gehalten hat. Uns ist durchaus bewusst, dass ein vorbeifahrender Bus anders wahrgenommen wird und bedauern diesen Vorfall sehr. Unser Buschauffeur blieb bei dem ersten Zwischenfall kurz nach Steinbrunn stehen und öffnete die Tür um mit Ihnen zu sprechen.
Unsere Buslenker sind dahin geschult die StVO einzuhalten und die Gefahren der allgemeinen Sicherheit, welche im Straßenverkehr auftreten können, richtig einzuschätzen.
Wir werden auch noch mit dem zu diesem Zeitpunkt im Dienst befindlichen Lenker über den von Ihnen geschilderten Vorfall sprechen und ihn zu mehr Rücksichtnahme bewegen.
Wenn Sie sich durch unfreundliches Verhalten negativ angesprochen gefühlt haben, möchten wir uns höflichst bei Ihnen entschuldigen.
Wir verbleiben mit der Bitte um ihre geschätze Kenntnissnahme!“
Also. Keine wirkliche Einsicht. Zeilen gespickt mit physikalischen und räumlichen Fehlern. Eindeutigen Fehlern. Und natürlich Schuldumkehr. Alles ist gut. Danke und Aufwiedersehen. Rad und Recht ignoriert. Zumindest eine höfliches Bedauern, welches ich zum Glück lebend noch annehmen kann.
Die Arschkarte – Ticket einer gefährlichen Rennradreise.
Ähnlicher Vorfall im vergangenen Herbst. Natürlich habe ich das Gespräch mit dem Busfahrer gesucht. Rad und Recht eingefordert. Höflich und interessiert. Daran, warum man einem Rennradfahrer nicht Platz lassen will. Seine Reaktion konnte ich mit einem Foto festhalten. Die Reaktion der Postbus AG:
„Ich danke Ihnen für die Rückmeldung und nehme Ihre Bedenken und Ängste sehr ernst..Wenn etwas passiert ist, ist es zu spät. Ich habe die Erhebungen zu dem Vorfall durchgeführt und mir vom Lenker die Situation beziehungsweise seine Wahrnehmung zu dem Vorfall schildern lassen. Er hat mir die Situation aus seiner Sicht geschildert. Ich habe ein Gespräch auf sachlicher Ebene mit Ihm geführt und Ihm mit den Bedenken und Ängsten die aus seinem Verhalten entstanden sind konfrontiert. Nach dem ausführlichen Gespräch wurde Ihm klargelegt dass er sich dem Verkehrsaufkommen und der Verkehrssituation entsprechend zu verhalten hat und auch ein Maß an Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer an den Tag legt. Auf keinen Fall soll es soweit kommen, dass sich Verkehrsteilnehmer gefährdet fühlen.
Nach dem Gespräch mit dem Fahrer als unmittelbar Vorgesetzter, kann ich Ihnen mitteilen dass der Lenker Einsicht gezeigt hat und er sah ein, dass er sich auf ein Gespräch mit Ihnen und eine Klarstellung mit Ihnen vor Ort einlassen hätte sollen.“
Es sind also keine Einzelfälle. Und meine Wahrnehmung täuscht nicht. Egal ob jetzt ein Stadtbus in Eisenstadt (Stopptafel ignoriert und mich auf die Gegenfahrbahn geträngt) oder ein Dr. Richard Linienbus in Tulbling (Radfaher auf einspuriger Fahrbahn überholt währed ich entgegen kam – also zwei auf einem Streich). Die Könige der Straßen sind die Großen und jene, die diese lenken. Menschen, die davon leben, einen gültigen Führerschein zu haben. Gegen die ist man machtlos. Rad und Recht vertragen sich nicht. Rad und der Rest der Welt auf der Straße auch nicht.
Was man als Radfahrer darf: Gar nichts.
Mehrmals habe ich ähnliche Vorfälle auch bei den Dienststellen der Polizei gemeldet. Mein Leben ist mir zu wertvoll. Hier wurde jedes Mal nach Vorschrift alles brav protokolliert. Einmal hat man mich, weil kein Ausweis dabei, wieder nach Hause geschickt. Vorschrift eben. Alle Anzeigen sind im Sand verlaufen. Nötigungen sind schwer nachweisbar. Aussagen gegen Aussagen. Videos und Fotos nicht zulässig. Und solange sich niemand ernsthaft verletzt, ist das sowieso kaum relevant. Dazu kommt noch, dass kaum ein Autofahrer oder Busfahrer sich selbst einmal bei der Nase zieht und Fehler eingesteht. Victim-blaming.
Das ist die Realität auf Österreichs Straßen. Das ist § 68 StVO. Ein Pseudo-Paragraph, den kaum jemand kennt, noch irgend ein Auto- oder Busfahrer befolgt.
ktrchts
PS: Bevor die Diskusison losgeht: Es gibt auch die guten Auto- und Busfahrer und es gibt auch die sehr guten Auto- und Busfahrer, sowie es die weniger guten Renn- und Radfahrer gibt. Rad und Recht sind nie objektiv.
Rad und Recht – Aktualisierung:
Und täglich grüßt das Murmeltier. Und täglich schneidet dich ein Autobus. So passiert vergangene Woche und gestern. Diesmal war ich bei der Polizei und habe Anzeige erstattet. Irgendwas mit Verwaltungsstrafe wird sich schon finden. Strafrechtlich ist ein absichtliches Schneiden nicht relevant.
Kurz die Geschichte: Postbus 200 (Wien – Laxemburg – Eisenstadt). Fahrer überholt trotz Gegenverkehr. kurz nach Großhöflien. Lässt kaum 20 bis 30 cm Platz zwischen mir und seinem Ungetüm. Mit den entstandenen Verwirbelungen habe ich Mühe mein Rennrad zu halten. Zum Glück passiert nichts. Ich folge dem Bus. Dank Wut im Bauch und Adrenalin gibt es eine Strava PR auf den Strecke Müllendorf – Bergkirche. Den Buss erreiche ich am Domplatz. Der Busfahrer steht vor dem Bus und begrüßt mich „Wos willst?“ Ich erkläre ihm, dass … und er könne doch etwas mehr Rücksicht auf die Radfahrer nehmen. Seine Antwort „Weil ich auf die Radfahrer aufpasse!“ Mit einem süffisantem Lächeln im Gesicht. Mir steigt es bis zum Hals. Muss mich beherrschen. Mir reicht es. Ich fahre zur Polizei. So ein arrogantes, herablassendes und abwertendes Verhalten erlebt man selten. Foto des Fahrers habe ich.
Verkehrspsychologen – wo seid ihr?
Ob was rauskommt? Keine Ahnung. Gestern dann ein weiterer Bus. Diesmal wieder die Wiener Neustädter Verkehrsbetriebe. Knapp vorbei. Voll daneben.
Das sich nicht der einzige bin, zeigt dieses Schreiben, welches ich im Netz gefunden habe. Ein Radfahrer hat sich die Mühe gemacht, beim Bundesministerium zu intervernieren. Hier die äußerst interessante Antwort:
„Sehr geehrter Herr Ing. Schlögel!
Herzlichen Dank für Ihre Eingabe vom 07. Juli 2018. Wir können die von Ihnen geschilderte Problemlage nachvollziehen, es ist mit Sicherheit äußerst gefährlich und verunsichernd, wenn man als Radfahrer von Fahrzeugen überholt wird. Die polizeiliche Überwachung dieser Übertretungen gestaltet jedoch äußerst schwierig, um eine solche Übertretung beweiskräftig und einspruchsresistent zur Anzeige bringen zu können, müsste man sich als PolizistIn unmittelbar vor oder hinter dem Geschehen befinden, wobei fraglich ist, ob dann noch eine Übertretung stattfindet. Obwohl natürlich bei Wahrnehmung solcher Übertretungen Anzeige erstattet wird, möchten wir Sie aus den erwähnten Gründen auf die Möglichkeit der Privatanzeige hinweisen. Bei besonders gefährlichen Situationen sollten Sie sich also das Kennzeichen, Fahrzeugbeschreibung, Zeit und Ort merken und Anzeige bei der nächsten Polizeidienststelle erstatten.
Radfahrer sollen sich laut Polizei „breit machen“.
Ein weiterer Aspekt ist jener, dass sich RadfahrerInnen oft „zu wenig breit machen“, was FahrzeuglenkerInnen dazu verleitet anzunehmen, dass sich ein Überhol- bzw. Vorbeifahrvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung ausgeht. Man sollte als RadfahrerIn zwar einerseits am äußerst rechten Fahrbahnrand fahren, sich andererseits aber auch den notwendigen Platz lassen und evtl. Hilfseinrichtung wie „Abstandskellen“ am Fahrrad anbringen, die das Fahrrad breiter erscheinen lassen und die nachkommenden FahrzeuglenkerInnen darauf hinweisen, dass ein Überholen bzw. Vorbeifahren nur ohne Gegenverkehr bzw. an geeigneter Stelle möglich ist. Sichtbare Bekleidung bzw. Warnwesten sind vermutlich bereits selbstverständlich. Dass sich die Situation für „Radrennfahrer“ nochmals schwieriger darstellt, ist uns bewusst, es sollte nur ein Denkanstoß in der Sache sein.
Abschließend können wir Ihnen versichern, dass bei entsprechender Wahrnahmung unsere PolizistInnen Anzeige erstatten werden, müssen allerdings nochmals erwähnen, dass sich das Gesamtproblem auf Grund der schwierigen Wahrnehmung solcher Übertretungen mit polizeilichen Möglichkeiten nicht lösen wird lassen und weisen deshalb nochmals auf die Möglichkeit der Erstattung von Privatanzeigen hin.
Mit besten Grüßen
BM.I, Abt. II/12 – Verkehrsdienst der Bundespolizei“
[…] Das personifizierte Übel auf IHREN Straßen, die sie vermeintlich komplett selbst bezahlt haben. Der Parasit. Ein leidiges Geschwulst, dass man zwar nicht einfach wegmachen (ergo umfahren) kann, aber doch […]
[…] kaum gelebten respektvollen Umgang miteinander. Aber warum haben die Rennradfahrer*innen immer die Arschkarte? Weil sie doch öfters im Recht sind (öfter als so mancher Autofahrer glauben mag), trotzdem aber […]