Sicher Rennrad fahren. Jeder Zentimeter zählt.

Sicher Rennrad fahren

Es sind oft nur wenig Zentimeter. Sie entscheiden jedes Mal, ob meine Ausfahrt mit dem Rennrad im Eisgeschäft enden darf oder im Krankenhaus ihr Ende finden wird. Wenige Zentimeter, die billiges Blech und meine Knochen zueinander bringen. Ein Hauch von Abstand, der kategorisch zu gering ist, um mein Sicherheitsgefühl zu stärken. Genau deshalb sind diese wenigen Zentimeter der Grund dafür, warum ich mich, vormals furchtloser, immer mehr vor dem Rennradfahren auf öffentlichen Straßen fürchte. Ich habe mich durch dieses Hosenscheißerdenken ins Abseits drängen lassen. Dorthin, wo ich nichts zu suchen habe. Auf oder sogar hinter den Rand- und Leitlinien. Ich schenke den Autofahrern zu viel Platz. Platz, den ich laut StVO aber für mich beanspruchen könnte und sollte. Je mehr Platz ich ihnen schenke, desto mehr davon nehmen sie sich. Und mir weg. Es ist frustrierend. Mittlerweile ist es schon so, das sich instinktiv meinen linken Ellbogen einziehe, sobald ich ein Auto heranrauschen spüre. Weil ich die Seitenspiegel bedrohlich nahe fühle. Ich schaue mehr nach hinten als nach vorne. Sicher Rennrad fahren ist mein täglicher Kampf, nicht an- und überfahren zu werden.

Österreich überfahrt Rad.

Früher was alles besser. Ja. Es war sicherer. Gefühlsmäßig sicherer. Brenzlige Situationen waren noch Ausnahmen und nicht die Regel. Autofahrer sind aggressiver geworden. Uneinsichtiger. Ich kann das in Zahlen nicht belegen. Es ist aber mein Eindruck und das was ich so auf öffentlichen Straßen erlebe. Vor allem das Überholen vor Kreuzungen oder mitten in Radinseln. Dort, wo die Fahrbahn am engsten ist. Und das Platzangebot sehr begrenzt. Ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Rücksicht auf mich. Oder jene, die auf geraden, gut einsehbaren Straßen ohne Gegenverkehr beim Überholen stur in ihrer Spur und Fahrbahn bleiben. Und jene, die meine Reaktionen zum Anlass nehmen, am Straßenbankett eine Pause einzulegen um ihren Lebensfrust bei mir auszulassen. Was ist los mit diesen Menschen? Ich scheiß mich echt an.

Ich will niemanden Böses. Eigentlich will ich nur spielen. Mit meiner Kraft, mit meinem Rad, der Übersetzung, mit dem Wind, der Topografie der Straße und mit jenen, die mit mir mitfahren. Ich kenne meine Pflichten und meine Rechte. Ich fahre gesittet und im Rahmen meiner Möglichkeiten. In 99 % der Fälle respektiere ich die StVO und halte diese ein. Nehme Rücksicht auf jene, die sich mit mir auf der Straße befinden. Im Endeffekt will ich nur sicher Rennrad fahren, ohne Angst zu haben, überfahren zu werden.

Schwäche zeigen heißt Stärke gewinnen.

Vielleicht ist es das Alter. Es macht mich schwächer. Ich habe nicht mehr die Kraft und die Nerven, mich mit Autofahrern auseinanderzusetzen. Manchmal bleibt mir aber nichts andere übrig. Dann, wenn aus den wenigen Zentimetern, die zwischen Eisdiele und Krankenhaus entscheiden, Millimeter werden. Wenn der Schreck so tief im Nacken sitzt, dass ich die gute Kinderstube vergesse und mein Temperament Herr der Lage wird. Ich bin als Rennradfahrer ab und wann der Idiot, aber nie der Sündenbock für etwas, was andere nicht auf die Reihe bringen wollen.

Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert. PS-Stärke und ein frustriertes Leben passen nicht zusammen. Autos sind längst nicht mehr reines Fortbewegungsmittel. Moderne Autos sind gesteuerte Waffen. Die meisten Fahrer darin beschäftigen sich mit allem, nur nicht mit dem Autofahren selbst. Hirnlos, gedankenlos und oft ohne Erfahrung und Verständnis ziehen sie los und glauben, die Straße gehört Ihnen. Und dann treffen sie auf mich. Selten geben sie mir Platz. Zu oft ist es knapp und noch öfters ist das Glück auf deren Seite, weil ich Schwäche zeige und nachgebe. Für jemanden mitdenke, der stärker ist. Weil ich mich am Ende einer Ausfahrt mit einem Eis belohnen will.

ktrchts

PS: Meine Versuche, mir beim Kuratorium für Verkehrssicherheit, bei den Automobilclubs ÖAMTC und ARBÖ sowie beim Verkehrsministerium Verhör zu verschaffen scheiterten am mangelndem bewusstseinsbildendem Interesse.

Danke für die Empfehlung

4 Kommentare

  1. Roland Masloh

    Schön geschrieben,leider ist es so ,auch bei mir fährt bei jeder Ausfahrt die Angst mit!
    Ich nur noch mit tagfahrlicht vorne und rotes blinklicht hinten,das gibt mir etwas Sicherheit , ich werde von Autofahrern eher gesehen!

  2. Walter Geieregger

    Ich stimme deinen Ausführungen zu einem großen Teil zu, allerdings bin ich der Meinung, dass es keine Lösung ist, hier zurückzustecken.
    Generell bevorzuge ich es zwar, meine Radausfahrten abseits von den großen Hauptstraßen durchzuführen (da mich weniger Verkehr auch nicht so stresst), aber wenn ich dann schon auf stärker befahrene Straßen ausweichen muss, dann bin ich der Meinung, dass ich als Radfahrer mindestens genauso viele Rechte und natürlich auch Pflichten habe, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer.
    Demnach nehme ich mir auch den Platz, den ich als Fahrrad benötige. Moped- und Motorradfahrer fahren ja auch nicht am Straßenbankett herum, um ja nicht die Autofahrer zu stören.
    Da ich selbst natürlich auch Autofahrer bin, bemühe ich mich auch, diese Einstellung im Straßenverkehr zu leben und jedem Radfahrer, der meine Wege kreuzt, soviel Respekt entgegenzubringen wie möglich und notwendig ist. Vielleicht bringt uns auch das wieder ein bisschen mehr Sicherheit beim Radfahren zurück.

  3. Gerhard Burisch

    Das geht nicht nur dir so, mittlerweile sind wir Radfahrer, egal in welcher Form, zum Feindbild Nr. 1 geworden, weil jeder zu jeder Zeit glaubt, es eilig zu haben müssen. Leider zahlen wir dafür mehr und mehr die Zeche, denn du bist sowieso mit Stürzen beschäftigt und kannst dir keine Nr. merken. Leider ist Rücksichtnahme, Nachdenken über die Konsequenzen und vor allem verantwortungsvolles Fahren zum Luxus geworden. Es funktioniert nur mehr nach dem Motto“ Jetzt bin ich da, und ich habe alle Rechte“. Ist auch im Wald und auf Radwegen so. Es ist leider beschämend, wie sich die Umwelt zur Egomanengesellschaft entwickelt hat.

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