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Burgenland Extrem Tour 2024

Burgenland Extrem Tour 2024

Bike is back. Diese drei Worte haben offensichtlich gereicht, um mehr als 100 RadfahrerInnen an einem Donnerstag im Jänner nach Oggau am Neusiedlersee zu locken. Die Burgenland Extrem Tour 2024 hatte nach 2017 und 2018 ihre Radchallenge wieder. Mit neuem Format. Als Vorprogramm für mehr als 3.500 GeherInnen und LäuferInnen der klassischen Tour. Die Herausforderung, mit dem Fahrrad selbstbestimmt 1, 2 oder 3 Runden rund um den Neusiedlersee zu drehen, habe natürlich auch ich annehmen müssen. Und so bin ich dem Ruf von Michael, Tobias und Josef gefolgt. Ich habe es nicht bereut. Vielleicht ab und zu. Denn der stürmische, sogar für burgenländische Verhältnisse extrem penetrante und böige Wind wollte das Remake regelrecht verblasen.

Pannonische Gegenwindolympiade.

Der Jänner hat im Burgenland viele Gesichter. Es kann vorkommen, dass dieser seine kräftigen Beißzähne zeigt. Wie noch vor 10 Tagen. Radfahren am Eis war „damals“ der große Hit. Er kann aber auch angenehm mild sein. Sanft und ungefährlich. Wie aktuell. Mit Plusgraden im zweistelligen Bereich nach strengem Morgenfrost. Der Jänner hat im Burgenland aber auch seine windige Seite. Bissig kalt aus Norden und Osten oder stürmisch aus Westen. Speziell das pannonische Flachland kann ein Lied davon singen. Die windstillen Tage kann man hier und um den Neusiedlersee auf einer Hand abzählen. Jene mit besonders starkem, böigem Wind eigentlich auch. Einer dieser besonderen Tage war genau der 25. Jänner 2024. Positives Denken war angesichts der einhelligen Windprognosen sinnlos. Die verschiedenen Modelle unterschieden sich nur durch bei der Angabe der Windstärken. 70, 80 und sogar 90 km/h standen im Raum. Eigentlich nicht ganz optimal. Alles war also angerichtet für die 1. Pannonische Gegenwindolympiade.

Schon in der Nacht davor konnte man die ganze Brutalität des Windes spüren. Zumindest bei mir. Da ich das Wort Vernunft schwer buchstabieren kann, hoffte ich heimlich auf ein Einlenken des Veranstalters und ein offizielles Machtwort. Bei der Radabnahme und beim Fahrerbriefing war außer der Bitte Vorsicht walten zu lassen, nichts davon zu hören. Pünktlich um 8 ließ man uns los. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung zum Trotz, meine Wenigkeit mittendrin, statt nur daheim. Die ersten 40 Kilometer waren dann überhaupt kein Problem. Der Wind kitzelte uns wohlwollend abwechselnd von der Seite und von hinten. Business as usual.

3 Runden, 5 Checkpoints, 1 Ziel.

Das neue Format sah vor, dass pro Runde 5 Checkpoints gefunden und angefahren werden müssen. Hier galt es, das Roadbook gewissenhaft und ehrlich zu lochen. Ohne Lochung keine Ehre (und keine Finisher-Medaille). Die Bike 224 Meilen sind ja kein Rennen. Alles innerhalb der vorgegebenen Korridor-Zeiten und „Cut-Off-Zeiten“. Pro Runde nicht weniger als vier und nicht mehr als sechs Stunden. Wer für die ersten beiden Runden mehr als 12 Stunden benötigte, war draußen. Fast wie eine Schnitzeljagd. Oder Orientierungslauf mit dem Fahrrad. Das Format hat mir persönlich sehr gefallen. Weil es dem Renncharakter den Wind aus den Segeln genommen hat. Leider nicht den Wind selbst. Dieser präsentierte sich am südlichsten Teil der Runde, Ecke nordwärts, mit einer heftigen „Watschn“ ins Gesicht. Die Spiele haben genau hier begonnen. Ab jetzt war Teamarbeit, Versteckspielen und gekonntes Windkante fahren gefragt. Ohne Team und ohne Verstecke ein Ding der Unmöglichkeit. Mutterseelenallein kämpfte ich klein geduckt wie einst Don Quichotte gegen das in meinen Ohren mächtig präsente Unheil. Es war wie eine Mauer, die ich ständig vor mich herschieben musste.

Sarród, Einserkanal, Fertőújlak, Apetlon, Illmitz, Hölle – die Einsamkeit im Wind formte meinen Charakter und ließ den Schnitt dramatisch nach unten sinken. Nur noch knapp 300 Kilometer. Vor mir niemand und hinter mir auch nichts. Gruppenfahren allein. Meine Lieblingsdisziplin. Doch dann ein Hoffnungsschimmer. Eine Gruppe mit Timo und Tina (Tina B, Siegerin der RATA 2023 a.d.R) holte mich ein. Ein Expresszug. Ich buchte sofort mein Ticket und fuhr mit. Checkpoint Podersdorf, Weiden, Jois, Checkpoint Hillinger, Winden, Donnerskirchen. Auf den letzten 5 Kilometern der ersten Runde dann ein Rückenwind, der uns weit in den Osten getragen hätte. Diese Party war aber rasch zu Ende. Die erste Runde war geschlagen. Checkpoint Oggau, kurze Jause und auf in die zweite Runde mit Tina ohne Timo, Gernot, Peter und Patrick. Auf ein Neues.

Vernunft ist die Freiheit zu entscheiden.

Es war unsere (meine) Hoffnung, dass der Wind nachlassen würde. Diese Hoffnung starb zuerst. Ganz im Gegenteil. Wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt noch mehr Gegenwind daher. Samt Windbruch und tiefem Boden, der da und dort wie eine Notbremse wirkte. Auf den langen Geraden mit Seitenwind merkten wir schnell, dass die Straße nach rechts ihre Grenzen hatte und eine Vierer-Windkante den Gegenverkehr behindern würde. Gefahr in Verzug. Keine Frage. Es wurde nicht einfacher, dafür finster. Der traumhafte, punktgenau getroffene Sonnenuntergang in Podersdorf war der letzte Lichtblick des Tages. Langsam kamen Zweifel auf, ob eine dritte Runde bei diesen Bedingungen noch sinnvoll sei. Wie buchstabiert man eigentlich Vernunft?


Wir erreichten Oggau zum zweiten Mal und ließen uns auf eine Diskussion ein. Weiterfahren oder nicht. Jeder wollte. Aber nicht so richtig. Eine endgültige Entscheidung wurde hinausgezögert. Keiner von uns war bereit, ein Machtwort zu sprechen bzw. sich allein gegen die Dunkelheit und den Sturm zu stellen. Unterstützung wurde gesucht und nicht gefunden. So kam es, wie es kommen musste. Um kurz nach 19 Uhr gaben wir w.o. Frei nach dem Motto „Mir laungts, dass i woas dass i kunnt waun i mechat“. Ob die Entscheidung richtig war, werden wir nie erfahren. Laut Veranstalter ist eine Person in die dritte Runde aufgebrochen und war dann gegen 01:30 Uhr wieder wohlauf zurück. Eine Gruppe Rennradfahrer aus Mörbisch ist am selben Tag außer Konkurrenz schon um sechs Uhr morgens aufgebrochen. Sie haben „stravaverifizierte“ drei Runden absolviert. Mit einem Schnitt von über 27 km/h. Was ist schon Wind für Burgenländer?

Bike is back. Und wird hoffentlich bleiben.

Ich ziehe meinen Helm vor allen, die sich die Burgenland Extrem Tour 2024 mit dem Bike angetan haben. Am 25. Jänner 2024 wurden viele Heldengeschichten geschrieben. Jeder und jede auf seine und ihre Art und Weise. Und wie ich uns RadfahrerInnen kenne, werden wir diese Geschichten lange mit uns tragen. Wir werden sie verfeinern, ergänzen und übertreiben. Wir können stolz sein und dürfen es auch.

„Bike 224 Meilen“ hat definitiv das Potenzial zum Mythos. Egal wie das Wetter im Burgenland Ende Jänner sein wird. Denn recht machen kann man es uns ja sowieso nicht.

Cristian
#ktrchts

PS: Nicht nur im Burgenland kann man Radfahren. Auch in Italien oder quer durch Österreich. Lust Urlaub zu machen und Rennrad zu fahren? www.machurlaubfahrrennrad.com

Eine winterliche Rennradreise – Burgenland Extrem.

Winterliche Rennradreise

Man sollte dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Das wäre bei mir gestern gewesen. Um vier Uhr in der früh. Mein iPhone hatte mich gerade aus den warmen Federn vibriert. Oder ein paar Sekunden später, als mich eine Hand zärtlich festzog, um mich am Aufstehen zu hindern. In diesem Augenblick hätte ich meine winterliche Rennradreise beenden sollen. Weil es am schönsten war. Aber nein. Wie ferngesteuert stand ich auf. Gewillt, die von mir iniziierte Fakemania auch durchzustehen. Ultracycling im Winter ist ja normal.

Kein Griff ins Klo. Rennradreisen mit Spikes.

Von lange geplant, änderten sich die Vorzeichen mit wenigen Zentimetern Schnee. Zwei, maximal drei waren es. Abgeschüttelt von einem Italientief, welches sich gegen den Uhrzeigersinn von Ungarn über die Region um den Neusiedersee gedreht hatte. Es hinterließ ein Bild der Verwüstung. Leicht verschneite Rad- und Güterwege. Hochwinter im Burgenland. Ich habe lange überlegt, Wettermodelle studiert, gehofft und gebetet. Vergeblich. Letztendlich habe ich mich für die Spikes entschieden. Ich kenne das Burgenland und ich kenne die hiesigen Schneeräumungsrichtlinien. Neben den vielen Griffen ins Klo, war dies eine meiner wohl besten Entscheidungen.

Winterliche Rannradreise

Hochwinter im Burgenland

Die winterliche Rennradreise – University of Extrem.

Natürlich war es eine innerlich gereifte Entscheidung. Begonnen 2017. Als ich mir am Eis drei Rippen gebrochen hatte. Vorderrad weg und schon war es gesehen. Umso verwunderter war ich, als meine Mitstreiter am Treffpunkt vor dem Gemeindezentrum in Oggau, spikelos dastanden. Nicht ganz. Denn die Spikes hatten sie im Auto.

Noch einmal zu den Vorzeichen. Ein wenig Schnee, -5°C und die Gewissheit, dass der Wind den Status mäßig schnell in lebhaft ändern würde. Die Summe daraus sind Schneeverwehungen und glatte Straßen. Damit ist die Antwort auf die Frage, was den extrem sei, auch schon beantwortet. Eine winterliche Rennradreise ist extrem.


Zu sechst machten wir uns auf dem Weg auf diese winterliche Rennradreise. Dass wir diesmal keinen Kindergeburtstag gebucht hatten, zeigte sich keine 500 Meter vom Start weg am Radweg von Oggau nach Rust. Mit den Langlaufskiern wäre man hier auch gut bedient gewesen. Alle rutschten. Alle? Natürlich nicht. Vernunft ist gut. Spikes sind besser. Wir hatten sogar das Privileg, die ersten Spuren in den Pulverschnee ziehen zu dürfen. Freerider würden vor Neid erblassen. Die Stimmung in der Gruppe gut, die Sorgenfalten aber auch. Nicht nur Schnee und Eis forderten uns. Auch die Mülltonnen in Ungarn waren es. Wenn auf einem 50 cm breiten Radweg knapp 30 cm breite Mülltonnen stehen, dann wird es eng. Und es war eng.

Vernunft ist gut. Spikes sind besser.

Richtig spannend wurde es erst am Einserkanal. Hier ist auch der öffentliche Verkehr unterwegs. Der Schnee demnach gepresst. Vom Wind glatt rasiert. Zwei von uns küssten den Boden. Spassgebremst ging es weiter. Entscheidungen fielen. Auf Runde zwei verzichtetn einige. Wir splitteten uns. Die Steyrer Fraktion ließ sich Zeit und erfüllte konsequent und pflichtbewusst die vorgeschlagenen Einkehrschwünge im Seecafè und Bei Enzos Bistro. In der Zwischenzeit kam auch die Sonne durch die Wolken. Zaghaft, aber immerhin. Weit über der Planzeit erreichten wir das erste Mal Oggau. Während Jürgen seinen Pit-Stop erledigte, um vorne auf Spikereifen zu optieren, plünderte ich den lokalen Nah&Frisch. Cola-Zitronengemisch und ein Twix. Dazu eine Red Bull Dose für den Rucksack. Ja.Rucksack. Ich habe mir ausnahmsweise meinen Salomon Laufrucksack gegönnt. Akku, Kabel und Reservemützen.

winterliche Rannradreise

Rennradreisen mit Spikes

Burgenland Extrem – Zeit zu genießen.

Der Kampf gegen den Wind und das Spiel mit dem Gleichgewicht verschafften mir eine neue Perspektive, mich und die Gegend wahrzunehmen. Die Runde gestern wirkte fast entschleunigend. Jeder Tritt ein Gedanke. An das Aufhören. Das warme Bett. An die zärtlich am Morgen Hand und daran nicht aufgehört zu haben, weil es am schönsten war. Der Wind zehrte an meinen Kräften und an meinem Willen. Der Hunger und vor allem der Durst verschärften alles noch einmal zusätzlich. An Essen war nicht zu denken. Ich erreichte meine im Rucksack verstauten Mannerschnitten nicht. Die Kälte hatte meine Arme gekürzt. Trinken war sowieso nicht möglich. Nur Eislutschen.

Erstaunlich auch, was sich auf derselben Strecke innerhalb von nur fünf Stunden so alles geändert hatte. Dort wo viel Schnee gelegen ist, ist er geblieben. Dort wo wenig Schnee lag, glänzte jetzt Eis. Straße aufgetaut, Straße angezogen, Straße eisig. Noch rutschiger. Viel gefährlicher. Weit mehr Spass mit den Spikes. Einzig der Wind ist gleich geblieben. Gleich lebhaft.

winterliche Rennradreise

Die dunkle Seite des Winters.

Zu zweit kämpften wir uns durch. Nahmen uns den Windschatten und gaben uns Windschatten. Wir kommunizierten still. Akustisch konnten wir uns sowieso nicht verständigen. Das Gesagte gelangte nicht durch die Mützen ins Ohr. Und wenn, dann wurde es vom Wind verblasen.

Radfahren ist und bleibt Urlaub für Geist und Seele.

Dann wurde es wieder dunkel und kalt. Nach zwei Runden um den Neusiedlersee die Entscheidung, den heutigen Tag so zu belassen. Jürgen stieg ins Auto. Ich machte mich auf dem Weg auf Umwegen nach Hause. Warmes Zuhause, welches ich nach mehr als 12 Stunden Fahrzeit und 255 km erreichen konnte. Entschleunigt. Langsam wie selten zuvor. Fertig. Ausgelaugt. Gedankenbefreit. Ein halber Eistag am Rad. Ultracycling im Winter ist extrem. Extrem unvorhersehbar.  Der Wind ist im Winter hässlicher als im Sommer, wo er grauslich. An Kälte kann man sich gewöhnen. Lieben wird man sie aber trotzdem nie.

30 Grad mehr und ich wäre sicher weitergefahren.

ktrchts

PS: Für den Fall, dass jemand von der Behörde hier mitlesen sollte. Trotz winterlicher Fahrverhältnisse war der gesamte Burgenland Extrem-Trail mit der richtigen Bereifung und einer erwachsenen Portion Selbstverantwortung problemlos zu bewältigen.