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40. Ötztaler Radmarathon. Jubiläum mit Hindernissen.

40. Ötztaler Radmarathon

Es ist wieder angerichtet. Das Ötztal ruft. Nach einem Jahr Pause findet in wenigen Tagen der Ötztaler Radmarathon statt. Zumindest darf man davon ausgehen. Die Pandemie schläft nicht und die Natur auch nicht. Ein Felssturz hat vergangenen Montag die Auffahrt zum Kühtai unpassierbar gemacht. Totale Straßensperre. Die gewohnte Ötzi-Strecke braucht eine Umleitung. Zwei Alternativen stehen zur Auswahl. Man kann 4.000 Teilnehmer*innen über das Inntal nach Innsbruck schicken oder sie über den Haimingerberg und den Silzer Sattel (das Sattele) Richtung Ochsengraben und dann weiter aufs Kühtai lotsen. Schon 1992 und 2002 war diese Routenführung Ersatzstrecke. Sie würde dem 40. Ötztaler Radmarathon wieder 10 Kilometer und ca. 300 Höhenmeter oben draufpacken. Damals wurde das aber nie und nimmer so kontrovers diskutiert wie heute in Zeiten, wo man gerne aus jeder noch so kleinen Mücke einen Elefanten macht. Auch in Radfahrerkreisen. Man hat anscheinend ja sonst keine Sorgen.

Endlich 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter.

Ganz egal was. Die Gesellschaft hat immer etwas zu meckern. Jetzt wo der Ötztaler Radmarathon durch die Umleitung endlich ehrliche 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter bekommt (sogar ein paar mehr), steht die Radfahrerwelt Kopf. Zu schwer, zu hoch, zu steil bei den einen, zu leicht bei den anderen. Der Haimingerberg wird zum Feinbild. Plötzlich sind angepeilte Bestzeiten in Gefahr oder Karenzzeiten zu knapp bemessen. Es werden Forderungen laut, früher starten zu dürfen und die Zeitlimits zu verlängern. Die vielen steilen Rampen (bis 14 %) würden Staus verursachen und so manchen zum Absteigen zwingen. Man kann in den Facebook-Gruppen einige solcher Absurditäten lesen.

Aber auch das Inntal bekommt sein Fett weg. Es sei zu gefährlich, 4.000 Starter*innen in einer Wurst nach Innsbruck zu schicken. Und außerdem wäre dann der Ötzi zu leicht, wenn einem das Kühtai abhandenkommen würde. All dies noch bevor seitens der Organisation ein Statement und eine offizielle Ersatzstrecke verlautbart wurde.

Ersatzstrecke Ötztaler Radmarathon

Jammern auf Rennradfahrer-Niveau.

Der 40. Ötztaler Radmarathon feiert wohl ein Jubiläum mit Hindernissen. Schade. Denn statt zu feiern und sich zu freuen, wird auf typischem Rennradfahrer-Niveau genörgelt. Das zeigt schon, wie verbissen manche in dieser Community sind. Nicht alle, das muss an dieser Stelle deutlich betont werden. Muss es wirklich immer nur um Bestzeiten gehen? Bestzeiten, die eine Straßensperre und die damit verbundene Umleitung möglicherweise verhindern werden. Aber auch das so wichtige Covid-Präventionskonzept wird vielen einen Strich durch die Bestzeiten-Rechnung machen. Zu lesen sind Beschwerden über Zeitverluste von fünf Minuten oder mehr pro Verpflegungsstelle, weil man sich eine Maske aufsetzen und sich einbahngeregelt und mit Abstand versorgen muss. Darüber hinaus, darf man das Rad nicht zur Essens- und Getränkeausgabe mitnehmen. Bei fünf Stopps sind das mindestens 25 Minuten, die man verliert. Verzweifelt werden in den Foren und Gruppen Möglichkeiten gesucht, sich da und dort bei „privaten“ Verpflegungen anhängen zu können. Aufrufe dazu gibt es massenweise.

Auch der 40. Ötztaler Radmarathon ist eigentlich kein Rennen. Für einige wenige vielleicht. Sie fahren gegeneinander. Mit Taktik, Strategie und mit Unterstützung von außen. Meistens steht der Sieg im Vordergrund. Nicht die Bestzeit. Wenn der zweite nicht schnell genug ist, muss der Führende beispielsweise nicht Vollgas fahren. Logisch. Wichtig ist, vor allen anderen ins Ziel zu kommen. Dann dürfen sie und er im Rampenlicht stehen, um medial gefeiert zu werden. Das ist das erklärte Ziel der Gesellschaft, die egal wo, immer „Sieger*innen“ sehen und küren möchte. Wie auch beim Ötztaler Radmarathon. Und der Rest? Der Rest kann kein Rennen fahren. Von den 4.000 Starter*innen haben 99 % keine Chance zu gewinnen. Sie fahren also um die goldene Ananas. Und das so, als ginge es um den Sieg. Bei Kilometer 15 liegen einige davon dann schon in den Leitplanken, zu Fall gebracht vom falschen Ehrgeiz.

99 % der Teilnehmer*innen haben keine Siegchance.

Es scheint als wären die „Chancenlosen“ gestresster als jene, die nach Sölden kommen, um zu gewinnen. Logisch. Denn letztere haben es selbst in der Hand. Müssen es auch selbst in der Hand haben. Da ist das Wetter egal. Die Strecke sowieso. Wer gewinnen will, muss unter allen Umständen als erste*r die Ziellinie überqueren. Eine persönliche Bestzeit (das erklärte Ziel der Mehrheit aller Teilnehmer*innen) ist hingegen unter gewissen Umständen schwerer zu erreichen, als zu gewinnen. Da braucht es das perfekte Wetter, eine gute Gruppe, Windschatten, freien Zugang zu Kraftkugeln, Cola und Kuchen. So etwas hat man nicht immer selbst in der Hand. Das wurmt. Ist auch dumm und blöd. Deshalb macht einigen die Umleitung große Sorgen. Mehr Höhenmeter und mehr Kilometer. Dazu die pandemiebedingten Regeln. Als hätte man aktuell keine weiteren Sorgen. Man hadert mit dem Schicksal. Sieht sein Ziel schwinden. Macht andere schon im Vorfeld fürs Scheitern verantwortlich, obwohl weil man es selbst aus der Hand gibt.

Der Veranstalter organisiert jedes Jahr ein Top-Event. Das wird auch heuer so der Fall sein. Vor allem die für den Verkehr gesperrten Straßen (Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch) sind keine Selbstverständlichkeit. Dafür sollten und könnten wir dankbar sein. In diesem Sinne, allen eine gemütliche Runde über Brenner, Jaufenpass, Timmelsjoch und Kühtai. Fällt es aus, ist es auch egal. Bestzeiten werden sowieso überbewertet.

#ktrchts

PS: Welche Themen rund um den Ötztaler Radmarathon sonst noch heiß diskutiert werden, könnt ihr hier lesen. 40 Geschichten zum 40. Ötzi.