Dass die Italiener ihre Radmarathons – Granfondos, nicht nur gut organisieren, sondern regelrecht zelebrieren, ist mir spätestens seit meinem Besuch am Gardasee im Mai dieses Jahres bekannt und in bester Erinnerung. Nach dem Fremdgehen beim Colnago Festival musste ich also unbedingt zum hauseigenen Pinarello Familienausflug, der Granfondo Pinarello nach Treviso. Kommenden Sonntag ist es soweit. Nach Jahren der Abstinenz, bin ich dieses Jahr mittendrin statt nur daheim. Die Vorfreude ist dementsprechend groß, einer von über 4.000 zu sein, die sich nicht nur des Prosecco wegen, 100k oder 150k auf ihren Dogmas schinden werden.
La ventunesima. Alle guten Dinge sind 21.
Bereits zum 21. Mal findet die Granfondo Pinarello statt. Für mich ist es eine Premiere. Immer nur habe ich davon gehört und gelesen. Eine Einladung seitens meins Händlers des Vertrauen (Namen der Redaktion bekannt) blieb bisweilen aus. Trotz meiner subtilen Andeutungen, einmal im Leben mitfahren zu wollen. Selbst ist der Mann. Also kurzfristig angemeldet und schon war ich dabei. € 72 kostet der Spass für nicht in Italien Ansässige ohne UCI Lizenz. Dazu zwingend für jede Granfondo ein ärztliches Attest über die „Idoneità fisica“. Ohne so einem Wisch geht gar nichts. Mittels booking.com war schnell ein Hotel gefunden. Gar kein schlechtes. Feudal. Mit Whirlpool im Zimmer zum Preis von € 115,- pro Nacht mit Frühstück (für 2 Personen). Mitten im Zenrum.
Granfondo Pinarello – Marketing par excellence.
Wie bereits geschrieben. Die Italiener zelebrieren ihre Veranstaltungen. Die Trevisaner umso mehr. So sind die Ankündigungen keine normalen Informationsblätter. Es sind mehr hedonistische Schlagparolen. Sich selbst überbietende Superlativen. Höher, weiter, Granfondo Pinarello. Marketing par excellence. Da wird ordentlich geklotzt. Mit Headlines, Überschriften und Hashtags. Man bekommt das Gefühl bei ganz was besonderem mitmachen zu dürfen und dabei selbst etwas besonderes zu sein.
Heuer wird es zwei ganz neue Strecken geben. Der Passo San Boldo und der Passo Praderadego werden leider nicht mehr gefahren. Dafür geht es in die „Foresta del Cansiglio“, einem wunderschönen Hochplateau an den Ausläufern der nach Norden hin in den Himmel ragenden Alpen. Was aber nicht heißt, dass ich diese zwei spektakulären Pässe nicht kennenlernen werde. Als Aperitif für den Sonntag habe ich mich dort bereits für Samstag angekündigt. Mit Begleitung.
Das Höhenprofil des „percorso lungo“ weist eine große Zacke auf. Eine 15 km lange Steigung. Der Rest eine Achterbahn. Insgesamt warten somit auf 150 km wohl 2.500 schmerzhafte Höhenmeter. Das Schöne daran: Ich kenne keinen einzigen Meter der gesamten Strecke. Einen GPS-Track haben die Veranstalter immer noch nicht zur Verfügung gestellt. Also doch nicht alles so perfekt. Dass ich die 150 km fahren werde brauche ich hier nicht zu erwähnen.
Radfahren mit Miguel Indurain.
Mitten in der Pinarello Meute soll heuer wieder der fünfmalige Tour de France und zweimalige Giro Sieger Miguel Indurain am Start sein. Auch der Pinarello Chef „Signor Fausto“ wird in der ersten Startreihe stehen und einen Prototyp der Modelle 2018 spazieren fahren. Mit Scheibenbremsen? Ich selber werde mich aufgrund der späten Anmeldung im vorletzen Startblock einreihen. Ca 3500 Starter werden vor mir sein. Cool, oder? Egal. Es wird ein Fest für’s Auge und für die Seele werden. Freue mich auf das eine oder andere ältere Pinarello Modell. Wie das erste Prince mit Carbon Gabel und Carbon Hinterbau. Meine erste großen Liebe. So eine vergisst man bekanntlich nie.
Mit dem Muro Cà del Poggio will man dann auch noch etwas Giro Feeling aufkommen lassen. Mehrmals sind die Profis diesen kleinen giftigen Stich hinaufgeklettert. Ein Kilometer mit 13,8% Steigung im Schnitt. Bei der Granfondo Pinarello wird hier nicht nur der Schnellste gewürdigt. Auch die 100ste und 1000ste Zeit darf mit einer Überraschung im Ziel rechnen. Für die Zuseher im Ziel auf der Piazza del Grano gibt es sogar einen Live Stream von diesem Streckenabschnitt. Wie gesagt: Die Italiener wissen wie man Radmarathons in Szene setzt.
Ride diem – genieße den Tag.
Ich fahre nach Treviso mit hohen Erwartungen. Nicht an mich. An die Veranstaltung selber. An die Stadt, Organisation, Strecke, Betreuung und die „punti di ristoro“. Bei den Granfondos kann und darf man unterwegs gut und viel essen. Hohe Erwartungen somit an alles, was mir geboten werden wird. Wer so laut balzt, muss die Braut auch dementsprechend schmücken.
Auf alle Fälle werde ich meine Kreditkarte zu Hause lassen. Es wird sonst schwer werden, der Versuchung und der Sünde zu widerstehen. Beim Besuch auf der Expo, im Pinarello Shop oder direkt in der Fabrik. Sofern ich dort noch einen Besuchstermin bekommen sollte.
Mehr dann nächste Woche nach getaner Arbeit und getanem Genuss.
ktrchts