Die Königsetappe – 145 km und 1.900 HM |
Piran. Ja! Nein, nicht diese gefährlichen, menschenverachtenden und beißenden Fische. Piran. Die Fremdenverkehrsattraktion Sloweniens. Zusammen mit Portoroz, das Mekka der mondänen Dekadenz. Die Cote Azur für weniger Betuchte. Ja, ich war in Piran und in Portoroz. Von Porec dorthin wären es knapp 50 km gewesen. 100 km haben wir dorthin gebraucht. Die 50 dann wieder zurück. Wir, das sind ein Watt-Monster und ich. Ein schier ungleiches Paar mit einer gemeinsamen Leidenschaft. Das Rennrad.
Nachdem mein Angebot, die Runde um das Ucka-Gebirge zu guiden, mangels Teilnehmern keine Abnehmer gerfunden hat, ist Plan B zum Zug gekommen. Eine Kaffeefahrt nach Slowenien. Dank Chief Executive Routenplaner El Pedalero natürlich wieder mit Garmin Edge 1000 Unterstützung.
Start um 1000 Uhr beim Hotel. Zum Treffen erschien Andreas, zigfacher Meister in allem was man sich rund um Triathlon, Duathlon, Laufen und Rennradfahren so vorstellen kann. Seit 17 Jahren im Saft. Sonst niemand. Es schaut nach einer “schwaren Partie für mi” aus. Wir radeln los. Zum Start das übliche Geplänkel. Wir versuchen es auf Understatement. Andreas ist erst seit Februar wieder im Training. Nach einer Winterpause ohne Sport. Ich deklariere meine bisher gefahrenen Kilometer seit 1.1.2016. 4.500 ca. Beste Voraussetzung für einen harmonischen Rennradausflug.
Von Porec geht es erstmal Richtung Visnjan. Gemütlich ist was anders. Es läuft. Von Visnjan weiter nach Motovun. Die erste Stunde wird mit einem Schnitt von 34 km/h absolviert. In interessanten Gesprächen vertieft. Die Abfahrt ins Mirna-Tal fahre ich wieder komplett auf der linken Fahrbahn. So viele Löcher hat nicht einmal Schweizer Emmentaler. Unten verbietet uns der Track die Auffahrt von Livade nach Oprtalj. Wir müssen rechts abbiegen Richtung Buzet. Ca. 12 km im Flachen. Wir drücken beide drauf. Bei Gegenwind. Abwechselnd. Schenken uns wenig. Bäuchlein schützt vor Leistung nicht. Trifft auf mich zu. Buzet ist nach 1h35 erreicht. Das sind 47 km. Ja, wir haben etwas nachgelassen.
Eine kurze Ehrenrunde im Ort, ein Sprung über einen Gehsteig und eine anschließender Tragepassage bringen uns beide wieder auf Track. Es geht Richtung Slowenien. Es dauert nicht lange und der Garmin schreit nach einen Streckenabweichung. Wir hätten abbiegen sollen. Es gab aber keine Straße. Wo ein Wille auch ein Weg. Wir suchen einen, und finden diesen. Wenig später sind wir wieder richtig. Es geht jetzt auf einer schmalen betonierten Bergstraße – oder besser ein schmales betoniertes Bergstrasserl – bergauf. Außer Vogelzwitschern hören wir nichts. Ok. Meine Puste ist auch noch im weitesten Porec hörbar. Wir erreichen einen Weiler. Dann eine Schotterstraße. Ja, Schotterstrasse. Die einzige. Der Garmin kann sich also nicht irren. Ich fahre diese Schotterstraße zur Kontrolle. 500 oder sogar mehr Meter. Vielleicht einen Kilometer. Es bleibt aber beim Schotter. Ich nehme mein Telefon in die Hand und rufe Mister Trackfinder an. “Hallo, ich bin auf einer Schotterstraße.” “Was, eine Schotterstraße?” “Ja, eine Schotterstraße.” “Aha. Sorry. Wollte dir eine Abkürzung checken. Fahrt bitte auf die Hauptstraße.” Die Hauptstraße liegt weit unten. Zuvor muss ich die 1000 Meter im Schotter aber wieder hoch. Ich bete, dass meinem Rad nichts passiert.
Es ist zum Glück nichts passiert. Auf der Hauptstraße geht es weiter. Wir kommen dann zur Grenze zwischen Kroatien und Slowenien. Eine Schengen Außengrenze also. Natürlich haben wir unseren Pass mit. Diese Grenze ist unbemannt. Also weiter. Vorbei an einer ampelgeregelten Baustelle. Hier ist der komplette Berg auf die Straße gedonnert. Alles muss neu gebaut werden. Nochmals Schotter, Rollsplitt und jede Menge Nägel. Wir kommen mit 4 blauen Augen davon.
Dann die slowenische Grenze. Zuest wollen kroatische Polizisten unsere Pässe sehen. Dann die slowenischen. Unser Schnitt sinkt aufgrund dieser unnötigen Kontrollen. Europa, wo bleibst du.
In Slowenien rollt es wieder. Socerga, Gracisce, Cezarlj und schließlich Kuper (Capodiestria). Die verlängerte Hafenstadt von Triest. Italien ist einen Katzensprung entfernt. Wie schlendern am Radweg durch Koper. Dann entlang der Küste nach Isola. Portoroz ist nicht mehr weit. Wir müssten über einen Berg. Den sparen wir uns. Weil es durch einen eigenen Tunnel für Radfahrer und Fußgänger geht. Herrlich. Höhenmeter sparen.
Piran und Portoroz sind zwei zusammengewachsene Dörfer. Fast so wie Villariba und Villabajo. Wir entscheiden uns für Portoroz. Kaffee und Kuchen im Cacao. Ich bestelle eine Sachertorte (in Slowenien a.d.R) und einen Cappuccino. Andreas nimmt es gesünder. Heidelbeere Topfentorte. Mit dabei auch Christine und Gunter. Beide von Porec kommend. Über Umag. Nach kurzer Plauderei und Schüttelfrost – keine Sonne gesehen, gehts weiter. In Secovlje verlassen wir wieder Schengen und reisen erneut in Kroatien ein. Diesmal ist die Polizie freundlicher. Hilft mir sogar verstreute Kunas zu finden.
Noch ca. 40 km bis zurück nach Hause. Andreas nutzt meine Verwirrtheit mit dem Geld gnadenlos aus und fahrt die Steigung hinter der Grenze mit großem Kettenblatt. Ich folge ihm. Was sonst. Bis nach Buje wecheln wir uns jetzt ab. Dann beginnt die Taktiererei. Bis Novigrad Tempo hochhalten. Dann verstecken und am Ende zuschlagen. Novigrad ist erreicht. Brückenkurve und lange Gerade. “Links abbiegen”. Andreas ändert die vorgegebene Strecke und führt mich zur Schlampe von Novigrad. Eine Rampe auf der alten Straße. Liebevoll Schlampe genannt – der Name kommt vom Radteam Wörgl und ist schon viele Jahre alt.
Die Schlampe von Novigrad nehme ich mit einer vertikalen Steiggeschwindigkeit von 1.400m/h. Nicht schlecht nach 130 km. Jetzt nur noch wieder diese vielen Kreisverkehre und wir erreichen Porec. Ein stillschweigender Angrifspackt beendet jede Spekulation über einen möglichen Gewinner.
Wir sind im Hotel. Nach über 5h und 1.800 HM. Danke. Istrien, du wirst mir fehlen. Morgen gehts nach Hause. Mit Zwischenstop beim Decathlon in Muggia.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #istrien2016