Zuletzt aktualisiert am 14. März 2017 um 12:09
Tag 7. Nun stehe ich vor der Toren von Wien. Wie einst schon andere in der Geschichte. Keine Angst. Ich will Wien nicht belagern. Nur erklimmen. Den Kahlenberg will ich erobern. Dann ist die Katze im Sack. 8 Tage. 9. Bundesländer. Die jeweils höchsten befahrbaren Pässe. Es fehlt nicht mehr viel. Möge das Projekt erfolgreich zu Ende gehen.
Austria Giro 2016. Tag 7.
Burgenlands höchster Pass, der Geschriebenstein auf 802 m Seehöhe stand heute am Programm. Start früh Morgens in Kirchberg am Wechsel. Ohne Garmin. Dieser ist über Nacht endgültig gestorben. Trotzdem habe ich ihn mitgenommen. Er ist immer noch Teil meines Projektes Austria Giro 16. Tote lässt man einfach nicht irgendwo liegen. Ein Staatsbegräbnis ist das Mindeste, was ich für das Gerät noch organisieren werde.
Gleich zu Beginn, bei herbstlichen Temperaturen St. Corona am Wechsel. 4 km und knapp 260 HM. Aufgeteilt auf sechs schön zu fahrende Kehren. Oben auf 844 m Seehöhe war auch schon der höchste Punkt der heutigen Etappe erreicht. Die Beine schwer wie Captain Jack Sperrow’s Bleikugeln. Die Lust am Rennradeln am Allertiefstpunkt. Die Sehnsucht nach Wien groß. Jene nach Eisenstadt noch größer. Ich habe gelernt, Schritt für Schritt zu denken. Nicht richtig nachgedacht habe ich bei der Entscheidung meine kurze Hose zu tragen. Nicht wegen des Designs, das ist ja stylisch genug. Nein, wegen der Kürze. Und der nackerten Knie und Beine. Das Gefühlt, die letzte Ausfahrt vor dem Winter zu machen war allgegenwärtig. Weger der Kälte aufgestellt rasierte Haärchen auch.
Ein Proteinweckler für schnelles Vorankommen.
Die Abfahrt nach Aspang musste ich hinter einem Auto schlafend hinter mich bringen. Kaum bemerkt habe ich einen mir entgegen kommenden Rennradfahrer. Ich sah nur, dass er sofort nachdem wir uns gekreuzt hatten, umgedreht hat. Unten in Aspang warte ich auf Martin. Die Zugmaschine Martin, war heute wieder mit von der Partie. Gut erholt von den Strapazen der Königsetappe über den Großglockner.
„Servas“. Der unbekannte Radfahrer gesellte sich zu uns. Es war „Proteinweckerl“ aus der Steiermark. Er weilte hier in der Gegend urlaubend und hat die Route über meinen Blogbeitrag erfahren. „Ich begleite dich ein Stück“. Gerne. Danke. Nach Aspang ging es gleich wieder hinauf Richtung Zöbern. Eine Zacke, welche ich im Profil nicht zuordnen konnte. Die Gegend hier ist Neuland für mich. Wir fahren alle gemeinsam. Small Talk über Pedale, Freilauffedern und geputzte Räder inklusive.
Ab fast Zöbern dann sicher ein Höhepunkt der heutigen Fahrt. Über Bad Schönau, Krumbach und Kirchschlag i. b. W Richtung Lockenhaus haben wir es uns gegeben. Vollgas. Geschwindigkeiten weit über die 40 km/h brachten uns schnell Richtung Geschriebenstein. Eine siebtbeste Zeit gesamt im Segment „L154 – Kirschlag“ ist der Beweis dafür. Kurz danach verabschiedet sich Mister Proteinweckerl. Danke fürs Mitfahren. Gerne wieder.
Lockenhaus am Fuße des Geschriebenstein. Kurzer check auf Google Maps (der Garmin ist ja tot und die Polar M400 kann nicht navigieren). Dann doch analog nach dem Weg fragen. „Vorne bei dem großen Gebäude links und dann 18 km“. 18 km? Ich bin etwas verdutzt. Aber was solls. Wir fahren am großen Gebäude links vorbei und fangen an die Kilometerangaben am Straßenrand zu zählen. 0,5, 1, 1,5, 2,0 … Die Straße erhebt sich für burgenländische Verhältnisse steil in den Himmel. Mehr als 9,0 km/h kann ich nicht mehr treten. Das 29er Ritzel am Anschlag. Bei 9,0 km/h Aufstiegsgeschwindigkeit dauern die 18 km ganze zwei Stunden. Das wird wohl ein langer Tag. Erst bei der Abfahrt erfahre ich, dass dieser Abschnitt 12% Steigung zu verzeichnen hatte.
Ab Tafel 4,0 wird die Steigung etwas flacher. Ich habe trotzdem das Gefühl kaum vom Fleck zu kommen. Bei teilweise flachen bis abfallenden Passagen kann ich dann doch eine 20er Geschwindigkeit treten. 5,5, 6,0, 6,5 … immer noch empfinde ich den Geschriebenstein steiler als den Großglockner vor vier Tagen. 9,0, 9,5 und dann plötzlich 10. Hier ist die Passhöhe. Unscheinbar. Ohne Passschild. Nur eine Bushaltestellenstafel „Geschriebenstein Passhöhe“. Das war der 7. Streich. Burgenlands höchster Pass. Die Abfahrt nach Rednitz ersparen wir uns. Wir hätten über Ungarn (Kőszeg) zurück nach Lockenhaus fahren müssen. Ohne Pass in Zeiten wie diesen keine gute Idee.
Also den Geschriebenstein als Stichstraße fahren und zurück. Kurze Einkehr bei Heilingeis. Cappuccino und weiter gehts zum Billa. Getränke auffüllen. Noch ca. 60 km bis nach Eisenstadt. Über Hochstraß, Piringsdorf, Unterrabnitz, Schwendgraben, Oberrabnitz, Karl, Weingraben und Kaisersdorf landen wir in Markt St. Martin auf der B50. Übrigens: dieser Abschnitt der Tour war echt ein Traum. Keinem Auto begegnet.
Die B50 hier kenne ich wie meine Westentasche. So gestaltete sich auch die Rückfahrt. Vorne die Kette rechts. Martin im Windschatten. Nicht Vollgas, aber immer schön auf Druck. Sieggraben, Sieggrabner Sattel, Marz, Rohrbach, Loipersbach, Schattendorf, Baumgarten, Draßburg, Zagersdorf, Siegendorf und dann Eisenstadt. Gute 60 km im Wind. Wettkampfhärte lässt grüßen. Tag 7 endete bei 154 km, 5h29min Fahrzeit, 2.000 HM und einem Schnitt von 28,0 km/h.
Ich stehe vor den Toren von Wien. Morgen fällt hoffentlich der Kahlenberg. Nur mehr 84 km. Dann habe ich das Projekt erfolgreich beendet. Ok. Der Dienstag ist nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Trotzdem. Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben. Warten wir ab, was der Samstag bringen wird. Hoffentlich schönes Wetter und warme Temperaturen. Den Cappuccino am Kahlenberg möchte ich im Freien genießen können.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts
PS: der Regentag am Mittwoch hat bei mir Spuren hinterlassen. Halsweh, Husten und eine Stimme, welche ich bei einer Sex-Hotline für gutes Geld einsetzten könnte.
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