Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen.

Der Rennradfahrer und die StVOInternationale Sprache

Zuletzt aktualisiert am 14. März 2017 um 10:32

Niederösterreich. B16. Auf meinem Rennrad am Weg von Wampersdorf  Richtung Weigelsdorf. Es ist Freitagnachmittag. Ich nehme ein immer lauter werdendes Motorgeräusch wahr. Dann taucht im linken Augenwinkel ein dunkler Ford auf, dessen rechter seitlicher Rückspiegel zuerst knapp meinen Oberschenkel und in weiterer Folge meinen linken Arm und meinen Lenker hauchdünn verfehlt. Im Affekt sage ich dem Vorbeirasenden mit italienischer Handbewegung meine Meinung . Das Auto macht eine Vollbremsung und kommt zum Stehen. Auf der rechten Fahrspur. Einfach so. Es riecht nach Gummi. Ich fahre weiter. Rechts am Auto vorbei. Der Fahrer hat das Beifahrerfenster geöffnet. „Oaschloch. Schleich di. Sunst fohr I di übern Haufn“. Ob dieser Drohung überlege ich mir, meine Trinkflasche zu nehmen und zu antworten. Mit einem Kavalierstart Marke fast and furious deeskaliert die Situation. Der Ford ist weg. Die StVO wohl verletzt?

Der Rennradfahrer und die StVO. Können, dürfen, müssen.

Kein Einzelfall auf Österreichs Straßen. Radrennfahrer und Autofahrer. Das ist schlimmer als Hund und Katz, Kai und Abel, Austria und Rapid, Plus und Minus. Aber warum? Ist ja alles geregelt. Benutzung der Straße, Nebeneinanderfahren …. Mit dem § 68 der StVO*. Klar. Deutlich. Vielleicht etwas zu viel Gesetzesdeutsch. Aber immerhin. Aus. Basta. Geregelt ist geregelt. Und an Regeln sollte sich jeder halten. Auch der Autofahrer.

Theoretisch. Das Problem ist, dass Autofahrer kaum akzeptieren können, dass es einen Paragraphen gibt, der sie in „ihrem“ Straßenverkehr schlechter stellt. Schon das Wort „dürfen“ ist Zündstoff. Was? Radrennfahrer dürfen etwas? Frechheit. Skandal. Unverschämtheit. Da wird recht schnell eine gesetzliche Verordnung selbst uminterpretiert. Das „Dürfen“ wird zum „Müssen“. Eine eigene Wirklichkeit (Autofahrerwirklichkeit) konstruiert. Radrennfahrer müssen hintereinanderfahren. Und überhaupt – sie müssen auf den Radweg ausweichen. Den hat man ja schließlich mit Steuern mitfinanziert. Je mehr Radrennfahrer dann in weiterer Folge auf ihr Recht pochen, desto größer wird der Konflikt. Weil in den Augen der Autofahrer ein solches Recht ja unmöglich ist. Was ein Autofahrer nicht kennt, das gibt es nicht. Schon gar keinen § 68 StVO.

§ 68 StVO.

Dazu kommt noch die mediale Berichterstattung. Das Thema, der Klassenkampf, ist ja interessant und schafft Quote. Also hier und da mal einen kleinen Bericht über diesen ewigen Streit im Straßenverkehr. Mit Zitierung des ominösen § 68 StVO und Betonung auf dem „Dürfen“. Redakteure, die womöglich selber noch nie mit einem Rennrad unterwegs waren, schreiben drauf los und gscheiteln. Mit dem einzigen Ergebnis, dadurch die falschen Mäuler zu nähren.

Nicht „dürfen“ und „müssen“, sondern „können“ und „sollen“.

Was tun? Chuck Norris rufen. Er ist der Einzige, der hier reinen Tisch machen kann und machen würde.  Ich selber kann nur vorschlagen, die Thematik einmal ganz von einer andere Seite aus zu betrachten. Kein „Dürfen“ und „Müssen“, sondern ein „Können“ und „Sollen“. Im Sinne der Verkehrssicherheit. Redakteure sollen endlich darüber schreiben, dass Radrennfahrer nebeneinanderfahren sollen. Ein Umstand, der Autofahrern entgegenkommt. Wie dieses Video zeigt. 3×2 Radrennfahrer sind leichter zu überholen, als 6×1. Ohne dabei diese in den Graben zu drängen oder den Gegenverkehr zu unterschätzen. 3×2 Radrennfahrer entsprechen einem Auto. Mehr Radrennfahrer einem Autobus. Nichts Außergewöhnliches. Das wäre einmal der Anfang und nach Chuck Norris ein guter Plan B. Plan C wäre eine Intervention des Verkehrsministeriums. Eine Vereinfachung des Paragraphen inklusive Aktualisierung veralterter technischer Beschreibungen wäre hilfreich. Und bitte, jemand soll mir den Unterschied zwischen Radrennfahrer und Rennradfahrer genau erklären.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #styliseyourride

*es empfiehlt sich für Autofahrer, Motorradfahrer, Mopedfahrer, Busfahrer und Radrennfahrer den Link zu öffnen und das Dokument zu lesen.

Ergänzung 1: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 31.05.2016
Ergänzung 2: jusiline.at – Verhalten der Radfahrer StVO

Danke für die Empfehlung

10 Kommentare

  1. Ich würde sagen ein Radrenn-Fahrer nimmt an einem Radrennen teil, hingegen ein Rennrad-Fahrer ist jemand der mit diesem Rennrad unterwegs ist, ob Radrennen oder nicht.
    Klingt das logisch?

  2. Ein paar Gedanken:
    Wie schnell darf ein Rennradfahrer in einer z.B. 50‘ger Zone fahren? Gilt für diesen die Geschwindigkeitsbegrenzung?
    Wie verhält sich dies mit dem Anhalteweg muss ein Rennradfahrer auf Gefahrensicht und dergleichen fahren gelten für Ihn hier die gleichen Regeln wie beim Auto, Motorrad oder Mopedfahrer?
    Warum brauchen Rennradfahrer keine Versicherung da sie ja eindeutig nicht zu den Fahrradfahrern gehören wollen und dementsprechend auch Geschwindigkeiten über 45km/h erreichen einen Moped muss auch angemeldet bzw. versichert sein und mit diesem darf man nicht so schnell fahren!!

  3. Ein Rennradfahrer darf in einer 50er Zone maximal 50 fahren (es gilt ja die StVO). Die Geschwindigkeitsbegrenzng gilt. Und natürlich muss/soll auf Gefahrensicht gefahren werden. Versichert sind Rennradfahrer (hoffentlich) über die Haushaltsversicherung (Haftpflicht). Die ist ja auch gesetzlich vorgeschrieben.

    😉

  4. Wie verhält es soch mit dem seitlichen Mindestabstand von 1,5m, der beim Überholen von Radfahrern einzuhalten sei. Ist das auch gesetzlich geregelt? Wenn ja, wo?

  5. Hier gibt es keine klare Richtlinie, jedoch:

    Novelle der StVO im Jahr 1995

    "Überholen von Fahrrädern (mit dem Auto):
    Grundabstand 1,5 m Seitabstand" – irgendwo gelesen habe ich auch die Passage "PLUS 2 cm pro kmh (des Autos)" – nicht bestätigt.

    oder:

    "Beim Überholen eines Rf ist stets ein größerer Sicherheitsabstand einzuhalten .. da mit gewissen Schwankungen … gerechnet werden muss" OGH 19.1.1977, VwGH 16.1.1985
    und
    "Die Größe .. beim Überholen eines einspurigen Fahrzeugs … wird mit 1 m als der Vorschrift entsprechend angesehen (nicht jedoch bei hoher Geschwindigkeit)" OGH 17.1.1969 und weitere

    allerdings:
    "Die Einhaltung eine Sicherheitsabstandes von 1 m … zwischen der rechten … Körperbegrenzung und dem rechten Fahrbahnrand durch einen Radfahrer, der von einem Lkw überholt wird, stellt einen Verstoß gegen die Bestimmung 7 Abs 2 und sogleich ein solches Maß an Selbstgefährdung dar, dass dies bei der Verschuldensabwägung nicht ausser acht gelassen werden kann." OGH 31.10.1974

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert