Istria300 Rückblende.

Istria300 Rückblende

2.800 Teilnehmerinnen. Und das bei der dritten Ausgabe. Ausverkauft. Istria300 scheint den Geschmack und den Nerv vieler Rennradfahrerinnen getroffen zu haben. Meer, Sonne und die schier unmögliche Herausforderung triggern ganz ordentlich. Es ist also nicht verwunderlich, dass Poreč auch dieses Jahr überrannt worden ist und dass freie Zimmer in den umliegenden Valamar Hotels Mangelware waren. Es war wie schon 2021 und 2022 ein fantastisches Wochenende ohne herbstliche Vorboten. Wie mitten im Sommer. Ich weiß, dass der Veranstalter nicht für das Wetter verantwortlich sein kann, aber diese angenehme und spätsommerliche Atmosphäre, ganz ohne Regen und Wind, sollte das OK für die nächsten Jahre unbedingt beibehalten. Eine wesentliche Voraussetzung, die 155, 235 und 300 Kilometer laut Ausschreibung in der maximalen Zeit von 12 Stunden bewältigen zu können. Mittendrin, statt nur daheim, natürlich meine Wenigkeit. Fest entschlossen (und gewillt) die 300er Runde zu fahren. Am Ende des Tages stand jedoch leider ein schmerzhaftes DNF. Nicht der einzige Wermutstropfen, eines genialen Kurzurlaubes in Poreč. Vorhang auf, für die Istria300 Rückblende.

Welcome to Poreč.

Die Vorfreude auf das Event war dieses Mal besonders groß. Irgendwie fühlte sich alles sehr vertraut an. Routinemäßig. Heimisch. Anreise am Donnerstag, Einfahren am Freitagvormittag, Stadtbummel, Coffee-Stopp und natürlich das Flanieren durch das Expo-Gelände am Nachmittag. Man trifft einige und hat die Möglichkeit das eine und andere Gesicht einem Nickname zuzuordnen. Die Tage rund um Istria300 gehören in Poreč den Radfahrerinnen. Auch wenn die obligate Ausnahme, die Regel wieder einmal bestätigt hat. Der Schein trügt. Dass ein Autofahrer nach dem Überholen einer Rennrad-Gruppe bergab Richtung Limski Kanal absichtlich verlangsamt, um eine Gruppe einzubremsen (oder zu belehren) und dann noch eine Vollbremsung hinlegt, werte ich nicht als freundliches Dobrodošli. Vielleicht war man in Istrien schon Touristen-müde.

Egal. Das Wetter und die Stimmung waren zu perfekt, um mich aus der Ruhe bringen zu lassen. Nicht einmal das kaputte Steuerlager, welches ich noch 11 Stunden vor dem Start tauschen musste. Gut, wenn man immer einen Ersatz dabei hat. Beim mechanischen Support der Firma Keindl war ich auch. Schaltungs-Check für € 12,- Cash. Obendrauf gab es von der Firma blacksheep-eyewear eine neue Brillen und einen neuen Helm.

Istria300. Wir müssen reden.

Genau so ist es. Wir müssen reden. Meine Liebesbeziehung zu Istria300 hat während des Rennens einen Dämpfer bekommen. Nicht einmal der chillige und lazy Sonntag danach hat das Feuer wieder richtig zum Lodern gebracht. Istrien hatte mich von Anfang an verzaubert. Verführt. Noch lange bevor hier dieses Event auf die Beine gestellt worden ist. Schon damals habe ich aber mit den Straßenverhältnissen gehadert. Insbesondere mit den verkehrsarmen Straßen im Hinterland. Am Samstag, habe ich dann noch wildere Varianten dieser Offroad Abschnitte kennenlernen „müssen“. Entführt. Istria300 hat mich in Gegenden entführt, die ich sonst wohl nie gefunden hätte. Auch nicht gesucht. Nicht mit dem Rennrad. Ich dachte mir, ich sei im Gravel-Paradies. Auf 26 mm Reifen und 5 Bar Reifendruck. Ich wurde gefordert und mein Rennesel wurde gewaltig durchgeschüttelt. Keine Ahnung wie oft und wie lange die Kette auf die Kettenstrebe gepeitscht worden ist.

Das Schaltwerk hinten hat Überstunden gefedert. Der Muskelkater an den Oberarmen ist heute noch spürbar. Vom vielen Ziehen im Sitzen. Aufstehen bei 20 %? Gefährlich. Bergab saß ich fast am Hinterreifen, um keinen Highsider zu riskieren. Meine kurz vor dem Rennen entlüftete Bremsleitungen und die neuen Bremsbeläge brauchen eine erneute Begutachtung. Auch die Bremsscheiben haben jetzt ihre maximale Lebensdauer überschritten. Und am Ende kamen noch zwei Reifenplatzer dazu. In der Istria300 Rückblende, einer zu viel.

Nicht jedes Bike ist ein Gravel Bike.

Es war traumhaft und hart zugleich. Aber … Genau dieses „aber“ beschäftigt mich. Und ich weiß ehrlich immer noch nicht, wie ich darüber schreiben soll. Es geht um die für mich, sagen wir politisch korrekt ausgedrückt, verbesserungsfähige Streckenführung speziell auf der 300er Runde ab Pazin. Eine kurzfristige und notwendige Streckenänderung hat den Veranstalter wohl gezwungen, zwischen Pazin und Livade Kilometer und Höhenmeter zurückzuerobern, damit sich am Ende der 300er mit den 5.000 Höhenmetern plus ausgehen kann. Da hat sich der Streckenplaner im Hinterland rund um den Butoniga-Stausee regelrecht ausgetobt und mitgenommen, was mitzunehmen war. Mitnehmbar ist aber nicht immer gleichzusetzen mit zumutbar.

Es waren Auf- und Abfahrten dabei, die eher für Gravel Bikes mit mindestens 30 mm Reifenbreite, wenn nicht sogar Fullys geeigneter gewesen wären. Senkrecht bergauf ist ok, aber freier Fall bergab auf brüchigem Asphalt ist lebensgefährlich. Geschwindigkeitsempfehlungen des Veranstalters für diese Abschnitte (siehe Karte Gefahrenstellen): 10 – bis 15 km/h. Ich habe FahrerInnen erlebt, die hier in den steilen Kurven geradeaus gefahren sind, weil sie nicht mehr bremsen konnten (Felgenbremsen). Es gab Furchen, so tief wie eine Hochprofil-Carbonfelgen, Wurzeln und jede Menge Schotter. Teilweise fehlte sogar der Straßenbelag komplett. Für eine Rennradveranstaltung nicht unbedingt der gewünschte Untergrund. Vielleicht habe ich in der Ausschreibung etwas übersehen.

Natürlich wird es TeilnehmerInnen geben (vor allem jene, die das Rennen beendet haben), die jetzt meinen „halb so schlimm“, „war in Ordnung“, „waren ja nur ein paar Meter“, „Scheiß dich nicht so an“ … Es gibt aber auch Teilnehmerinnen, die viel Geld und Haut im Hinterland liegengelassen haben. Gestrandet, eingesammelt und dann eingepfercht im Besenwagen. Ich stelle mir (uns) die Frage, ob so etwas notwendig ist und wem damit ein Gefallen gemacht wird. Geht es immer nur um das Spektakel und das Extreme? Schaut ganz danach aus. Dann aber bitte ehrlich kommuniziert.

Das Schaltwerk hat Überstunden gefedert.

Istria300. Wir müssen reden. Eine Istria300 Rückblende über alles. Über die wirklich guten Sachen. Dass hier den Damen eine eigene Bühne geboten wurde, ist lobenswert. Chapeau. Auch, dass man einiges (vieles) richtig gemacht hat. Wir müssen aber auch über die Streckenführung reden. Denn nicht jedes Bike ist ein Gravel Bike. Und mit Biegen und Brechen „Limits“ einzubauen darf auch nicht Sinn und Zweck sein. „Ride your Limits“ ist ein geiles Motto und passt zu den 300 Kilometern und 5.000 Höhenmetern in 12 Stunden. Wenn aber diese „Limits“ auf der Straße liegen und sogar die Straßen selbst das Limit sind, dann haben wir die Diskussionen. Egal ob jetzt auf 168, 242 oder 300 Kilometern.

Wir kommen nach Istrien, unter anderem auch um auf den versprochenen gesperrten Straßen fahren zu können. Dass diese Straßen überwiegend auch Schotterwege sind, die nicht einmal von Einheimischen benutzt werden, ist ein schlecht gemeinter Witz.

Der Erfolg der gesamten Veranstaltung gibt dem Veranstalter das Recht zu tun und zu walten wie er es gerne möchte. Die Pläne nächstes Jahr auf 4.500 TeilnehmerInnen zu springen sind auch schon öffentlich. Dann wird sich voraussichtlich am 28. September 2024 einiges wiederholen mit einer weiteren Istria300 Rückblende auf dem Gravel Bike. Die Frage ist, ob sie mich überhaupt noch mitfahren lassen.

#ktrchts

PS: Schreibt mir gerne in den Kommentaren, wie ihr #istria300 erlebt habt. Mich würde eure Meinung interessieren.

Gesprächsstoff.

Was man unbedingt beibehalten sollte.

  • fast alles
  • das sommerliche Wetter insbesondere
  • die Kleber mit den Streckenabschnitten (kann man zwar nicht lesen, aber cool ist es trotzdem)
  • die Kulanz am Ende des langen Tages (12 Stunden plus)
  • Heineken Freibier 0,0 %
  • Frühstück in den Valamar Hotels ab 4:30 an den Renntagen
  • Rennräder mit aufs Zimmer (Valamar Hotels)

Was man ändern könnte:

  • farbige Startnummern je nach Streckenwunsch (zur Orientierung)
  • Radständer an den Labstationen (wenn jeder mit seinem Rad Gels und Flaschen holt, wird’s eng)
  • Service auf der Strecke und nicht nur an den Labestationen
  • Streckenposten an den gefährlichen Stellen
  • weniger (gar kein?) Offroad
  • rigoroses Durchgreifen für all jene, die ihren Müll außerhalb der Wegwerfzone entsorgen
  • Durchfahrt durch Pazin (242k Strecke)
  • Warnung vor den unzähligen Fahrbahnwellen (sind in der Gruppe kaum zu erkennen und werden auch nicht angezeigt)
  • Genügend Nachschub auch für die Langsameren (die letzten Laben waren leergeräumt)

    Danke für die Empfehlung

    2 Kommentare

    1. Danke für diesen Artikel, er spricht mir aus der Seele. Vieles gut gemacht, aber manche Aspekte waren zumindest grob fahrlässig, zB die nicht mehr abgesperrten Straßen auf den letzten Kilometern kurz vor 19 Uhr …..

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