Zuletzt aktualisiert am 16. Juni 2018 um 23:05
Johann Wolfgang von Goethe hat es gewusst. Bereits 1827 hat er geahnt, was dem Italiener 2018 widerfahren würde. „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los“. Umgangsprachlich würde man es einfacher übersetzen. Jetzt hat er den Salat. Nicht dass er laketterechts loswerden wolle. Ganz im Gegenteil. Aber. Ja. Aber. Diese gewachsene Rennrad-Beziehung hat ihre Licht- und Schattenseiten. Helles, schönes, himmlisches Licht natürlich. Trotzdem. Der kleine kaum auffällige und sichtbare Schatten ist da. Es ist der Schatten, den der Italiener mit sich zieht. Beim Rennradfahren und nicht. Im Windschatten und im Alltag. Es ist er in Form von ihr.
Die Rennrad-Geister, die er rief. Loswerden zwecklos.
Angefangen hat alles zu Ostern 2015. Der Italiener schenkt ihr eine Sonderedition des ketterechts Zwirn. Mehr als Anprobe ist aber nicht drinnen. Es vergehen mehr als 365 Tage, bis sich dieser Zwirn auf ein Rennrad schwingt. Ein paar Übungen in der Nachbarschaft, um das Pedalsystem zu verinnerlichen und die Shimano 105er Schaltung zu begreien. Dann geht’s schon ab. Die bereits vierte Ausfahrt ist ein lockerer 100er in der Gruppe. Dass man mit einem Sprung ins kalte Wasser das Schwimmen lernt ist bekannt. Dass man Radfahren vom Radfahren lernt jetzt auch. laketterechts meistert die Lehrlingsprüfung und den Meisterabschluss in einem.
Was dann folgt, sind filmreife Anekdoten zu verschiedenen Themen und Anlässen. Rennradfahren in einer Beziehung hat eigene Gesetze. Ihre Gesetze. Seine Gesetze. Do’s und don’ts, die man besser beachtet. Wobei ihre strenger einzuhalten sind. Jene des Italieners, werden von ihr nach Belieben interpretiert und angepasst. Diskutiert und zerdiskutiert. laketterechts lernt schnell und still. Teils heimlich. Ihre Welt verschmilzt mit seiner Welt. „Brauch ich nicht“ wird rasch zu „will ich haben“. Muss ich haben. Und fahren will sie sowieso alles. Sofern die Frage, ob er ihr es zutraut bejaht wird.
Zuerst der Garmin und dann strava. laketterechts kippt. Das Rennradfieber hat sie erwischt. Jetzt fährt sie. Freiwillig. Ja. Freiwillig. Macht sogar Druck. Beschwert sich, wenn es zu langsam ist. Freut sich über Pokale und Kronen. Meckert wenn der Italienr länger gefahren ist als sie. Ganz nebenbei studiert sie Segmente, vergleicht, analysiert und prognostiziert.
Rennrad-Beziehung. Liebe mit mehr als 8 bar.
Neulich brechen beide zu einer Sonntagsaufahrt auf. Recht flott sind sie unterwegs. Der Wind hilft. Ein Berg dazwischen ist kein Hindernis. Die Windschattenexpertin klebt an seinem Hinterrad. Millimetergenau. Lehrbuchmäßig. Als die Reisegeschwindigkeit teilweise die 40 km/h überschreitet, protestiert sie ein erstes Mal zögerlich. Der Italiener nimmt Tempo raus. Kurz. Um gleich wieder unauffällig zu beschleunigen. Der Protest wird lauter. „Wenn du glaubst ich fahre so bis nach Hause, dann täuschst du dich“, hat sie gesagt. Das war bei Kilometer 50. Am Ende waren es 165 km mit einem Schnitt von über 30 km/h. Reine Fahrzeit. Gegen den Wind bei über 30 Grad. laketterechts hat jetzt den Doktortitel erlangt. Ihr Diplom sind die sichtbaren Salzränder an Hose und Trikot.
Teils denkt sie schon nur noch als Rennradfahrerin. Kilometer und Höhenmeter sind allgegenwärtig. Teils tickt sie schon nur noch als Rennradfahrerin. Ihre Freizeit wird nach Ausfahrten gesplittet. Und sie schaut wie eine Rennradfahrerin aus. Ihre Bräune verrät sie. Im Rock, im Kleid, im Shirt. Tritt sie mit ihm zu einer seiner Rennradreisen an, dann ist sie im Gedanken schon bei der nächsten und übernächsten. Jeder Berg gilt als attraktiv. Jedes idyllische Dörfchen wird zur potentiellen Übernachtungmöglichkeit mit anschließender Erkundungstour.
Es geht um nichts. Es geht nur um’s Rennradfahren.
Eine Rennrad-Beziehung ist nicht einfach. Sie ist komplex und kompliziert. Spannend und aufregend. Sie ist ein Geben und Nehmen. Sie ist für ihn Radwaschen. Ihr Rad. Radreparieren. Ihr Rad. Radverstauen. Ihr Rad. Sie ist Windschattengeben, Tourplanen, Pausenmachen, Motivierend-zur-Seite-stehen, Zureden, Trösten, Zuhören, Tippsgeben, Verständniszeigen, Loben, Fordern und im Zweifelsfall Ihr-immer Recht-geben.
Das alles ist gut so. Weil es um nichts geht. Es geht nur um’s Rennradfahren. Um’s gemeinsame Rennradfahren. Mit allen Höhen und Tiefen. Egal wie lange, egal wie schnell und egal wie weit. Und dann haben beide so richtig laut gedacht.
ktrchts