Ich war Radfahren über den Neusiedlersee. Zum Glück war er zugefroren. Zart zugefroren. Zart genug, um hunderte Wintersportlerinnen aufs Eis locken. Mich inklusive. Lange habe ich überlegt, ob sich der Aufwand lohnen würde. Nach meiner Trainingsrunde für die Bike 224 Meilen um den See konnte ich aber dieser Verlockung nicht widerstehen. Insgesamt sechs Eistage haben die Oberfläche und die Ufer des Sees in ein wahres Eisspektakel verwandelt. So etwas kommt in letzter Zeit hier nicht mehr so oft vor. Es gab also nur eine Möglichkeit: Spikes montieren und raus (rauf) auf den See.
Ich war Radfahren über den Neusiedlersee. Für mich ein geniales Erlebnis. Für andere ein Grund zu motschkern und zu schimpfen.
Betreten der Eisfläche auf eigene Gefahr. Auch das Befahren.
Es war Sonntag und die lokalen Medien hatten es schon frohlockt. Eislaufen am Neusiedlersee nur auf eigene Gefahr möglich. Die Eisfläche war offiziell nicht freigegeben. Passiert auch selten. Es geht hier ja immer und die Haftungsfrage. Frage, auf die ich aus Mangel an juristischer Kenntnisse nicht näher eingehen kann und werde. Egal. Ich flog mit starkem Rückenwind, begleitet vom lauten Surren meiner Spikes über den Asphalt Richtung Rust. Mit der Idee aufs Eis zu gehen war ich nicht allein. Auf der Straße neben mir Kolonnen von Autos. Natürlich benutzte ich, dort wo vorhanden, den Radweg. Am See selbst, war der Parkplatz bereits voll und als ich neben dem Seerestaurant Katamaran um die Ecke fuhr, staunte ich nicht wenig über die Massen an Menschen, die sich bereits in der Ruster Bucht am Eis und auf dem Eis herumtummelten.
Mein Weg führte mich auch gleich auf die Eisfläche. Direkt vom Ufer kommend. Ohne lange zu überlegen. Nicht etwa, ob das Eis halten würde, sondern viel mehr, ob ich selbst auf dem Eis bestehen könnte. Ich gab mir keine Zeit, die Grenze zwischen Gespött und Hero auszuloten.
Es war wieder einmal erstaunlich zu spüren, wie kleine Metallteile, die durch die Gummiwand eines Reifen gestochen werden, physikalische Schwerkraftgesetze außer Kraft setzen. Einfach so. Meine Schwalbe Marathon Winter bewahrten mich vor einer Blamage. Das war der Knackpunkt. Eine Sicherheit, die mir noch mehr Sicherheit gab. Das bisschen Restrisiko habe ich in Anbetracht der vielen Menschen auf dem Eis einfach ignoriert. Vorsichtig, aber bestimmt habe ich meinen Tritt Richtung See fortgeführt. Beobachtet von gefühlt tausend staunenden Blicken.
Spikes up your Ride.
Jetzt war Schaulaufen angesagt. Wie auf rohen Eiern. Mit fettem Grinsen und leicht überhöhtem Puls. Eissegler, EisläuferInnen klassisch und EisläuferInnen beim Wingsurfen begleiteten mich. Festgehalten auf Foto und Video. Ein Winter wie damals. Zuletzt war ich 2017 auf dem Eis. Auf der anderen Seite. In Podersdorf.
Diesmal wagte ich mich weit hinaus und lehnte mich mutig und vielleicht auch leichtsinnig immer mehr aus dem Fenster. Nervenkitzel. Ob mein Holzrahmen schwimmen würde? Sicher nicht. Also ich plötzlich ganz allein weit draußen war erwachte wieder die Vernunft in mir. Ich wollte wieder dorthin, wo die anderen waren. In Ufernähe.
Die Reaktionen im Netz.
Natürlich habe ich die Bilder in den sozialen Netzen geteilt. Und dabei nie einen Hehl daraus gemacht, dass es schon ein wenig grenzwertig war. Die Tatsache, aber, dass ich nicht Eislaufen war, sondern mit dem Rad über den zugefrorenen Neusiedlersee gefahren bin, hat einige zum Motschkern verleitet. Warum auch immer? Dumm und ohne Hirn sei ich. Ein schlechtes Vorbild für Jugendliche. Egoistisch und leichtsinnig würde ich das Leben der Rettungskräfte aufs Spiel setzen. Um nur ein paar zu nennen. Vielleicht habe ich bei einigen einen wunden Punkt erwischt. Die Zahl der unqualifizierten Hobby-Juristen, der notorischen Besserwisser und der manischen Zeigefingerheber wird immer größer. Schade.
Ich hatte das Glück, an den beiden Tagen am Eis, eine tragfähige Eisfläche vorzufinden. Wie viele andere Wintersportlerinnen auch. Alle hatten ihre Freude. Ich denke, wir haben uns alle vorsichtig und eigenverantwortlich verhalten. Und das Restrisiko so weit es uns möglich war minimiert. Ganz egal ob beim Eislaufen oder beim Radfahren. Und wir haben auf eigene Gefahr gehandelt. So wie es auch überall kommuniziert wurde. Da gibt es nichts zu motschkern. Außer, dass man dieses Spektakel nicht selbst genießen konnte oder wollte. Wegen der moralischen Bedenken.
Das ist jetzt aber alles Eis von gestern. Die Eiszeit ist am Neusiedlersee leider wieder vorbei.
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#ktrchts
[…] Es kann vorkommen, dass dieser seine kräftigen Beißzähne zeigt. Wie noch vor 10 Tagen. Radfahren am Eis war “damals” der große Hit. Er kann aber auch angenehm mild sein. Sanft und […]