Schlagwort: § 68 StVO

Rad und Recht. Rennradfahrer haben immer die Arschkarte.

Rad und Recht

Rad und Recht. Oh, mein Gott. Recht haben und Recht bekommen. Oh, mein Gott. Nichts ist so frustrierend wie die Tatsache, dass man als Rennradfahrer (und Radfahrer) auf Österreichs Straßen die Arschkarte zieht, sobald man sich aufs geliebte Rad schwingt. Zwar gibt es in der StVO zum Schutz oder einfach nur, um ein Miteinander zu regeln, einen § 68. Dieser ominöse § 68  StVO ist aber für den Hugo. Für die Katz. Für die Würste. Im Fall des Falles ohne Aussicht auf irgendwas. Und solche Fälle gäbe es genug. Schneiden, drängeln, Vorfahrt nehmen. Vergehen, die ein Autofahrer oder Busfahrer rein von den Regulativen her, nicht begehen dürfte. Vom Hausverstand aus betrachtet auch nicht begehen sollte.

Rennradfahrer – die Parasiten auf Österreichs Straßen.

Der Alltag auf Österreichs Straßen. Sodom und Gomorrah. Der Stärkere frisst den Schwächeren. Der Schnellere überfährt den Langsameren. LKW, Bus, Klein-LKW, Klein-Bus, SUV, Auto, Motorrad, Radfahrer. So lautet die Rangordnung. Unterbrochen von Polizeiautos, die da und dort diese Hierarchie etwas durcheinander bringen. Das schwächste Glied in diesem ganzen Zirkus? Genau. Der Radfahrer. Ein ungern gesehener und nur teilweise geduldeter Gast in der Manege. Ein lästiges Hindernis. Ein Parasit. Autofahrer zahlen die Straßen und der Radfahrer nutzt sie. Weil er nicht freiwillig das Feld (die Straße) räumt, wird er einfach hinausgedrängt. Oder man tut so, als gäbe es ihn nicht. Frei nach den Gesetzen der Natur.

Rad und Recht

Alltag auf Wiens Radwegen

Ich kann ein Lied davon singen. Noch besser. Ein paar Zeilen darüber schreiben. Es sind schon ein paar Kilometer im Jahr, welche ich landein und landaus am Straßenrand verbringe. Meistens entlang des Farbahn-Begrenzungsstreifens. Links von mir fahren dann die anderen vorbei. Die schnelleren Verkehrsteilnehmer. Die meisten klopfen dabei an der Illegalität an. Einige davon ziemlich eindeutig und laut. Meine Wahrnehmung dabei ist, dass es vor allem Busfahrer sind, die hier den Schöpfer spielen und über Leben und Tod entscheiden. Einen kürzlich erlebten Fall kann ich in meine fiktive Statistik aufnehmen.

Rad und Recht. Und die unfehlbaren Busfahrer.

Samstagmorgen. B59 zwischsen Eisenstadt und Großhöflein. Ein Bus der Wiener Neustädter Verkehrsbetriebe überholt mich ziemlich knapp, ohne den Fahrbahnstreifen zu wechseln. Damit ist schon alles gesagt. Natürlich äußere ich meinen Unmut über dieses unnötige Manöver mit ziemlich eindeutigen Gesten. Der Busfahrer dürfte das gesehen haben und bleibt an der nächsten Haltestelle stehen. Er öffnet die Tür. Ich nähere mich und frage ihn, warum er mir den Platz zum Überleben genommen hat. Seine Antwort lapidar: „Hast du nicht gesehen, dass mir ein Auto entgegenkommen ist?“ Meine Reaktion darauf waren viele Fragezeichen im Kopf. Meine Antwort „Dann hätten Sie sich hinter mir einreihen müssen und warten“. Ein „ok“ „sorry“ oder ähnliches hätte die Situation besänftigt. Stattdessen werde ich vom Busfahrer daran erinnert, dass ich eigentlich nicht auf die Straße gehöre. Weitere Fragezeichen. Den Rest können sich viele hinzudenken. Einiges war nicht jugendfrei.

Rad und Recht

Anderer Tag. Anderer Busfahrer.

Wer glaubt, die Geschichte sei zu Ende, der täuscht sich. Selber Tag. Ca. 8 km später. Derselbe Bus. Kurz vor Steinbrunn. Die Straße eine Gerade. Kein Gegenverkehr. Leicht abschüssig. Ich werde von demselben Bus nochmals überholt. Diesmal weniger als nur knapp. Der Bus hat erneut den rechten Fahrbahnstreifen nicht verlassen. Rache? Revanche? Egowiederherstellung?

Leben oder Spital. Eine Entscheidung der Busfahrer.

So etwas hinterlässt Spüren. Ich versuchte die Sinnhaftigkeit dieser Aktion zu reflektieren. Fragte mich, was in einem Busfahrer vorgehen kann. Am Abend dann, setzte ich mich an den Computer und schrieb den Wiener Neustädter Verkehrsbetrieben eine kurze Email mit der Schilderung des Vorfalles. Hier die Antwort.

„Wir nehmen Bezug auf Ihre Beschwerde vom 30.06.2018 und möchten uns für die von Ihnen übermittelten Informationen bedanken.

Aufgrund des von Ihnen geschilderten Vorfall wurden interne Überprüfungen durchgeführt. Wir teilen Ihnen mit, dass ermittelt werden konnte, dass Sie bei beiden geschilderten Situationen genügend Platz hatten und der Lenker den gesetzlichen Abstand zum Radfahrer gehalten hat. Uns ist durchaus bewusst, dass ein vorbeifahrender Bus anders wahrgenommen wird und bedauern diesen Vorfall sehr. Unser Buschauffeur blieb bei dem ersten Zwischenfall kurz nach Steinbrunn stehen und öffnete die Tür um mit Ihnen zu sprechen.

Unsere Buslenker sind dahin geschult die StVO einzuhalten und die Gefahren der allgemeinen Sicherheit, welche im Straßenverkehr auftreten können, richtig einzuschätzen.

Wir werden auch noch mit dem zu diesem Zeitpunkt im Dienst befindlichen Lenker über den von Ihnen geschilderten Vorfall sprechen und ihn zu mehr Rücksichtnahme bewegen.

Wenn Sie sich durch unfreundliches Verhalten negativ angesprochen gefühlt haben, möchten wir uns höflichst bei Ihnen entschuldigen.

Wir verbleiben mit der Bitte um ihre geschätze Kenntnissnahme!“

Also. Keine wirkliche Einsicht. Zeilen gespickt mit physikalischen und räumlichen Fehlern. Eindeutigen Fehlern. Und natürlich Schuldumkehr. Alles ist gut. Danke und Aufwiedersehen. Rad und Recht ignoriert. Zumindest eine höfliches Bedauern, welches ich zum Glück lebend noch annehmen kann.

Rad und Recht

Parkplatz Radweg

Die Arschkarte – Ticket einer gefährlichen Rennradreise.

Ähnlicher Vorfall im vergangenen Herbst. Natürlich habe ich das Gespräch mit dem Busfahrer gesucht. Rad und Recht eingefordert. Höflich und interessiert. Daran, warum man einem Rennradfahrer nicht Platz lassen will. Seine Reaktion konnte ich mit einem Foto festhalten. Die Reaktion der Postbus AG:

„Ich danke Ihnen für die Rückmeldung und nehme Ihre Bedenken und Ängste sehr ernst..Wenn etwas passiert ist, ist es zu spät. Ich habe die Erhebungen zu dem Vorfall durchgeführt und mir vom Lenker die Situation beziehungsweise seine Wahrnehmung zu dem Vorfall schildern lassen. Er hat mir die Situation aus seiner Sicht geschildert. Ich habe ein Gespräch auf sachlicher Ebene mit Ihm geführt und Ihm mit den Bedenken und Ängsten die aus seinem Verhalten entstanden sind konfrontiert. Nach dem  ausführlichen Gespräch wurde Ihm klargelegt dass er sich dem Verkehrsaufkommen und der Verkehrssituation entsprechend zu verhalten hat und auch ein Maß an Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer an den Tag legt. Auf keinen Fall soll es soweit kommen, dass sich Verkehrsteilnehmer gefährdet fühlen.

Nach dem Gespräch mit dem Fahrer als unmittelbar Vorgesetzter, kann ich Ihnen mitteilen dass der Lenker Einsicht gezeigt hat und er sah ein, dass er sich auf ein Gespräch mit Ihnen und eine Klarstellung mit Ihnen vor Ort  einlassen hätte sollen.“

Es sind also keine Einzelfälle. Und meine Wahrnehmung täuscht nicht. Egal ob jetzt ein Stadtbus in Eisenstadt (Stopptafel ignoriert und mich auf die Gegenfahrbahn geträngt) oder ein Dr. Richard Linienbus in Tulbling (Radfaher auf einspuriger Fahrbahn überholt währed ich entgegen kam – also zwei auf einem Streich). Die Könige der Straßen sind die Großen und jene, die diese lenken. Menschen, die davon leben, einen gültigen Führerschein zu haben. Gegen die ist man machtlos. Rad und Recht vertragen sich nicht. Rad und der Rest der Welt auf der Straße auch nicht.

Rad und Recht

Aus und vorbei.

Was man als Radfahrer darf: Gar nichts.

Mehrmals habe ich ähnliche Vorfälle auch bei den Dienststellen der Polizei gemeldet. Mein Leben ist mir zu wertvoll. Hier wurde jedes Mal nach Vorschrift alles brav protokolliert. Einmal hat man mich, weil kein Ausweis dabei, wieder nach Hause geschickt. Vorschrift eben. Alle Anzeigen sind im Sand verlaufen. Nötigungen sind schwer nachweisbar. Aussagen gegen Aussagen. Videos und Fotos nicht zulässig. Und solange sich niemand ernsthaft verletzt, ist das sowieso kaum relevant. Dazu kommt noch, dass kaum ein Autofahrer oder Busfahrer sich selbst einmal bei der Nase zieht und Fehler eingesteht. Victim-blaming.

Das ist die Realität auf Österreichs Straßen. Das ist § 68 StVO. Ein Pseudo-Paragraph, den kaum jemand kennt, noch irgend ein Auto- oder Busfahrer befolgt.

ktrchts

PS: Bevor die Diskusison losgeht: Es gibt auch die guten Auto- und Busfahrer und es gibt auch die sehr guten Auto- und Busfahrer, sowie es die weniger guten Renn- und Radfahrer gibt. Rad und Recht sind nie objektiv.

 

Rad und Recht – Aktualisierung:

Und täglich grüßt das Murmeltier. Und täglich schneidet dich ein Autobus. So passiert vergangene Woche und gestern. Diesmal war ich bei der Polizei und habe Anzeige erstattet. Irgendwas mit Verwaltungsstrafe wird sich schon finden. Strafrechtlich ist ein absichtliches Schneiden nicht relevant.

Kurz die Geschichte: Postbus 200 (Wien – Laxemburg – Eisenstadt). Fahrer überholt trotz Gegenverkehr. kurz nach Großhöflien. Lässt kaum 20 bis 30 cm Platz zwischen mir und seinem Ungetüm. Mit den entstandenen Verwirbelungen habe ich Mühe mein Rennrad zu halten. Zum Glück passiert nichts. Ich folge dem Bus. Dank Wut im Bauch und Adrenalin gibt es eine Strava PR auf den Strecke Müllendorf – Bergkirche. Den Buss erreiche ich am Domplatz. Der Busfahrer steht vor dem Bus und begrüßt mich „Wos willst?“ Ich erkläre ihm, dass … und er könne doch etwas mehr Rücksicht auf die Radfahrer nehmen. Seine Antwort „Weil ich auf die Radfahrer aufpasse!“ Mit einem süffisantem Lächeln im Gesicht. Mir steigt es bis zum Hals. Muss mich beherrschen. Mir reicht es. Ich fahre zur Polizei. So ein arrogantes, herablassendes und abwertendes Verhalten erlebt man selten. Foto des Fahrers habe ich.

Rad und Recht

Autobus delicti

Verkehrspsychologen – wo seid ihr?

Ob was rauskommt? Keine Ahnung. Gestern dann ein weiterer Bus. Diesmal wieder die Wiener Neustädter Verkehrsbetriebe. Knapp vorbei. Voll daneben.

Das sich nicht der einzige bin, zeigt dieses Schreiben, welches ich im Netz gefunden habe. Ein Radfahrer hat sich die Mühe gemacht, beim Bundesministerium zu intervernieren. Hier die äußerst interessante Antwort:

„Sehr geehrter Herr Ing. Schlögel!
Herzlichen Dank für Ihre Eingabe vom 07. Juli 2018. Wir können die von Ihnen geschilderte Problemlage nachvollziehen, es ist mit Sicherheit äußerst gefährlich und verunsichernd, wenn man als Radfahrer von Fahrzeugen überholt wird. Die polizeiliche Überwachung dieser Übertretungen gestaltet jedoch äußerst schwierig, um eine solche Übertretung beweiskräftig und einspruchsresistent zur Anzeige bringen zu können, müsste man sich als PolizistIn unmittelbar vor oder hinter dem Geschehen befinden, wobei fraglich ist, ob dann noch eine Übertretung stattfindet. Obwohl natürlich bei Wahrnehmung solcher Übertretungen Anzeige erstattet wird, möchten wir Sie aus den erwähnten Gründen auf die Möglichkeit der Privatanzeige hinweisen. Bei besonders gefährlichen Situationen sollten Sie sich also das Kennzeichen, Fahrzeugbeschreibung, Zeit und Ort merken und Anzeige bei der nächsten Polizeidienststelle erstatten.


Radfahrer sollen sich laut Polizei „breit machen“.

Ein weiterer Aspekt ist jener, dass sich RadfahrerInnen oft „zu wenig breit machen“, was FahrzeuglenkerInnen dazu verleitet anzunehmen, dass sich ein Überhol- bzw. Vorbeifahrvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung ausgeht. Man sollte als RadfahrerIn zwar einerseits am äußerst rechten Fahrbahnrand fahren, sich andererseits aber auch den notwendigen Platz lassen und evtl. Hilfseinrichtung wie „Abstandskellen“ am Fahrrad anbringen, die das Fahrrad breiter erscheinen lassen und die nachkommenden FahrzeuglenkerInnen darauf hinweisen, dass ein Überholen bzw. Vorbeifahren nur ohne Gegenverkehr bzw. an geeigneter Stelle möglich ist. Sichtbare Bekleidung bzw. Warnwesten sind vermutlich bereits selbstverständlich. Dass sich die Situation für „Radrennfahrer“ nochmals schwieriger darstellt, ist uns bewusst, es sollte nur ein Denkanstoß in der Sache sein.

Abschließend können wir Ihnen versichern, dass bei entsprechender Wahrnahmung unsere PolizistInnen Anzeige erstatten werden, müssen allerdings nochmals erwähnen, dass sich das Gesamtproblem auf Grund der schwierigen Wahrnehmung solcher Übertretungen mit polizeilichen Möglichkeiten nicht lösen wird lassen und weisen deshalb nochmals auf die Möglichkeit der Erstattung von Privatanzeigen hin.

Mit besten Grüßen

BM.I, Abt. II/12 – Verkehrsdienst der Bundespolizei“

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen. Ein Nachtrag.

Die Straßenerkehrsordnung

Die letzten Tage habe ich unter anderem damit verbracht, Gespräche zum Thema zu führen. Unter anderem mit den StVO Rechtsexperten des ARBÖ und ÖAMTC. Danke an dieser Stelle an Dr. Stefan Mann (ARBÖ) und Mag. Martin Hoffer (ÖAMTC). Ich möchte euch nicht vorenthalten, was dabei rausgekommen ist.

In erster Linie habe ich die Thematiken „Nebeneinanderfahren“, „Trainingsfahrt“ und auch alles rund um Haftung bei gemeinsamen Ausfahrten angesprochen.

Der Rennradfahrer in der StVO.

Zur Erinnerung: §68 StVO regelt die Rolle des Radrennfahrers im öffentlichen Verkehr. Die Norm ist umfangreich und gespickt mit interessanten Absätzen und Formulierungen. Gleichzeitig sind diese Absätze für mich kleine Fallen, welche viel Interpretationsspielraum offen lassen und so Platz für kreatives Zurechtrücken und -biegen bieten. Grundsätzlich gilt:

Radrennfahrer dürfen zu Trainingszwecken auf öffentlichen Straßen* nebeneinanderfahren

Laut Herrn Mag. Hoffer vom ÖAMTC ist diese Regelung auf Wunsch der Radfahrer-Sportorganisationen legalisiert worden, weil anders ein Halten des Standards österreichischer Radsportler gefährdet gewesen wäre. Wer jetzt meint, damit wäre alles gesagt, der irrt. Denn damit ist fast nichts gesagt.

    • im §68 ist nirgendwo „geregelt“, was genau eine Trainingsfahrt ist. Man spricht von einer Fahrt im Rahmen eines systematsich geplanten, pädagogisch fundierten und methodisch zielgerichteten Handlungsverlaufs zur Steigerung und Optimierung sportlicher Leistungen.
  • Es gibt keine formalen Kriterien diesbezüglich. Ausrüstung und Geschwindigkeit können in diesem Fall Aufschluss darüber geben, ob oder nicht. Also gefahrene Geschwindigkeit, die mit jener wie einer radsportlichen Veranstaltung vergleichbar ist, ein den Normen entsprechendes Rennrad (Fahrrad mit Rennlenker, dessen Eigengewicht im fahrbereiten Zustand 12 kg nicht überschreitet, dessen äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm und dessen äußere Felgenbreite höchstens 23 mm beträgt) und einer entsprechenden Bekleidung (Vereinstrikot?).

    Zum Thema Bekleidung: Gestern erreichte mich ein Schreiben (danke Thomas), in dem geschildert wurde, dass zwei nebeneinanderfahrende Radrennfahrer von der Polizei ermahnt worden sind. Laut Aussage der Beamten: „Wenn Rennradler mit unterschiedlichen Trikots unterwegs sind, ist Nebeneinanderfahren verboten“. Keine Ahnung ob das so stimmt.

    Wir sehen, dass es eine große Wissenslücke gibt. Sogar bei der Exekutive.

    Laut Herrn Mag. Hoffer: „Mit dieser Regelung sollte aber keinesfalls ein allgemeines Nebeneinanderfahren von Radfahrern (Rennradfahrer? Radrennfahrer?) legalisiert oder gefördert werden. Wenn daher jemand bei solchem Verhalten „kritisiert“ wird, erscheint dies in Hinblick auf das oben Ausgeführte nachvollziehbar.“

Heißt jetzt was? Für mich heißt das jetzt, dass es zwar eine Regelung gibt. Im Falle eines Falles müsste nachgewiesen werden, ob es sich um eine Trainingsfahrt gehandelt hat. Lizenzfahrer haben da sicher einen Vorteil, denn diese können damit nachweisen, dass sie sich für (ein) Radrennen vorbereiten (Ich gehe davon aus, dass jemand, der eine Lizenz hat, auch beabsichtigt Lizenzrennen zu fahren). Hobbyfahrer? Hier wird es wohl etwas komplizierter. Trainieren Hobbyfahrer? Natürlich. Aber wofür? Fitnesstraining (also Kondition und so) ist damit wohl nicht gemeint. Eine Vorbereitung auf einen Radmarathon (oder Triathlon) kommt dem viel näher. Möglicherweise genügt eine Anmeldebestätigung für einen Radmarathon. Oder ein Trainingsplan. Nicht, dass man diese Papiere jetzt mithaben sollte. Sie können aber im Beweisfall vorgelegt werden. Welches Tempo jetzt jenem einer radsportlichen Veranstaltung entspricht, bleibt offen. Eindeutig ist die Regelung was MTB und Triathlonräder betrifft. Mit solchen darf man nicht nebeneinander fahren. Siehe auch interessantes Urteil.

Noch eine Frage stellt sich: Es gibt Felgen bei Rennrädern, welche 24,2 mm breit sind. Laut Regelung also nicht zulässig für Nebeneinanderfahren.

Vorsicht und gute Absicht.

Kommt es bei einer Trainingsfahrt, bei der nebeneinandergefahren wird, zu einem Zwischenfall mit anderen Verkehrsteilnehmern mit Schadensansprüchen, kann man sich auf diese Regelung stützen. Es ist aber wie immer so, dass im Einzelfall ein Richter darüber entscheidet, wie eine Regelung anzuwenden ist. Auch rückwirkend aufgrund der Umstände. Da nicht alles gesetzlich geregelt werden kann, gibt es diesen Spielraum. Vor Gericht gilt es im Nachhinein zu beurteilen, was richtig und falsch war und ein Richter wird entscheiden. Zwei Parteien, zwei „ehrliche“ Sachverhalte, zwei Sachverständigengutachten … ein Richter. Gute Nacht.

Die Verkehrsexperten raten also deshalb immer, die Vernunft walten zu lassen. Es darf kein Hintergedanke verfolgt werden. Wer also durch Nebeneinanderfahren, andere Verkehrsteilnehmer provoziert (zum Beispiel durch langsames Fahren und gleichzeitiges Plaudern), dem kann auch eine Teilschuld anerkannt werden. Es gilt wie immer und überall der Vertrauensgrundsatz.

Sicherheit und Abstand.

Das Thema seitlicher Sicherheitsabstand ich auch so ein heikles. Es gibt ein Urteil des OGH, das besagt, dass der Seitenabstand davon abhängt, wie schnell die Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Fahrzeuges ist. Der genaue Rechtssatz im Wortlaut: „Der Seitenabstand muss umso größer sein, je höher die Fahrgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges und je labiler das überholte Fahrzeug (mehrspurig, einspurig) ist. Beim Überholen eines einspurigen Fahrzeuges ist unter normalen Umständen ein Seitenabstand von einem Meter ausreichend, nicht aber bei einer Fahrgeschwindigkeit von fünfundachtzig bis einhundert km/h und einer Sichtbehinderung gegenüber dem zu überholenden Fahrzeug.“

Was heißt das? Das heißt, dass auf Bundesstraßen Autos seitlich mehr als einem Meter Abstand halten müssten. Bedenkt man jetzt, dass ein Rennradfahrer nicht genau am rechten Fahrbahnrand fährt (aus Sicherheitsgründen), ist ein Überholen eigentlich nur durch Verlassen der rechten Fahrbahn möglich. Also nicht bei Gegenverkehr, bei Verkehrsinseln, bei Sperrlinien (einfach und doppelt). Theoretisch. Die Praxis sieht da ganz anders aus. Die 1,5m Seitenabstand sind gesetzlich nirgends festgehalten. Sie können aber aus den Umständen heraus abgeleitet werden. Auf alle Fälle sind sie eine Forderung der Radfahrerlobby. Und noch eins. Dieses Urteil des OGH heißt nicht, dass es immer so sein muss.

Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Zu guter Letzt noch ein heikles Thema. Die Haftung. Das Nebeneinanderfahren (und auch das Hintereinanderfahren) birgt Risiken und Gefahren, die oft auch im Krankenhaus oder bei Radhändlern des Vertrauens enden können. Wer haftet denn wann für was? Gute Frage. Auch hier gelten die Grundsätze der StVO. Also ist der Hinterherfahrende jener, der das Risiko zu tragen hat. So lange alles nach normalen Umständen abläuft und dem Vordermann keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Rein rechtlich. Auffahren auf den Vordermann ist also eigenes Pech. Stürzt dabei der Vordermann, hat man ein Problem. Zivilrechtlich wie auch strafrechtlich. Beim Nebeneinanderfahren wird’s komplizierter. Hier kenne ich ähnliche Fälle, die beispielsweise unterschiedlich ausgegangen sind. Selber erlebt. Von der Staatsanwaltschaft (ja, diese schaltet sich automatisch ein, wenn es zu Personenverletzungen kommt) wurde in diesem Fall das Verfahren eingestellt. Auch weil alle Beteiligten auf gegenseitige Ansprüche verzichtet haben. Bei einem anderen Fall kam es zu einer Anklage und Verurteilung wegen Körperverletzung. Siehe hier.

Was heißt das jetzt? Auf alle Fälle heißt es aufpassen. Dass nichts passiert. Gegenseitiges Vertrauen. Und natürlich gegenseitige Hilfe. Unter „Kollegen“ und Freunden sollte hier der Verstand siegen. Jeder von uns weiß um die Risiken von Windschattenfahren und Nebeneinanderfahren. Diese Risiken bewusst einzugehen heißt auch mit den Konsequenzen zu leben. Ohne Anwälte. Einzelfälle oder Extremfälle ausgeschlossen. Falls sich jemand „Fremder“ jetzt anhängt oder mitfährt und es passiert was? Fragt mich was Leichteres. Eine Haftpflichtversicherung und eine Rechtschutzversicherung empfehle ich sowieso.

Organisierte Gruppenausfahrten.

Neben der persönlichen Haftung bei Fahrlässigkeit (mit Betonung auf Fahrlässigkeit) gibt es noch die Haftung von Veranstaltern. Wie zB. bei Radmarathons. Ein Veranstalter hat für einen reibungslosen Ablauf seine Veranstaltung zu sorgen. Er haftet für sein Verschulden. Was das ist, wird auch im Nachhinein zu definieren sein. Ein Veranstalter haftet nicht für Verschulden der Teilnehmer oder Dritter. Haftungsauschlüsse seitens der Teilnehmer sind bindend – außer sie sind sittenwidrig. Auch hier sind Einzelfälle und Spezialfälle nicht einfach so pauschal abzuhandeln.

Viel interessanter wird es aber ,wenn es um Gruppenausfahrten geht. So wie sie heute über Facebook oder andere Plattformen organisiert werden. Wird so eine Gruppenausfahrt von einer Person aktiviert, dann kann diese Person sehr wohl auch als „Veranstalter“ im Sinne des Haftungsgesetzes gesehen werden. Beispielsweise, wenn diese Person Startpunkt, Startzeit und die genaue Route festlegt. Mit Betonung auf dem „könnte“. In diesem Fall könnte eine Haftung zum Tragen kommen, wenn beispielsweise die Strecke über eine Passage führt, die für Rennräder nicht geeignet ist (Schotter, Baustelle …), dadurch jemand zu Sturz kommt und sich verletzt. Nicht haftbar ist die Person aber wiederum bei Verschulden einzelner Teilnehmer oder Dritter (parkende Autos, Gegenverkehr …). Pasagen wie „jeder fährt auf eigene Gefahr“ sind mit Vorsicht (seitens des Veranstalters) zu genießen. Eine genaue Kenntnis der Strecke inklusive Plan B oder Ähnliches kann von Vorteil sein.

Ob so eine Gruppenausfahrt auch als Trainingsausfahrt gilt und ab einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern angemeldet werden muss – das werde ich noch herausfinden.

Ich hoffe, so etwas mehr Licht in die Dunkelheit des §68 der StVO gebracht zu haben. Weiterhin viel Spass bei der schönsten Nebenbeschäftigung der Welt. Und passt bitte auf euch und die anderen auf.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

PS: auch der ORF hat sich dem Thema gewidmet. Systemgemäß mit einem Prominenten. Ehemaliger Exekutivbeamter und selber vor Gericht. Nicht alles was er sagt stimmt so. Das Video hier.

*nicht auf Schnellstraßen und Autobahnen

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen.

Der Rennradfahrer und die StVO

Niederösterreich. B16. Auf meinem Rennrad am Weg von Wampersdorf  Richtung Weigelsdorf. Es ist Freitagnachmittag. Ich nehme ein immer lauter werdendes Motorgeräusch wahr. Dann taucht im linken Augenwinkel ein dunkler Ford auf, dessen rechter seitlicher Rückspiegel zuerst knapp meinen Oberschenkel und in weiterer Folge meinen linken Arm und meinen Lenker hauchdünn verfehlt. Im Affekt sage ich dem Vorbeirasenden mit italienischer Handbewegung meine Meinung . Das Auto macht eine Vollbremsung und kommt zum Stehen. Auf der rechten Fahrspur. Einfach so. Es riecht nach Gummi. Ich fahre weiter. Rechts am Auto vorbei. Der Fahrer hat das Beifahrerfenster geöffnet. „Oaschloch. Schleich di. Sunst fohr I di übern Haufn“. Ob dieser Drohung überlege ich mir, meine Trinkflasche zu nehmen und zu antworten. Mit einem Kavalierstart Marke fast and furious deeskaliert die Situation. Der Ford ist weg. Die StVO wohl verletzt?

Der Rennradfahrer und die StVO. Können, dürfen, müssen.

Kein Einzelfall auf Österreichs Straßen. Radrennfahrer und Autofahrer. Das ist schlimmer als Hund und Katz, Kai und Abel, Austria und Rapid, Plus und Minus. Aber warum? Ist ja alles geregelt. Benutzung der Straße, Nebeneinanderfahren …. Mit dem § 68 der StVO*. Klar. Deutlich. Vielleicht etwas zu viel Gesetzesdeutsch. Aber immerhin. Aus. Basta. Geregelt ist geregelt. Und an Regeln sollte sich jeder halten. Auch der Autofahrer.

Theoretisch. Das Problem ist, dass Autofahrer kaum akzeptieren können, dass es einen Paragraphen gibt, der sie in „ihrem“ Straßenverkehr schlechter stellt. Schon das Wort „dürfen“ ist Zündstoff. Was? Radrennfahrer dürfen etwas? Frechheit. Skandal. Unverschämtheit. Da wird recht schnell eine gesetzliche Verordnung selbst uminterpretiert. Das „Dürfen“ wird zum „Müssen“. Eine eigene Wirklichkeit (Autofahrerwirklichkeit) konstruiert. Radrennfahrer müssen hintereinanderfahren. Und überhaupt – sie müssen auf den Radweg ausweichen. Den hat man ja schließlich mit Steuern mitfinanziert. Je mehr Radrennfahrer dann in weiterer Folge auf ihr Recht pochen, desto größer wird der Konflikt. Weil in den Augen der Autofahrer ein solches Recht ja unmöglich ist. Was ein Autofahrer nicht kennt, das gibt es nicht. Schon gar keinen § 68 StVO.

§ 68 StVO.

Dazu kommt noch die mediale Berichterstattung. Das Thema, der Klassenkampf, ist ja interessant und schafft Quote. Also hier und da mal einen kleinen Bericht über diesen ewigen Streit im Straßenverkehr. Mit Zitierung des ominösen § 68 StVO und Betonung auf dem „Dürfen“. Redakteure, die womöglich selber noch nie mit einem Rennrad unterwegs waren, schreiben drauf los und gscheiteln. Mit dem einzigen Ergebnis, dadurch die falschen Mäuler zu nähren.

Nicht „dürfen“ und „müssen“, sondern „können“ und „sollen“.

Was tun? Chuck Norris rufen. Er ist der Einzige, der hier reinen Tisch machen kann und machen würde.  Ich selber kann nur vorschlagen, die Thematik einmal ganz von einer andere Seite aus zu betrachten. Kein „Dürfen“ und „Müssen“, sondern ein „Können“ und „Sollen“. Im Sinne der Verkehrssicherheit. Redakteure sollen endlich darüber schreiben, dass Radrennfahrer nebeneinanderfahren sollen. Ein Umstand, der Autofahrern entgegenkommt. Wie dieses Video zeigt. 3×2 Radrennfahrer sind leichter zu überholen, als 6×1. Ohne dabei diese in den Graben zu drängen oder den Gegenverkehr zu unterschätzen. 3×2 Radrennfahrer entsprechen einem Auto. Mehr Radrennfahrer einem Autobus. Nichts Außergewöhnliches. Das wäre einmal der Anfang und nach Chuck Norris ein guter Plan B. Plan C wäre eine Intervention des Verkehrsministeriums. Eine Vereinfachung des Paragraphen inklusive Aktualisierung veralterter technischer Beschreibungen wäre hilfreich. Und bitte, jemand soll mir den Unterschied zwischen Radrennfahrer und Rennradfahrer genau erklären.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #styliseyourride

*es empfiehlt sich für Autofahrer, Motorradfahrer, Mopedfahrer, Busfahrer und Radrennfahrer den Link zu öffnen und das Dokument zu lesen.

Ergänzung 1: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 31.05.2016
Ergänzung 2: jusiline.at – Verhalten der Radfahrer StVO

Radfahrer gegen den Rest der Welt. Warum das nie gut gehen kann.

Gedanken von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger
Gegenseitige Rücksicht.

Ich muss wieder einmal das Thema „Radfahrer vs. Autofahrer“ aufgreifen. Aus gegebenem Anlass. Meine letzte Ausfahrt inspiriert mich dazu. Nein, sie zwingt mich regelrecht. Nicht nur, dass die Radwege in Wien eine Zumutung sind. Frei nach dem Motto „Stirb langsam“. Und zwar 1, 2, 3, 4, 5 und jetzt erst recht. Auch die Landstraßen rund um die Bundeshauptstadt sind voller Gefahren. Besser bekannt als „Idioten“. Mindestens vier Mal musste ich gestern aktiv ausweichen, um keine Kollision mit zwei Autos, einem Kleinlaster (beide sind von rechts ohne zu schauen auf meine Fahrbahn geschossen) und einem +Blaguss Reisebus (dieser hat beim Abbiegen nach rechts einfach nicht geschaut – obwohl ich am Radweg war) zu vermeiden. „Guat is gangen, nix is gschehn“. Aber kann ich immer dieses Glück haben? Hoffentlich.

Mittlerweile zweifle ich daran, dass sich an der aktuellen Situation was ändern wird. Radfahrer vs. Autofahrer (und andere Verkehrsteilnehmer) wird ein Konflikt bleiben. Unlösbar. Es fehlt einfach die Vernunft . Einen offenen Brief an die Autofahrer habe ich schon einmal verfasst. Mehrere Appelle auch schon. Fehlt noch mein Verständnis. Verstandiss dafür, dass der „Rest der Welt“ einfach nicht anders kann. Klingt blöd, aber ich kann mittlerweile Autofahrer, Fußgänger, Taxler, Busfahrer  und wie sie alle heißen, verstehen. Ja. Mittlerweile ist aus meiner Wut großes Mitleid geworden. Schauen wir uns diese natürlichen Feinde einmal genauer an. Ich weiß was ihnen fehlt, um unsere Sicherheit zu erhöhen.

Autofahrer: Diese Spezies fehlt das Gefühl für Geschindigkeit. Nicht nur die eigene. „Was ich soll 160 km/h schnell gefahren sein? Ich dachte es waren maximal 100 km/h“. Sie ist auch unfähig Geschwindigkeiten von Radfahrern richtig einzuschätzen. Meine vor allem. Wer glaubt bei 160 nur 100 zu fahren, der vermutet auch, dass ein jenseits der 30 km/h herannahender Rennradfahrer 5 km/h fährt. Oder sein Rennrad sogar schiebt. Wenn es also darum geht, von einer Seitenstraße in die Hauptstraße einzubiegen, wird der herannahende Velocista ignoriert. Der braucht ja noch sicher eine Ewigkeit, bis er vorbeifährt. Was bekanntlich nicht stimmt. Egal wie schnell wir sind. Wir sind immer mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Und Lichtgeschwindigkeit darf man nicht unterschätzen. Das selbe gilt auch für entgegenkommende Autos, die noch unbedingt und dringend ein anderes überholen wollen.

Weiters sehen Autofahrer selten so fesche, durchtrainierte Menschen, wie wir es sind. Ein überholender Autofahrer wird quasi automatisch zum Gaffer, Spanner und Schaulustigen. Neidisch rechts oder links zur Seite blickend. Wo wir mit dem Rennrad unterwegs sind. Da das Auto meistens dem Blick des Fahrers folgt, ist es logisch, dass die 1,5 m Seitenabstand beim Vorbeifahren schnell geringer werden. Wir Rennradler sind quasi ein Magnet. Böse Absichten und Vorsätzlichkeift möchte ich da niemanden unterstellen.

Taxler: der Schlag der Taxler sind eine eigene Geschichte. Ihr Ziel ist die Personenbeförderung. Alles was sich dagegen stemmt ist als Hinderniss zu betrachten. Auch Radfahrer. Vor allem Radfahrer. Weil sie nicht nur auf Taxispuren (Busspuren) fahren dürfen. Nein, sie haben auch eigene Radwege. Dort wo ein Taxi meistens nicht stehen bleiben darf, es aber doch tut. Wegen der Personenbeförderung. Zeitdruck, Gier, Überheblichkeit,  … alles Gründe die dafür sprechen, dass dem Taxler alles Wurscht ist. Wie Parken auf Radwegen. Tür öffnen ohne zu schauen. Abbiegen ohne zu Blinken. Wer von Geld getrieben ist, der kann niemals dieses Gefühl der Freiheit am Rennrad nachvollziehen und Pro-Rennradler fahren.

Busfahrer: Hochsitzende Taxler mit Sonderstatus. Gladiatoren der Neuzeit. Opfer der Industriellen Revolution. Busfahrer können nicht alles sehen. Und wollen es auch nicht. Außer man zeigt ihnen den Mittelfinger. Meist sind sie neben der Spur. Nicht nur gedanklich. Sie haben einen langen Schwanz mit lediglich zwei Rückspiegeln. Was soll man da noch dazu sagen. Kopf schütteln und ausweichen.

LKW Fahrer: Brummende Zeitbomben mit Führerschein C und Hauptschulabschluss. Wären sie in einem Gymnasium gewesen, hätten sie auch etwas von Physik mitbekommen. Wer also nichts über Luftmassen und Sog weiß, der kann darauf auch keine Rücksicht nehmen. Verständlich. LKW Fahrern ist einfach nicht bekannt, dass hinter Ihnen ein gewaltiger Sog entsteht. Weil die vorne geschobenen Luftmassen seitlich um den LKW ausweichen. Irgendwann dann hinterm Heck die Lücke wieder schließen. Bei einem Überholmanöver ohne Seitenabstand wird der Radfahrer zuerst von der vorderen Luftblase getroffen (vom entgegenkommenden LKW fast erschlagen), wenig später von der seitlich nach hinten strömenden Luft mitgerissen und gegen den LKW gedrängt, um dann im Heck an den LKW wieder herangesaugt zu werden.

Fußgänger: Eigentlich der schwächste Gegner. Und der Gebildetste. Eingebildet. Er glaubt, das Recht sowieso auf seiner Seite zu haben. So ist es erklärlich, dass er sich um nichts schert. Würde ich ja auch tun. Was kann mir im schlimmsten Fall passieren. Koma? Fein. Das ist Regeneration deluxe. Also: Gehen auf Radwegen und überqueren dieser. Last Minute. Für den Kick. Geil.

Flugzeuge: Spielen wie UFO’s und Panzer eine untergeordnete Rolle. Ihre Präsenz auf Radwegen und Bundesstraßen ist zu vernachlässigen. Sollte es aber doch vorkommen, ihnen zu begegnen. Handykamera zucken. Ein derartige Selfie geht sicher um dei Welt.

Cristian Gemamto aka @_ketterechts

PS: Vergessen wir nicht, dass auch wir Autofahrer und Fußgänger sind. Vielelicht auch Busfahrer, Taxler und LKW Fahrer. Vielleicht kann unser gutes Beispiel Schule machen.

Offener Brief an die AutofahrerInnen in Österreich.

In anderen Ländern funktioniert das ganz gut.

Werte AutofahrerInnen,

ich weiß, dass sie es schwer haben. Vor allem in Österreich. Da muss man sich doch hier und dort mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit. Immens. Hat fast schon therapeutische Wirkung. Schade, dass das nicht von der Krankenkasse unterstützt wird.

Die hohen Spritpreise sind es. Oder? Täglich schwankend und kurz vor Feiertagen und Urlaube besonders hoch. Diese bösen Mineralölfirmen. In einem Boot mit dem Staat. Der kassiert brav mit. Höhere Preise, höhere Umsatzsteuer. Von der Mineralölsteuer will ich hier aus Platzgründen gar nicht schreiben.

Oder ist es die erhöhte Nova? Schon auch. Plötzlich sind Autos viel teurer. Teurer im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Die Normverbrauchsabgabe. Eine Erfindung Österreichs, um Autofahrer zur Kasse zu bitten. Wie ärgerlich. Und dann noch CO2-Ausstoß abhängig. Will man protzen muss man jetzt mehr zahlen. Gemein. Da muss man sich doch hier und da mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit.

Oder ist es doch der frustrierende Alltag. Die tägliche Arbeit. Der Chef. Die Kollegen. Das Essen in der Kantine. Das verregnete Wochenende. Die Niederlage des Lieblingsvereins. Der entgangene Lotto 6er. Der vergessene Geburtstag. Der verpasste Auftritt der Tochter beim Ballett oder des Sohnes bei der Schulaufführung. Die Warteschlange bei der Post. Das erneute Fettessen bei McDonalds. Die Schwiegermutter. Der gebrochene Nagel. Das ausgegangene Toilettenpapier. Der Buchsbaumzünsler. Der laute Nachbar. Das neue Auto des lauten Nachbar. Das neue Auto der Frau des lauten Nachbarn mit dem neuen Auto. Das neue Auto des Sohnes der Frau mit dem neuen Auto des lauten Nachbarn – auch mit dem neuen Auto. Die Steuerprüfung. Da muss man sich doch hier und da mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit.

Liebe AutofahrerInnen. Ich kann das alles nachvollziehen und da und dort sogar Verständnis zeigen. Das eine oder andere trifft mich ja auch. Aber warum zum Teufel müsst ihr Autofahrer das an uns Rennradfahrer auslassen? Was können wir denn dafür? Echt jetzt! Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben, schneiden, abbremsen, nach außen drängeln, Mittelfinger zeigen, aussteigen, bedrohen, Recht haben, kaum einsichtig sein, den Starken spielen – von Alublech geschützt. Was können wir für eure Laune? Nichts. Gar nichts. Nichts im geringsten.

Wir haben das selbe Recht wie ihr auf der Straße zu fahren. Wir müssen nicht den meist desaströs gewarteten Radweg benutzen. Sofern es einen gibt. Auch wenn dieser parallel zur Straße verläuft. Wir können. Ja. Wir tun es auch. Wenn der Radweg für uns zumutbar ist. Oder wenn wir Schutz vor euch AutofahrerInnen suchen und brauchen – denn lieber ein Platten als ein Platz im Friedhof. Wir haben das Recht auf seitlichen Mindestabstand. Das schützt uns vor dem Fahrtwindwirbel, den ihr erzeugt, wenn ihr uns überholt. Meist zu schnell und zu knapp. Das schützt uns vor dem Sog, den ihr erzeugt, wenn ihr uns überholt. Je größer euer Auto und je höher die für das Überholen gefahrene Geschwindigkeit, desto größer ist dieser Sog. Ein seitlicher Abstand von 1,5 Meter schützt uns vor dem Seitenwind, der uns da und dort ungewollt in die Fahrbahn drückt. Wenn da einer von euch vorbeikommt, tut das weh.

Es gibt einen § 68 in der StVO. Und eine Begriffserläuterung dazu. Dieser Paragraph sollte uns schützen. Tut es aber nicht, denn kaum ein Autofahrer weiß, was da drinnen steht. Deshalb sind die 1,5 Meter seitlicher Abstand auch nur ein frommer Wunsch. Ein Blick in diese Paragraphen könnte unser Leben erleichtern. Danke im Voraus.

Wir dürfen sogar nebeneinander fahren. Ja. Wir dürfen. Doch dieses „Recht“ ist schwer gegen Alublech durchzusetzen. Da ziehen wir Rennradfahrer den kürzeren.

Also liebe AutofahrerInnen.
Nehmt das Leben etwas lockerer. Vor allem im Straßenverkehr. Und schaut darauf, dass wir heil und gesund wieder nach Hause kommen. Denn auch wir haben dort die selben Sorgen wie ihr. Wir sitzen also alle im selben Österreich.

Stay tuned
Cristian Gemmato aka @_ketterechts