Endlich war ich Besitzerin eines eigenen Rennrades. Die Suche danach hatte sich nicht so schwierig gestaltet, weil das Budget, das ich auszugeben plante, von vornherein zahlreiche Modelle aus dem Rennen nahm. Ein Rad ist ein Rad. Es soll mich von A nach B und wieder zurück nach A bringen. Eine Philosophie aus dem Radkauf zu machen, war nie mein Plan gewesen. Dann hätte ich mich nämlich mit verschiedenen technischen Details auseinandersetzen müssen, versuchen müssen, Dinge zu verstehen, die mich in Wirklichkeit nicht interessierten. Nicht im Geringsten.
Dieser Zugang war ihm fremd. Und ist ihm immer noch fremd. Er versteht nicht, wie ich nicht wissen kann und will, wie die einzelnen Teile meines Rades heißen und was sie im Stande sind zu vollbringen.
Gut aussehen und gut sitzen.
Ich saß also auf einigen Modellen Probe. Überlegte mir, welche Farbe gut zu mir passen würde. Er kümmerte sich um den Rest. Meine Wahl fiel auf ein Trek. Ich entschied mich für einen normalen Rahmen, keinen speziellen Damenrahmen. Weil ich groß bin und meine Beine lang sind. Sogar länger als seine.
Von den ersten Ausfahrten an saß ich gut auf dem Rad. Mein Rücken und mein Nacken schienen mit meiner Wahl auch zufrieden. Nur mein Sattel bereitete mir – wie auch bereits auf meinem Leihrad – Schmerzen. Große Schmerzen. Während und nach jeder Ausfahrt fluchte ich, was das Zeug hielt. Abends schwor ich regelmäßig, mich niemals wieder auf das Rad zu setzen, um am nächsten Morgen meine Vorsätze wieder über den Haufen zu schmeißen. Ich wollte ja Rad fahren. Und er wollte es auch. Ein Dilemma. Mein Dilemma. Sein Dilemma. Unser Dilemma.
Wie konnte ich mich daraus befreien? Ich recherchierte also stundenlang in diversen Internetforen. Schließlich hatte ich die Lösung. Ein Damensattel musste her! Er verstand meinen Wunsch nicht. Ich solle mich nicht so anstellen. Es sei ein guter Sattel. Ich müsse mich nur an ihn gewöhnen. Alles eine Frage der Zeit.
Ein Damensattel heißt nicht umsonst Damensattel.
Zum Glück habe ich ihm nicht geglaubt. So froh ich über seine Unterstützung beim Rennradkauf war, so sehr wusste ich, dass mein Sattelproblem nur ich alleine lösen konnte und wollte. Mein Allerwertester war schließlich mein Allerwertester.
Ich suchte also noch einmal das Fahrradgeschäft auf und ließ mich vermessen, genauer gesagt ließ ich den Abstand meiner Sitzknochen vermessen. Dazu musste ich mich im Radgeschäft auf einen weiß beschichteten Hocker setzen, der in Folge meine Sitzknochen schwarz auf weiß abbildete. Nun wusste der Verkäufer, welche Größe mein Damensattel haben sollte. Mit der Option, ihn tauschen zu dürfen, falls er doch nicht passte, kehrte ich erhobenen Hauptes stolz mit meiner neu erworbenen, Schmerzfreiheit verheißenden Trophäe zurück.
Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als mein Vorhaben zu unterstützen. Schließlich wollte er mich ja wieder auf dem Fahrrad sehen. Widerwillig kopfschüttelnd und unverständliche Laute in sich hineinmurmeld befestigte er den neuen Sattel an meinem Rad. Jetzt stand unserer nächsten gemeinsamen Ausfahrt nichts mehr im Wege.
Er versteht was von Radtrikots, aber weniger von Damensätteln.
Es war die richtige Wahl. Wie sich rasch herausstellte. Vom ersten Moment an fühlte ich mich wohl auf meiner neuen Errungenschaft. Keine Schmerzen mehr während oder nach einer Ausfahrt. Meine Sitzknochen nun in Kontakt mit dem Sattel nahmen jeglichen Druck von empfindlichen Stellen. Er weiß zwar viel. Aber ich spüre mehr. Meinen Körper. Und vor allem mich selbst.
Damen sind halt Rennrad-Prinzessinnen. Und jede Erbse schmerzt. Da mag er Kopf schütteln, so viel er will.
laktrchts