Tag 5 des Austria Giro 2016. Ein Tag den ich einfach und in weniger Worten beschreiben kann: f***! Und nochmals f***! Nicht nur, dass es heute ein klassischer badass ride war. Nein, auch sämtliche elektronischen Geräte sind mir heute ausgefallen. Allen voran mein Garmin Edge1000. Bereits nach vier Stunden meinte das Gerät, der Akku sei schwach. Akku war voll geladen. Anmerkung. Dann fängt das Gerät an, selbständig Runden (laps) zu zählen. Ganze 524 (!!!!) sind es zum Schluss geworden. Ständig dieses “pieps” in den Ohren. Ich hätte am liebsten das Gerät am Koblberg Pass auf 1044m Seehöhe vergraben. Dort gehört es auch hin. Am Arsch der Welt. Ein Navigieren war so nicht möglich, weil ständig eine Rundenanzeige am Display war. Verfahren habe ich mich deshalb mehr als oft genug. Nach genau 6h3min hat der Garmin dann seinen Dienst quittiert. Im Stillen. Ganz leise. Zu diesem Zeitpunkt war ich irgendwo im Mühlviertel. Keine Ahnung wo. Am Weg Richtung Donau. Verschollen also. Und niemand, der mich hier rausholen hätte können. Nach Gefühl und ohne Orientierung habe ich dann doch den Weg aus dem Mühlviertel-Labyrinth gefunden. Ohne Garmin. Wer braucht den diesen Scheiß denn eigentlich. Niemand. Richtig. Und doch fahren wir damit. Pervers.
Badass ride vom Feinsten.
Die gezogene Arschkarte habe ich unmittelbar nach der Todesmeldung mit Plan B eingetauscht und meinen Polar M400 aktiviert. Um meine Heldentat zu dokumentieren. Von den 7h15min Fahrzeit auf 200 km mit 2.400 Höhenmeter habe ich ca. 6h45min bei Dauerregen absolviert. Armes Rad. Als es an der Donau angefangen hat aufzutrocknen, konnte ich erst die Folgen dieser Wasserschlacht erkennen. Sofort habe ich die erste Tankstelle aufgesucht und die furia rossa von Dreck und Schlamm befreit.
Der heutige Tag ist also komplett ins Wasser gefallen. Umso heldenhafter ist mein Soloritt zu beurteilen. Ja. Ein bisschen Selbstlob darf stimmen. Start um 0930 Uhr in Schlierbach (OÖ) bei Dauerregen. Tenzend: Gleichbleibend. Hoffnung: Keine. Somit war klar. Badass ride. Überschuhe, Windjacke und Sealskinz Handschuhe. Letztere haben sich 6h45min mehr als bewährt. Meine Hände und Finger waren zwar aufgeweicht wie eine Mafia-Leiche aus dem adriatischen Meer – kalt war mir an den Händen und Fingern nie.
Die ersten 66 km habe ich in 60 Minuten hinter mich gebracht. Vorbei an Linz Richtung Schwertberg und dem Aisttal. Dann der Beginn des Anstieges zum Koblberg Pass. Oberösterreichs höchster Pass auf 1.044m Seehöhe. Mein 6. von insgesamt 9 Streiche. Teile der Strecke kannte ich schon. Der Rest war für mich Neuland. Unnavigierendes Neuland. Dank der Zicke Garmin. Das nächste Mal nehme ich mir einen Freytag und Berndt Atlas mit. Der wird zwar auch nass, piepst aber nicht. Den Koblberg Pass habe ich nach gut 4h erreicht und passiert. 103 km waren hinter mir. 96 km fehlten bis zur Sauna.
Das Mühlviertel ist eine Achterbahn.
Von den 96 km waren die Hälfte nicht lustig. Ständig wechselte ich zwischen 900 und 700 m Seehöhe. Das Mühlviertel ist eine Achterbahn. Eine nasse. Zumindest heute. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich 0,5l Wasser zu mir genommen. Auf dem direkten Weg – von der Trinkflasche. Der Rest kam oral vom Himmel. Ein Peeroton Gel und ein Fitness-Center Riegel mit weißer Schokolade waren die kulinarische Ausbeute.
Als ich von irgendwo da oben, irgendwie heimfahren wollte, war eine Strasse wegen Holzschägerungsarbeiten gesperrt. Da mein zu diesem Zeitpunkt noch funktionierendes Garmingerät – zickig aber funktionierend – meinte, das wäre mein Route, bin ich diese auch gefahren. Hinweise wie “Lebensgefahr” und so habe ich nicht gesehen. Über Baumreste, Tannen, Zapfen ging es direkt in die Hände des dortigen Försters. Dieser hielt mich auf und sprach von einer Anzeige. Weil wir Radfahren immer tun was wir wollen und überhaupt würde er die Radfahrer hassen. Ich müsse jetzt für alle büßen. Er wollte meinen Namen und meine Daten. Als ich ihm versucht habe zu erklären, dass eine Strava Route nicht einfach so unterbrochen werden kann und dass ich hier durchfahren müsse, hat sein Hund im Auto bereits alle Zähne an der Glasscheibe zur Schau gebracht. Ich resignierte und drehte um. Die eingerichtete Umleitung war meine neue Herausforderung. Dann geschah es. Bei km 163 trennte sich mein Garmin von der Welt der Lebenden und überließ mich meinem Schicksal. Auf einer Umleitung. Ziel? Unbekannt. Ankunftszeit: Ungewiss. Wenn überhaupt.
Ich schaffte es, mich aus den Fängen des Mühlviertels dank Google Maps zu befreien. An der Donau bei Isperdorf hatte ich wieder Orientierung. Im Trockenen ging es weiter zur Bergankunft Maria Taferl. Aus Ende. Danke.
Abschließend noch etwas Luft ablassen: Ich bin so was von sauer. Auf Garmin und alle elektronischen Dingsda, die wir unbedingt brauchen wollen. Unzählige Abstürze. Ein Hardresets nach dem Anderen. Ständig RMA Zettel ausfüllen. Einschicken. Warten. Ich habe die Schnauze voll. Das nächste Mal zähle ich mir die Kilometer selber. Sind ja eh am Rande der Straße schön markant aufgelistet.
Gute Nacht. Morgen Tag 6. Niederösterreich wartet. Mit dem Pfaffensattel und den Feistritz Sattel. 209 km und über 3.000 Strava Höhenmeter. Wetter? Ich habe noch nicht nachgesehen.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagrio16 #ketterechts
PS: heute war der kälteste Tag des ohnehin bescheidenen Sommers 2016. Am Obertauern hat es sogar geschneit.