Schlagwort: Oberhof

quaeldich Deutschlandrundfahrt 2015 – Tag 5

Von Flensburg nach Garmisch in 9 Tagen, 1500 km und 20000 HM
Keine Gnade für die Wade. Endlich Halbzeit.

Halbzeit. Rein in die Kabine. Frisch machen. Trikots tauschen. Besprechung. Neue Taktik. Eventuell einen Tausch vornehmen. Die 5.  Etappe von 9 ist Geschichte. Es war die Königsetappe. 170 km und 3.200 HM laut Routenplaner. Letztendlich waren es ca. 2.800. Es war mir wie immer ein Volksfest.

Nach einer Nacht am WC ob des vielen Puddings im Hotel Panorama und einer gewissen Leere am Morgen nach mehreren Fehlversuchen, eine Mindestmenge an Frühstück bei mir zu behalten, starte ich heute mit Gruppe 2. Reine Vorsichtsmaßnahme. Besser langsam sterben, als schnell tot sein. Eine alte Weisheit. Von wem auch immer. Zunächst verschiebt sich unser Start um gefühlte Stunden. Es gibt Teilnehmer die zwangsversetzt werden müssen. Zum einen die „Rapha Gang“. Von Gruppe vier gleich rauf zu Gruppe 2. Zum anderen andere. Gruppe 6 und Gruppe 1 sind schon weg.

Es geht endlich los. Zuerst über den großen Beerberg und dann entlang des Rennsteigs bis nach Altenfeld. Eine Gegend, welche von Trailäufern beim jährlichen Rennsteig-Lauf heimgesucht wird. Hier erleben wir den Schmach. Wegen eines technischen Defekts vom Chef persönlich, werden wird von Gruppe 4 und 5 überholt. So dass wir die letzte Gruppe sind, welche sich auf dem Weg nach Bischofsgrün befindet. Der Defekt – der mechanische Shimano Schalthebel links rastet nicht mehr, so dass das Gang schalten unmöglich wird, kann nach einer Weile behoben werden. Dank eines Teilnehmers der Gruppe 2 und den herangeeilten Sergej.

Die Gegend hier ist ein ständiges auf und ab. Teils kurze Ansteige und lange Abfahrten. Immer in einer Seehöhe zwischen 600 und 800 Metern. Kurz vor der Wasserscheide zwischen Elbe und Rhein, ein weiteres Highlight des heutigen Tages. Eine ca 7 – 8 km lange Kiespassage. Rollen auf Splitt. Sogenannter Rollsplittt. Bergauf. Anfangs noch recht lustig, schleudern wir wenige Augenblicke später den auf den Boden platt gedrückten Kies dann in unsere Brems- und Schaltanlagen. Es zischt wie in alten Westernfilmen, als sich die Apachen und die Cowboys in den Rocky Mountains die Kugeln um die Ohren schießen. Auch die Reifen haben einiges auszuhalten. Ich fahre langsam trotz Freigabe. Ein Crossbike Feeling kann kaum aufkommen. Es überwiegt mehr die Sorge um das Material. Einem Teilnehmer kostet diese Passage den Mantel. Wir müssen wieder stehen bleiben. Ich nutze die Pause, um meinen Vittoria von Eindringligen zu befreien. Zentimeter für Zentimeter.

Mittagsverpflegung in Teuschnitz. Wir sind bereits in Bayern. Besser gesagt in Oberfranken. Leicht erkennbar am „r“ in der Aussprache der von hier stammenden. Mein Wortschatz erweitert sich. Vom sächsischen „Audooooo“ einem rollenden Zungenmassaker. Es gibt Leberkäse. Wir haben jetzt zwar bereits knapp 100 km hinter uns, jedoch noch 2.200 HM vor uns. Eine Tatsache, welche die Teilnehmer nicht unbedingt zu euphorischen Gesichtsausdrücken verleitet. Eher überwiegt die Ungewissheit, ob der heutige Tag jemals zu Ende gehen wird.

Auch weil nach nur 3 km wieder mit Defekt an der Straßenseite stehen und Gruppe 4 vorbeiziehen lassen müssen. Diesmal tauschen wir wieder Mantel und Schlauch. In diesen 15 Minuten verlieren wir pro Mann und Nase in etwa 5 Liter Schweiß unter der prallen Sonne. Einfach nur geil.

Ab jetzt zählt jeder gefahrene Höhenmeter. Doch wir sind kaum über 1.500 von 3.200. Dass es nur 2.800 sein werden, wissen wir ja zu diesem Zeitpunkt nicht. Die Straße schlendert sich so dahin. Immer ein paar Höhenmeter rauf und dann wieder runter. Kleinvieh macht zwar auch Mist, aber viel zu wenig. Wo sind denn die fehlenden Höhenmeter. Rampen verderben die Moral. Es sind die Berge, welche wir brauche und suchen.

Kurz vor der letzten Getränkestation nehmen wir den höchsten Berg des Frankenwaldes in Angriff. 100 HM am Döbraberg. Diese Stichstraße macht das Kraut auch nicht fett. Was bleibt sind der große Waldstein und der Schneeberg. Na dann. Ziehen wir diese Optionen. Der großen Waldstein ist jetzt nicht der Burner, aber er entfacht sogar in Gruppe 2 so etwas wie Jagdinstinkt. Man zerfetzt und zerfleischt sich auf bis zu 10% Steigung. Meine GoPro und Garmin Virb XE sind Dauereinsatz. Oben stoppt uns und eine rote Ampel. Der Wald ein paar hundert Meter weiter ist für Filmaufnahmen gesperrt. Auch eine Straßenfahrbahn. Wir nutzen die Gelegenheit, um Getränke zu fassen. Sasha der Dextro Man ist an Ort und Stelle.

Kurze Abfahrt und Bischofsgrün wäre in Reichweite. Vom Schneebergsattel keine 1,5 km. Doch wir nehmen den 3,5 km langen Anstieg zum Schneeberg, die höchste Ergebung im Fichtelgebierge. Ca 250 HM auf einer mit Rollsplitt halbwegs fahrbaren Straße. Es gibt wieder das klassische Schwanzmessen. Vorne weg die Rapha Boys gefolgt vom Rest. Ich bleibe stehen, tausche Akku bei meiner GoPro und mache mich dann auf, den Rest zu verfolgen. Schnell habe ich ein paar, dann noch einige und zum Schluss noch die in Reichweite. Ein gutes Training. Ich kann es doch.

Oben noch ein paar Fotos und dann ab ins Hotel, welches sich direkt an der Straße befindet. Die Koffer sind noch nicht da. Unser Gepäcks LKW hatte einen Panne. Also Rad putzen und warten. Business as usual.

Während ich diese Zeilen schreibe prasselt leichter Regen von Himmel. Hoffentlich eine willkommene Abkühlung. Gute Nacht. Morgen Tag 6. Es geht nach Rimbach. Keine Ahnung wo das liegt. 165 km und knapp 2500 HM.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#faceyourpassion

quaeldich Deutschlandrundfahrt 2015 – Tag 4.

von Flensburg nach Garmisch in 9 Tagen, 1500 km und 20000 Höhenmeter
Tempotraining mit Gruppe 1.

Oberhof im Thüringer Wald. Bekannt aus Funk und Fernsehen. Bekannt aus den Übertragungen vom Biathlon Weltcup, vom Rennrodeln und der Nordischen Kombination. Das ist wie Semmering am Semmering. (Österreichischwer Lufkurort zwischen Niederösterreich und der Steiermark). Nur halt in Deutschland. Schaut genau so aus. Wintersport und Sommerurlaub wie vor vielen Jahren. Hier bin ich heute gelandet. Zum Schluss der 4. Etappe der quaeldich Deutschlandrundfahrt. Von Bad Sachsa kommend. Von Norden nach Süden. Auf dem Weg von Flensburg nach Garmisch. Die Nacht im Göbels Vital Hotel Bad Sachsa war geprägt von einer missglückten Evakuierung des gesamten Hotels wegen einer Betriebsstörung. Wir blieben alle im Haus. Von unseren Bieren wollten wir uns einfach nicht trennen. Da schaute auch die Feuerwehr, als wir Widerstand leisteten. Mit unseren Gläsern und Flaschen.

Das nächtliche Gewitter hat die Temperaturen erträglicher gemacht. Um 0830 Uhr ist mir nach Tagen der Hitze erstmal kalt. Kurz/kurz. Aber nicht lange. Ich bin heute bei Gruppe 1 vorangemeldet. Gastfahrer. Ich habe noch eine Rechnung mit der Speed Gruppe offen. Diese will ich begleichen. Also friere ich nur ca 2 km. Dann wurde mir schnell warm. Gruppe 1 ist die High Speed Gang. Hier fährt man Rad, wie man halt Rad fährt. Vollgas. 70 km in guten 2h bist zur ersten Verpflegung. Nicht ohne Hindernisse. Nach 10 km erwische ich ein Schlagloch und ich verliere eine Trinkflasche. „Haaaaalt“. „Trinkflasche“. Ich bleibe stehen. Die Gruppe verschwindet am Horizont. Ich drehe um, hole die Flasche und fahre weiter. Gerade aus statt rechts ab. „Streckenabweichung“. Der Garmin spricht Klartext. Ich bin falsch. Drehe um. Verloren? Zwei von der Gruppe kommen mir schon entgegen. Der Chef persönlich, der von Gruppe 6 zu Gruppe 1 gehoppt ist. „Sorry“. Richtig abgebogen sehe ich Gruppe 1 am Straßenrad auf mich wartend. Dann das nächste Missgeschick. Am nächsten Bergchen werde ich von der Gruppe eingeholt. Ich verschalte mich und die Kette springt raus. Ich versuche im Fahren die Kette wieder zu justieren. Doch es geht nicht. Ich bleibe stehen. Lege die Kette über das große Kettenblatt, doch sie will nicht rund laufen. Keine Ahnung warum. Bis ich sehe, dass die Kette hinten beim untersten Schaltröllchen aus der Führung gesprungen ist und außen läuft. Ja außen. Schaltwerk kaputt? Die mir beistehenden meinen ja. Ich kanns nicht glauben. Wieder Pech? Bei der Di2 gibt es aber kein fixe Verbindung beim Schaltkäfig. Also muss die Kette da wieder rein, wo sie raus ist. Mit Gewalt. Sehr schmutzige Hände später rollt das Rad wieder. Glück gehabt.

Getränkeverpflegung 1, Mittagsverpflegung und Getränkeverpflegung 2. Alles easy mit einer sehr harmonischen und sehr schnellen Gruppe. Es macht Spass hier mitzufahren. Kurzweilig. Extrem lehrreich. Eigentlich habe ich vor Gruppen zu wechseln. Mit Gruppe 5 oder sogar 6 ins Ziel zu kommen. Aber bei jedem Stopp reizt mich die Herausforderung weiter mitzufahren. Und das tue ich auch. Bis zum Ende. Ein genialer Tag. Highlight sicher die Fahrt von Arnstadt nach Crawinkel durch das Jonastal. Hier rollt es. Leicht bergauf. Eine perfekte Kette rechts Trainingsstrecke.

Die Freigabe bei Crawinkel löst dann das zu erwartende Feuerwerk aus. Die Truppe löst sich auf wie Zucker im Wasser. Vorne weg die Raketen des Alpecin Teams. Kai, Mister 44.000 Jahreskilometer (in Worten vierundvierzigtausend) lässt alle stehen. Ich kann nicht sehen, wer im folgt. Meine Leistung pendelt sich bei 220 – 250 Watt ein. Wie im Trance nach oben. Für mein Gefühl ganz ok. Aber andere sind besser. Weit besser. Bergfahrer. Möglicherweise.

Nach 4 1/2 Stunden sind 140 km und 1.700 HM mit einem Schnitt von 30,5 km/h geschafft. Nicht schlecht für einen alten Mann wie ich, oder?

Falls es wen interessiert heute mal was zum Thema Leistung. Ich habe ja mittlerweile ein geiles Garmin Spielzeug. 

Die Eckdaten zu Etappe 4:
140 km
1.700 Höhenmeter
4:35:10 Fahrzeit
30,5 km/h Schnitt
64,1 km/h Höchstgeschwindigkeit
146 Watt durchschnittliche Leistung
699 Watt max. Leistung
53 % links/47% rechts – Verhältnis links/rechts
22% links/21 % rechts – Gleichmäßigkeit des Tretens
185 Normalized Power (NP)
0,842 Intensity Factor (bis 8,5 ist es ein Ausdauertraining)
324,9 Training Stress Score (werde wohl mehr als 2 Tage brauchen, um alles zu „verdauen“

Morgen Königsetappe. Mit 3.300 Höhenmeter. Verteilt auf 171 km. Wir fahren nach Bayern.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#faceyourpassion

PS: dieser Blog kommt etwas verspätet, weil ich mir einen Vortrag von Besi angehört habe. Bitte unterstützt Besi. Mehr Infos auf seiner Webseite www.rad-statt-rollstuhl.de

Ketterechts - mittendrin statt nur daheim

Ketterechts - mittendrin statt nur daheim

Ketterechts - mittendrin statt nur daheim

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Ketterechts - mittendrin statt nur daheim

Ketterechts - mittendrin statt nur daheim