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Ihr längster Tag am Rennrad zwischen 3 Ländern.

längster Tag am Rennrad

Wir schreiben den 15. August 2018. Mariä Himmelfahrt. Die festliche Aufnahme Maria in den Himmel. Was für ein Anlass, laketterechts festlich auch dort aufzunehmen. Im Himmel der Langdistanz-Rennradfahrerinnen. Ihr längster Tag am Rennrad. Minutiös geplant. Lange angekündigt. Unfallbedingt verschoben. Sie wollte unbedingt. Und dann wieder nicht. Eigentlich schon. Und dann … wie immer. Eventuell. Nicht heute. Vielleicht ein anderes Mal. “Schaffe ich das?” Diese Frage konnte ich nur mit einem eindeutigen Ja beantworten. Musste ich auch. Pädagigisch wie motivational. Bis gestern. Heute, am Tag danach, haben wir die Antwort aus sportlicher Sicht. 203,5 km zwischen drei Ländern. Chapeau und herzlich willkommen im Club.

 

Die Sinnhaftigkeit einer 200 Kilometer Ausfahrt.

Die Tage bis zum D-Day waren nicht die Einfachsten. Selten so viel darüber diskutiert. Über die Strecke, das Wetter, den Wind, den Asphalt, die Sonneneinstrahlung, die Pausen, Lokale, Schattenplätze, Brunnen, Radwege und Straßen. Eigentlich wie immer. Seit ich laketterechts zum Rennradfahren inspiriert habe. Immer wieder schwankte ihre Stimmung zwischen dem Willen, es zu wagen und der Frage nach der Sinnhaftigkeit. Sie will das Rennradfahren genießen. Das kann eine 200 Kilometer lange Ausfahrt aber nicht. Zumindest nicht nach erst zwei Jahren im Sattel. Ich erkläre ihr, dass Mann (ich) auch 400 km genießen kann. Worte, die ihr Ohr im weiten Bogen verfehlen.

längster Tag am Rennrad

Viel Abwechslung auf 200 Kilometern

“Ich entscheide in der Früh kurzfristig”. laketterechts liebt es, mich zappeln zu lassen und sich alle Türen offen zu halten. Auch weil bei ihr das Wort kurzfristig sehr dehnbar ist und auch dann noch gilt, wenn ich bereits fertig bin und am Rad sitze. “Soll ich mitfahren?” Wo andere winken und sich verabschieden, sucht sie noch nach ihren Antworten.

Gestern haben wir dieses Prozedere auf das nächste Level gehoben. Ich schon am Treffpunkt. “Wo ist Sonja?” Sie kommt heute nicht mit. Entsetzen bei der einzig verbleibenden Dame. Es ist schon fünf nach Startzeit. “Das geht nicht.” Diplomatie, Verhandlungsgeschick, Gruppendruck, Schlechtes-Gewissen-Einreden. Gut, wenn man ein Handy hat. Nach dem Befehl zum Dresscode gelb und ein paar Minuten Bedenkzeit, erscheint laketterechts dann doch. So schnell langsam hat sie sich noch nie entschieden können. Und müssen.

Ihr längster Tag am Rennrad. Mein längster Tag.

Ihr längster Tag am Rennrad beginnt mit der Suche nach dem GPS Signal. Sie, die Garmin und Strava anfangs missachtete, kämpft darum, protokolliert zu werden. Karma? Bitte nicht dieses Thema. Wir brauchen ganze 13 km, bis ihr Garmin aufzeichnet. Eine Ewigkeit. Mit großer Auswirkung auf den Rest des Tages. Hätte laketterechts dieses Zeichen erkennen sollen?

200 Kilometer. Drei Länder. Österreich. Slowakei und Ungarn. Nach Norden, dann nach Osten, dann nach Süden und am Ende wieder nach Westen. Bei starkem Nordwest-Wind. Die Windparty war angerichtet. Rudi, unserer Dienstältester, hatte die Route vorgeschlagen. Dem Track und seiner Anwesenheit sind wir gefolgt. Blind. Und im vollsten Vertrauen. Gespannt auf die eine oder andere Überraschung. Man kennt sich.

längster Tag am Rennrad

Rudi’s Touren bieten viel Abwechslung

Mit 250 bis 270 Watt im Wind und gegen den Wind. Bis Bratislava feiern wir keinen Kindergeburtstag. laketterechts nach ihrem Sturz nicht mehr so gruppensicher, fährt freiwillig hinterher. Das kostet sie Kraft. Das kostet mich Kraft. Zwischen den Alpha-Tieren vorne und uns beiden hinten, immer und immer wieder ein böses Loch für die Psyche und die Muskelkraft. Es sei nicht ihr Tag, hat sie gesagt. Es war auch nicht ihr Tag. Das sage ich. Wenn der Kopf nicht will, wollen auch die Beine nicht mehr. Eine alte Weisheit wird zur Wirklichkeit. “Ich hätte heute zuhause bleiben sollen”. Lustlos und lautlos stellt sie sich ihrem Schicksal. Die Off-Road Passagen und Zick-Zack-Fahrten rund um Bratislava, tragen kaum bis gar nicht bei, ihre Stimmung zu heben.

Nach 90 km erstmals für kleine Mädchen.

Ein Unglück kommt selten allein. In Bratislava lassen wir die Schleife in, auf und rund um den Stadtpark aus. Essen und eine damenadäquate Klopause sind lebensnotwendig. Beides stillen wir im La Crema an der Promenade in Bratislava. Insgesamt verweilen wir dort über eine Stunde. Eine kaum interpretierbare slowakische Speisekarte und ein ewig auf sich warten lassendes Essen bremsen uns dramatisch ein. Dabei werden kleine Wunden geleckt. Seelische wie auch körperliche. Die Einöde Ungarns noch vor uns. Ist der Magen voll, fährt es sich besser. Zumindest war das die Hoffnung.

längster Tag am Rennrad

Pause im la crema

Endlich wieder freie Fahrt und die Freude auf weitere 110 km. Diesmal mit Rückenwind entlang der Donau und ihren Seitenkanälen. Die Gegend ist schön. Die reichen Slowaken trumpfen am Ufer mit villaähnlichen Häuserbooten auf. Naturbelassen ist hier nicht nur die Gegend. Auch der Donauradweg ist es. Eine Ansammlung von Sprungschanzen. Wurzeln, die knapp unter der Asphaltoberfläche kreuz und quer in die Höhe wachsen und den Boden heben. Niemandem von uns macht es Spass, hier mit über 30 km/h darüberzuspringen. Am wenigsten laketterechts. Es ist ja nicht ihr Tag. Ihre Frohnatur findet hier kaum Entfaltung.

 

Windig und flach. Das pannonische Bergland.

Irgendwo und irgendwie verschwinden wir nach Ungarn. Mit € 5 plündern wir eine Bäckerei. Die restlichen zwei Dosen Pepsi black und der halbe Kühlschrank Mineralwasser gehen in unser Eigentum über. Noch circa 70 km bis zum Ende. Wir stehen bei Kilometer 129. Der Gegenwind macht sich jetzt breit und die pannonische Ebene wird zum gefürchteten Bergland. Sonja blickt skeptisch auf ihren Garmin. “Wie soll ich mich motivieren, wenn mir am Display 13 km fehlen.” Was höre ich da? Wird da jemand noch ehrgeizig und lässt die Variante B, im Zug die letzten 35 km gemütlich sitzend zu verbringen, sausen?

längste Tag am Renrnad

Wo geht’s hier nach Hause?

Auch wenn es ihn noch nicht gibt. Ich habe ihn erfunden. Den Garmin mit Sprechfunktion. “Noch 50 km bis Eisenstadt”. Gleichzeitig kümmere ich mich darum, die steilen pannonischen Pässe zu ebnen. Die eine und andere zärtliche Berührung, um ihr Vorwärtskommen zu unterstützen und versteckt zu beschleunigen erlaube ich mir. Auch weil “vorne” Tempo gemacht wird. Irgendwas hat die Alpha-Tiere gestochen. Knapp 40 km vor Eisenstadt, in Weiden am See, werden in Enzos Bistro unsere Reserven ein letztes Mal aufgefüllt. Einige wählen einen weißen Sprizer, andere Apfekuchen oder Toast. Ich spreche dann ein offizielles “Zugverbot” aus. Somit ist es fix. Alle werden die 200 Kilometer zu Ende fahren. Ohne wenn und aber.

 

Eine lange Rennradreise und sie hat mein Ziel erreicht.

Bei leichtem Seitenwind rollen wir die letzten Abschnitte Richtung Geschichte. Mit kleinem Umweg zum Eisbullen, später direkt in die Selektion Burgenland vor dem Schloss Esterhazy. Unserem Startpunkt knappe 9 1/2 Stunden zuvor. Am Radweg zwischen Trausdorf und Eisenstadt fällt die magische Schallmauer. Wir haben unser Ziel erreicht. laketterechts hat mein Ziel erreicht. Sie quittiert das mit einem Lächeln. Mehr Emotion ist nicht von ihr zu erwarten. Erst nach einem Sommerspritzer und Wulka-Prosciutto realisiert sie, was sie gerade erreicht hat. Weil wir mit ihr erst über die Sinnhaftigkeit philosophieren mussten. Jene Sinnhaftigkeit, die sie während der gesamten Fahrt und lange davor gesucht hat. Und eigentlich jetzt immer noch sucht.

längster Tag am Rad

Der Augenblick.

Warum also 200 Kilometer und knapp acht Stunden mit dem Rennrad durch die Gegend strampeln? Gute Frage. Was macht das für einen Sinn? Es ist nicht das lange Sitzen am Rennrad. Das tut weh. Das schmerzt. Arme, Rücken, Zehen, Beine, Oberschenkel. Es geht vielmehr um dieses ganz spezielle und einzigartige Gefühl danach. Die Gewissheit, solche Distanzen schaffen zu können. Ganz nebenbei wirken ab sofort kürzere Ausfahrten nie mehr so bedrohlich. Bis auf unseren gemeinsamen 300er.

ktrchts

PS: Zum Schluss das Beste zum Tag. Am Abend war laketterechts unzufrieden mit sich selbst. “Ich weiß, dass ich schneller hätte fahren können”. Hat sie gesagt.

PS2: Danke Kerstin, MikeB, Siggi und Rudi für die Geduld und für’s Mitfahren.

Bräunungsstreifen. Das Dilemma einer Rennradfahrerin.

Bräunungsstreifen

„Sie san a a Radlfoahrarin, gö?“ Der mitleidige Blick der Supermarktkassiererin wandert über meine Oberarme. Bevor ich noch reagieren kann, ihre Erklärung: „Mei Maun schaut a so aus…“ Ertappt. Aber wenigstens von einer, die sich offensichtlich auskennt. Von einer, die mit meinen Bräunungsstreifen etwas anfangen kann. Sympathische Frau. Sehr sympathisch.

Anders als jene, die mich oft durchdringend mustern oder jene, die mir verstohlene Blicke zuwerfen und sich überlegen, in welchem fernen Land und in welchem Badekostüm ich wohl Urlaub gemacht habe.

Tan lines – oder wie er sagt: Formbräune.

Der einen Fluch, des anderen Segen. Schon die erste Sonneneinstrahlung im April nach einer Kurz-Kurz-Ausfahrt versetzt ihn in helle Aufregung. Seine Augen beginnen zu blitzen und er freut sich wie ein Schneekönig, wenn er sieht, dass die Sonne ein gutes Werk getan hat. An seinen Oberschenkeln. An seinen Oberarmen. Sogar die sich abzeichnenden Ränder seiner Socken findet er attraktiv. Er nennt so etwas Formbräune. Und er ist immer hellauf erstaunt, wenn ich das nicht genauso sehe.

Während er seine tan lines kultiviert, darauf achtet, dass jede Radhose richtig abschließt, dass jedes Trikot, die scharfe Linie fördert, seine Streifen stolz vor sich herträgt und sie und sich bewundern lässt, suche ich von der ersten Frühlingsausfahrt an fieberhaft nach Möglichkeiten, die sich anbahnenden, schier unabwendbaren Schönheitsmakel so unauffällig wie möglich ausfallen zu lassen. Sonnenschutzfaktor 50 ist mein ständiger Begleiter.

Meine Bräunungsstreifen als Visitenkarte.

Doch all meine Bemühungen sind leider erfolglos. Spätestens Ende Mai sehe ich genauso wie er aus. Und fast noch ein bisschen schlimmer. Weil ich nämlich als Burgenländerin schneller braun werde als er, der Italiener. Ziemlich braun.

 

Dann beginnt es kompliziert zu werden, mein Leben. Als wäre es nicht schon anstrengend genug, in der Früh die passende Kleidung für den Tag zu finden, verschärfen meine Bräunungsstreifen die Situation im Frühsommer dramatisch. Der eine Rock überhaupt zu kurz. Der andere Rock im Sitzen zu kurz. Das Kleid ebenso. Das nächste würde passen, gefällt mir aber nicht. Habe ich unten endlich die passende Länge gefunden, beginnt das Drama von Neuem. Kaum ein Oberteil in meinem Kasten, das lang genug ist, um diese störenden Streifen an meinen Armen zu verdecken. Und dann kommt er ins Zimmer. Unterbricht meine Ankleidezeremonie kopfschüttelnd und ohne jegliche Empathie für mein Kernproblem. Warum um alles in der Welt ich denn so kompliziert sei, fragt er. Er, der jeden Tag in Jeans und T-Shirt oder Hemd das Haus verlässt. Er, der lediglich in der Badehose seine tan lines der ganzen Welt präsentieren muss. Ich werfe das Handtuch. Angle mir irgendein Leiberl und irgendeinen Rock und setze mich zum Frühstück.

 

Sie san a Radlfoahrarin, gö?

Wenigstens mein Sockenproblem fällt in diesem Sommer geringer als im letzten aus. Weil ich mich nämlich bereits im Frühling entschieden habe, mit sehr kurzen Socken zu fahren. Also zumindest keine störenden Sockenränder mehr. Sehr zu seinem Leidwesen. Du setzt dich über all meine internationalen Rennrad-Style-Regeln hinweg, wenn du kurze Socken trägst, hat er gesagt. Es reicht, wenn ich sonst überall aussehe wie ein Streifenhörnchen, meine Antwort.

Letztens waren wir auf einem Sommerball. Ich im Ballkleid. Schulterfrei. Das bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. Ich will endlich ein ärmelloses Trikot. Meiner Forderung gibt er aber nicht nach. Das gehe nicht. Wir seien keine Triathleten, sagt er dann. Seine Kollektion hat nichts übrig für Ästhetinnen wie mich. Ganz im Gegenteil. Die Trikotärmel werden immer länger. Die Radhosen auch. Ihn inspirieren die Radprofis. Nicht ich.

Bräunungsstreifen

Minirock – Minishock

In einem Freibad bin ich heuer noch nicht gewesen. Nur an einem See. Ich im Bikini ist noch schlimmer als ich im Ballkleid. Für Ausgleichsbräunungen im Liegestuhl fühle ich mich mittlerweile zu alt. Die Zeiten des ewigen Sonnenbadens sind vorbei. Der Schutz meiner Haut ist mir wichtiger als eine durchgehende Bräune. Das Dilemma ist also nicht zu lösen. Nur anzunehmen. Und das tue ich.

Fakt ist, er findet mich schön mit Streifen. Zumindest das ist beruhigend. „San Sie a Radlfoahrarin?“, fragt er schelmisch grinsend, während ich vor dem Spiegel das zweite Oberteil probiere. Dann schaue ich auf seinen Kopf, lache über seine, durch Sonne und Helm verursachten, Alienstreifen und bin glücklich, dass ich keine Glatze habe. Und darüber, dass Bräunungsstreifen derzeit mein größtes Problem sind.

la ketterechts

Der Italiener und sein Land – Rennradurlaub in Südtirol

Rennradurlaub in Südtirol

Ein guter Cappuccino auf der sonnendurchfluteten Terrasse. Ein Blätterteig-Crossaint wahlweise mit Marillenmarmelade, Vanillesauce oder Nougatfüllung. Manchmal genau so nacheinander. Daneben die Gazzetta dello Sport. Die Sonnenbrille im Gesicht. Das Rennrad stets in Sichtweite. Nicht dass der Italiener seinen Landsleuten skeptisch gegenübersteht. Er will einfach auf Nummer sicher gehen. “Zohln bittschian“. Der Italiener muss weiter. Es war nur einer seiner vielen Zwischenstopps. Beim Rennradurlaub in Südtirol gehören Kaffeepausen einfach dazu. So wie zu jedem “cafè” eine typische Mehlspeise dazugehört. Das Brioche Kipferl oder der klassische Apfelstrudel. Kalt. Nicht den aufgewärmten mit Vanillesouce. Der gehört den Gästen aus dem Norden.

Wenn Italiener Rennrad reisen.

Der Himmel lacht, wenn Italiener Rennrad reisen. Kaum über dem Brenner, scheint für sie die Sonne. Das fängt schon an der Autobahnmautstelle an. Der rote Knopf am Ticketautomaten erinnert ihn an seine Kindheit. Nicht Nur. Die “polizia stradale” mit ihrer Reiterhosen-Uniform, die rostigen Leitplanken, der Autogrill, der Autovelox – der Italiener und sein Land. Kaum ein anderer kann sich über diese kleinen Dinge so freuen wie er. Wenn er wieder einmal vorbeischaut. In seiner Heimat.

Rennradurlaub in Südtirol

Heimat bist du schöner Pässe

Mit im Gepäck sein Rennrad. Weil der Italiener gerne Rennrad fährt. Dort, wo er schon als Jugendlicher mit seinem Giubilato 16-Gang Stahlrad mit Rahmenschaltung unterwegs war. Frei. Im Kopf und in den Pedalen. Kleine Riemen ausgenommen. Diese hielten seinen Diadora-Schuhe einigermaßen fest am Pedal. Das weiße XL T-Shirt flatterte im Wind und die schwarze Radhose ohne Träger rutschte dabei auf und ab. So hat er sein Land erkundet kennengelernt. Genau so ist er die vielen Pässe rauf- und runtergefahren. Der Italiener kennt sie fast alle. Von den Klassikern, den Vielbefahrenen, bis hin zu den nur Insidern bekannten. Links und rechts des Eisacktals, nördlich und südlich des Pustertals und bis weit in den Westen des Landes hinüber.

Rennradurlaub in Südtirol

Berge und Seen

Rennradurlaub in Südtirol.

Südlich des Brenners ticken die Uhren anders. Hier weht ein anderer Wind. Meistens ist es jedoch windstill. Sonne, Berge und jede Menge Pizzerias mit Holzofen. Höher und weiter haben in Südtirol ihre eigene Bedeutung. Der Italiener würde sich hier in Begleitung am liebsten verlaufen. Mit dem Rennrad verfahren versteht sich. Vom höchsten Punkt dem Stilfser Joch sind es bis zum Gardasee nicht einmal 180 km. Ein Klax. Bei angemessenen Stopps und ein wenig Zurückhaltung in Sachen Cappuccino und Brioche eine lockere Tagestour.

Wenn er weider einmal auf Besuch ist, dann schaut er immer wieder tief in die Radkarten. Jeden Ort, den er sich anvisiert, verbindet er mit einer Geschichte. Seiner Geschichte und der Geschichte des Landes. Meistens ist die Zeit viel zu kurz, um mit dem Rennrad alles unter eine Tour zu bringen. Schade. Jammerschade. Trost findet er dann meistens in Form landesüblicher Leckerbissen. Fährt er wieder heim, ist sein Kofferraum voller Spezialitäten und sein Herz voller neuer Erinnerung. Das Leben kann manchmal schon recht hart sein.

Der Italiener und sein Land. Mediterranes Klima und hochalpines Flair. Südtirol ist immer wieder einen Rennrad-Besuch wert.

ktrchts

PS: Sie haben auch Sehnsucht nach Rennradurlaub in Südtirol? Vom 5. bis 10. Juni 2018 zeigt ihnen der Italiener gerne seine Heimat. Informationen gibt es hier.

Muskelkrämpfe bei Sportlern – von Dr. Christian Irsara

Muskelkrämpfe bei Sportlern

Belastungsinduzierte Muskelkrämpfe, in der englischsprachigen Fachliteratur als „Exercise associated muscle cramping (EAMC)“ bezeichnet, sind schmerzhafte, krampfhafte und unwillkürliche Kontraktionen der Skelettmuskulatur, welche während oder unmittelbar nach muskulärer Belastung auftreten.[i] In der sportmedizinischen Praxis sind belastungsinduzierte Muskelkrämpfe bei Sportlern ein sehr häufiges Problem, es findet sich kaum ein Athlet der in seiner sportlichen Karriere nie davon betroffen war, insbesondere unter den Ausdauersportlern.

Für den (Sport)Arzt ist es zunächst wichtig alle krankhaften und potentiell gefährlichen Ursachen der Muskelkrämpfe auszuschließen, hierzu gehören unter anderem Schädigungen an Nervenwurzeln, neurodegenerative Erkrankungen wie die Parkinson-Krankheit, Schilddrüsenunterfunktion, Zuckerkrankheit, Gefäßerkrankungen, Elektrolytstörungen und Stoffwechselerkrankungen der Muskulatur. Zudem muss bedacht werden, dass Muskelkrämpfe auch von Medikamenten-Nebenwirkungen herrühren können, z. B. durch blutfettsenkende Medikamente, Blutdruckmittel (Betablocker, Calciumkanal-Antagonisten), Asthmamittel (Beta-Mimetika) und orale Kontrazeptiva, aber auch durch Alkohol.[ii] Auch Koffein kann die Krampfschwelle der Muskulatur senken.

Muskelkrämpfe bei Sportlern

In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um durchwegs gesunde Sportler und in den weiteren Ausführungen möchte ich mich auf belastungsinduzierte Muskelkrämpfe beim Gesunden beschränken.

Enstehung

Die Entstehung von belastungsinduzierten Muskelkrämpfen ist bis heute noch nicht vollständig erforscht. Auf jeden Fall spielen viele unterschiedliche Faktoren eine Rolle, wobei eine durch muskuläre Übermüdung verursachte Dysbalance zwischen erregenden und hemmenden Einflüssen im Bereich des neuromuskulären Muskel-Sehnen-Komplexes die Hauptrolle spielen dürfte. [iii] Für Insider: erhöhte Aktivität in den Muskelspindeln und reduzierte Aktivität im Golgi-Sehnen-Organ, welche gemeinsam die Länge und Spannung eines Muskels erfassen und mitregulieren.

Die neuromuskuläre Übermüdung scheint tatsächlich wichtiger zu sein, als andere Theorien wie die metabolische Theorie (angeborene Störungen des Muskelstoffwechsels), die Dehydratations-Theorie (Abnormitäten in der Flüssigkeitsregulation), die Elektrolyt-Theorie (Veränderungen in der Elektrolytkonzentration in Blut und Geweben) und die Umwelt-Theorie (extreme klimatische Veränderungen wie Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit und Kälte).[iv] In prospektiven Untersuchungen konnte zum Teil gar kein Einfluss von Dehydratation und Elektrolytverlust auf belastungsinduzierte Muskelkrämpfe nachgewiesen werden.

Demgegenüber stehen klinische Fallstudien und Observationen aus der Praxis.[v] Viele Wissenschaftler versuchen oft eine alleinige Ursache (monokausal) für eine Problematik zu finden, ich bin der Meinung dass es in den meisten Fällen eine Kombination aus vielen Mechanismen sein wird, auch in diesem Fall.

Risikifaktoren und Prävention

Selten wird bei einem einzelnen Betroffenen ein einzelner Faktor die Ursache sein. Deshalb ist eine breit gefächerte Herangehensweise unabdingbar.

    • Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Krämpfen beim Sport ist eine positive Anamnese, d. h. Athleten, die bereits Krämpfe hatten, haben eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit neuerlich welche zu erleiden. i Dies scheint teilweise genetische Faktoren widerzuspiegeln, die wir leider nicht verändern können. In vielen Fällen prädisponiert jedoch ein falsches Verhalten des Sportlers zu Muskelkrämpfen, in diesen Fällen kann mit unten genannten Tipps Abhilfe geschaffen werden.

 

    • Da wie vorhin erläutert die muskuläre Übermüdung die Hauptursache für belastungsinduzierte Muskelkrämpfe darstellt, besteht ein erhöhtes Risiko bei hochintensiven und extrem langandauernden Belastungen bzw. Belastungen, welche über die individuell üblichen Trainingsreize hinausgehen, da hier noch keine Adaptation stattgefunden hat.i Je besser der Trainingszustand, desto geringer die Krampfgefahr bei einer vorgegebenen Belastungsintensität.Wichtig ist somit ein kontinuierlicher Trainingsaufbau unter Beachtung der Regenerationsphasen. Ausreichend Schlaf unterstützt bekanntlich die Regeneration und ist hierbei sicher hilfreich.Das Training soll so spezifisch wie möglich ausgerichtet sein, d. h. man soll sich bereits im Training kontinuierlich bis an die zu erwartende Belastung im Hauptwettkampf herantasten. Während der Belastung kann die muskuläre Ermüdung und somit Krampfneigung durch eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr während der Belastung reduziert werden.

 

    • Auch wenn vor einer Belastung bereits (Mikro-)Muskelverletzungen bestehen (klinisch indirekt messbar durch eine erhöhte Creatinkinase im Blut), d. h. der Athlet nicht vollständig regeneriert eine intensive Aktivität aufnimmt (Wettkampf oder hartes Training), ist das Risiko für Muskelkrämpfe erhöht.[vi] Auch dies unterstreicht die Wichtigkeit der Einhaltung von Belastungs- und Entlastungsphasen, sowie die Notwendigkeit einer gezielten Reduktion des Trainingsumfanges vor wichtigen Wettkämpfen.

 

    • Lokal erhöhte Belastungen einer bestimmten Muskelgruppe können bei orthopädischen Fehlstellungen und muskulären Dysbalancen resultieren, weshalb auch hier die Krampfneigung erhöht ist. Eine sportorthopädische Abklärung kann hier in bestimmten Fällen spezielle Ursachen für Muskelkrämpfe finden.

 

    • Dehydratation, Elektrolytverlust (Natrium, Kalium, Magnesium) und Umweltfaktoren werden wie bereits erwähnt kontrovers diskutiert. [vii],[viii][ix] Auch hier handelt es sich jedoch wieder um einen rein wissenschaftlichen Diskurs, da man im realen Sportlerleben aufgrund des deutlich erhöhten Verbrauchs ohnehin nicht um eine adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytaufnahme herumkommt.Wichtig ist besonders bei mehrstündigen Ausdauerbelastungen in der Hitze nebst ausreichender Flüssigkeits- auch auf die Salzzufuhr zu achten, da dies gefährliche Hyponatriämien verhindern und nebendrein die Kohlenhydrataufnahme deutlich verbessern kann.Die exakte Dosierung von Kochsalz und Kohlenhydraten im Sportgetränk ist bezüglich Verträglichkeit und Wirksamkeit individuell unterschiedlich. Kommerziell erhältliche Elektrolytgetränke enthalten teils sehr unterschiedliche Kohlenhydratarten/-dosierungen und Elektrolytmischungen und sollten vor der Verwendung mit einem Experten auf ihre Zusammensetzung hin überprüft werden.

 

    • Wenn man Athleten über belastungsabhängige Muskelkrämpfe befragt, wird zumeist als erstes das Thema „Magnesium“ angesprochen. Viele Sportler nehmen dauerhaft präventiv Magnesium, üblicherweise in einer Dosierung von 300-400 mg pro Tag, manche sogar während dem Sport, da sie der festen Überzeugung sind, dadurch Muskelkrämpfe zu verhindern. Dabei scheint aus wissenschaftlicher Sicht Magnesium-Supplementation bezüglich Muskelkrämpfe keinen präventiven Nutzen zu haben.[x] Ausnahmen hiervon könnten Athleten mit Magnesiummangel und schwangere Athletinnen sein.In der Praxis berichten viele Sportler dennoch von einer gewissen Besserung durch dauerhafte Magnesium-Supplementation. Da es durchaus sein könnte, dass einzelne Menschen gut darauf ansprechen, empfehle ich nach Einholen ärztlichen Rates, einen Therapieversuch mit Magnesiumcitrat, aufgrund der leicht schlaffördernden Wirkung möglichst abends eingenommen.

 

    • Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann Koffein die Krampfschwelle senken und somit Muskelkrämpfe fördern.[xi] Menschen reagieren insgesamt sehr unterschiedlich auf Koffein, somit wohl auch diesbezüglich. Ich empfehle betroffenen Sportlern einen mehrmonatigen Koffeinverzicht unter Beobachtung der Krampfneigung. In Einzelfällen kann hier das Problem eventuell sehr einfach und nachhaltig beseitigt werden.

 

  • Methoden mit denen die Krampfschwelle durch vorherige elektrische Muskelstimulationen erhöht werden kann und die somit präventiv gegen belastungsinduzierte Muskelkrämpfe wirken könnten, werden aktuell erforscht, die Resultate stehen noch aus.

Akuttherapie

    • Bei einem akuten Muskelkrampf gilt nach wie vor neben sofortiger Unterbrechung der sportlichen Aktivität das leichte statische Dehnen bzw. die Anspannung des muskulären Antagonisten als Therapie der Wahl. Auch kräftige Kompression und Massage können hilfreich sein.

 

  • Es gibt Hinweise, dass auch im akuten Muskelkrampf die rasche Einnahme eines Elektrolytgetränkes den Krampf akut beenden kann, noch bevor die Elektrolyte überhaupt über den Verdauungstrakt aufgenommen werden konnten. Dies könnte auf einem Reflexmechanismus zwischen Sensoren in der Mundhöhle und den Nerven der Muskulatur beruhen.[xii]

ktrchts

PS: Dr. Christian Irsara ist Assistenzarzt für Labormedizin, Arzt für Allgemeinmedizin mit Diplom für Sportmedizin, Notfallmedizin, und Akupunktur in Innsbruck. (Artikel Stand Juni 2017)

Quellenangaben:

[i] Schwellnus MP et al. Muscle cramping in athletes – risk factors, clinical assessment, and management. Clin Sports Med. 2008 Jan; 27(1): 183-94.
[ii] Maquirriain J et al. The athlete with muscular cramps clinical approach. J Am Acad Orthop Surg. 2007 Jul;15(7): 425-31.
[iii] Nelson NL et al. A narrative review of exercise-associated muscle cramps: Factors that contribute to neuromuscular fatigue and management implications. Muscle Nerve. 2016 Aug; 54(2):177-85.
[iv] Schwellnus MP et al. Aetiology of skeletal muscle ‘cramps‘ during exercise: a novel hypothesis. J Sports Sci. 1997 Jun;15(3):227-85.
[v] Schwellnus MP et al. Cause of exercise associated muscle cramps (EAMC)-altered neuromuscular control, dehydration or electrolyte depletion? Br J Sports Med. 2009 Jun;43(6):401-8.
[vi] Schwellnus MP et al. Increased running speed and pre-race muscle damage as risk factors for exercise-associated muscle cramps in a 56 km ultra-marathon: a prospective cohort study. Br J Sports Med. 2011 Nov;45(14):1132-6.
[vii] Schwellnus MP et al. Increased running speed and previous cramps rather than dehydration or serum sodium changes predict exercise-associated muscle cramping: a prospective cohort study in 210 Ironman triathletes. Br J Sports Med. 2011 Jun; 45(8):650-6.
[viii] Murray D et al. Does a Reduction in Serum Concentration or Serum Potassium Concentration Increase the Prevalence of Exercise-Associated Muscle Cramps? J Sport Rehabil. 2016 Aug;25(3):301-4.
[ix] Stone M et al. Certified athletic trainers‘ perceptions of exercise associated muscle cramps. J Sport Rehabil. 2003;12:333-342.
[x] Garrison SR et al. Magnesium for skeletal muscle cramps. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Sep 12;(9): CD009402.
[xi] Molema M. Caffeine and Muscle Cramps: A Stimulating Connection. The American Journal of Medicine. 2007 Aug; 120: e1-e2.
[xii] Miller K et al. Reflex inhibition of electrically induced muscle cramps in hypohydrated humans. Med Sci Sports Exerc. 2010;42(5):953-961.