Die Tour de France 2018 ist zu Ende. Mit einem richtigen falschen Sieger. Geraint Thomas, Edelhelfer von Top-Favorit Chris Froome, hat vergangenen Sonntag Paris in Gelb erreicht und Paris in Gelb überlebt. Mit zwei Etappensiegen wohlverdient und doch überraschend. Zweiter der Giro-Zweite Tom Doumolin und „nur“ Dritter der gesperrte und dann doch-nicht-gesperrte Giro-Sieger Chris Froome. Ein Podium mit dem man rechnen konnte. Weniger vielleicht mit der Platzverteilung. Es war eine langweilige Tour de France mit vielen spannenden Momenten. Eine dominierende Sky-Mannschaft in den Alpen und Angriffe von hinten in den Pyrenäen. Dazwischen ein souveräner Thomas, ein kämpfender Dumoulin und ein wankender Froome.
Diese Tour hat Unmenschliches etwas entschärft.
Wir alle haben noch den 80 km langen Solo-Ritt von Chris Froome beim diesjährigen Giro d’Italia in Erinnerung. Ein epochaler Auftritt. Fern von allen Dopinggerüchten, eine Leistung, die wir so selten gesehen haben und die der Radsport dringend gebraucht hat. Froome hatte den Giro gewonnen. Seine und unsere Erwartungen auf das Double somit intakt. Dann das unnötige Geplänkel über Sperre, Nicht-Sperre, Doch-Sperre und letztendlich Alles-in-Luft-Auflösung. Hat kein Schwein gebraucht. Weder die Welt, noch der Radsport. Egal. Ist passiert. Die Tour hatte einen Staatsfeind Nummer 1. Eine Rolle mit der Favorit Froome und dessen Team leben mussten und leben gelernt haben.
Er war der große Favorit. Zu dominant seine französischen Auftritte in den letzten Jahren. Zu frisch die Erinnerung an den Giro. Der vermeintliche Spaziergang wurde aber schnell vom Gegenwind gebremst. Was Chris Froome und das Team Sky in Frankreich erleben musste, war bis auf die Buh-Rufe schon grenzwertig. Spuckattacken und Handgreiflichkeiten haben Rennradfahrer nicht verdient. Dem Team hat es nicht geschadet. Zwei am Podium in Paris. Das ist die einzige sportliche Antwort.
Tour de France 2018. Was bleibt.
Die Tour de France 2018 ist tot. Es lebe die Tour de France. Es bleibt vieles für die Statistik und es bleiben Erkenntnisse.
Der Stärkere gewinnt. Der Stärkere mit der stärksten Mannschaft gewinnt ein wenig leichter. Sky hat dominiert. In den Bergen. Froome und Thomas waren in den Bergen selten allein. Bernal, Kwiatowski oder Castroviejo beste Helfer. Sie hätten Potential gehabt, die eine oder andere Etappe zu gewinnen oder die Gesamtwertung zu beeinflussen.
Der Stärkere gewinnt nicht immer. Dumoulin war aus meiner Sicht stärker als Thomas. Ohne Unterstützung seiner Teamkollegen war er aber machtlos gegen die erdrückende Team-Sky-Dominanz. Schade, denn aus den Fehlern wie beim Giro, hätte Sunweb (Dumoulin) lernen können. So bleiben zwei zweite Plätze und die Hoffnung auf die Zukunft und auf eine stärkere Mannschaft.
Der Schwächere darf nicht gewinnen. Thomas als Helfer. Froome als Kapitän. So waren die Rollen aufgeteilt. Dann wurden es zwei Kapitäne. Thomas hatte zwei Etappen gewonnen. Froome da und dort ein paar Sekunden verloren. Froome hinter Thomas. Darf jetzt der Schwächere den Stärkeren angreifen? Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn Froome hat nicht angegriffen, weil Froome nicht angreifen hätte können. Seine kleinen Schwächen in den Pyrenäen haben gezeigt, dass er es nicht drauf gehabt hätte.
Eine Rennrad-Show ohne Rennrad-Feuerwerke.
Die Stärkeren sind zu stark. Selten wurde eine Tour de France von so vielen guten Fahrern gleichermaßen geprägt. Die Führenden in der Gesamtwertung haben sich auf Schritt und Tritt derart neutralisiert, dass kaum Spannung aufgekommen ist. Keine bis laue Angriffe. Schuld vielleicht auch die Tourleitung. Eine einzige Bergankunft in den Pyrenäen und das auf einer 65 km kurzen Etappe. Erwartet und erhofft hätten wir uns schon mehr Feuerwerke und Epos seitens der Favoriten.
Radsport ist Teamsport. Ein Team ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Team. Peter Sagan kann ein Lied davon singen. Dank seiner Teamkameraden, die in teilweise den Berg hochgeschoben haben, hat der gestürzte Sagan die drittletzte Etappe vier Minuten vor Ende der Karenzzeit beenden können. Sein sechstes grüne Trikot war ihm dann nicht mehr zu nehmen.
Wer bremst verliert. Wer falsch bremst, fliegt. Philippe Gilbert und Simon Yates sing geflogen. Beide. Der eine über eine Betonabgrenzung in die Böschung und der andere in einer Linkskurve weil ihm sein Vorderrad weggerutscht ist.
Scheibenbremsen. Ok. Dieses Thema muss ich hier wohl einbauen. Weder der Sieger des Bergtrikots Alaphilippe noch irgendeiner der Bestplatzierten hatten diese in Verwendung. Es war Peter Sagen, der damit seine vier Etappensiege und eben das grüne Trikot (bester Sprinter) nach Hause fuhr. Und jetzt bitte darüber diskutieren.
Die Tour de France 2018 ist tot. Es lebe der Giro 2019. Denn dieser war 2018 spannender und wird es 2019 auch wieder sein.
ktrchts
PS: Das Team Sky hat alles richtig gemacht. Vielleicht hätte Froome gewinnen können, vielleicht hat Froome nicht gewinnen dürfen oder wollen. Ein Froome in Gelb in den Bergen? Wer weiß, was passiert wäre. Egal. Thomas hat es geschafft. Und beide werden es wieder versuchen.