Könnte der Autor in die Zukunft sehen, dann wäre obiger Titel wohl ohne Fragezeichen zu verstehen. Nachdem das aber nicht so ist, kann er nur darüber spekulieren, welche aktuellen Rennrad-Trends 2022 letztendlich tatsächlich das Zeug dazu haben, old fashioned zu werden. Schauen wir, wohin die Reise geht (oder gehen kann).
Gravel. Der Trend „two in one“.
Fangen wir einmal mit dem Leichtesten an. Das Gravelbike oder Schotterrad (Eigendefinition) wird auch 2022 Thema Nummer 1 sein und sofern das Angebot da ist, seinen triumphalen Siegeszug weiter fortsetzen. Schottern ist einfach in. Weg vom Racen hin zum Curisen. Dieser Trend geht weg von der Straße und nimmt jede Abzweigung, die am Weg zu finden ist. Die mittlerweile perfekt abgestimmten Räder bieten nunmehr alles, was man sowohl Offroad als auch auf bewährten Pfaden benötigt, um schnell, flink und wendig zu sein. Egal ob long ride mit den Rad-Buddies oder Schotterpfad allein. Wer in ein gutes Gravelbike und 2 Laufradgarnituren investiert fängt mit einem Kauf zwei Fliegen. Fürs Grobe und fürs Feine. Der Trend in Richtung „two in one bike“ lässt sich erkennen und nicht aufhalten.
Bikepacking. Der Trend Freiheit.
Rauf aufs Rad und los. Von bis. Der Hang zum Bikepacking wird immer größer. Auch der Drang, sich diesem Abenteuer zu stellen. Was es immer schon gegeben hat, ist jetzt viel cooler und angesagter denn je. Die seitlichen Radtaschen wurden durch Satteltaschen ersetzt. Auch die Lenkertasche ist en vougue. Die Zauberwörter heißen across und around. Bikepacking ist die Freiheit des Seins. Einmal rundherum oder durch. Selbst sind jetzt die Radfahrenden und schön ist die Welt. Altes ist jetzt voll salonfähig.
Reifenbreite. Der Trend Protzen.
Reifen werden immer breiter und der Standard von 25 mm beim Rennrad ist längst überholt. Es geht bereits in Richtung 28 mm, sofern der Rahmen dazu geeignet ist. Beim Aero-Rennrad wird’s eng. Ansonsten heißt es Breite frei. Auch im Peloton. Die Scheibenbremsen haben Platz geschaffen, der jetzt genutzt werden will. Breitere Reifen versprechen mehr Komfort, bessere Bremsleistung und weniger Rollwiderstand (bei weniger Druck). Und bei den Gravelbikes sind wir längst schon bei 40 mm +.
Hamstern und horten. Der Trend Knappheit.
Muss man in Zukunft für ein Ersatzteil zum Nachbarn gehen? Weil man weiß, dass er schon seit längerem hamstert und hortet? Oder vielleicht doch um die Welt reisen, auf der Suche nach dem missing link? 2021 war das Jahr der leeren Ersatzteillager. Für eine Shimano Kassette 11/32 musste man teilweise 16 Wochen warten. Für die Shimano Bremsbeläge L03A sogar länger. Fahrradketten wurden so gehandelt wie Gold oder Bitcoins. Hohe Nachfrage + knappes Angebot = hohe Preise. Eine ganz einfache marktwirtschaftliche Rechnung. Wie knapp wird 2022? Wer auf Nummer sicher gehen will, der deckt sich vorsichtshalber einmal mit dem Nötigsten ein. Bremsscheiben, Bremsbeläge, Ketten, Ritzel …
Aero vs. Endurance. Der Trend Alleskönner.
Interessant wird es beim Duell Aero vs. Endurance. Die letzten Jahre waren ja ausschließlich der „Aerotisierung“ (Schelm wer hier Falsches denkt) gewidmet. Mit teils furchtbaren optischen Verbrechen. Diese Entwicklung hat sich zum Glück etwas verlangsamt. Auch durch die UCI-Restriktionen. Umso mehr wird jetzt ganz nebenbei ordentlich durch das Endurance-Feld gepflügt. Es geht um die Suche nach passenden Geometrien für Langstreckenfahrer*innen. Diese Rahmen sollen Komfort fördern, dabei Schnelligkeit und die Spritzigkeit aber kaum einbüßen. Vielleicht gelingt dem einen oder anderen Hersteller das sogenannte eierlegende Wollmilch-Bike.
Nachhaltigkeit und Regionalität. Der Trend Gutes zu tun.
2021 hat uns auch gezeigt, dass die gesamte Fahrradindustrie zu stark von Fernost abhängig ist. Abgesehen von der Pandemie. Wenn ein Containerschiff im Suezkanal strandet, steht gleich eine komplette Branche still. Für Wochen. Der Trend geht also zu mehr Regionalität. So holt Bianchi beispielsweise seine Produktion wieder nach Italien zurück und investiert dafür 40 Millionen Euro. Andere Hersteller wie MyEsel hingegen setzen von Haus aus auf „Made in Austria“ und halten so viel Wertschöpfung wie möglich im Land. Die Rahmenproduktion aus heimischen Holz stellt das Herzstück dieses neuen Weges dar. Das schafft Arbeitsplätze und verkürzt Lieferzeiten.
Auch sonst stehen die Themen Umwelt im Fokus neuer Produktentwicklungen. Die auf Pannenschutz und Zubehör spezialisierte Firma Effetto Mariposa entwickelt Pannenmilch aus gepressten Olivenkernen oder Kettenreiniger mit Pinienöl. Der Trend gute Produkte zu entwickeln, die weniger oder kaum der Umwelt schaden, ist erst am Anfang. Gutes Tun ist voll im Trend.
Digitale Vernetzung. Der Trend Sicherheit.
Ein großes Zukunftsthema wird die nächsten Jahre die digitale Vernetzung sein. Mensch, Fahrrad und alles was rundherum passiert. Strava, Zwift, Garmin, Komoot … das war wohl erst der Anfang. Aktuell erzählen wir gerne, was wir gemacht haben. Vielleicht wird uns in Zukunft das Fahrrad oder ein anderes Smart Device erzählen oder befehlen, was wir zu tun haben. Denkbar wären zum Beispiel Energierückgewinnungssysteme. So könnte man beim Treten Energie für die elektronische Schaltung, für den GPS-Computer und für die Lichtanlage gewinnen. Das lästige Laden würde entfallen. Speziell in puncto Sicherheit kann die Digitalisierung ein großer Schritt sein. So finden immer mehr auch Sturzsensoren ihren Weg in die Serienproduktion.
Überfluss und Komplexität. Der Trend Verwirrung.
Fortschritt hat nicht nur Vorteile. Ein großer Nachteil des immer schneller werdenden Fortschrittes ist die Tatsache, dass man als Konsument einfach nicht mehr mitkommt (oder mitgehen will). Zu viel Auswahl erschwert die Wahl. Super Record, Super Record EPS, Super Record EPS Disc Brake, Super Record Disc Brake, Record Disc Brake, Record, Chorus, Chorus Disc Brake … wo ist der Unterschied?
Vorgestern noch 10fach, dann 11fach und schon ist 12fach der Standard, während 13fach schon die Zukunft eingeläutet hat. Man kauft sich ein Rennrad (sofern verfügbar), bezahlt es und wenige Monate später hat man eine schon veraltete Technologie. Diese funktioniert tadellos, aber … Man will natürlich das Neueste.
Auch das Bestreben vieler Hersteller sich immer neu zu erfinden bringt den Markt und die Konsumenten ins Dilemma. SRAMs Etap AXS zum Beispiele besticht mit einer umfangreichen Auswahl an Kettenblattkombinationen wie neue 46/33T, 48/35T, 50/37, 52/39 und schnelle 54/41T oder 56/43T. In Kombination mit einem 10-26t, 10-28t oder 10-33t Ritzel ergeben sich unzählige Möglichkeiten. Mindestens die Hälfte davon gebraucht man nicht. Oder?
Prosit Radjahr 2022.
Egal welcher Trend sich durchsetzen wird. Hauptsache am Rad bleiben und 2022 auch viele schöne und spannende Runden drehen. Das ist der Wunsch an das Radjahr 2022. In diesem Sinne: Prosit Radjahr 2022.
ktrchts
#machurlaubfahrrennrad.