Redaktionstreffen von quäldich.de. Ich war dabei. Hätte ich gewusst, was mich erwartet, würde ich an dieser Stelle einen ganz anderen Blogbeitrag verfassen. Mit Rennrad fahren hatten 2 von 3 Ausfahrten nichts zu tun. Wer kann schon wissen, dass wo quäldich drauf steht auch wirklich quäldich drinnen steckt.
Donnerstag Anreise. Akklimatisierung. Es sind noch nicht alle da. Die Schweizer fehlen. Die Norddeutschen kommen ob der längeren Anreise später. Der Abend bleibt gemütlich. Auch weil der Kühlschrank noch leer ist. Dafür ist der Getränkevorrat so wie er sein muss. Freitag. Es regnet. Das haben wir gewusst. Dann hört es auf. Von Null auf Rennraddress in wenigen Minuten. Die Meute schart in den Löchern. Reto hat (s)eine Tour ausgesucht. Wir folgen ihm. Es geht zuerst nach Immenstadt. Von dort rauf auf den Mittagberg. RAUF. Großgeschrieben. Der Mittagberg sind knapp 700 HM auf 4,3 km mit einer Durchschnittssteigung von 15,06%. Teilweise kraxeln wir die Rodelbahn nach oben. Der Rest ist im Winter Skipiste. Der Asphalt in erbärmlichen Zustand. Ein Flachstück von ca. 5 m ist keine Hilfe. Oben schütteln wir alle den Kopf. Das hat mir Rennrad fahren nichts zu tun. Wir sind uns einig. Hinunter brauchen wir gleich lang wie nach oben. Dauerbremsen. Wir streichen die Auffahrt auf die Grüntenhütte. Kein Bock mehr auf Stichstraßen. Rollen statt dessen im Allgäu ein wenig auf und ab. Zurück in der Bleibe geht es den Nudeln an den Kragen. Der nächste Tag soll ein Laktatgemetzel werden. Den internen Codenamen dafür, darf ich aus Jungendschutzgründen hier nicht anbringen.
Samstag. Wir fahren zuerst 112 km nach Bludenz (!!!). Mit dem Auto. Von dort mit den Rennrädern auf die Silvretta Hochalpenstrasse. Lukas attackiert noch in der neutralisierten Zone. Jan und Roli folgen. Ich sehe die drei erst wieder oben auf der Bieler Höhe. Mit Tobias und Reto ziehe ich bis an den Fuß der Hochalpenstrasse. Dann sind die beiden auch weg. Ich sehe sie erst wieder oben auf der Bieler Höhe. Bis dorthin sind es insgesamt 1500 HM am Stück (von Bludenz aus). Unzählige Kehren und ein herrlicher Anblick je höher man nach oben kommt. Höhepunkt die Sicht auf den schneebedeckten Piz Buin. Es ist der 18. Oktober 2014. Oben auf 2.036m hat es 14 Grad. Ich habe eindeutig zu viel an. Weil ich die Ärmlinge vergessen hatte, bin ich mit dem Winter Langarmtrikot losgefahren.
Wiedervereint machen wir uns auf den Weg durch das Panznauntal nach Pians. Die Zeit eine Packung Manner Schnitten zu verschlingen geht sich gerade noch aus. Ein paar Serpentinen und schon sind wir in Galtür. Jetzt wird gekreiselt. Und gebolzt. Ich halte mich raus. Mir friert. Links und rechts Raureif. Das Langarmtrikot kann mich jetzt auch nicht retten. So schnell kann es gehen. Galtür. Ischgl. Kappl. Ich sehe diese Orte flüchtig. Sehr flüchtig. Habe das Gefühl die quäldich.de Leute wollen sich gegenseitig zerstören. Doch keiner geht kaputt. Pians. Es geht hinauf auf den Arlberg. Der 2te Hungerast an diesem Tag. Ich lass abreißen. Meine Beine sind leer. Ich rette mich nach St. Anton. Besuche dort einen Sparmarkt. Eine Wurstsemmel, ein Red Bull und ein Milka Tender. Dann weiter auf den Pass. Unzählige Male bin ich mit dem Auto hier hoch. Das erste Mal jetzt mit dem Rad. Bis zu 13% machen sich bemerkbar. Wurstsemmel, Red Bull und Milka Tender bleiben wirkungslos. Es geht nichts weiter. Ich brauche die gesamte Straßenbreite. Zick Zack.
Ich erreiche die Passhöhe. Stürze hinunter nach Alpe Rauz. Eigentlich ist dieser Teil gesperrt. Bauarbeiten. Komme zur Baustelle. Es wird neu asphaltiert. Muss absteigen. Trage mein Rad abseits der Leitschiene. Dann der Flexenpass. Nur des Panorama wegens, wage ich mich hinauf. Oben mache ich Pause. Der Rest ist bereits in Lech. Also nicht weit weg. Beim Mittagessen. Es warten noch der Hochtannbergpass und das Faschinajoch. Ich überlege, ob ich mir das antun kann.
Ich tue es mir nicht mehr an. Ich nehme den direkten Weg nach Bludenz. Über das Klostertal. Vollgas. Die Wartezeit verbringe ich in Nüziders im Dorf Cafe bei sommerlichen 26 Grad. So muss es sein. Für mich waren es 162 km und 2.700 HM. Die Helden hingegen haben sich mit 200 km und 4.000 HM ein Denkmal gesetzt. Schwanzmessen. Ups. Jetzt habe ich das interne Codewort doch noch ausgeplaudert.
Sonntag. Eine Challenge der besonderen Art. Das Nebelhorn. Die Passbeschreibung macht Angst. 1200 HM auf 7 km. Eine durchschnittliche Steigung von 23% auf den letzten 2 km. Spitzen bis zu 30%. Fahrbar? Wir probieren es. Natürlich bin ich dabei. Wir rollen durch Oberstdorf. Erreichen bald die mächtigen Sprungschanzen in der Erdinger Arena. Heute Training. Wir sehen Zahnstocher mit Sprungskiern. Gleich danach geht es zur Sache. Minimalziel Seealpe. Schnell komme ich ins Schwitzen. Kehre für Kehre geht es hinauf. Bis zu 15% die Neigung. Ziehen. Drücken. Das fehlende Oberarm und Rumpfmuskulaturtraining rächt sich. Jetzt vor allem. Mit Rennrad fahren hat das schon lange nichts mehr zu tun.
Ein paar Wanderer werden überholt. Sie staunen. Fragen sich wohl, wer diese Spinner sind. Die Trikots verraten es. quäldich und ketterechts. Wobei das quäldich im Vordergrund steht. An Kette rechts ist hier nicht einmal zu denken.
Seealpe. Es wird flacher. Vor mir eine Wand. Ich kenne sie vom Winter. Mit den Skiern. Die Wand wird zur Mauer je näher ich herankomme. Normalerweise bräuchte man hier einen Lift, um nach oben zu kommen. Wir haben Rennräder. 34/29, 34/28 und 35/27. Letzterer bin ich. Optimistisch. Es wird steil, steiler, Nebelhorn. Reto liegt schon am Boden. Hinten keine Traktion. Vorderrad etwas zu weit nach links gedreht. Umgefallen wie ein Kartoffelsack. Die Straße ist voller Rollsplit. Auch in der Mitte. Wir können nicht kreuzen. Müssen alles im direkten Weg nach oben fahren. Es ist ein Spiel mit der Physik. Hart über der Grenze. Die erste Rampe schaffen wir. Jetzt kommen Kehren. Und es wird noch steiler. Kehre für Kehre würgen wir uns nach oben. Ausklicken kann lebensgefährlich werden. Bei dieser Steigung hat man mit Look Platten keinen Halt.
Mit Rennrad fahren hat das alles jetzt erst Recht nichts mehr zu tun. Es ist verkrampfte Akrobatik. Es fehlt an allen Ecken und Enden an Traktion. Fährst du zu schnell, dreht dein Hinterrad durch. Fährst du zu langsam, wirft dich der Berg ab. Mehrmals muss ich absteigen. Habe Mühe mich und meine Princess of Pain zu halten. 50 Meter gehe ich zu Fuß. Nehme dann einen neuen Anlauf. Es bleibt beim Anlauf. Weit komme ich nicht. Die Grenzen der Rennradpysik sind erreicht. Aus. Basta. Wir müssen umkehren. Auf ca. 1560m Seehöhe. Die Bergstation und somit der Probst Haus liegen knapp unter 2.000m. Wir hätten also noch ca. 350 HM gebraucht. Auf weniger als 2 km! Umkehren.
Bergab ist es nicht ungefährlicher. Die Bremsen am Anschlag. Ein Fuß ausgeklickt. Bereit für alle Eventualitäten. Ich habe das Gefühl im freien Fall zu sein. Körper und Fließkraft drücken mich nach unten. Ein Fehler und ich schaffe die 100 km/h mit einem Wimpernschlag. Es wird zu viel. Ich fürchte um meine Felgen. Und um meine Gesundheit. Ich steige ab. Laufe ein Stück. Bis das Schlimmste vorbei ist. Zurück auf der Seealpe. Zurück in der Zivilisation. Wir fahren weiter nach Oberstdorf. Kehren ein. Kaffee und Kuchen. Fahrzeit 1h 24 Minuten für 14 km und 1.000 Höhenmeter. Schnitt 13 km/h. Mein langsamste Ausfahrt.
Was bleibt ist der Versuch und die Erkentniss, dass man Sportgeräte nicht außerhalb ihres Verwendungszweckes vergewaltigen soll. Tatsache ist, dass es muskulär machbar gewesen wäre. Aber damit kann ich mir nichts kaufen. Auf ein Neues! Mit quäldich.de. Weil die spinnen.
Stay tuned.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
Genialer Bericht mit genialen Bildern. Danke, Cristian!