Zwift dich! Indoor ist wie Mordor.

Zwift dich

Zuletzt aktualisiert am 19. Februar 2023 um 15:01

Die letzten 10 Tage hat der Winter dann doch noch seine spitzen Krallen ausgepackt und das pannonische Flachland unter dem Gefrierpunkt gefangen gehalten. Der kalte und stürmische Wind hat diese Gefangenschaft noch mehr verschärft. Der Tritt vor der Tür wurde zu einer charakterlichen Mutprobe. Die Entscheidung frieren oder fluchen, fiel bei mir zugunsten des Fluchens. Fluchen über eine Software namens Zwift. Denn auch nach vielen Jahren ist zwischen mir und Zwift immer noch keine gesunde Freundschaft entstanden. Das Verhältnis toxisch. Und das hat berechtigte, wenn auch subjektive Gründe.

Hirnloses Kurbeln.

Ich habe Betriebswirtschaft studiert. Im zweiten Abschnitt sogar Betriebsinformatik. Deshalb verstehe ich nichts von Bits und Bytes. Obwohl mir logisches Denken liegt und ich das “if then go to” Basic-Denken beherrsche, fühlt sich Zwift für mich niemals logisch an. Einmal so und dann wieder anders. Das Verhältnis w/kg zur gefahrenen Geschwindigkeit variiert. Je nach Laune einer willkürlichen Software. Ich weiß, ERG Modus, Windschatten, Gruppe, Gummiband, Kalibrierung … Am besten, man schaltet beim Zwiften das Hirn aus und kurbelt ohne zu denken. Irgendwas kommt am Ende bestimmt raus. Und die Hauptsache ist, man bewegt sich.

118 Watt, 127 Puls und 46 km/h Geschwindigkeit

Mathematisches Kurbeln.

Rechnen kann ich. Berechnen liegt mir aber weniger. Wenn Kraft nicht gleich Geschwindigkeit bedeutet, dann muss man das Vorankommen anders berechnen. Bei Zwift ist es so, dass die Frequenz entscheidet, wie schnell man fahren “darf”. Nicht zwingend die Kraft. Man muss also immer die richtige Balance zwischen Kraft (power) und Frequenz (spinning) finden. Verpasst man sie, fährt die Meute an dir vorbei und lässt dich im Nirwana stehen. Das Wechselspiel zwischen “reduce power” und “spin faster” ist ein Wechselspiel der Gefühle und eine mathematische Gleichung, dessen Lösung ich nicht gefunden habe. Denn wo liegt der logische Unterschied zwischen gemütlichen Dahinrollen und abgehängt werden, wenn alle in der Gruppe mit derselben Leistung (w/kg) fahren? Frage für einen Nicht-Mathematiker (und Nicht-Tech-Nerd).

Egomanes kurbeln

Hirnloses Kurbeln fällt am leichtesten, wenn man sich auf Zwift in einer Gruppe bewegt. Je größer die Gruppe, desto schneller ist sie. Das ergibt die Mathematik hinter der Software. Minuten, Kilometer und Leistung sind die Parameter, an denen man sich bei der Gruppenauswahl orientieren kann. Doch auch das sind stets Empfehlungen. Egomane Flyer sind die Realität. Und die armen Leader habe ihre Finger voll zu tun, Aufrufe zu tippen, vorne langsamer zu fahren. Flyer sind auf und davon. Egal ob mit Fence gefahren wird oder nicht. Wobei das Fence-Zapping genial ist. Wer weg will, kann weg und ist dann auch weg. Das ist gut für die Psyche.

Spielregeln bei Zwift
Spielregeln werden oft und gerne mißachet.

Zeitversetztes Kurbeln.

Bei Zwift hinkt alles ein wenig nach. Zeitversetzt bin aber nicht nur ich im Hinterherfahren, zeitversetzt ist auch die Reaktion der Software auf meine Beine. Was wieder mit dem mathematischen Kurbeln zu tun hat. Ich muss stets mitdenken. Oder allein fahren. Aber auch ich lerne. Langsam, aber stetig. So weiß ich, dass man am Ende einer Steigung, wenn man diese in einer Gruppe erreicht, die Frequenz nicht um einen Bruchteil einer Umdrehung reduzieren darf. Schnappatmung ja, Schnapptreten nein. Tut man dies doch, ist die Gruppe schneller weg, als man es für möglich hält. Nachkommen? Mathematisch gesehen keine Chance.

Group ride “blue zone” – einmal nicht aufgepasst und schon sieht man rot.

Blindes Kurbeln.

Augen zu und durch. Eine Devise fürs Leben. Umso mehr für Zwift. Die völlige intransparente Transparenz macht mich nervös. Weil niemand vor Zwift gleich ist. Watt pro Kilo sind nie Watt pro Kilo. Wenn mich ein Mitfahrender bei gleicher Leistung richtig verprügelt, dann kommen berechtigte Zweifel auf. Ich zweifle dann nicht zwingend an meiner Kondition und Kraft. Das auch. Eher zweifle ich an meinen mathematischen und logisch denkenden Fähigkeiten. Alpe du Zwift, Epic Kom samt Auffahrt zum Radio Tower sowie Ven-Top bringen mich jedes Mal zur Verzweiflung. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, schwitze, kräftig oder schnell kurble. Es wird nicht besser, leichter und schneller. Und neben mir pfeifen sie mir nichts, dir nichts, mit weniger Leistung vorbei. Ich bin deshalb schon öfters frühzeitig abgestiegen. Draußen ist es zwar kalt, aber gerechter.

Sub2 Group ride ohne Leader. Mit 2,3 w/kg am Ende des Feldes. Nach 2 km.

Im Ernst. Zwift ist ok. Ziemlich ok. Und jede*r findet bei Zwift, das, was er/sie sich wünscht. Schönreden kann man sich alles. Und mit genügend Isogetränk auch schöntrinken.

#ktrchts

Danke für die Empfehlung

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