Frei nach der Devise andere Mütter haben auch schöne Rennräder, habe ich dieses Mal nicht lange gezögert und bin dem Ruf vom Mountainbiker am See gefolgt, als mir angeboten wurde, das Aero Rennrad Specialized Venge ViAS unter die ketterechts Fittiche zu nehmen. Gesehen hatte ich das Rad schon ein paar Mal. Meine Neugier also groß genug, um mich trotz Sturm und Regen mit meinem Pina von Eisenstadt Richtung Weiden am See auf den Weg zu machen.
Andere Mütter haben auch schöne Rennräder.
Specialized Venge ViAS mit Scheibenbremsen, Ultegra Di2, Pirelli P-Zero Drahtreifen 25mm vorne und hinten, Roval Carbonfelgen mit DT-Swiss Naben und ein S-Works Power Sattel. Vor mir stehen 7.499 Aero gebündelte Carbon Euros. Clean, auf das Wesentliche reduziert, bereit das Weite zu suchen und ordentlich getreten zu werden. Kurzer und obligater Espresso im Shop, ein wenig Small Talk mit Mike, ein kurzer Besuch in der Werkstatt zur Einstellung der Sitzhöhe und schon war ich in der freien Wildbahn.
Gleich von Anfang an fühle ich mich nackt ohne Garmin. Mein Edge 1000 muss in die Trikottasche. Der specialized Specialized Lenker ist so specialized, dass herkömmliche Garmin Halterungen nicht passen. Oder Mike hat einfach keine montiert. Fakt ist, dass flach und konvex nicht zu rund passen. Eventuell ganz nahe am Vorbau. Nicht einmal die Halterungen, welche man direkt an die Schrauben des Vorbaus befestigen könnte, würden passen. Das Venge ViAS misst mit eigenen Maßstäben und nicht in der Norm. Alles ist viel breiter angelegt. Aero. Schade eigentlich. Ich hätte gerne Tempo und Watt im Auge. Vor allem bei einer Testfahrt.
Ein Aero Rennrad. Sexy oder doch nicht.
Das Specialized Venge ViAS fühlt sich weich an. Komfort würde der Kenner meinen. Dafür sehr kompakt. Ich fahre einen 56er Rahmen und dieselbe Sattelhöhe wie beim Dogma. Trotzdem sitze ich kürzer. Nicht ungut. Ich mag es so. Im Wiegetritt, klopfe ich mit meinen Knien ab und wann auf den besagten Lenker. Ok. Speichern. Das muss ins Unterbewusstsein. Die Pirelli P-Zero mit 25mm und 7,7 bar zeichnen sich als Komfortspender aus. Das Gesamtpaket Rad, Laufrad, Reifen schluckt Kanaldeckel als gäbe es sie gar nicht. Das stockbockige Dogma mit Carbon-Boras und 10 bar gibt im Vergleich dazu, jede Bodenunebenheit direkt an die Wirbelsäule weiter. Wer es lieber weich hat, findet im Venge ViAS einen Verbündeten.
Ich verschmelze sehr schnell mit dem S-Works Power Sattel. Sitzt, passt. Kann bis an den vordersten Zipfel rutschen und spüre keinen Schmerz. Hätte ich jetzt Aufleger würde ich zum Flug ansetzen. Die Ultegra Bremshebel sind wuchtig, liegen aber trotzdem gut in der Hand. Daumen nach innen, Finger nach außen. Ich habe das Gefühl, dass man hier für alles den richtigen Platz vorreserviert hat. Einzig das elektronische Schalten funktioniert noch nicht. Ich bin ja ein Campagnolo Jüngling und so ein Di2 Dingsda habe ich schon einmal umgebracht. Ein wenig probieren geht über studieren. Die Fehlerquote reduziert sich im Laufe der Ausfahrt.
Seitenwind ist der stärkere Gegenwind.
Das Wetter spielt nicht mit. Es weht ein böiger Wind und immer wieder gehen leichte Regenschauer nieder. Zuerst übe ich ein wenig specializen am Radweg. Schnell ist mir das zu langweilig und ich verlasse diesen in Jois Richtung B50. Dort mache ich am Weg Richtung Winden am See Bekanntschaft mit des Rades Feind Nummer eins. Den Seitenwind. Über das Leithagebirge bläst dieser in einem 90° Winkel zur Fahrbahn mit voller Wucht auf das Venge. Die hohen Laufräder sind eine attraktive Angriffsfläche. Meine Neigung in den Verkehr hinein nimmt skurrile Formen an. Ich surfe. Es fällt mir schwer, mein Geschoss zu kontrollieren. Nach ein paar Kilometern ist der Spuk vorbei. Ich biege rechts ab und setze mich frontal in den Wind. Klingt einfacher, ist es auch.
Bergauf überrascht mich die Agilität des Aero Rahmens. Trotz der 25er Reifen und der nicht unbedingt auf Alp d’Huez getrimmten Geometrie. Im Wiegetritt wie auch im Sitzen. Die Übersetzung ist mit 52/36 vorne und 11/28 hinten für burgenländische Verhältnisse optimal. Die Sprünge sind gering und somit lässt sich die Kette problemlos über die volle Bandbreite der Ritzel steuern. Auch 53/28 läuft geräuschlos und ohne Probleme. Trotz müder Beine drücke ich. Das Rad reagiert gut. Eine PB geht sich knapp nicht aus.
Genetisch bedingt auf Speed getrimmt.
So richtig geil wird’s hinunter nach Kaisersteinbruch. Das Venge beschleunigt gut und dank der Scheibenbremsen kann ich in den paar Kurven inklusive der letzten Kehre einen späteren Bremspunkt setzen. Richtig schräg wird es erst im Kurvenscheitel. Die Linie ist gesetzt und die Spur wird treu gehalten. Danach geht es ohne Gegenlenkung weiter. Dieses Rad ist genetisch bedingt auf Speed getrimmt. Es schreit danach. Ich schenke mir nichts und lass es krachen. Strava wird es mir am Ende des Tages mit einer neuen PB bis Wilfleinsdorf danken.
Der Rest ist jetzt nur mehr die Kür. Bruck an der Leitha, Bruckneudort, Parndorf. In der Waldschneise. Seitlich von hinten schiebt es mich nach vorne. Die 52 Zähne werden voll ausgenutzt. Der Griff zum Unterlenker unvermeidlich. Ich starte den Triathlon-Modus. Schwerpunkt vor das Tretlager und Druck nach hinten. Es rauscht. Die Bestie hat den Käfig verlassen. Die freie Wildbahn ist das natürliche Habitat des Aero Rennrades. Ein Wildkatze, die aber leicht zu zähmen ist.
I’am specialized – das Fazit fällt nüchtern aus.
Die postiiven Eindrücke überwiegen nach der ausgiebigen Testfahrt. Geiles Rad. Interessantes Spielzeug mit einer Menge neuer teschnischer und aerodynamischer Teilen. Vielleicht ist das Venge ViAS nicht für jeden Tag und jede Ausfahrt geeignet. Aufgefallen wird damit aber sicher.
Einzig und allein die Bremsen haben Abzüge in der A Note bewirkt. Nach jeder stärkeren Bremsung haben die Shimano Scheiben angefangen zu heulen. Ja. Nach dem Bremsen. Sobald die Bremse ausgelassen worden ist. Wie eine Nachtigall beim Balzen. Lauter und immer lauter. Erst beim Wegfahren oder erneutem Bremsen verstummte das Konzert. Fragt mich nicht warum. Mike bestätigte mir diesen Effekt.
Dass Hinter- und Vorderrad so nahe am Sattelrohr und Unterrrohr liegen würde mich in Sachen Rahmenschaden beunruhigen. Hier ist viel Platz für Rollsplitt und anderen Teilen, welche die Straße freigibt.
Es war eine kurze Liaison. Das Aero Rennrad und ich haben uns respektvoll verabschiedet. Wir hatten Spass. Ob wir uns wiedersehen? Vielleicht. Möglicherweise. Auf alle Fälle gibt es bald ein Date mit dem neuen Specialized Tarmac. Einmal specialized, immer specialized?
ktrchts
Danke nochmals an Mountainbiker am See für die Leihgabe des Rades. Falls das Venge S-Works frei verfügbar wäre: Ihr wisst, wo ich zu finden bin. eTap oder Dura Ace mit Wattmesskurbel ist egal.
PS: Dieser Blogbeitrag erfolgt unentgeltlich. Nein. Ich habe dafür zwei Espresso bekommen.
Das finde ich jetzt interessant, dass dir das Venge Vias komfortabel, ja geradezu „weich“ unterkam. Auch und gerade in Bezug auf dein Dogma. Wo doch gerade sowohl das vorherige als auch dieses Venge von allem, was ich sonst so gehört und gelesen habe, dem unkomfortablen Spektrum zugeordnet wird.
Ok, auch ein Dogma ist kein Komfortwunder, aber auch kein unkomfortabler Bock… Wenn du jetzt allerdings nicht gerade 100 kg wiegst, trotzdem allerdings deine Reifen auf 10 bar magst… ja, da sollte man jetzt auch nicht so viel erwarten… 😉
Bei deinem Testrad ist zudem die Sattelstütze sehr weit draußen. So ein Mast sollte selbst als bocksteifes Aeroteil ein Mindestmaß an Dämpfung bieten.
Wäre also der Komfort halbwegs da, müsste Specialized nur noch das Gewicht auf ein vernünftiges Maß bringen (die Ausrede, ein Aerorad sei schließlich auf schnelle Flachstrecken spezialisiert, lasse ich nicht gelten) und diesen überaus hässlichen Vorbau austauschen. Dann wäre es schon ein reizvolles Rad.
viele Grüße,
Torsten
Hallo Frank, zig Dogma Kilometer und dann das Venge ViAS Disc. Für mich eindeutig ein Kompfort upgrade. Natürlich in der Gesamtkombination Rahmen, Laufräder, Reifen, Luftdruck. Das war mein Eindruck. Wobei wir auch gerne über den Begriff Komfort diskutieren können. Über Gewicht mag ich nicht reden – darauf wird aus meiner Sicht zu viel Wert gelegt. 500 Gramm hin oder her am Rad einsparen? Das geht bei meinem Gewicht leichter. Was die Optik betrifft, bin ich immer froh, wenn die Industrie was probiert. Muss ja nicht immer alles gleich in Serie gehen. Als Most Talon Benutzer bin ich was Lenker betrifft sowieso schon Exot. Cristian
Den Lenker finde ich sogar ganz cool (wenn er auch die Kopfschmerzen, irgendetwas daran zu befestigen, ins Extrem treibt). Der Vorbau isses… Aber man kann sich ja ein Beispiel am Vias von Kittel nehmen und anstelle des sorgsam auf ein halbes Watt Einsparung getrimmten Original-Teils einen Zipp-Vorbau montiert. Sieht, trotz dass der nicht die Kurvatur des Steuerrohr-Übergangs bietet, insgesamt besser aus. Natürlich: Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. 🙂
viele Grüße,
Torsten
Hallo ketterechts,
es gibtˋs eine Halterung für den Garmin 1000 vom Specialized (Zubehör) für den lenkervorbau!
zumindestenz an meinem Specialized S-Works Venge ViAS.
Mit freundlichen Grüßen
Eddi
Danke. War im Leihumfang nicht enthalten. lg
[…] der Mythos Monte Grappa, die Heimat Südtirol um nur ein paar zu nennen. Ich durfte viele neue Produkte testen und habe das Jahr ohne gröberen Verletzungen überstanden. Was nicht immer […]
[…] verwunderlich, dass man auch den Italiener weichklopfte. Nachdem dieser bereits das Specialized Venge Vias Probe reiten durfte, sollte es diesmal ein Tarmac Expert sein. Jahrgang 2017. Mit SRAM eTap. […]
[…] besten gefiel der Specialized Power Expert Sattel. Dieser war schon beim Testen des Venge postiv aufgefallen. Man sitzt so, als wäre man am Rad angeschnallt. Kein Vor- und Zurückrutschen. […]