Rapha Festive 500 – alle Jahre zwider.

Rapha Festive 500

Die Verlockung ist wieder einmal viel zu groß. Der Zwang auch. Ich lechze süchtig danach. Was sind schon 500 Kilometer in acht Tagen? Wäre da nicht der besondere Zeitrahmen zwischen 24. und 31. Dezember. Mitten im Weihnachtszauber. Die Rapha Festive 500 sind, wie alle Jahre – eine irrationale Sehnsucht, eine sportliche Trotzreaktion auf Besinnlichkeit, ein stählerner Mittelfinger an Lebkuchenlähmung und Feiertagsfieber. Während andere Kerzen anzünden, zünde ich die Oberschenkel an. Während Christbaumkugeln glänzen, glänzt (oder friert) bei mir der Schweiß auf der Stirn. Und während Mariah Carey zum tausendsten Mal die Liebe besingt, flüstert mein Garmin nüchtern: „Noch 317 Kilometer.“

Ja, ich weiß, es ist verrückt. Und ja, ich mach’s wieder. Denn irgendwo zwischen Gans, Geschenkpapier und Graupelschauer wartet sie auf mich: Die eine, große Zahl – 500.

Was oder wer sind die Festive 500?

Die Festive 500 – das ist nicht einfach nur eine Radfahr-Challenge. Das ist ein saisonales Leiden. Eine Art sportlicher Adventskranz mit acht Kerzen aus Schweiß, Frost und innerer Zerrissenheit. 500 Kilometer. Acht Tage. Zwischen Heiligabend und Silvester. Während andere sich durch Raclette-Pfännchen und Plätzchendosen arbeiten, treten wir uns durch Wind, Wetter und Weihnachtsverwandtschaft. Egal ob draußen im Schneeregen oder drinnen auf der Rolle mit Netflix im Hintergrund – Hauptsache, die Kilometer zählen. Und sie zählen. Immer.

Die Idee stammt aus dem Hause Rapha, anno 2010 – als ein gewisser Graeme Raeburn beschloss, zwischen Truthahn und Feuerwerk mal eben 500 Kilometer zu fahren. Warum? Weil vernünftig offensichtlich keine Kategorie in seinem Trainingstagebuch war. Was damals als persönliche Spinnerei begann, wurde zum viralen Schneeball – mittlerweile kugeln sich zehntausende Radsüchtige jedes Jahr in die Festive-Hölle.

Eine Challenge, so sinnlos wie sinnvoll

Ein Wahnsinn, der zusammenschweißt. Ein Geschenk an uns selbst – nur halt mit brennenden Oberschenkeln statt Schleife drum. Denn wer die Festive 500 fährt, verschenkt nicht nur seine Zeit, sondern gewinnt: Geschichten. Erfrierungen. Unverständnis. Und dieses eine, magische Insta-Posting am 31. Dezember, der sagt: Geschafft.

Es ist die sinnloseste, aber gleichzeitig die sinnvollste Challenge des Jahres. Ohne Festive 500 wären die Weihnachtsfeiertage anders. Stressfrei. Familiär. Besinnlich? Unvorstellbar. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie das je einmal gewesen sein konnte. Ich habe zu Hause mehr Festive-Abzeichen als Christbaumkugeln. Und jedes einzelne erzählt eine Geschichte – von klammen Fingern, gefrorenen Trinkflaschen und Runden, bei denen der einzige Lichtblick der Rückweg war.

Ohne die Festive 500 wäre Weihnachten für mich nur halb so festlich – und doppelt so faul. Während andere in der Couch versinken, suche ich nach der regenfreien Stunde. Während das Festmahl dampft, dampfe ich noch auf der Rolle. Und wenn am Abend alle satt und selig sind, zähle ich nicht Kalorien, sondern Kilometer.

Tausche Gemütlichkeit gegen Grenzerfahrung

Es ist ein Tauschgeschäft: Gemütlichkeit gegen Grenzerfahrung. Vanillekipferl gegen Wattwerte. Und obwohl ich jedes Jahr schwöre, es diesmal wirklich nicht wieder zu tun, sitze ich doch wieder im Sattel – am 24. Dezember, zwischen Geschenkechaos und Gänsebraten. Mit einem Ziel vor Augen: Fünfhundert. Denn irgendwo zwischen Wahnsinn und Willenskraft liegt diese Challenge – und sie macht mich jedes Jahr ein kleines Stück stolzer, verrückter und irgendwie … weihnachtlicher.

Ich brauch’s. Wie der Fisch das Wasser, wie der Garmin das GPS-Signal, wie Swifties ihr nächstes Album, wie Influencerinnen den nächsten Sonnenuntergang. Ohne würde ich vergammeln. Platzen. Aus den Nähten. Wie könnte ich sonst meine Schwäche für Panettone kompensieren? So ein Ding hat 450 Kalorien pro 100 g. Das sind bei einem Kilo – und mal ehrlich, wer hört vorher auf? – satte 4.500 Kalorien. Also locker 100 Kilometer. Mindestens.

Soll ich deswegen verzichten? Auf Genuss, auf Tradition, auf das fluffige Glück mit Pistanziencreme und kandierten Früchten? Und stattdessen Karotten knabbern wie ein schlecht gelaunter Zwergkaninchen-Triathlet? Sicher nicht.

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Festive statt Fettstive

Die Festive 500 sind meine ganz persönliche Essgewohnheit. Ich radle mir mein Recht auf Panettone. Ich trete und leide für mein Stück Dolce-Vita-Weihnachten. Jede Ausfahrt ist ein Biss, jede Abfahrt ein Nachschlag. Und am Ende, wenn der Tacho 500 anzeigt, ist noch genug Platz für Tiramisu. Denn was bringt der Kalorienverbrauch, wenn man ihn nicht mit Stil veredelt? Also.

Wetter? Egal. Standort? Egal.

Im Warmen kann jeder rollen. Die wahre Kunst liegt im Zwiebelprinzip, im Eiskrümel unterm Helm und in der Erkenntnis, dass ein nasser Popo kein Weltuntergang ist. Es sei denn, die Weichteile frieren ein – dann wird’s kritisch.

Täglich. Ohne Ausnahme.

Der innere Schweinehund hat Sendepause. Wer zu spät startet, der rollt Silvester mit Stresspuls und Stirnlampe durch die Nachbarsiedlung. Also lieber die Strategie: Was man hat, das hat man. Oder auch: Lieber nass und stolz als trocken und schuldig.

Verwandtenbesuche reduzieren – oder gleich aufs Rad verlegen.

„Schön, euch zu sehen, aber ich muss jetzt noch schnell 62,5 Kilometer fahren.“ Klingt unsozial? Klingt nach Festive-500-Ethos.

Wetterberichte sind die neuen Horoskope.

Wer die Zeichen deuten kann, weiß: Zwischen Schneeregen und Sturm gibt’s ein magisches Fenster von 48 Minuten. Raus! Jetzt!

Nicht aufschieben. Nie.

Jeden Tag 62,5 Kilometer klingt harmlos – solange du an Tag 4 merkst, dass du erst bei 113 bist. Spoiler: Da hilft dann auch kein Indoor-Marathon mehr.

Pflicht vor Kür.

Zuerst das Soll – dann die Soul-Rides. Zuerst die harten Kilometer – dann die Genugtuung . So wird aus einer verrückten Challenge ein verdienter Triumph. Und wenn’s läuft wie geplant, gibt’s am 31. sogar noch Luft für die Ehrenrunde. Mit Wunderkerzen im Trikot.

Rapha Festive 500

Frohe Festive 500

Und damit: Viel Glück, starke Beine – und einen lockeren Blick aufs große Ganze. Denn am Ende zählt nicht nur, was du fährst, sondern dass du fährst. Und ein bisschen Wahnsinn gehört eben dazu.

Cristian aka ktrchts

PS: Lust auf 400 Kilomter an einem Tag? Pannonia 400 am 13.6.2026



20 Mal Ötztaler Radmarathon. Der Jubiläumsrückblick

20 Mal Ötztaler Radmarathon

Solide gefinished. Ja, das ist die Kurzfassung für all jene, die Blogbeiträge lesen, wie Espresso trinken: schnell. Ganz schnell. Und im Stehen. Wer aber wie ich 20 Mal beim Ötzi – diesem launischen Alpenungeheuer mit dem Herz eines sadistischen Bergkobolds – antritt, für den ist ein solides Finish weder Überraschung noch Grund, einen Konfettiregen aus dem Trikot zu schütteln. 20 Mal Ötztaler Radmarathon – an sich wenig spektakulär, aber trotzdem spannend.

Nach zwei Dutzend Teilnahmen wusste ich, wo dieses Biest atmet, wo es schnaubt, und wo es mich mit voller Wucht auf den Boden der Realität schmettern kann. Die vier Pässe? Alte Bekannte. Wie Verwandte, die man nicht besonders mag, aber trotzdem jedes Jahr zu Weihnachten sieht. Die Abfahrten? Routine auf Adrenalinbasis. Und die Flachstücke dazwischen? Meditation mit Puls 170.

20 Mal bin ich an diesem Start gestanden, 17 Mal hat mich Sölden am Ende in die Arme geschlossen – manchmal wie ein Freund, manchmal wie ein Türsteher, der mich widerwillig hereinlässt. 14 Finisher-Trikots vermotten im Keller wie farbenfrohe Kriegsmedaillen. Drei fehlen. Vielleicht stammen sie aus dieser sagenumwobenen Ära, als man noch in Steinach am Brenner starten durfte. Ob es damals überhaupt Finisher-Trikots gab? Keine Ahnung. Die Ergebnislisten haben sich mittlerweile in die digitale Gruft verabschiedet, irgendwo zwischen Windows 95 und AOL-Freistunden-CDs.

Vielleicht habe ich die Trikots verlegt. Das wäre traurig. Vielleicht habe ich mich verzählt. Das wäre peinlich – also scheidet es aus. Ich bleibe dabei: 20 Mal Ötztaler Radmarathon.

Die gute alten Best-Zeiten

Meine Ansprüche sind, bevor ich in Sölden an den Start gehe, von Jahr zu Jahr gleich hoch. Tief in mir drin schlummert immer noch der irrwitzige Gedanke, meine eigenen Bestzeiten zu pulverisieren – jene glorreichen Relikte aus einer Ära, als Schaltwerke noch aus Metall und meine Oberschenkel noch aus Hoffnung bestanden. Und jedes Jahr scheitere ich erneut. An mir selbst. An meiner Überform (zu viel davon), am Gewicht (ebenfalls zu viel davon) und an meiner Rennstrategie (nicht vorhanden, nicht auffindbar, vermutlich nie geboren).

Denn ich – der große Meister der Improvisation, bereite mich traditionell äußerst unstrukturiert vor. Ich war schon immer zu schwer, werde nicht leichter, und liebe es trotzdem, bis St. Leonhard im Sollfenster zu bleiben, nur um danach mehr Verspätung aufzubauen, als die Deutsche Bahn und die ÖBB zusammen an einem verschneiten Mittwochmorgen. Und dann kommt es wieder, mein Endgegner: das Timmelsjoch – ein emotionaler Fleischwolf, der aus Selbstvertrauen feinste Frustrationsspäne drechselt. Egal wann, egal wie: Es ist mein Waterloo. Seit 20 Teilnahmen.

Heuer standen die Sterne jedoch ein kleines bisschen anders. Für den finalen Akt meiner Jubiläumsausgabe griff ich tief in die Trickkiste – und gönnte mir ein übergewichtiges 11–36er Shimano-Ritzel. Das größte, das ich in 20 Teilnahmen je gefahren bin. Bei meinem ersten Ötzi fuhr ich ja noch naiv ein 23er – mit vorne einem 39er Kettenblatt. Dann ging es stetig bergauf: 25, 27, 29, 30, 32, 34 (Campagnolo unter anderem, bevor hier jemand aufschreit). Wechselnde Kettenblätter zwischen 34 und 36, ein mechanischer Selbstfindungsprozess in mehreren Gängen.

Trickkiste, Kapitel 20

Der erste Test mit 36:36 fühlte sich an wie ein heimlicher Notausgang aus dem Leidenskeller. Unschlagbar. Doch, wie immer beim Ötztaler, kam alles anders. Kurz vor der Abfahrt nach Sölden hatte ich meinen My Esel-Holzrahmen beleidigt. Und zwar nachhaltig. Ja, auch Holz hat Grenzen. Und ja, ich habe sie offenbar gefunden, umarmt und überschritten. Mein Esel war zwar noch fahrbar, aber sein Sounddesign erinnerte stark an einen beleidigten Biedermeier-Kleiderschrank. Details erspare ich uns. Ich habe die Geheimakten ohnehin schon an My Esel weitergeleitet – schließlich besteht meine Mission darin, Rennrad-Holzrahmen an ihre Grenzen zu führen. Und darüber hinaus. Mission accomplished.

Am Weg nach Sölden musste ich mir noch einen T-Esel, also ein Ersatz-Rennrad, holen. Nicht exakt mein maßgefertigter Rahmen, aber eine solide Basis, um halbwegs einen optimierten Rennesel zusammen zuschrauben. Ein zu kurzer Vorbau, eine zu kleines, großes Ritzel und zu viele Spacer mussten verlängert, vergrößert und verringert werden. Dazu kam noch die Überraschung einer Kompaktkurbel. Kurzum, meine Vorbereitung auf den Ötztaler Jubiläums-Radmarathon bestand aus Denken, Messen, Schrauben und Testen. Das ganze mehrmals hintereinander. Am Ende fand ich mein Setup. Einer Premiere mit 34-36 stand nichts mehr im Weg. Meine Rechnung mit dem Timmelsjoch? Theoretisch begleichbar. Praktisch? Nun ja.

Null Frequenz + Null Kraft = Null Bock

Denn was sich bei den ersten Testkilometern (viele waren es nicht, denn das Wetter war am Freitag und Samstag vor dem Rennen alles andere als radfreundlich) noch vielversprechend anfühlte, war am Tag des Rennes ein Griff ins Plumsklo. Mir fehlte es einfach an der Technik, die hohe Trittfrequenz am Berg in Vortrieb zu verwandeln. Im Zweikampf, Mann gegen Mann (und gegen Frau) hatte ich nicht nur das Gefühl im Stand zu treten, ich habe im Stand getreten. Ohne einen Millimeter nach vorne zu kommen. Mit hohem Puls und Verzweiflung im Gesicht. Für mich als dieKetterechts eine Schmach, eine Schande. Das Timmelsjoch war wieder einmal mein persönliches Waterloo

Weil ich auch dieses Jahr ab St. Leonhard (dort wo vielen der Rennfilm reißt) wieder einmal nicht in die Gänge gekommen bin. Weder mit dem butterweichen Mini-Gang, noch mit einem etwas härteren. Null Frequenz + Null Kraft = Null Bock. Eine Rechnung so simpel wie brutal. Darüber hinaus war ich überhitzt. Die Hitzefalle hatte wieder einmal zugeschlagen. Man sollte glauben, beim 20. Ötztaler hätte ich das im Griff. Falsch gedacht.

Meine Iso-Suppe im Bidon war zu warm, zu süß, zu nutzlos. Die anderen? Wie machen die das? Eine Frage, die ich seit Jahren stelle. Antworten? Keine. Nur Selbstmitleid und Schweiß.

Rinnsal der Erlösung

Die guten alten Bestzeiten hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon längst über Bord geworfen. Meine Hochrechnungen und Gedankengänge schlurften langsam aber unaufhaltsam in Richtung Sonnenuntergang und darüber hinaus. Aufgequollen, lustlos und innerlich halbgekocht lahmte ich meinen Esel Richtung Schönau. Verloren. Verlassen. Vereinsamt.

Und dann geschah es: Ich sah ein kleines Rinnsal. Ein unscheinbarer Wasserfaden am Straßenrand, der plötzlich zu meinem persönlichen Lourdes wurde. Ich blieb stehen. Erst ein paar Tropfen. Dann pure Hingabe. Kopfdusche, Flaschentaufe, kaltes Quellwasser direkt in die Seele gegossen. Und siehe da: Eine kleine Auferstehung rollte langsam aber sicher an. Die Betriebstemperatur sank, die Motivation stieg – ein Wunder aus Stein und Schmelzwasser. Der Sonnenuntergang rückte wieder in die Ferne, das Timmelsjoch näher. Und irgendwann – gefühlte Tage später – war ich oben. Pflicht erfüllt.

Die Abfahrt nach Sölden? Ein Gedicht. Schnell. Mit Rückenwind schneller. Mit 52er Kettenblatt wäre es vermutlich ein Liebesbrief an die Gravitation geworden. Supertuck und noch einmal Supertuck – ist ja nicht verboten. Erst freier Fall bis zum Gegenanstieg, dann alles raus: Mautstelle, Hochgurgl, Obergurgl, Gurgl … der Rückenwind schob und schob. Zwieselstein, AWZ, und dann Sölden. Die ganze Dorfstraße für mich allein irgendwo heroisch im hinteren Mittelfeld ausgelaufen.

Die letzte Kurve und dann die Ziellinie. Business usual. 20 Mal Ötztaler Radmarathon in the books. 17 Mal gefinished. Keine Blessuren. Kein Ruhm. Kein Heldenepos. Aber eine kleine, sehr kleine Genugtuung. Und der Freude auf das 21. Mal.

Aus den Archiven

20 Mal Ötztaler Radmarathon sind mehr als 20 Geschichten. Emotionen, die ich jedes Jahr in Wort und Bild zusammengefasst habe und von denen ich heute noch zehre. Auch wenn einige Ausgaben allein in meinem Kopf nachwirken. Die Regenschlachten 2003 und 2013, die Juli Edition 2023, die Hitzeschlacht 2015, der Edition mit Schnee am Kühtai vor dem digitalen Zeitalter, der Start in Steinach am Brenner, die Strecke über Axams und Mutters, mein erstes Finish mit dem My Esel Holzrahmen 2022, die vielen Umleitungen wie über den Haiminger Berg (Sattele) oder Sellrain (Götzener Landesstraße) … Was habe ich alles erlebt und nicht erlebt. Die guten alten Bestzeiten (9h20min im Jahr 2011), das Rennrad schieben, die Armreifen als Beweis für das Überqueren der Kontrollpunkte … das waren noch Zeiten.

Der Ötztaler Radmarathon ist und bleibt ein Mythos – ein widerspenstiger, launischer, aber zutiefst faszinierender Mythos. Nach 20 Teilnahmen weiß ich: Man besiegt ihn nie wirklich. Man verhandelt mit ihm. Jedes Jahr neu. Mal gewinnt er, mal lässt er mich gnädig durch. Und trotzdem stehe ich wieder am Start, weil dieser Marathon mehr ist als Höhenmeter und Qual: Er ist ein Spiegel, ein Lehrer, ein unverschämter Motivator. Er zeigt mir, was möglich ist, was unmöglich bleibt – und dass ich offenbar unfähig bin, Vernunft walten zu lassen. 20 Mal Ötztaler heißt 20 Mal Scheitern, Staunen, Fluchen, Wachsen. Und genau deshalb freue ich mich auf die nächsten 20.

Save the date:
30. August 2026. 
Hier geht’s im Jänner zur Anmeldung.

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Burgenland Extrem Tour 2026 – Vorschau, Vorsatz, Vorfreude.

Burgenland Extrem Tour 2026

Wir schreiben den 12. November 2025. Ich sitze am Schreibtisch und tippe vor mich hin. Vom Winter draußen keine Spur. Bis jetzt war es warm. Viel zu warm für die Jahreszeit. Bis zu 20 Grad werden für die nächsten Tage prophezeit. Oben. In Mittellagen und darüber. Leider sitze ich in der Pannonischen Tiefebene. Das bedeutet Nebel und Grau. Business as usual – pannonische Standardgrauheit. Meine Gedanken drehen und drehen sich. Gerade habe ich mich wieder für die Burgenland Extrem Tour 2026 angemeldet. Die Bike 224 Meilen für die Radelnden unter den Extrem-Geher:innen. Mein Wille hat beschlossen, was meine Beine erst am 22. Jänner 2026 umsetzen müssen. Ich fahre wieder. Eine, zwei oder drei Runden um den Neusiedlersee. Mitten im Winter. Warum? Weil Spikes oft besser sind als Vernunft.

Warum ich mir das (wieder) antue

Ich habe mit diesem See eine Daueraffäre. 2017 war’s Grenzerfahrung, 2018 ein Plan ohne Plan B, 2019 die „University of Extrem“, 2024 vom Winde verweht, 2025 ein Eistanz, mit Nässe, Nebel und Puls im Anschlag. Jedes Mal habe ich mir geschworen: „Nie wieder.“ Jedes Mal habe ich gelogen. Wenn die Burgenland Extrem Tour ruft – muss ich abheben und antworten. Mehr als zwei Monate davor bin ich mir jetzt schon sicher. Es wird definitiv das letzte Mal sein. Vor der nächsten Lüge.

Wetterlotterie: Eintritt nur mit Humor

Der Neusiedlersee kennt Sommer wie Winter nur zwei Zustände: windig und sehr windig. Dazu wahlweise Eis, Hochnebel, Luftfeuchtigkeit bei 99 % und Straßen, die ihr Aussehen nach Lust und Laune ändern. Von tiefgefroren zu butterweich schlammig, von eckig und kurvig zu elend lang geradeaus bis hin zu unendlich anstrengend. Es kann regnen, winden, schneien oder graupeln. Der Jänner hat im Burgenland viele Facetten und noch mehr Überraschungen im Gepäck. Einmal zieht es zu, um später wieder aufzuklaren. Dann spiegelt sich für ein paar Minuten die Sonne im Wasser – genau lange genug, um deine romantische Ader zu beflügeln. Während die Sonne hinter dem Schneeberg versinkt und die Nachtkälte dir die Windkante um die Ohren biegt.

Kein Rennen – oder doch?

Offiziell bleibt’s ein Ultracycling-Winter-Abenteuer mit Korridorzeiten (mind. 4 h, max. 6 h pro Runde; Gesamtlimit 18 h), inoffiziell ist es das, wozu es die Teilnehmer:innen machen. Auch ein Wettkampf. Gegen dich selbst, gegen den inneren Schweinehund, deine Erwartungen, deine Hoffnungen, gegen das E-Bike, welches locker und flockig an dir vorbei winkt und gegen jede Menge Mantras, die angeblich gegen Kälte und Erfrieren wirken sollten. Checkpoints wie Mexikópuszta (Spaghetti), Sun Bay Podersdorf (heißes Zuckerwasser – andere nennen es Tee) und Oggau (Gulasch, das Herzen flickt) sind die Fixsterne. Manche stoppen, andere „rollen nur kurz vorbei“. Und irgendwo dazwischen liegt die goldene Ananas. Diese gibt es neben einer Urkunde, der Finisher-Medaille und ein paar Frostbeulen zu holen.

Burgenland Extrem Tour 2026 Taktik: 1, 2 oder 3 Runden?

Eines ist klar. Alle, die sich das antun werden, sind Sieger:innen. 1-Rundensieger:innen, 2-Rundensieger:innen und 3-Rundensieger:innen. Jeder Runde hat ihre Belohnung.

  • Eine Runde (ca. 120 km): Für Herz, Hirn, Heldentat. Warmwerden im Kalten.
  • Zwei Runden (ca. 240 km): Die Entscheidung. Hier trennt sich „vernünftig“ von „verliebt“.
  • Drei Runden (ca. 360 km): Die Königsdisziplin. Kein Applaus, aber Genugtuung schmeckt danach objektiv besser.

Ich plane 2+, also zwei fix und die dritte als „mal sehen, was Kopf und Asphalt sagen“. Ich kenne mich: In der zweiten Runde diskutiert wieder der Mut mit der Vernunft, dann mischt sich der Nebel auch noch ein und am Ende wird irgendeine Ausrede, die Spiele beenden.

Material: Wenn’s rutscht, musst du glänzen

Dabei sein ist alles. Mehrmals dabei gewesen zu sein, alles und noch etwas dazu. Ich sollte mich nach vier offiziellen Teilnahmen ein wenig auskennen. Was ist gelernt habe? Auf das Material kommt es an.

  • Bike: Nur kein Rennrad. Alles andere ist die bessere Alternative. Ideal ein Gravelbike. Das darf am Ende auch ein paar Schrammen haben.
  • Reifen: Spikes auf Reserve, breite Stollenreifen montiert. Rollt schwerer, stürzt leichter – es gibt Prioritäten.
  • Licht: Hell nach vorne, rot und nervös nach hinten. Batterien wie Gummibären – immer zu wenig.
  • Kleidung: Schichten statt Heldenmut. Nichts ist heldenhafter als trockene Handschuhe.
  • Kleine Tricks: Helm-Lüftungsschlitze tapen (Windstopper für Faule), Brille gegen Nebel innen dezent einseifen, Bankett als Rettungslinie denken – falls es wie 2025 Eis regnet.
  • Mindset: „Bleib weich“ – am Lenker, in den Knien, in der Erwartung. Eis mag keine Hektik.

Worst Case – der B10 Eislaufplatz

Ich sehe mich schon wieder zentimetergenau am Randstreifen: jeder Kiesel ein Heiligenschein. Neben mir fällt einer, hinter mir flucht einer, vor mir rutscht einer. Ich atme leise, damit der Puls nicht ausrutscht. Und irgendwo in mir grinst diese Stimme, die sagt: „Du wolltest Drama. Bitte sehr.“ 2017 war Drama, 2018 war Kindergeburtstag und 2023 extrem windig und 2024 eisig und feucht. Dazwischen eine organisationsbedingte Schaffenspause. Die Burgenland Extrem Tour 2026 wird für Biker:innen erneut eine Grenzerfahrung werden. 224 winterliche Meilen ins Ungewisse. Vom Morgengrauen in die Dunkelheit der Nacht.

Gruppe? Ja. Harmonie? Kommt drauf an.

Ich liebe Gruppenfahren, aber im Winter ist es eine Tauschbörse: Du gibst Windschatten, du nimmst Sicherheit. Unnötige Antritte? Nein danke. Wir fahren gleichmäßig, wir reden wenig (der Gesichtsschutz frisst Wörter), wir sparen Körner für den Seewinkel-Gegenwind. Und ja: Manchmal zerreißt es die Gruppe. Das ist nicht böse – das ist Burgenland.

Ernährung: Warmes Wasser hat Kalorien (gefühlt)

Ich nehme mir jedes Jahr vor, regelmäßig zu trinken. Und jedes Jahr beiße ich auf eine gefrorene Trinkflasche. 2026 probiere ich es wieder. Im schlimmsten Fall lutsche ich an meinen Elektrolyten. Essen? Simpel und süß. Striezel mit Butler und Marmelade für die Seele, warmer Tee (Zuckerwasser) für die Illusion, Spaghetti und Gulasch für den Frieden. All das gibt es entlang der Strecke oder im Oggauer Basecamp. Alles andere gibt es im Supermarkt oder an der Tankstelle. Bis zur Sperrstunde. Dann heißt es hungern oder genug eingepackt zu haben. Geheimtipp: Nach der zweiten Runde einfach zur Kaiserschmarrnparty für Läufer und Geher im Oggauer Gemeindeamt vorbeischauen. Zweiter Stock. Aber bitte nicht weitersagen.

Sicherheit & Spielregeln (mein eigenes Manifest)

Ich habe für mich entschieden:

  1. Ich bremse, bevor ich’s brauche.
  2. Ich drehe um, wenn der Kopf „Nein“ sagt.
  3. Ich halte an, wenn jemand liegt.
  4. Ich akzeptiere, dass drei Runden Heldentum, zwei Runden Klugheit und eine Runde Liebe bedeuten.
  5. Ich komme heim.

Kann sich aber auch alles wieder ändern.

Motivation: Für mich. Für dich.

Wenn du überlegst, 2026 einzusteigen: Tu’s. Eine Runde schenkt dir Geschichten. Zwei schenken dir Charakter. Drei schenken dir Demut. Du wirst frieren, fluchen, lachen – manchmal gleichzeitig. Du wirst lernen, wie laut Stille sein kann, wenn nur das Reifenknirschen und dein Atmen um den See ziehen. Und du wirst merken: Winter ist kein Gegner. Winter ist ein Filter. Er lässt nur durch, was wirklich zählt.

Ich freue mich jetzt schon auf die Burgenland Extrem Tour 2026 – und auf das Chaos, das sie bringen wird.

Mein Vorsatz für die Burgenland Extrem Tour 2026

Ich will sauber fahren, ruhig bleiben, mutig entscheiden. Ich will den Sonnenhauch im Spiegel des Sees erwischen – auch wenn er wieder nur drei Minuten dauert. Ich will am Ende dastehen, egal ob nach einer, zwei oder drei Runden, und sagen können: „Es war extrem. Es war meins.“

Wir sehen uns am See. Bring’ warme Handschuhe mit – und deinen Humor. Der ist bei Ultracycling im Winter Pflichtausrüstung.

Gewinnspiel

PS: Du willst dich selbst erfahren und die 224 Meilen rund um den Neusiedlersee im Rahmen der Burgenland Extrem Tour 2026 in Angriff nehmen? Ich habe einen Startplatz für dich. In Kooperation mit dem Veranstalter. Schreib mir in die Kommentare, warum genau du dich dieser Herausforderung stellen willst. Göttin Fortuna oder Väterchen Frost werden entscheiden, ob du dich der Heldentat stellen kannst. Wann? Früh genug, um dir noch Zeit zu geben, kälteresistent zu werden.

Alle Kommentare bis 10.12.2025, 12 Uhr sind teilnahmeberechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der oder die Gewinner:in wird schriftlich verständigt, sofern herauszufinden ist, wer den Kommentar geschrieben hat. Keine Barablöse. Zu gewinnen gibt es einen Gratis-Startplatz im Wert von € 144,-

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich

Stell dir vor: Du schwingst dich morgens auf dein Fahrrad, setzt den Helm auf – und bist für manche Autofahrer plötzlich kein Mensch mehr, sondern ein bewegliches Hindernis. Kaum zu glauben? Eine aktuelle australische Studie aus dem Jahr 2023 wirft ein Licht genau auf dieses verzerrte Wahrnehmungsmuster. Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

In “The effect of safety attire on perceptions of cyclist dehumanisation” (Mark Limb & Sarah Collyer, erschienen 2023 in Transportation Research Part F) wurden 563 Autofahrer*innen befragt. 

Das Ergebnis: 30 % der Befragten betrachteten Radfahrende als „nicht vollständig menschlich“ – ein erschütternder Befund, der zeigt, wie tief die Entmenschlichung sitzen kann. 

Mit sogenannten paired-choice-Bildern (je zwei Varianten mit Unterschieden im Erscheinungsbild) testeten die Forscher:innen, welches Bild eher als „weniger menschlich“ wahrgenommen wird. 

Zu ihren Hypothesen gehörte, dass Helme die Sicht auf Augen und Haare verdecken – also zentrale Merkmale, mit denen wir instinktiv Menschsein erkennen – und so die Wahrnehmung dämpfen könnten. 

Kleidung, Helm & Sichtbarkeit – die fatalen Unterschiede

Die Studie identifizierte zwei Knackpunkte, die das Entmenschlichungsgefühl besonders befördern:

  1. Sportliche Kleidung (Lycra, eng anliegendes Rad-Outfit) Autofahrer*innen neigten bei Bildern mit Radlern in Sportklamotten dazu, sie stärker zu entmenschlichen – offenbar, weil diese Kleidung klar signalisiert „Radfahrer“ in Reinform und damit Zugehörigkeit zu einer (oft kritisierten) Gruppe. 
  2. Helm + sichtbare Schutzausrüstung Radfahrende mit Helmen wurden 2,5-mal häufiger als „weniger menschlich“ bewertet im Vergleich zu solchen ohne Helm.  Noch extremer: Radler*innen in Sicherheitswesten ohne Helm landeten auf dem Spitzenplatz der Entmenschlichung – sie wurden 3,7-mal wahrscheinlicher als weniger menschlich gilt. 

Bemerkenswert: Der Effekt war stärker mit sichtbarer Schutzausrüstung verbunden als mit dem reinen Abdecken von Augen und Haaren. 

Auch das Geschlecht der Befragten spielte eine Rolle: Männer neigten eher dazu, keinen Unterschied zwischen Ausstattungen wahrzunehmen, während Frauen stärker Unterschiede in der Vermenschlichung zeigten. 

Wenn Schutz zur Schwäche wird

Das klingt paradox: Der Helm – eigentlich Lebensretter – wird hier zur Barriere in der Wahrnehmung. Doch solange Autofahrer*innen Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Geschichten und Familien erkennen, bleibt der Straßenalltag gefährlich.

Auch politische Maßnahmen wie Helmpflicht wirken in diesem Zusammengang fragwürdig. HeImpflicht, die ich persönlich befürworte. In Ländern mit solchen Gesetzen sank laut früheren Studien die Begeisterung fürs Radfahren – und der Sicherheitsgewinn blieb oft aus. Die australische Studie legt nahe: Wenn Radfahrende mit Schutzkleidung entmenschlicht werden, könnten Autofahrer wiederum riskanteres Fahrverhalten zeigen, da sie die Radfahrer als „geschützte Objekte“ statt als verletzliche Menschen wahrnehmen.

Warum das keine kleine Theorie ist – sondern folgenschwer

Entmenschlichung ist kein harmloses psychologisches Phänomen. In der Soziologie und Psychologie gilt sie als Grundreiniger von Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung. Wer einer Person ihre Identität, Verletzlichkeit oder Einzigartigkeit abspricht, schafft den Nährboden für Aggressionen, Unterdrückung oder Missachtung.

Wenn Radfahrende als „Radfahrer:innen“ entmenschlicht werden, reduziert sich ihr Status in den Augen anderer. Kein Wunder also, dass in Foren und auf der Straße privates Desinteresse bald in aggressive Gesten oder lebensgefährliche Ausweichmanöver umschlägt.

Mein Appell: Mehr Mensch – weniger Hindernis

Ich will hier kein Plädoyer für oder gegen Ausrüstung führen – Sicherheit bleibt wichtig. Doch das eigentlich Erschreckende ist etwas anderes: Die Studie zeigt, dass viele Autofahrende Radler schlicht nicht als Menschen wahrnehmen. Nicht, weil wir uns falsch kleiden oder weil uns ein Detail fehlt, sondern weil wir als „Radfahrer:innen“ automatisch in eine Schublade gesteckt werden – und in dieser Schublade hört das Menschsein auf.

Diese Erkenntnis ist schockierend. Denn sie bedeutet: Ganz egal, wie viele Sicherheitsregeln wir einhalten, wie sichtbar wir uns machen oder wie sehr wir uns bemühen – solange Autofahrer*innen uns nicht als Menschen sehen, sind wir im Straßenverkehr gefährdet. Und genau hier liegt die eigentliche Krise.

Was ich mir wünsche?

  • Kampagnen zur Rehumanisierung: Bilder von Radfahrer*innen mit Gesichtern, Namen, Geschichten können Bewusstsein schaffen (z. B. in der Studie vorgeschlagen). 

  • Fahreraufklärung in Fahrschulen: Nicht nur Technik lehren, sondern Empathie – dass hinter jedem Radfahrer ein Mensch steht.

  • Infrastruktur stärken: Radwege, sichere Übergänge und klare Prioritäten auf der Straße zeigen unmissverständlich: Radfahrende gehören dazu.

  • Politische Debatten differenzieren: Pflichten (wie eine Helmpflicht – die ich persönlich befürworte) allein ist kein Allheilmittel, wenn die Wahrnehmung fehlt – wir brauchen ein viel breiteres Konzept für sichere Mobilität.

Was wirklich zählt

Die Studie liefert eine unbequeme Wahrheit: Mehr Helme, Blinker oder grelle Warnwesten werden das Problem nicht lösen.

Solange

Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Namen, Familien und Geschichten sehen, bleibt die Straße ein unsicherer Ort.

Radfahrende sind nicht „Verkehrshindernisse“ – sie sind Mütter, Väter, Kinder, Freunde. Erst wenn diese Wahrnehmung sich ändert, wird Radfahren wirklich sicher.

Cristian G. aka #ktrchts 

 

Wer schützt uns Radfahrende, wenn niemand zuständig ist?

Wer schützt uns, wenn niemand zuständig ist

Es war ein ganz normaler Tag, ein ganz normaler Abschnitt Landstraße in Müllendorf. Und doch wurde daraus ein Paradebeispiel dafür, wie man im österreichischen Verwaltungsapparat Verantwortung so lange hin- und herschiebt, bis sie sich in Luft auflöst. Mit der Frage, wer schützt uns Radfahrende, wenn niemand zuständig ist?

Der Vorfall selbst ist schnell erzählt: Ein Linienbus (Linie 904, Verkerhsverbund Ost-Region im Auftrag der NÖVOG) überholt mich auf einer Fahrbahn, die nur knapp drei Meter breit ist. Der Bus selbst misst zweieinhalb Meter. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand beim Überholen von Radfahrenden beträgt 1,5 Meter. Wer einen Taschenrechner besitzt – oder einfach nur gesunden Menschenverstand – kommt rasch zum Ergebnis: Das geht sich nicht aus. Niemals.

Doch die Situation war noch absurder: Der Busfahrer überholte an einer Stelle, die wie ein Lehrbuch-Beispiel für Überholverbote aussieht. In Fahrtrichtung eine Rechtsabbiegespur. Daneben Sperrflächen mit Gitterlinien und ein Fahrbahnteiler. Ein Schutzweg, an dem Überholen sowieso verboten ist. Und gleich danach: wieder Sperrflächen. Jeder Fahrschüler würde lernen: Hier bleibt man hinter dem Radfahrer. Jeder, außer eben dieser Fahrer.

Überholen ohne Regelburch unmölgich

Von der Straße ins Büro

Das Ganze wäre schon schlimm genug – doch der eigentliche Tiefpunkt kam erst nach dem Überholen. An der nächsten Haltestelle sprach ich den Fahrer darauf an. Seine Antwort: „Hob di eh g’sehn.“ Und, mit einer Mischung aus Gelassenheit und Zynismus: „Zeig mich halt an.“ Deutlicher kann man Vorsatz nicht formulieren. Er wusste, was er tat. Und er tat es trotzdem. Über das „is sich eh ausgegangen“ diskutiere ich nicht, dann das war sicher keine Verdienst des Fahrers, sondern ein perfekter Balance-Akt meinerseits.

Also tat ich, was man als Bürger tun kann (soll): Ich dokumentierte den Vorfall, schrieb zuerst an den VOR Kundendienst und danach an die NÖVOG (VOR wäre nicht zuständig, obwohl ganz groß auf dem Bus ersichtlich). Die NÖVOG wolle von allem nichts wissen und keine Ahnung haben (Welcher Bus? Welche Linie?). Ich wurde mit den Worten „Laut Aussage des betroffenen Fahrers wurde der Überholvorgang unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands und in angemessener Geschwindigkeit durchgeführt. Dennoch ist uns bewusst, dass das subjektive Sicherheitsempfinden in solchen Situationen stark variieren kann – insbesondere, wenn es zu einem sehr knappen Überholvorgang bei einem Fahrbahnteiler kommt“) wohl eher verarscht, als besänftigt. 

Also war der nächste Schritt erforderlich. Ich schrieb eine Sachverhaltsdarstellung an die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung. Kopie an die NÖVOG.

Schließlich geht es nicht nur um mein subjektives Empfinden, sondern um ein strukturelles Problem: Eine Straße, auf der ein Überholen rechnerisch unmöglich ist, und ein System, das dennoch Überholmanöver zulässt.

Die Antworten waren ernüchternd. Und zugleich erhellend.

Ping-Pong der Zuständigkeiten

Die NÖVOG meldete sich in Person des Pressesprechers zuerst. Reine Schreibrhetorik. Man könne meinen Unmut verstehen, man stehe zu 100 Prozent auf meiner Seite, wenn es um Sicherheit gehe. Sehr freundlich. Aber dann der entscheidende Satz:

Wir sind nur Auftraggeber der Regionalbusleistungen. Die Fahrer stehen im Dienstverhältnis zum Verkehrsunternehmen.

Mit anderen Worten: Wir machen die Fahrpläne. Für das Fahrverhalten sind wir nicht zuständig.

Das Verkehrsunternehmen wiederum – die Ausführer – tauchten in den Antworten nur indirekt auf. Sie hätten den Fahrer zur Rede gestellt und ermahnt, hieß es. Ermahnt! Für ein Überholmanöver, das objektiv lebensgefährlich war. Keine Konsequenzen, kein Hinweis auf systemische Schulung, nur eine mahnende Geste.

Die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung wiederum erklärte, dass sie in diesem Fall nicht zuständig sei. Die StVO mag gebrochen worden sein, die Gefährdung mag da gewesen sein – aber man wolle sich damit nicht befassen.

Und so schaukelte es sich hoch zum vielleicht schönsten Satz in dieser ganzen Chronologie, formuliert vom Pressesprecher der NÖVOG:

Wir sind weder Konzessionsbehörde noch Verkehrsunternehmen noch Exekutivbehörde.

Kürzer lässt sich die Absurdität nicht zusammenfassen: Wir sind’s nicht. Wir machen nur den Fahrplan.

Transparenz oder Verantwortung?

Zwischendurch garnierte man das Ganze noch mit Floskeln: „Wir stehen zu 100 % auf Ihrer Seite.“ Oder: „Dass wir die Darstellung des Verkehrsunternehmens weitergeben, ist nur ein Zeichen unserer Transparenz.“

Das klingt gut. Nur leider bleibt die Frage offen: Wenn alle transparent sind, aber niemand zuständig, wer übernimmt dann Verantwortung?

Auch die Nachfrage nach konkreten Maßnahmen blieb unbeantwortet. Schulungen für Fahrer:innen? Fehlanzeige. Systematische Überprüfung von Strecken, wo Überholen baulich unmöglich ist? Nicht vorgesehen. Konsequenzen, wenn Fahrer trotz Vorsatz handeln? Nicht in ihrem Kompetenzbereich.

Die Mathematik der Realität

Dabei ist das Problem banal, fast kindlich klar.

  • Fahrbahnbreite: 3,0 bis 3,2 Meter
  • Busbreite: 2,5 Meter<
  • Breite des Radfahrers: 0,6 Meter<
  • Mindestabstand: 1,5 Meter
  • Seitenabstand zum Straßenrand: 0,7 Meter< (empfohlen)

Rechnung: 2,5 + 1,5 = 4,0.. Erforderlich wären also mindestens vier Meter – plus Platz für den Radfahrer selbst. Also noch einmal ein Meter. Macht rund fünf Meter. Tatsächlich vorhanden: drei. Es fehlen also mindestens zwei Meter. Diese zwei Meter sind der Unterschied zwischen „sicher überholt“ und „Radfahrer unter dem Bus“.

Und doch bleibt das System gelassen. Der Fahrer: „Hob di eh g’sehn.“ Die NÖVOG: „Wir sind nicht zuständig.“ Die Behörde: „Nicht unser Bereich.“

Das große Ganze

Was sich hier zeigt, ist mehr als ein Einzelfall. Es ist ein System, das Verantwortung in so feine Scheiben schneidet, dass sie am Ende verdampft. Auftraggeber, Ausführer, Fahrer, Behörde – jeder für ein Stück zuständig, aber keiner für das Ganze.

Die Ironie dabei: Würde man denselben Vorfall einem Fahrschüler vorlegen, wäre die Antwort eindeutig: „Hier darf man nicht überholen.“ Ein Anfänger wüsste das. Aber ein Profi am Steuer eines Linienbusses darf es – und bleibt ohne echte Konsequenz.

Resignierter Schluss

So bleibt am Ende nur Zynismus. Wenn der Fahrer sagt: „Ich hab dich gesehen“ „Sei froh, dass alles noch gut gegangenist“ und „Zeig mich halt an“, die NÖVOG sagt: „Wir machen nur Fahrpläne“, und die Behörde sagt: „Nicht unser Bereich“, dann ist wohl tatsächlich niemand zuständig.

Vielleicht muss ich mich künftig an höhere Instanzen wenden. An das Schicksal. An das Universum. Oder an den lieben Gott. Denn wenn es in diesem Land um Zuständigkeiten geht, dann sind alle zuständig – bis keiner mehr übrig bleibt.

Und wenn ich das nächste Mal unter einem Bus liege, dann immerhin mit der beruhigenden Gewissheit: Es war niemand schuld.

Bleibt gesund und passt auf euch auf
Cristian aka #ktrchts 

PS:

Manche werden sagen: „Ach komm, so schlimm war’s doch nicht. Wirst halt knapp überholt. Passiert mir auch ständig. Reg dich nicht so auf.“

Genau deswegen tue ich mir diesen Aufwand an. Weil wir uns schon so sehr an das Gefährliche gewöhnt haben, dass wir es für normal halten. Weil „knapp überholt“ nicht bedeutet, dass nichts passiert ist – sondern, dass diesmal nur zufällig nichts passiert ist.

Wenn ein Linienbusfahrer sagt „Hob di eh g’sehn“ und dabei wissentlich den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand missachtet, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Das ist Vorsatz. Und der Unterschied zwischen Zentimetern und Metern ist in diesem Moment der Unterschied zwischen „alles gut gegangen“ und „Radfahrer unter dem Bus“.

Es geht nicht um mein subjektives Empfinden. Es geht nicht nur darum, dass die StVO klare Regeln vorgibt: 1,5 Meter Mindestabstand. Sondern auch, dass ein gutes Miteinander Regeln und Verständnis braucht. Dass Straßen so geplant und markiert werden müssen, dass dieser Abstand überhaupt eingehalten werden kann. Und dass Unternehmen und Behörden Verantwortung übernehmen, statt sie zwischen sich hin- und herzuschieben, bis sie sich auflöst.

Ich mache mir diesen Aufwand, weil ich nicht akzeptiere, dass Sicherheit im Straßenverkehr zur Verhandlungsmasse wird. Weil jeder Radfahrer, jede Radfahrerin ein Recht darauf hat, nicht nur gesehen, sondern auch geschützt zu werden.

Und ja – ich werde es weiterhin tun. Auch wenn es mühsam ist. Auch wenn es einfacher wäre, zu schweigen und sich zu fügen. Denn wenn wir alle sagen „Es passiert halt, reg dich nicht auf“, dann bleibt am Ende alles beim Alten. Und irgendwann ist das Opfer nicht mehr „nur“ ein paar zerzauste Nerven, sondern ein Menschenleben.

 

King and Queen of the Lake 2025

King and Queen of the Lake 2025

Ein Sommer-wie-damals-Revival punktgenau geplant und ausgeführt. Der Attersee glänzte wie poliertes Carbon. Kaiserwetter im Salzkammergut. Glattes Wasser, brennende Beine. Alles war angerichtet für den King and Queen of the Lake 2025. Und alle wissen und fühlen es. Dieses in Europa einzigartige Einzelzeitfahren rund um den See ist kein Rennen – es ist ein Hochamt des Radsports, ein Watt-Festival für Tempo-Gläubige. Wer hier mitfährt und die Ziellinie so schnell wie möglich überquert, graduiert in Velocitas honoris – Summa cum laude, versteht sich

Mixed Rebels statt Mixed Klischees

Auch dieses Jahr mittendrin statt nur daheim. Mein Mixed-Team. Während die meisten Mixed-Teams (immer noch) aus vier Männern und einer Frau bestehen, drehe ich schon zum dritten Mal den Spieß um. Mixed Rebels – ein Name, der Programm macht. Bei mir sind es drei Damen und ein Herr. Nicht nur aus Prinzip, viel mehr aus Überzeugung: Radsport gehört geteilt, nicht quotiert.


So unterschiedlich die Reaktionen darauf sind, so klar bleibt die Botschaft. Manche feiern uns für den Mut, andere schütteln ungläubig den Kopf, als hätten wir die UCI-Regeln neu erfunden. Doch genau darum geht’s: Den Rahmen zu sprengen, Klischees zu brechen, Chancen zu schaffen. Denn auf der Straße zählen keine Rollenbilder, sondern nur Watt, Wille und Witz.

Die jährliche Damenwahl

Jedes Jahr wiederhole ich mein kleines Ritual: die Damenwahl. Drei Frauen, zufällig ausgewählt, bilden mit mir die Mixed Rebels. Dieses Jahr waren es Anne aus Zürich, die mit schweizerischer Präzision und deutscher Gründlichkeit jede Kurve millimetergenau geschnitten hat. Außerdem hat sie als Rookie das gesamte Internet leer gelesen, um bestens vorbereitet zu sein. Dabei auch Chantal aus Graz, die das Stehvermögen einer Löwin mit dem Humor einer Kabarettistin kombiniert, und Natalie vom Veranstalterverein Atterbiker. Natalie kam erst ins Spiel, als ich schon dachte, wir würden mit einem Loch auf der Startrampe stehen. Doch sie hat meinen Hilfeschrei gehört und das Quartett kurzerhand vervollständigt – ein Joker aus dem eigenen Stall. Und was für ein Joker – Natalie war ein Jackpot.

Von Bewerberinnen und Absagen

Was wie ein lockeres Spiel klingt, ist in Wahrheit die härteste Disziplin. Denn die Nachfrage nach einem Platz bei den Mixed Rebels wächst von Jahr zu Jahr. Viele Bewerberinnen melden sich, voller Energie, voller Lust, den See zu rocken. Und jedes Mal bricht es mir ein kleines Stück das Herz, wenn ich Nein sagen muss. Ich würde mit allen fahren, was erstens organisatorisch nicht möglich ist und zweitens auch meine körperliche Physis nicht zulassen würde. Es gibt eben leider nur vier Startnummern. Dieses „Nein“ ist also kein Ausschluss, sondern eine Einladung: nächstes Jahr, neue Chance.

Kurzfristige Absagen machen die Situation auch nicht besser. Denn je näher der Tag X rückt, desto mehr Speed-Junkies tauchen auf – süchtig nach der einmaligen Chance, Teil dieses Rausches zu sein. Der King and Queen of the Lake wirkt wie eine Droge: Wer einmal geschnuppert hat, will mehr. Und ein vakanter Startplatz lockt wie der letzte Schuss Espresso vor dem Rennen – heiß begehrt, schnell vergriffen und garantiert nicht schlaffördernd.

47,2 Kilometer im Rausch

Und dann, wenn endlich alle Trikots sitzen und die Startnummern klappern, wird aus Theorie Praxis. Schulter an Schulter, im Wind, im Rausch, im Jetzt. 47,2 Kilometer später standen 1 Stunde und 14 Minuten auf der Uhr. 38 km/h im Schnitt, getragen von Teamgeist, Adrenalin und einer Prise Wahnsinn. Kein Rennen im klassischen Sinne, sondern ein Tanz auf schmalen Reifen. Jede Attacke gegen die Uhr, jedes Ziehen im Oberschenkel wurde belohnt – mit dem Wissen, dass man gemeinsam mehr schafft, als man alleine je könnte.

Das Video zum Wahnsinn

Rebels ride different. Festgehalten in Bildern, die nach Schweiß, Watt und Freude riechen. Mitten in der Elite der Zeitfahr-Community und aller, die Radsport im Herzen tragen. Betreut und gehätschelt von einem leidenschaftlichen Organisations-Team, freiwilligen Helfern, Exekutive, Sanitäter und vielen Zuschauern entlang der Strecke. Radsport-Emotionen pur. Laktat und Glück inklusive. Wer das Rennrad liebt, muss einmal beim King and Queen of the Lake starten – oder noch besser, immer wieder.

 


Danke Anne, Chantal und Natalie. Ohne euch wäre dieses Erlebnis nicht möglich gewesen. Ihr habt nicht nur Watt aufs Pedal gebracht, sondern auch Herz, Humor und diese unerschütterliche Lust, Grenzen zu verschieben. Mit euch wurde aus einem Rennen das sprichwörtliche Volksfest – und aus einem Team die Mixed Rebels.

Wir sehen uns auf alle Fälle 2026 wieder. Wer will mitfahren?

Cristian Gemmato aka #ktrchts

1,5 Meter Mindestabstand. Kollision zwischen Gesetz und Realität

1,5 Meter Mindestabstand

Am 5. September habe ich auf der Wiener Straße in Großhöflein nahe Eisenstadt (Burgenland) eine Lektion gelernt, die ich eigentlich nie lernen wollte: Wenn ein Linienbus unbedingt überholen will, dann passt auf drei Metern Fahrbahnbreite plötzlich alles – selbst der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern zu Radfahrenden. Zumindest, wenn man Sicherheit als dehnbare Größe betrachtet.

Der Busfahrer, Linie 904, Kurs 113, rauschte trotz eines Fahrbahnteilers an mir vorbei. Schwer vorstellbar, da auf einer 3 Metern breiten Fahrbahn rechnerisch ein 2,5 Meter breiter Bus, ein 1,5 Meter gesetzlich geregelter seitlicher Abstand und ich nie Platz gehabt hätten. Sicherheit? Objektiv nicht vorhanden. Juristisch eine klare Sache:

  • § 15 Abs. 4 StVO verlangt ausreichenden seitlichen Abstand.

  • Rechtsprechung (OGH 9 ObA 33/18b): innerorts mindestens 1,5 Meter.

  • § 26 Abs. 2a FSG macht das zur Pflicht.

  • Und: Überholen ohne diesen Abstand ist schlicht unzulässig (§ 17 StVO).

Der Fahrer wusste das. Sein Kommentar an der Haltestelle: „Hob di eh g’sehn.“ Übersetzt: Ich habe dich wahrgenommen, aber trotzdem entschieden, dass dein Leben weniger wert ist als meine Pünktlichkeit. Als ich insistierte, legte er nach: „Is sich eh ausgegangen.“ Sprich: Ich hatte Glück. Und zum Schluss: „Zeig mich halt an.“ – begleitet von einem süffisanten Grinsen.

Roulette mit Menschenleben

Ich habe den Vorfall juristisch dokumentiert und an den Verkehrsverbund gemeldet. Die Antworten sind ein Lehrstück dafür, wie man Verantwortung elegant im Kreis schickt:

  1. Der Verkehrsverbund: „Wir sind nicht zuständig, bitte an die NÖVOG wenden.“ – oder anders gesagt: Danke für Ihren Hinweis, aber machen Sie Ihre Hausaufgaben bitte bei jemand anderem.

  2. Die NÖVOG, erste Antwort: „Wir entschuldigen uns, bitte schicken Sie uns die Liniennummer.“ – eine Information, die angesichts von Uhrzeit, Ort und Foto wohl auch intern auffindbar gewesen wäre. Für mich blieb der Eindruck: Recherchearbeit outsourcen, am besten an den Betroffenen selbst.

  3. Die NÖVOG, zweite Antwort:

    • Der Fahrer habe den Mindestabstand eingehalten (was faktisch nicht möglich ist)

    • Sicherheit sei auch „eine Frage des subjektiven Empfindens“.

    • Die unangebrachten Aussagen des Fahrers bedaure man, man werde intern nochmals „auf Rücksichtnahme hinweisen“.

Kurz: alles nicht so schlimm, nur ein Missverständnis im Kopf des Radfahrers.

 

Meine juristische Bewertung

Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um Geometrie. Ein Linienbus ist rund 2,5 Meter breit. Addiert man 1,5 Meter Abstand zum Radfahrer, landet man bei 4 Metern. Die Straße misst 3. Objektiv unmöglich. Kein Empfinden, keine Interpretation – einfach nur Mathematik.

Dass die NÖVOG aus dieser faktischen Unmöglichkeit eine angeblich regelkonforme Handlung macht, ist mehr als absurd. Es ist eine Relativierung einer konkreten Lebensgefahr.

Rein rechtlich bleibt:

  • Vorsatz (§ 5 StGB), weil der Fahrer mich gesehen hat und die Gefährdung bewusst in Kauf nahm.

  • Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB).

  • Arbeitsrechtlich: grober Pflichtenverstoß, da Busfahrer zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind.

  • Zivilrechtlich: volle Haftung im Schadensfall (§§ 1295 ff. ABGB).


Fazit

Nach meinem Verständnis ist ein Überholmanöver auf einer etwa 3 Meter breiten Fahrbahn mit einem Linienbus von ca. 2,5 Metern Breite unter Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes von 1,5 Metern faktisch ausgeschlossen. Die notwendige Fahrbahnbreite übersteigt die tatsächlich vorhandene deutlich. Die Behauptung, ein solches Manöver sei möglich, entbehrt daher jeder realistischen Grundlage.

Es handelt sich hierbei nicht um eine Frage eines subjektiven Sicherheitsempfindens, sondern um eine objektiv nachvollziehbare, mathematisch belegbare Unmöglichkeit.

Aus dem Schreiben der NÖVOG (Kundendienst) entnehme ich, dass weder eine ernsthafte Aufklärung noch eine disziplinarische Prüfung des Sachverhalts beabsichtigt ist. Damit wird eine Handlung, die objektiv geeignet ist, eine Körperverletzung – im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang – herbeizuführen, als Bagatelle eingestuft. Eine solche Bewertung ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch in hohem Maße bedenklich und wirft erhebliche Zweifel an der Schutzfunktion dieser Verkehrsorganisation gegenüber den Verkehrsteilnehmern auf.

Mit tiefem Befremden und aufrichtigem Entsetzen muss ich feststellen, dass hier eine offensichtliche Gefährdung menschlichen Lebens verharmlost und relativiert wird. Es ist schwer nachvollziehbar, wie eine Institution, deren ureigene Aufgabe der Schutz der Allgemeinheit ist, eine derartige Gefährdung nicht nur hinnimmt, sondern faktisch legitimiert. Dieses Vorgehen hinterlässt nicht nur den Eindruck mangelnder Sensibilität, sondern auch den einer eklatanten Missachtung grundlegender Sicherheitsstandards.

 

Zusammengefasst

Ich musste erleben, dass ein Unternehmen und seine übergeordnete Organisation auf einen glasklaren Rechtsverstoß mit Zuständigkeits-Pingpong und Beschwichtigung reagieren. „Subjektives Sicherheitsempfinden“ ist hier kein Argument. Das Risiko war real, messbar und in Paragraphen gegossen.

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack:

  • Ein Fahrer, der Arroganz über Verantwortung stellt.

  • Institutionen, die objektive Gefährdung verharmlosen.

  • Ein System, das Glück zur Sicherheitsstrategie erhebt.

Und irgendwann, wenn dieses Glück versiegt, liegt jemand unter den Rädern. Dann heißt es wieder: „Hab den Radfahrer nicht gesehen.“

 

Meine Forderung:

Mehr als Forderung sind es Wünsche. Einfach mehr Miteinander. Mit Achtsamkeit und gegenseitigem Verständnis. Darüber hinaus aber auch Konsequenzen für jene, die sich nicht an Regeln halten können. Vor allem dann, wenn sie vorsätzlich Menschenleben gefährden. 

Und weil bald Weihnachten ist, wünsche ich mir:

  • Klare Konsequenzen für den Fahrer.

  • Ein explizites Verbot für Überholmanöver, bei denen der Abstand objektiv nicht einhaltbar ist. Keine unnötigen Ausnahmen, die alles verkomplizieren.

  • Eine Kommunikation, die Verantwortung übernimmt, statt sie zu relativieren.

Bis dahin bleibt mein Eindruck: Die NÖVOG und der Verkehrsverbund haben mir zwar geantwortet – aber nicht mir, sondern vor allem sich selbst einen Gefallen getan.

#ktrchts

Zur 33. Novelle StVO geht’s hier

Ötztaler Radmarathon Wahnsinn – Erfahrungen, Erlebnisse, Emotionen

Ötztaler Radmarathon Wahnsinn

19 Mal habe ich mich schon dem Ötzi gestellt – und jedes Mal war es anders: zwischen 9 und 12 Stunden Qual, Regentanz, Schneeballet oder Sonnengruß, Hitzeschlacht und Bibberkrampf – alles freiwillig. Der Ötztaler Radmarathon war immer wieder ein endloses Drehbuch, das mein ganzes Leben diktiert hat. Meine 20. Teilnahme steht vor der Tür. 31. August 2025 – als wäre es ein romantisches Versprechen. Nur dass diese Beziehung weniger Kuscheleinheiten und mehr Satteldruck bietet. Freunde fragen: „Warum tust du dir das an?“ – und ich antworte mit der Würde eines Junkies, der seine nächste Dosis plant. Essen? Schlaf? Familie? Alles nebensächlich – Hauptsache, ich kann wieder 238 Kilometer lang darüber nachdenken, warum ich das alles hasse … und gleichzeitig liebe. 20x Ötztaler Radmarathon Wahnsinn. Ein kleines persönliches Jubiläum. Ich habe viel erlebt, viel gesehen und viel darüber geschrieben.

13 Stunden leidend Rennrad fahren – und dafür auch noch bezahlen

Wie Anton Palzer passend gesagt hat: „13 Stunden leidend Rennrad fahren und dafür auch noch bezahlen.“ Verrückt, oder? Den Spirit des Ötztaler Radmarathon muss man gespürt haben. Es ist eine spezielle Energie, die dich schon bei der Anreise zu Beginn des Ötztales durch den Körper sticht. Magie, die dich trägt und Flügel verleiht. Es ist der Mythos, der dich fesselt. Der Ötztaler ist keine Veranstaltung, er ist ein toxisches Langzeitverhältnis: Eifersüchtig frisst er meine Freizeit, meine Urlaube und gelegentlich meine Beziehung. Es tut weh, und das ist gut so. Während andere sich auf den nächsten Sommerurlaub freuen, notiere ich mir schon das nächste Datum, um mich erneut freiwillig an den Rand der physischen und mentalen Insolvenz zu fahren.

Der Ötztaler Radmarathon verwandelt dich

Wollen und Können sind schwer in Einklang zu bringen. Eine Beziehung, die so harmonisch ist wie Katzen und Wasser. Der Ötztaler Radmarathon Wahnsinn verwandelt dich. Vor dem Start in einen nervösen Nährstoff-Junkie, während des Rennens in ein schwitzendes, fluchendes Fossil und danach in ein weinerliches Häufchen Endorphine. Diese Erfahrung fährt dir nicht nur durch den Körper – sie tritt dir in die Nieren, brennt sich in die Oberschenkel und lässt dich am Ende mit zitternden Händen ein Finisher-Trikot entgegennehmen, als wäre es ein heiliges Relikt. Ja, es rührt dich zu Tränen – vermutlich, weil du dir schon ausrechnest, was dich diese Selbstdemontage an Ruhm und Ehre bringen wird. 

Es gibt Grenzen, die man hier verschieben muss

Beim Ötztaler Radmarathon geht es um Grenzen – deine, die deines Körpers und deines Geistes. Grenzen, die man hier nicht einfach verschiebt, sondern mit dem Presslufthammer bearbeitet, bis sie sich ergeben. Wer glaubt, er kenne seine Limits, wird am Timmelsjoch eines Besseren belehrt: Dort lernt man, dass „kann nicht mehr“ nur eine unverbindliche Empfehlung ist. Und wenn du es doch ins Ziel schaffst, merkst du, dass die einzige Grenze, die wirklich überschritten wurde, die zwischen sportlicher Vernunft und blankem Wahnsinn ist.

Ein Urlaub bei Freunden

Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur ein Rennen – er ist ein Urlaub bei Bekannten. Und mit Bekannten. Also, mit Menschen, die dich 238 Kilometer lang bergauf jagen, sich entlang der Strecke in deinen Dienst stellen und dich am Ende herzlichst empfangen. In Sölden anzukommen ist wie zu Hause anzukommen. Die Schnellsten und die weniger schnellen werden gleichermaßen frenetisch gefeiert. Von den Mitgereisten. Aber auch von Fremden. Das Zielareal ist ein Podium der Emotionen. Hier vermischt sich der Schweiß mit den Tränen. Schmerzen werden zu Zeugen des Triumphs.

Hier endet der Ötztaler Radmarathon. Nicht jedoch die Folterfantasie, ihn wieder zu fahren. Kaum ist der Zielbogen durchquert, fängt das Hirn schon an, den Schmerz zu verklären – wie jene, die eine Beziehung beendet haben und sich nur an guten Momente erinnern wollen. Die Beine brennen noch, die Schultern schreien und der Körper weint – und doch, irgendwo zwischen Iso-Resten, wächst schon wieder die absurde Sehnsucht. Der Ötzi ist vorbei. Aber der Wahnsinn fängt gerade erst wieder n.

Fährst du wieder den Ötzi?

Nach „Willst du mich heiraten?“ kommt in meiner Welt nur noch „Fährst du heuer wieder den Ötzi?“ – und ja, beide Fragen bedeuten in etwa dasselbe: lebenslanger Vertrag mit unklaren Ausstiegsklauseln. Die Teilnahme am Ötztaler ist wie eine Ehe, nur mit mehr Höhenmetern, weniger Zärtlichkeit und garantiertem Herzrasen. Ein Mal ist kein Mal – genau wie bei einer schlechten Entscheidung, die man dann immer wieder trifft, weil man denkt: „Diesmal wird’s besser.“ Spoiler: Wird es nicht. Aber man fährt trotzdem. Bis dass der Sattel uns scheidet.

Und wie wird das Wetter?

Beim Ötztaler Radmarathon Wahnsinn – das sollte man sich hinter die Ohrmuscheln tätowieren – ist das Wetter kein banales Gesprächsthema, sondern eine launische Göttin. Es ist die Metapher, die dir ins Gesicht spuckt, wenn du glaubst, Kontrolle zu haben. Ein Test, wie weit du dich noch selbst belügen kannst, wenn der Himmel beschließt, dein Drehbuch umzuschreiben. Wer braucht schon stabile Bedingungen, wenn man stattdessen ein meteorologisches Drama in Echtzeit haben kann?

Darum: Lieber das Wetter poetisch überhöhen und philosophisch verdrehen, statt sich von Prognosen fesseln zu lassen. Denn wer zu sehr auf Sicherheit pocht, verpasst den wahren Kern des Ötztalers: Er ist kein Radrennen. Er ist eine existenzielle Naturgewalt – ein epischer Wetterporno, der dich vom ersten Tropfen bis zum letzten Sonnenstrahl auszieht.

Alles erlebt, nichts gelernt.

Was ich schon alles erlebt habe? Mehr, als sich in Finisher-Trikots zählen lässt – und ich habe es versucht. Ich war beim Ötzi in brütender Julihitze und bibberndem Spätsommerregen, habe Schneeflocken am Timmelsjoch gesehen und die Sonne am Kühtai verflucht. Ich bin Umleitungen gefahren, die länger waren als mein Geduldsfaden, und habe in Facebook-Foren Debatten über Sicherheit und Höhenmeter überlebt. Bin mit 105 km/h bergab geflogen, um mich danach mit Schwedenpillen bergauf ins Leben zurückzuholen. Ich habe Rennstrategien geplant, nur um sie an der ersten Steigung zu verwerfen, Kuchen, Kekse und heiße Suppen mit Iso heruntergespült sowie Mannerschnitten als Doping missbraucht. Ich habe neue Laufräder getestet, alte Kassetten verflucht und mich im Ziel jedes Mal gefragt, warum ich das alles eigentlich mache – um mir dann schon wieder den nächsten Starttermin einzutragen. Denn nach dem Ötztaler Radmarathon Wahnsinn ist vor dem Ötztaler Radmarathon Wahnsinn.

#ktrchts

Eine satirische Typologie radsportlicher Sonderbarkeiten

Typologie radsportlicher Sonderbarkeiten

Auf zwei Rädern durch die menschliche Komödie. Es gibt Momente im Leben, da meint man, durch ein anthropologisches Freiluftmuseum zu pedalieren. Der gemeine Rennradfahrer – durchtrainiert oder zumindest ambitioniert – begibt sich an einem Sonntagmorgen auf die Landstraße und wähnt sich inmitten der Elemente. Doch er irrt. Denn es sind nicht Regen, Wind und Steigung, die ihm zusetzen – es sind seine Mitmenschen. Und sie erscheinen, wie stets, in mannigfaltigen Formen: skurril, heroisch, tragikomisch. Es folgt ein kleiner Streifzug durch das Panoptikum jener Gestalten, die einem auf schmalen Reifen begegnen – zum Staunen, zum Fluchen und, ja: zur Belustigung.

Der gekränkte E-Biker – Turbo indignatus

Ein tragisches Relikt männlicher Ehre. Vom Stolz durchpulst wie ein galanter Ritter, doch motorisiert wie ein Moped aus dem Baumarkt. Wird er überholt – schlimmstenfalls von einem Bio-Radler! – so erwacht in ihm der Zorn des Zeus. „Turbo!“ befiehlt er seinem Drahtross, das gehorcht, während er mit gesenktem Haupt und verkrampften Oberschenkeln versucht, das Hinterrad des Überholenden zu besetzen. Die mitfahrende Lebensgefährtin indes? Verloren im Windschatten der Beziehung.

Der Triathlet in transzendentaler Umnachtung – Homo Intensivus Mentalis

Er grüßt nicht. Nicht, weil er unhöflich ist – sondern weil er nicht mehr hier ist. Sein Geist kreist in FTP-Zonen, seine Seele ruht in der nächsten Schwelle. Der Körper, durchgestylt wie ein Windkanalmodell, gleitet dahin in trikotierter Stille. Er lebt im schwarzen Tunnel, auf der Suche nach der ultimativen Aerodynamik. Für Zwischenmenschliches bleibt da kein Luftwiderstand übrig.

Der Rechts-Vorbeibrasende – Ignorantus Rasa

Eine Naturgewalt in Lycra. Regeln? Für andere. Er kommt von rechts – stets und überall. Überholt auf Gehsteigen, Radwegen, Einbahnstraßen. Der Verkehr ist für ihn ein Abenteuer, keine Verpflichtung. Sein Lebensmotto: „Ich habe keine Zeit, aber viel Geschwindigkeit.“

Der Schattenlutscherus Parasiticus

Ein Meister der Energieeinsparung. Erst schleicht er sich an – leise, unscheinbar, wie ein Laubfrosch auf Speed. Dann der überraschende Angriff: ein kurzer Sprint an die Spitze. Doch dort? Wind. Physik. Scheitern. Schon bald verlangsamt sich sein Ritt zur Peinlichkeit. Er blickt zurück, klagend, als wäre man ihm eine Gefälligkeit schuldig.

Der autofahrende Wegpatriot – SUV Imperator Maximus

Ein Titan aus Blech und Hybris. Fährt auf Güterwegen, als wären sie römische Heerstraßen. Sein SUV: Bollwerk gegen alles Weiche. Der Radfahrer, der sich ihm nähert? Ein Eindringling, bestenfalls eine Geduldsprobe. Ausweichen? Reduktion der Geschwindigkeit? Niemals! Seine Existenz basiert auf Dominanz. Die Hupe ersetzt das Gespräch, der Kühlergrill die Argumentation.

Die Strava-Helden – Segmentritter im Carbonbund

Sie erscheinen in Gruppen, identisch gewandet, mit Waden wie Monumente und Zungen, die nie ruhen. Jeder Hügel ein Ritterschlag, jede Kurve ein Kriegsschauplatz für Segmentrekorde. Sie grüßen im Chor, halten nach drei Kilometern am Bäcker – zwecks Energiezufuhr und Instagram-Update. Sie leben nicht für das Radfahren – sie leben im Radfahren.

Die Insta-Randonneuse – Influenta Veloce

Eine Erscheinung von großer Ästhetik, doch geringer Verkehrsbeobachtung. Sie fährt mit Style und ohne Schweiß. Ihr Feind: Gegenlicht. Ihre Freundin: der Filter. Jede Ausfahrt ist ein Shooting, jede Pause eine Content-Chance. Der Helm wird abgenommen – das Selfie zählt.

Der wadenzeigende Hochleistungssenior – Senex Furiosus

Alt, aber unbezwingbar. Seine Beine: ein Monument der Erfahrung. Sein Rad: ein Museumsstück, doch von göttlicher Gangschaltung. Er überholt mit leisem Lächeln, flüstert ein „Schönen Tach noch“, und verschwindet wie ein Zen-Meister im Morgendunst. Er ist der lebende Beweis, dass Watt nicht alles ist – manchmal reicht Charakter.

Die Selfisti – Homo Narcissisticus Mobilis

Sie radeln einhändig, mit Smartphone am ausgestreckten Arm, stets im Dienste der Selbstdarstellung. Sie schlittern durch Kurven, fotografieren ihre Knie, das Vorderrad, das Gesicht im Gegenlicht – und all das auf einer Straße, die bereits für zwei Hände zu schmal ist. Jeder Meter ein Selfie, jeder Sturz ein Kapitel.

Der Helmverweigerer – Liber Capitatis Extremus

Er trägt Überzeugung, wo andere Styropor tragen. Der Helm? Ein Symbol der Einschränkung. „Ich fahr seit 30 Jahren ohne“, tönt es stolz – während er an der Ampel das Smartphone sucht. Die Frisur sitzt, der Idealismus weht im Wind. Der Schädel? Eine freie Fläche für philosophische Prinzipien.

Der „Da ist ein Radweg!“-Schimpfer – Homo Indignatus Pathologicus

Ein stets empörter Fußgänger oder Autofahrer, wahlweise in Freizeitweste oder SUV-Sarg, dessen einziger Lebenszweck darin besteht, andere auf imaginäre oder unzumutbare Radwege hinzuweisen. Er ruft, zeigt, fuchtelt – auch wenn der Radweg zugewachsen, unter Wasser oder aus dem 14. Jahrhundert stammt. Der Ruf „DA! IST! EIN! RADWEG!“ gleicht einem bellenden Mantra, stets begleitet von einem Blick, als hätte man ihm soeben den Schrebergarten enteignet. Seine natürlichen Feinde: Radfahrer auf der Fahrbahn. Seine natürlichen Alliierten: Empörung, Halbwissen und ein angegrauter Gerechtigkeitssinn.

Epilog: Vom Sinn des Strampelns

Und so treten wir weiter, dem Sonnenaufgang entgegen, zwischen Turbo-Egos und Filterköniginnen. Wir ärgern uns, wir lachen, wir überholen – und werden überholt. Doch eines sei gewiss: Kein Wattmesser, kein Strava-König und kein Helmverweigerer wird jemals das eine ersetzen können, was uns alle verbindet – die stille, schweißige, wundervolle Erkenntnis, dass das Leben auf zwei Rädern nicht nur schneller, sondern auch menschlicher ist.

Amen. Und: Helm auf!

Cristian
#ktrchts #machurlaubfahrrennrad