Wir sehen uns wieder. Das waren meine letzten Worte, als ich Anfang August im Hotel Mohrenwirt ausgecheckt hatte. Und ich bin wieder gekommen. Zum Eddy Merckx Classic Radmarathon 2017. Ich war neugierig auf das Rennen und das Konzept von Jakob Schmidlechner, Mitorganisator und Betreiber des ersten Rennrad- und Triathlon Hotels Österreichs. Denn die Durchführung eines Radmarathons in Österreich ist seit den Vorfällen beim ARBÖ Radmarathon in Bad Kleinkirchheim nicht mehr so einfach und selbstverständlich. Ein paar bekannte Veranstalter haben deshalb und aufgrund der restriktiven Auflagen seitens der Behörde heuer bereits das Handtuch geworfen. Zu groß ist mittlerweile das Risiko der Verantwortlichen, für Unfälle der Teilnehmer persönlich zu haften.
Nahe am Wasser gebaut. Zwischen gestern und heute.
Der Eddy Merckx Classic Radmarathon ist eng mit der Legende Eddy Merckx verbunden. Die Idee entstand im Jahr 2006 während der UCI Straßen WM in Salzburg. 2017 fand die Veranstaltung zum 11. Mal statt. Und Eddy Merckx war jedes Mal selber vor Ort. Es ist der Kannibale, welcher in der Früh die TeilnehmerInnen auf die Reise läutet und es ist die belgische Ikone, welche die TeilnehmerInnen im Ziel erwartet und die Siegerehrung vornimmt. Der Eddy Merckx Classic Radmarathon ist ein echter Eddy Merckx Radmarathon.
Wobei Eddy Merckx nicht der einzige ehemalige Weltmeister war, der heuer wieder in der Fuschlseeregion gesichtet wurde. Der Italiener Maurizio Fondriest (Ronse 1988), der Franzose Laurent Brochard (San Sebastian 1997), der Niederländer Rob Harmeling (Colorado Springs 1986) und die beiden Österreicher Franz Stocher und Roland Königshofer, beide auf der Bahn erfolgreich, gaben sich rennradnah. Mit Maurizio Fondriest konnte ich mich während der Charity Ausfahrt zugunsten der Sitfung Wings for Life sogar über seine Räder und das Thema Scheibenbremsen austauschen.
Eddy Merckx Classic – mit allen Wassern gewaschen.
Die heurige Ausgabe des Radmarathons hatte sich gewaschen. Es war eine äußerst pitschnasse Angelegenheit. Schade. Wir alle hätten uns mehr Sonne verdient. Da half keine Esoterik und Spiritualität. Postives Denken und Schönreden waren fehl am Platz. Regen wurde vorausgesagt und Regen wurde es. Von den mehr als 1000 Angemeldeten, haben 559 das Ziel erreicht. Chapeau. Davon 45 Damen. 131 finishten auf der langen Distanz mit 169 km und 2.609 HM (123 Herren, 8 Damen), 246 auf der mittleren Distanz mit 106 km und 1.400 HM (229 Herren, 17 Damen) und 182 auf der kurzen Distanz mit 63 km und knapp 1000 HM (162 H und 20 Damen). Ich war selbstverständlich mittendrinn – nass – statt nur daheim. Natürlich auf der langen Distanz. Ich konnte mich einer extensiven Radwäsche nicht entziehen. Mein schwarzes Lenkerband ist jetzt wieder original weiß.
Eine solche Fahrt bei Regen schreit nach Pathos und Heldentum. Noch mehr Pathos und Heldentum aber verdient die Fahrt jedes Einzelnen (inklusive meine) durch die Tatsache, dass es für viele ein Einzelzeitfahren gewesen sein muss. Für mich war es eines. Verantwortlich dafür war natürlich das Wetter, aber auch wie eingangs erwähnt die Behörde. Diese mag und will keine großen Gruppen auf der Straße haben. Der Veranstalter ist also gezwungen, Ideen und Maßnahmen umzusetzen, die dies verhindern.
Mit sich allein auskommen. Mit sich allein ankommen.
Beim Eddy Merck Radmarathon erfolgte deshalb ein Start in Blöcken. Zeitversetzt. Block A, Block B, VIP, Block C und dann Block D. Ich war in Block C und bin 19 Minuten nach Block A und 10 Minuten nach Block B ins Rennen gegangen. Warum Block C? Bei der Anmeldung gab es drei Möglichkeiten: A) um den Sieg mitfahren, B) im 1/3 fahren, C) mitfahren, um Spass zu haben. Bescheiden wie ich bin, habe ich Variante C gewählt und bin somit in Block C gelandet. Obwohl ich mich für die lange Distanz angemeldet hatte. Und genau hier ist das Detailkonzpet versteckt. Die Behörde “untersagt” am Start Blockbildungen nach Distanz. Damit eben die Fahrerfelder nicht zu groß werden. Jakob Schmidlechner: “Sonst würden wir keine Genehmigung bekommen”. Keine Genehmigung heißt kein Radmarathon. So einfach ist das.
Am Start mischte sich also alles bunt und gut durch. Drei Distanzen und drei Anmeldemöglichkeiten. Dazu kam noch der Regen, welcher die Teilnehmerzahl auslichtete. Als dann noch der Sprecher den Block B auf die mittlere Distanz verabschiedete, war bei mir das Chaos komplett. Ich fragte ein wenig in die Runde und wollte wissen, wo ich überhaupt stehe und wohin der Rest des Blockes will. Keiner in meinem Umkreis, war süchtig nach der langen Distanz.
Regenerationstraining mit Betonung auf Regen.
Damit ist mein gesamter Rennverlauf in wenigen Sätzen zu erklären. Von den 169 km bin ich ganze 161 im Wind gefahren. Nicht einmal 10 FahrerInnen habe ich auf der Stecke überholt. VIPs ausgenommen, welche zwei Minuten vor uns gestartet sind und bereits am ersten Berg Richtung Thalgau eingeholt werden konnten. Ansonsten einen am Anstieg zum Gaisberg, einen auf der Abfahrt, vier mit blauer Block B Startnummer irgendwo im Nirvana, den Letzen der mittleren Strecke samt Schlussfahrzeug knapp 20 km vor dem Ziel und dann noch zwei oder drei am letzten Anstieg von St. Gilgen Richtung Fuschl. Die lange in meinem Windschatten fahrende Startnummer 3043 war leider auch nicht unbedingt gesprächig.
Zeitweise dachte ich mir, ich sei der Letzte, weil mich anfangs der Rettungswagen überholt hatte. Vor allem auf der Extra-Schleife nach Faistenau, Hintersee und eben hinauf auf Gaisberg. Sollten sich dort vielleicht eventuell ein paar Zusschauer verirrt haben. Sorry, habe euch aufgrund des Regens und des Nebels nicht gesehen. Die Brille war angeschlagen.
Die Menschheit traf ich nach dem Start erst wieder an der ersten Labestation. Ansonsten war es eine meditative Regenerationsfahrt mit Betonung auf Regen. Pulslos, wattlos, geschwindigkeitslos – Garmin und Wasser sind keine Freunde. Kilometer für Kilometer leider wenig Aussicht auf Aussicht. Ich vermute, die Landschaft um die 11 Seen (!) ist traumhaft schön.
Salzburgerland. Komm Rennrad fahren.
Für den Regen kann der Veranstalter nichts. Auch für die Auflagen der Behörden. Für das “mimimi” Getue mancher erst recht nichts. Im Gegenteil. Man ist hier gewillt, auch für die Zukunft weiterzuexperimentieren. Wenn aber am selben Tag, ca. 100 km Luftline entfernt auch ein Radmarathon stattfindet, dann wird das nicht leichter. Die Fuschlseeregion hat viel, was einen Radmarathon attraktiv machen kann. Das sind nicht nur die drei Strecken für Jedermann und Jederfrau. Und das ist nicht nur Eddy Merckx. Wer ganze 11 Seen auf einer Länge von 169 km verbinden kann, der hat etwas ganz Besonderes. Schon deshalb ist der Eddy Merckx Radmarathon eine Empfehlung wert.
Attraktiv ist der Eddy Merckx Radmarathon an sich ja schon genug. Gute Organistation, schnuckelige Location, attraktives Starterpaket, überschauliche Startgebühr, schmackhafte Labstationen, rennradfreundliche Hotelinfrastruktur, penible Streckenabsicherung, Rundumversorgung sind sehr gut. Für das i-Tüpfelchen ist aus meiner Sicht aber noch genug Luft nach oben. Ich hatte während der Fahrt viel Zeit nachzudenken und ein paar Ideen sind da diesbezüglich nicht ausgeblieben.
Wo liegt jetzt die Zukunft der Radmarathons in Österreich?
Diese Frage zu beantworten liegt mir fern. Auch weil ich am vergangenen Sonntag einen neuen Aspekt dieser gesamten Auflagen-Posse miterlebt habe. Ich wäre dafür, bei Radmarathons die offizielle Zeitnehmung zu streichen. Vielleicht eine Wertung für die ersten fünf. Gesamt und Altersklasse. Das braucht man wohl für die Medien und die Sponsoren. Für den Rest des Feldes sollte das gemeinsame Erlebnis zählen. Die Zeit hat sowieso jeder für sich auf seinem Garmin stehen. Platz 80 oder 112 ist doch vollkommen egal.
Wenn jetzt die Behörde hergeht und dieses gemeinsame Erlebnis kappt, weil sie nicht duldet, dass ein paar Rennradfahrer an einem ganz bestimmten Tag in größeren Gruppen eine selbst durch Steuergelder mitfinanzierte Straße samt deren Behörde (!) in Anspruch nehmen, dann wird es etwas langweilig. Dann brauche ich keinen Radmarathon mehr. Weil allein herumkrebsen kann ich auch ohne.
Der Reiz eines Radmarathons ist ja auch, einen Tag im Jahr in einer ganz bestimmten Region den Schutz der Exekutive und der Freiwilligen sowie den Vorrang zu genießen. In einer Gruppe. Da fährt es sich einfach leichter. Für mich allein, braucht sich kein Beamter an eine Kreuzung stellen, um den Verkehr zu regeln. Allein regle ich mir das schon selber.
ktrchts
PS: Ich komme wieder. Die Fuschlseeregion kann auch schönes und warmes Wetter.
[…] worden. Bei der gemeinsamen Ausfahrt habe ich durch Abwesenheit geglänzt. Ich war lieber mit Eddy Merckx unterwegs. Schnell wegfahren und noch schneller eingehen. Was sonst. Auf die Analyse bin ich schon […]
Super Bericht und den Problemen mit den Behörden ist nichts hinzuzufügen!
[…] in die Behördenfalle. Die einen haben schon aufgegeben, andere wiederum versuchen mit neuen Ideen Graubereiche […]
[…] aus King of the Lake, Mondsee 5 Seen Marathon, Race Around Austria und Eddy Merks Classic ist die Rennradregion SalzburgerLand-Salzkammergut nicht nur für Schnellfahrer*innen gedacht. Am […]
[…] Eddy Merckx Classic 2017 und der Rennradreise an den Fuschlsee 2018 wusste ich in diesem Moment, was hinter […]