Schlagwort: Produktpiraterie

Mein Selbstversuch als Produktpirat. Möge der Herr es mir verzeihen.

China Produkte im Test

Normalerweise unterstütze ich den lokalen Handel. Die Versuchung war aber nach vielen Jahren der totalen inneren Abwehr dieses Mal zu groß. Deshalb habe ich es getan. Als Selbstversuch. Ich habe bei aliexpress.com gestöbert und zugeschlagen. Einen Helm für $ 25, eine Brille mit 5 Ersatzgläsern für weitere $ 17 und zwei Carbon-Sättel um je knapp $ 20. Inklusive Versandkosten. Nicht irgendeinen Helm, nicht irgendeine Brille und nicht irgendwelche Sättel. POC Helm und Brille sowie prologo Sattel. Namhafte und nicht unbedingt günstige Weltmarken.

Aliexpress Originalkopien aus China.

Die Originalkopie aus China sieht zu 99,9% genau so aus wie der AVIP für € 260,- (Octal AVIP für € 360,-), die Brille der Blade AVIP für € 260,-. Inklusive Produktnamen und Markenzeichen (Markenkleber). Der prologo-Sattel ist auch kaum unterscheidbar von den originalen. Zumindest optisch.

Die Bestellung bei aliexpress.com ist ganz einfach. Konto anlegen, sich durch die zigtausend Produkte klicken, aussuchen und bestellen. Bezahlt wird mit Kreditkarte. Gleich nach Bestellaufgabe wird die Lieferzeit angegeben. An die 40 Tage auf dem normalen Seeweg. Flugzeug und Express kosten mehr. Nach der Bestellung bekommt man gleich die Bestellbestätigung und einen „Käuferschutz“, der lange genug gilt, um der Ware auch die Chance zu geben, bei einem anzukommen.

Was man bei aliexpress so alles bekommt ist erstaunlich. Beworben werden die Produkte dort mit Originalbildern der jeweiligen Marken. Ohne Rücksicht auf irgendwelche Fotorechte oder ähnliches. Mein Helm wurde sogar mit Fotos eines ProTour Teams mit POC Ausstattung beworben. Und die Preise? Jenseits von Gut und Böse. Billig. Frech. Dreist. Schamlos. Ich staunte nicht schlecht.

Lange Lieferzeiten.

Dann heißt es warten. So lange, dass man fast vergisst, eine Überraschung aus China zu bekommen. Wurscht. Hat ja nicht viel gekostet und außerdem gibt es einen Käuferschutz (Darauf wird man regelmäßig erinnert, bevor dieser ausläuft). Meine vier Pakete kamen sehr schnell. Relativ schnell. Schnell langsam. Ich schätze ca. 4 – 5 Wochen habe ich gewartet. Angekommen sind meine Bestellungen getrennt voneinander. Drei lagen vor meiner Haustür. Eine musste ich bei der Post abholen. Alle vier Produkte kamen ohne Schachtel. Gut verpackt. Luftdicht. Wasserdicht. Schwimmfest. Für den Fall einer titanicschen Tragödie.

Dann stehen sie da. Made in China. Billiges Zeugs aus irgendeiner riesigen „wirmachenallesnach“ Fabrik. Optisch ist die Ware mehr als ok. Der Hund liegt wohl im Detail. Um die mehr als € 200,- Preisunterschied zu rechtfertigen (sofern es eine plausible Rechtfertigung gibt). Da ich nicht weiß, wo und wie die Ware produziert wird, kann ich hier keinen Kommentar abgeben.

Der Helm hat ein ganz anderes Verschlussystem wie sein POC Vorbild. Besonders dilettantisch konzipiert sind die Gurtbandverteiler. Um den Helm passend zu machen, musste ich diese mit Textilkleber fixieren, damit sie nicht ständig nach unten rutschen. Clipsystem ist das keines. Ansonsten fällt auf, dass die Kleber kleiner und teilweise auch recht schlampig auf der Helmschale angebracht worden sind. Ein gewisses Sicherheitsgefühl bringt das CE-Zeichen Made in Photoshop. Tragbar ist der Helm auf alle Fälle.

Die Brille hingegen fühlt sich an wie eine Brille für € 17,-. Dieses Gefühl wird auch vom Glas verstärkt, welches sehr schmutzempfindlich ist. Im Outdoor-Test hat sich 14 Stunden nonstop bei den 24 Stunden Burgenland sehr gut überlebt. Da kann ich nicht meckern. Einige Tests davor ist sie mir schon ein paar mal angelaufen. Aber das hatte nichts mit der Brille zu tun. Die Ursache war die schweißegetränkte Mütze (hat auch meine Original UVEX Brille anlaufen lassen).

Wie sich die Sättel anfühlen, muss ich noch herausfinden. Tatsache ist, dass ich beide wohl etwas zu klein erworben habe. Sowohl in Länge als auch in Breite.

Fazit: Keine Ahnung wie aliexpress.com das macht. Der Kauf selber unkompliziert und mit allen Online-Shopping Raffinessen bestück. Ich unterstütze trotzdem weiterhin den heimischen Handel. Auch wenn ein POC Octal AVIP für € 360,- leider nicht meine Kragenweite ist. So weit geht mein Unterstützungswillen dann auch nicht. Ein Rückfall ist nicht auszuschließen.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #aliexpress #madeinchina

Was taugen China Carbon Rahmen? Mein Selbstversuch.

Chinarello „Prince“

Schon die Tatsache, dass ich ein so genanntes Chinarello fahre macht mich zum Sünder. Aber ich mache es für einen wissenschaftlichen Zweck. Und für die Allgemeinheit. Somit genieße ich Strafmilderung. Und ich kann jetzt absolut fundierter schimpfen. Über die Kopien und die Plagiate.

Tut mir leid, wenn ich all jene desillusionieren muss, welche so einen China Rahmen fahren. Im (falschen) Glauben, das sei eh dasselbe wie das Original. Weil es von derselben Fabrik kommt, weil dieselbe Backform verwendet wird, weil Carbon Carbon ist … Ach ja. Pinarello soll hier nur als Beispiel herhalten. Es werden ja auch andere Räder kopiert. Sie alle aufzuzählen würde diesen Blogbeitrag unnötig in die Länge ziehen.

Ich bin froh die Möglichkeit  gehabt zu haben, den direkten Vergleich anzutreten. Danke übrigens. „Bekommen“ habe ich einen China Carbon Rahmen – sehr ähnlich einem Pinarello Prince aus dem Jahr 2012. Könnte aber auch das erste Dogma sein. Ich tippe eher auf das Prince. Das Dogma war der Nachfolger vom Prince (mit einem 60HM1K Carbon) und war das erste asymmetrische Rad von Pinarello. Bestückt mit einer Dura Ace. Vorne 52/36 (Sram Kurbel mit Rotor Blättern) und hinten 11/29 (Miche Ritzelpaket). Der Aufbau des Rades vorbildlich. Da war ein Kenner am Werk.

Gespannt war ich, wie ich zum ersten Mal auf das Rad gestiegen bin. Für den „Test“ habe ich die selbe 150 km Runde gewählt, welche ich genau eine Woche zuvor noch mit der lädierten Princess of Pain (Dogma2) gefahren bin. Die Princess ohne High Heels. Mit Most Wildcat. Zuerst hatte ich natürlich mit der Sitzposition zu kämpfen. Und mit der Shimano Schaltung samt der Hörner. Massiv. Im Vergleich zum Ergopowerhebel von Campagnolo.

Was mir beim Rad sofort aufgefallen ist: es ist weicher. Der unmittelbare Umstieg hat diese Wahrheit gleich ans Licht gebracht. Und ich hatte das Gefühl, meine Kraft würde irgendwo verpuffen. Statt nach vorne, ging diese nach unten. In den Asphalt. Also immer wieder raus aus dem Sattel. In den Wiegetritt. Tempo machen. Geschwindigkeit aufnehmen. Mag wohl auch an den Laufrädern liegen. Shimano RS Eighty. Nicht unbedingt die steifesten Böcke. Aber wie gesagt. Der Vergleich zur Princess of Pain ohne High Heels.

Komfort. Das ist wohl die passendste Beschreibung für den China Rahmen. Ein klassisches Granfondo Rad. Nicht so bockig und steif wie ein Original. Dafür bandscheiben- und steißbeinschonender. Womit wir auch die Zielgruppe für so ein Rad gefunden hätten. Wer also von einem Alurad auf ein Carbon umsteigen will. Achtung. Das ist keine Kaufempfehlung. Denn mit dem Erwerb eines Chinarello macht man sich eigentlich strafbar. Außer … (ist ja kein Geheimnis).

Einen markanten Unterschied habe ich auch beim Steuern des Rades bemerkt. Mir nichts, dir nichts bin ich mit guter Geschwindigkeit Kette rechts langgezogene Kehren bergab gefahren. Im Kurvenscheitel beim Einlenken habe ich gemerkt, wie das Rad hinten weggeht, ich musste die Kurve aufmachen und bin auf die Gegenfahrbahn gekommen. Am Kurvenausgang. Wegen der Laufräder? Es war trocken. Und die Schwalbe Ultremo sicher nicht am Limit. Wegen des weicheren Rahmens? Ich sage als Laie mal ja. Ich musst mein Kurvenverhalten neu einstudieren.

Fazit: Ich habe die ersten 150 km überlebt. Das Rad auch. Also Entwarnung. Fast dieselbe Strecke (150 HM weniger), selber Schnitt und selbe Freude am Treten. Auch wenn diese erst im Wiegetritt voll zur Geltung gekommen ist. Hier bin ich auch dem Geschwindigkeitsrausch verfallen.

Und noch ein paar Unterschiede. Chinarello Rahmen kommen nur mit BSA Gewinde. Campagnolo Fans sind also nicht unbedingt gefährdet. Das von mir gefahrene Modell hat im Unterschied zum Original einen Umwerfer mit Schelle. Nichts gelötetes. Mittlerweile können das die Chinesen auch schon. Asymmetrie dürfte es auch keine geben. Interessant wäre zu wissen, welcher Carbon verwendet worden ist. Die Originale haben den Torayca® 60HM1K (das sind 60 Carbonfäden auf ein cm2). Denn das wird wohl das Geheimnis sein. 

Für mich gibt es eindeutig einen Unterschied. Und wenn dieser nur im Kopf ist. Von dort geht er in die Beine 😉

Und noch was: 52/36 und 11/29 ist perfekt. In der Ebene zu richtig zu Bolzen und am Berg nicht zu verhungern. Da geht echt was weiter.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#faceyourpassion