Schlagwort: Radausfahrten

Radausfahrten mit ihm. Heikel von Anfang an.

Radausfarhten

Radausfahrten mit ihm beginnen für mich beim ersten Blick aus dem Fenster. Bewegen sich die Äste der Bäume in unserem Garten? In welchen Abschnitten? In welchem Rhythmus? Wie schnell ziehen die Wolken? Dann öffne ich die Terrassentür. Trete hinaus. Prüfe die Lufttemperatur. Händisch. Indem ich mich auf die Zehenspitzen stelle und einen Arm weit nach vorne strecke. Er beobachtet mich dabei. Manchmal lächelt er mild. Fallweise rauft er sich seine imaginären Haare. Gelegentlich sagt er, ich ticke nicht richtig. Ich erkläre ihm dann, dass das normal sei. Dass ich eine ganz normale Frau sei.

Wohin und wie lange. Mehr will ich ja nicht wissen.

Während des Frühstücks checke ich dann die Windrichtung. Mittels Windfinder. Was um alles in der Welt ich mit dieser dämlichen Surferapp wolle, zischt er dann gereizt. Dann beginnt die Routenplanung. Also meine. Wohin fahren wir, frage ich. Er wisse es nicht, seine Antwort. Wie viele Kilometer fahren wir, meine zweite Frage. Das würden wir alles sehen, seine Antwort. Ich solle mich einfach nur aufs Rad setzen und fahren. Und nicht so viele Fragen stellen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beginnt die Diskussion. Wohin und wie lange. Mehr will ich ja nicht wissen.

Ich erkläre ihm dann, dass es normal sei, Fragen zu stellen. Dass ich mich schließlich im Geiste darauf vorbereiten müsste. Schließlich mache es ja einen Unterschied, ob wir 60km oder 100km fuhren, ob wir viele Höhenmeter machten oder wenige. Für ihn mache das keinen Unterschied. Und ich solle mich nicht so anstellen. Ich solle nicht immer so eine Prinzessin sein. Ich solle die Herausforderung des Ungewissen annehmen.

Radausfahrten.

Geschmäcker sind nicht immer verschieden.

Radausfahrten mit ihm beginnen bei mir.

Spätestens in diesem Moment beschleicht mich der Verdacht, dass er ganz genau weiß, wohin wir fahren. Dass er die Route vermutlich schon am Vorabend geplant hat. Dass er sie vermutlich schon auf seinem Garmin abgespeichert hat. Und dass er mich schlicht und einfach nur ärgern will. Dass er es genießt, kurzzeitig ein bisschen Macht über mich zu haben. Also beende ich die Diskussion. Mit einer letzten Frage. Was ziehst du an?

Natürlich bekomme ich auch darauf nicht die Antwort, die ich mir gewünscht habe. Ich gebe auf. Ringe mit mir. Ich könnte mich auch einfach alleine aufs Rad setzen. Tue ich dann aber doch nicht. Schließlich ist Wochenende. Zeit für Beziehungspflege.

Ich ziehe mich also an. Langsam. So kann ich ein bisschen von ihm abschauen. Seine Hose. Die sommerliche oder die gefütterte? Sein Trikot. Kurz oder lang? Blau, magenta, gelb, grau, weiß oder schwarz? Knielinge? Beinlinge? Ärmlinge? Ganz unauffällig natürlich. Manchmal ziehe ich mich zwischenzeitlich auch um. Ich habe ja genug Auswahl. Und er hat inzwischen nicht nur Zeit, sich zu ärgern, sondern auch gleich mein und sein Rad aus dem Keller zu holen. Und aufzupumpen. Eventuell. Und Trinkflaschen zu befüllen. Unter Umständen. Und vor dem Haus in der Kälte oder in der Sonne auf mich zu warten. Zumindest ein bisschen. Bis ich Prinzessin fertig bin. Ohne mich fährt er ja sowieso nicht weg. Gemeinsam ist es viel spannender.

laktrchs