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Rund ums Burgenland. Chroniken einer Schnapsidee.

Rund ums Burgenland

Eine lange Rennradreise rund um Eisenstadt war gestern. Eine etwas längere rund ums Burgenland hingegen lebt aktuell noch nach. Es ist als würde ich noch am Rad sitzen. Mit müden Beinen und einem Dauerhunger ist an einen normalen Alltag noch nicht zu denken. 575 km in zwei Tagen, dazu 5.400 Höhenmeter bei einer Affenhitze steckt mein 50+ Körper nicht mehr so leicht weg. Also: rund ums Burgenland war eine Schnapsidee. Anders formuliert, eine ziemlich geile. Kann man machen, muss man nicht, macht man aber trotzdem.

Radlummadum gegen den Uhrzeigersinn.

Es wäre egal gewesen. Im oder gegen den Uhrzeigersinn. Denn einen Sinn ergeben solche Aktionen kaum. Vielleicht eher noch das Kennenlernen eines Bundeslandes, welches man in den letzten Jahren ins Herz geschlossen hat. Rund ums Burgenland war nicht geplant. Jedoch war es eine logische Schlussfolgerung. Geboren, um den längsten Tag im Jahr am Rad zu verbringen. Zuerst als eine feine Runde zu allen Burgen des Burgenlandes (und das sind einige) und dann als Tag- und Nachtchallenge „Burgenland-Radlummadum“. Weltuntergangsstimmung zur Sommersonnenwende hat diese Pläne leider (oder zum Glück) durchkreuzt. Wenngleich der Plan B schnell gefunden war. Was man in einem Tag nicht machen will, muss man locker in zwei Tagen schaffen.

Rund ums Burgenland

Inspiriert durch das Austria Race Across Burgenland, war die Tourplanung auch dank komoot kein wirkliches Problem. Was wiederum nicht ganz stimmt. Denn die Planung selbst ist eine Sache. Das Wissen um die Fahrbarkeit einzelner Streckenabschnitte eine andere viel wichtigere. Diesmal habe ich bei der Routenplanung nämlich den Fehler gemacht, komoot die Freiheit zu geben, die von mir geplante Tour zu „optimieren“. Ohne zu wissen, was komoot unter Optimierung verstehen würde. Das Ergebnis waren teils Rampen, die jede*r Rennradfaher*in so freiwillig nie fahren würde und Schotterpassagen, die den „Strade Bianche“ um nichts nachhingen. Ich habe nicht gewusst das ClimbPro von Garmin neben dunkelrot für steil eine noch dunklere Farbe für burgenländische Rampen im Programm hat.

Spätestens beim Anstieg von Stuben nach Dreihütten hatte die Runde gegen den Uhrzeigersinn ihren mehr als berechtigten Sinn. Diesen Streckenabschnitt bergab zu fahren wäre lebensmüde gewesen. Egal. In Zukunft komoot ja, aber mit Vorbehalt. Vertrauen ist gut, selber planen ist besser.

Zweigeteiltes Burgenland.

Niederösterreich, Steiermark, Slowenien, Ungarn und Slowakei. Das Burgenland hat viele Nachbarn. Und es ist zweigeteilt. Flach, nein ziemlich flach und hügelig, nein ziemlich buckelig. Ziel war es, auf der Radlummadum-Tour, die Nachbarn nicht zu besuchen, sondern möglichst nahe an deren Grenze zu bleiben und dieser zu folgen. Nicht, weil wir unfreundlich waren bzw. sind, sondern weil das die Philosophie eine Umrundung ist. Teilweise passte auf der Route kein 25 mm breiter Reifen zwischen hier und dort hinen. Die Straßen waren die Grenzen und die Grenzen waren allgegenwärtig. Ebenfalls die Grenzsteine, die Grenzübergänge und die Grenzsoldaten des Bundesheeres. Kalch, Bonisdorf, Deutsch Schützen, Kölbereck, Rattersdorf, Eisenberg, Lutzmannsburg, Kittsee, Nickelsdorf, Nikitsch, Deutschkreutz – früher ging hier der Eiserne Vorhang vorbei oder sogar mitten durch.

Drei Ausnahmen haben wir hinnehmen müssen. In Loipersdorf verirrten wir uns kurz auf steirisches Hoheitsgebiet und zwischen Deutschkreutz und Pamhagen haben wir uns durch das Nachbarland Ungarn geschlichen, um das Nadelöhr Sieggrabner Sattel zu vermeiden bzw. nicht doppelt fahren zu müssen. Aber auch um uns eine Schifffahrt über den Neusiedlersee zu ersparen. Zum Ende hin haben wir auch noch Niederösterreich betreten. Wir haben uns die „Hölle des Ostens“, ergo Panzerstraße ersparen müssen und wollen. Das wären epische 3,8 km Kopfsteinpflaster gewesen.

Radwege und Rennradstraßen.

Das Burgenland hat viele Radwege und das Radnetz ist teilweise gut ausgebaut. Über den Zustand der Radwege kann man gerne diskutieren. Denn wie mir ein Landwirt schon einmal versucht hatte zu erklären, sind Radwege im Burgenland oft keine Radwege, sondern landwirtschaftliche Güterwege, die Radfahrer benutzen dürfen. Mit Betonung auf „dürfen“ – Nachrang inklusive. Landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge und Räder teilen sich dort das Nutzungsrecht, den Dreck, den Schotter, die Schlaglöcher und die Mopedautos sowie die Einheimischen.

Alle Radwege zu kennen ist unmöglich. Einige zu erwischen schon. Uns hat es die Paradiesroute Südburgenland angetan. Sie verfolgte uns und wir folgten ihr. Auch im Norden sind wir teils auf feine und grobe landwirtschaftliche Güterwege ausgewichen. Zum Beispiel zwischen Parndorf und Bruckneudorf, einer der Sorte fein. Ansonsten hatten wir Vorliebe für die Nebenstraßen. Diese sind im Burgenland von Haus aus ruhig und verkehrsarm. Außerdem sind sie im Optimierungsalgorithmus von komoot.  Wenngleich auch nicht immer nützlich und förderlich. An den Wochenenden ist das Burgenland abseits der touristischen Hotspots und Wiener Enklaven sowieso wie ausgestorben.

Besonderes Highlight war ein neuer Radweg zwischen Fertöd und Pamhagen. Eine wunderbare zweispurige Autobahn. Dass man sich von den Ungarn in Sachen Straßenbau etwas abschauen kann, hat mich sehr überrascht.

Die Sonnenseite Österreichs.

Das Burgenland ist während unserer Rennradreise seinem Schlachtruf als Sonnenseite Österreichs, mehr als gerecht geworden. Zwei Sommertage der Superlative. Mit täglich 14 Stunden Sonnenschein und Temperaturen jenseits der 30°. Deshalb waren wir teilweise froh, uns bewegen zu müssen. Denn kaum gestanden sind unsere Cleats mit dem Asphalt verschmolzen. Aus diesem Grund haben wir  Wirtshäuser, Wasserstellen und Tankstellen geplündert. Es gab Toast, Twinna, 0,0 % Radler, Bifi roll, Haribo Gummibärchen und jede Menge kühle Getränke. Das kalte Wasser in unseren Trinkflaschen wurde dann binnen weniger Minuten zu Kochwasser. Die ewigen Geraden im Seewinkel verschärften die Situation und waren für die Psyche keine wirkliche Hilfe. Wie damals am Mont Ventoux.

Ich weiß nicht, was anstrengender war. Die 324 km und die 4.000 Höhenmeter vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang am ersten Tag oder die Monotonie der pannonischen Tiefebene am zweiten. Auf alle Fälle war es die Reise wert. Wir haben ein paar neue Flecken Burgenland entdeckt und einige Straßen mit dem Rennrad wohl entjungfert. Weiters sind wir Rampen gefahren, die wir freiwillig nicht mehr fahren müssen. Und wir haben den burgenländischen Rennradsommer mit weit offenem Trikot genossen. Visit Burgenland haben sie gesagt. Wir haben das Burgenland umrundet.

Zahlen, Daten, Fakten.

Rund ums Burgenland: 575 km und 5.430 Höhenmeter
Start Eisenstadt: 27.6.2020 0500 Uhr
Ankunft: Eisenstadt: 28.6.2020 1900 Uhr
Zwischenstopp: Großpetersdorf Gasthof Wurglits

Tag 1: 324 km und 4.030 Höhenmeter
Tag 2: 251 km und 1.400 Höhenmeter

Südlichster Punkt: Kalch
Nördlichster Punkt: Kittsee

Grenzen: Niederösterreich, Steiermark, Slowenien, Ungarn, Slowakei

Highlights: Pilgersdorf – Kogl/Redschlag, Stuben – Dreihütten, alles rund um Kalch, Langlaufloipe in Deutsch Kaltenbrunn, das Cafe Tankstöl in Pilgersdorf, alle Wasserstellen allen voran jene in Pama (Bijelo Selo), ein Off-Grid Abschnitt (dank komoot) zwischen Aschau und Pinkafeld bei der Valtlmühle und ein Wiener Autofahrer (Lancia Delta Kennzeichen W-120xx Y) der meinte er müsse sonntags gegen 1900 Uhr im Ortsgebiet Schützen Uhr vier Radfahrer*innen ins Jenseits befördern.

Danke an alle, die mitgefahren sind und an die Tagesbegleiter. Ein besonderes Dankeschön auch an Melitta für den Gepäcktransport. 🎒

Fotokredits: Siggi, Manuel, Andreas, Ariane, Roman, dieKetterechts

ktrchts
#machurlaubfahrrennrad

PS: Dieser Blogbeitrag ist keine Werbung fürs Burgenland. Wieder einmal sind keine Millionen geflossen und auch keine Sachbezüge übergeben worden. Schade eigentlich. Ich denke, ich hätte es mir verdient.

quaeldich.de Schweiz Rundfahrt. Tag 2.

Die Schweiz ist bergig. Ziemlich bergig. Das habe ich heute persönlich erlebt. Tag zwei der Schweiz Rundfahrt ging über den Grimselpass (2.164m) und dem Furkapass (2.436m). Erster mit 26 km Steigung und zweiter mit einer in den Gletscherfels gemeiselte Straße.

Die Schweiz hat auch schlechtes Wetter. Ziemlich schlechtes. Auch das habe ich heute persönlich erlebt. Vom Start weg Wasser. Von oben und von unten. Erinnerungen an die Tauernrundfahrt 2014 wurden wach. Wir haben umsonst auf Wetterglück gehoft. Als ob ich es ahnte bin ich gleich im „bad weather“ Modus weggefahren. Das war eine gute Entscheidung.

Nach dem Start in Interlaken ging es einmal ca. 30 km entlang des Brienzersees. Zum Einrollen. Und zum Wasscherschlucken. Das Wasser des Vordermanns. Die Stimmung war noch halbwegs gut. Bei Meiringen (bekannt als Startort für den Alpenbrevet) ging es das erste mal leicht bergauf – die Aareschlucht galt es zu bezwingen. Ein Kinderspiel. Gleich waren wir in Innertkirchen. Die Auffahrt auf den Grimselpass beginnt hier. 26 km und jede Menge Höhenmeter.

Die Straße ist anfangs nicht wirklich steil, aber der Regen und das feuchte Wetter hat uns schon zugesetzt. Die Auffahrt auch nicht wirklich spektakulär. Aber je weiter man nach oben kommt, desto beindruckender wird es. Schade um die schlechte Sicht. Besonders imposant sind die Umfahrungen der Tunnels. Es geht teilweise auf Kopsteinpflaster hoch. Auf einer Trasse, die in den Fels hineingeschlagen worden ist. Ca. 7 km vor dem Pass stellt sich die große Staumauer des Grimselsees auf. Spätestens jetzt weiß man, wie hoch man noch muss. Spätestens auf Höhe der Staumauer weiß man, dass man noch nicht oben ist. Es gibt noch etliche Stufen oberhalb des ersten Sees und des Grimsel Hospitz. Die Landschaft karg und grau. Ich wiederhole mich. Schade um die verpasste Rundumsicht.

Die Straße windet sich dann noch ein paar Kehren nach oben. Man muss ja noch Höhenmeter machen. Wir bekommen es mit dem Wind zu tun. Feucht und windig. Eine perfekt Kombination. Aufgrund des schlechten Wetters wurde die Verpflegung nach Gletsch verlegt. So war ich oben am Pass ohne der Möglichkeit mich umzuziehen. Kurz noch ein Foto und die Erkenntnis, dass es da oben noch einen See gibt (der war im Nebel verschwunden) und runter nach Gletsch. Im Blindflug. Dichter Nebel. Eine mir unbekannte Straße. Herrlich. 60 km/h und russisches Roulette. Denn irgendwo, irgendwann wird eine Kehre kommen. Und sie kam. Plötzlich. Ich schaffte jede. Fast in Ideallinie.

Ein kleines Sonnenfester tat sich auf und ich konnte die Straße auf den Furkapass erkennen. Auf der gegenüber liegenden Bergseite. WTF. Zuerst aber Verfplegung in Gletsch. Und umziehen. Ich lasse mir noch erklären, wo es denn hingeht, wenn man weiterfahrt. Hinunter. Nicht hinauf. Es geht nach Ulrichen. Von dort könnte man den Nufenen Pass fahren. Um dann hinunter ins Tessin zu kommen. Aber wer will das. Da ist es vielleicht warm und schön.

Ich hatte wieder trockene Kleidung. Was aber den Schüttelfrost nicht unterbinden konnte. So schäumte mir die Cola im Glas, weil ich es zu sehr schüttelte. Auch das Tippen von Facebook Postings ging nicht ohne Tippfehler. Also nichts wie weg und rauf. Knapp 10 km und 800 HM. Zuerst zeigt sich der Furkapass gnädig. Über 4 Kehren wurde Höhe gewonnen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Berges die Abfahrt vom Grimsel. Im Nebel. Eine lange Rampe bis hinten in den Berg war auch locker gemeistert. Doch dann erhebte sich die gesamte Straße mächtig. Kehre für Kehre. Insgesamt 8. Vorbei am Hotel Belvedere und an den Resten der ehemaligen Gletscherzunge des Rohne Gletschers. Anscheindend reichte dieser in seiner Glanzzeit bis nach Sion (frei zitiert). Der Furkapass selber besteht aus einem Passchild, einem verkommenen Häuschen und einem weißen Zelt. Hier werden schweizer Spezialitäten verkauft.

Wir fuhren weiter. Hinunter. Zuerst bei fast Sonnenschein. Dann bei Nebel und Sichtweiten unter 30 Metern (siehe auch Foto oben). Zum Glück gab es immer wieder ein paar Autos, dessen Lichtscheine mit den Weg zeigten Dann stoppte mich ein Bus. Nur mehr bremsen? Nein. Ich habe diesen in einer Linkskurve ausgetrickts. Realp. Die Rettung. Es wurde etwas heller. Dafür windiger. Die letzten 9 km bei bissigem Gegenwind. Hurra. Wir erreichten trotz allem Andermatt. Ende aus. Tag zwei ist geschafft.

Übringens: Am Furkapass wurden Szenen für James Bond 007 Goldfinger gedreht.

Fazit: Geile Gegend. Mit vielen klassischen Pässen. Grimselpass. Furkapass. Sustenpass. Nuefenenpass. Oberalppass (fahren wir morgen – direkt nach dem Frühstück) und Lukmanier. Empfehlenswert als Traininglager. Mit Basecamp in Innertkirchen oder Meiringen. Leider war das Wetter nicht fototauglich und rennradfreundlich.

Fazit 2: Das erste mal mit Garmin Track gefahren. Coole Sache. Natürlich habe ich den virtellen Partner besiegt.

Morgen Monsteretappe. 160 km und über 3.000 Höhenmeter. Oberalp und Albula. Wetterprognose etwas besser. Dafür Mittwoch wieder Scheiße. Da habe wir ja eh nur die Königsetappe.

Stay tuned
Cristian Gemmato aka @_ketterechts