Längst bin ich wieder zurück vom Gardasee. Teile von mir sind aber noch in der Gegend um Desenzano del Garda verstreut. Am See und in den Bergen. Sie haben das Colnago Cycling Festival nicht überlebt. Mein Sattel, meine GoPro, Teile meiner Schaltung und meine nagelneue Caomuflage Radhose. Ruhet in Frieden. Die 159 km Schleife der Granfondo waren also nicht unbdingt ein netter Familienausflug nach Italien. Auch wenn ich mit der Leistung halbwegs zufrieden sein kann. 30,7 km Schnit bei knapp 2.000 Höhenmeter auf 159 km.
Gardasee: Das schönere Rennradfahren.
Die Vorzeichen standen schon mal besser. Mit einer nicht ganz einwandfreien Waffe bin ich angereist. Ganze 8 Stunden Autofahrt. Zwischen Stau und ewigen Geraden. Einziger Lichtblick der „Autogrill“. Ja, jener, der quer über die Autobahn gebaut ist. Kindheitserinnerung. Dazu kam noch ein Navi, welches mich in Verona Sud von der Autobahn gelotst hatte. Obwohl 20 km weiter die Autobahnausfahrt „Desenzano del Garda“ für mich vorgesehen wäre. Ich habe mich also verarschen lassen und bin in der Industriezone von Verona im Kreis gefahren, bevor ich mich wieder auf meinen Instinkt verlassen habe und über Peschiera endlich unser Quartier erreichen konnte.
Vom Hunger geplagt haben wir gleich eine Pizzeria aufgesucht. Die nächstbeste auch betreten. War nicht ganz nach meinem Geschmack. Pizza die nicht aus dem Holzofen stammt, darf es in Italien nicht geben. Fader Geschmack. Es fehlte der Duft der „pomodori“ und der „mozzarella“. So eine Pizza kriege ich überall auf der Welt. Italienische Pizzas müssen mehr können. Bekanntlich ist der Hunger aber der beste Koch.
Ganz schön viel los beim Colnago Cycling Festival.
Die Pizza war schnell weg und die Stimmung halbwegs wieder in Ordnung. Samstag morgen. Italienische Frühstück. Mit Cappuccino aus dem Automaten. Mein Gott. Italien ist nicht mehr das Italien. Zum Glück waren die Brioches ganz nach meinem Geschmack. Gestärkt ging es mit dem Rennrad auf Erkundungstour. Zuerst rein in die Ortschaft und dann auf der Originalstrecke, entlang einer traumhaften Landschaft mit Blick zum See bis nach Salò. Am Hafen gab es dort einen echten Cappuccino. Für € 1,90. Viva l’Italia del caffè. Am liebsten wären wir dort sitzen geblieben.
Der Berg hat uns aber gerufen. So war die Weiterfahrt nach Riviera del Gardone und anschließend die Auffahrt nach San Michele eine logische Schlussfolgerung. Rauf ein Genuss. An die 5° Steigung waren es im Schnitt. Das Unheil machte sich aber jetzt schon bemerkbar. Meine Schlatung mit Shimano Schaltseil und No-Name Bowdenzug zickte gewaltig. Die Notlösung erwies sich als falsch. Da musste was gemacht werden.
Starke Nerven und gute Bremsen.
Die Abfahrt zurück war ein sehr gutes Training. Steil und spitz. Die Kehren haben es hier in sich. Man hat das Gefühl gleich im See zu landen. Dazu noch Schlaglöcher. Arme Carbonfelgen. Wir haben es aber alle überlebt und rauschten zurück nach Desenzano.
Am Weg ein kleiner Disput mit einem italienischen Autofahrer, der uns (mich) mehr gedrängt als überholt hatte. Natürlich musste ich ihm meinen Unmut deutlich zeigen. Auf italienisch mit den Händen. Prompt blieb das Auto stehen. Der Fahrer stieg aus. Ich hielt an. Und wir fingen an zu diskutieren. „Glaubst du ich fahren 20 km hinter dir her, nur weil du hier einen Sonntagsausflug mit dem Rennrad machst?“ Ich „Ja, das ist eine Pflicht. Oder willst du mich umbringen.“ Darauf der Fahrer „Das ist dein Risiko, wenn du Rad fährst.“ Mehr hat es nicht gebraucht. Das Gespräch ab jetzt nicht mehr jugendfrei. Ich bekam die Drohung, nicht mehr vom Rad steigen zu können. Ich zog den Kürzeren, klopfte dem Autofahrer auf die Schulter und wünschte ihm eine angenehme Weiterfahrt.
Vor dem Rennen ist vor dem Essen.
Zurück in Desenzano. Den Rest des Tages haben wir dann bei der Startnummerabholung und in der Expo Zone verbracht. Fast hätte ich mir beim Shimano Stand, meine Campagnolo Schaltung anschauen lassen. Fast. Eine kleine Strandbar, 30° und ein Corona Extra gaben uns dann den Rest. So darf Rennradfahren sein.
Italien ist auch Essen und Eis. In unserem Fall auch Colnago Räder. Ja. Ich als Pinarello Jüngling hatte auch ein Auge für die Colnagos. Besonders für das C60 mit Campagnolo Disc Brake. Wobei die Ravioli mit Sesam in Butter geschwenkt leistbarer waren. Sehr gut im Geschmack obendrauf auch noch. In der Trattoria Alessi. Kann ich empfehlen. Essen ein Traum. Pizza bitte trotzdem woanders bestellen. Ein rießengroßes Eis rundete den Abend und die Nacht ab.
Im Hotel wurde dann noch von Chefmechaniker Alex die Campagnolo Schlatung gecheckt. Mit mäßigem Erfolg. Raufschalten ok. Runterschalten Scheiße.
Das Rennen. Oder mein Ausflug in die Berge.
Das Rennen selber lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen. Sauschnell (für mich) und schmerzhaft. Circa bei km 18 hat es „knack“ gemacht. Sofort hatte ich die richtige Vermutung. Bin aber weitergefahren. Bis in den ersten Berg. Stutzig hat mich die Tatsache gemacht, dass ich beim Aufstehen aus dem Sattel jedes mal irgendwie daran hängen geblieben bin.
Im Anstieg stieg ich kurz vom Rad und meine Befürchtung bestätigt sich. Sattel gebrochen. Made in China. Destroyed in Lago die Garda. Sofort tritt Plan B in Kraft. Ins Ziel kommen. Die gesamte Steigung fahre ich sitzend. Oben bei der ersten Labe versuchte ich eine technische Assistenz zu checken. Vergebens. Runter nach Salò. Weiter zum zweiten Berg. Es lief trotz allem ganz ok. Abgesehen vom Sattel und der Schaltung. Am Berg konnte ich nur 34/27 fahren. Alle anderen kleineren Gänge blieben nicht drinnen.
Zweite Labe. Ich fand zwei Motorradfahrer und fragte nach Klebeband. Wir gingen zum Motorrad und ich fing an zu kleben. Sofort kam ein Fotograf. Und hielt alles fest. Auch meine Startnummer, meinen Namen und den Namen des Geschäftes, wo ich den Sattel gekauft haben soll. Ich gab Auskunft. Und alle lachten. Mit Kabelbinder befestige ich alles noch zusätzlich.
Aus Plan B wurde dann doch wieder Plan A.
Ich fuhr weiter. Der Gedanke den „percorso medio“ zu fahren schwindet. Ich wollte das jetzt durchziehen. Wenig Später auf einer Geraden in der Gruppe bei über 40 km/h erwischte ich eines der vielen Schlaglöcher. Durch die Wucht, brach die GoPro Halterung am Lenker. Die Kamera löste sich und fog. Der Aufschlag am Asphalt und das Abrollen dieses Plastikteils. Was für Schmerzen. Ich musste stehen bleiben, zurückfahren und das einsammeln, was noch da war. Die schnelle Gruppe natürlich weg.
Weiter ging es trotzdem. Km 93 Abzweigung. Ich nehme den „percorso lungo“. Es folgt der fadeste Teil der Stecke. 18 km geradeaus Richtung Westen mit Gegenwind. Durch die Vorfälle hatte ich vergesen zu essen und meine Trinkflasche zu füllen. Hunger, Durst und Krämpfe begleiten mich bis in den letzen Anstieg und über den Berg. Wasser aus einem Brunnen fühlte sich an wie ein 5 Sterne Menü. Highnoon hinauf zum Castello. Km 125. Labe. Das künstlichste Crossaint aller Crossaint mit Marillenmarmelad ein Highlight des Tages. Zuckerschock Deluxe. Nach 500 ml Cola ging es weiter. Das Ende nahte.
Sonne, See und Rennrad.
Auf den letzten Kilometern wurde es nochmals spannend. Eine Gruppe Italiener glaubte für Mario Cipoollini den Sprint anziehen zu müssen. 20 km vor dem Ziel. Das Tempo war jetzt höllisch. Im Flachen. Sobald sich die Straße aber etwas Richtung oben hob, wurde herausgenommen. Gut. Ich wusste,wer mich Heim bringt. Nach 5h10min inklusive aller Klebepausen war ich dann auch wieder zurück.
Colnago Cycling Festival 2017. Erstens kommt es anders, und zweitens wird viel kaputt. Für den 16.7. habe ich mich deswegen für den Granfondo Pinarello angemeldet. Rennradfahren ist Italien ist cool. Wenn man die aggressiven Autofahrer ausblendet. Und von denen gibt es mittlerweile viele. Vom Essen ganz zu schweigen. Buon appetito.
ktrchts
PS: Details zur Strecke hier