Schlagwort: Konflikt

Autofahrer gegen Rennradfahrer. Der Kalte Krieg.

Autofahrer gegen Rennradfahrer

Autofahrer gegen Rennradfahrer. Ein kalter Krieg, der kaum mit rationalen Argumenten geführt werden kann. Zu viele Missverständnisse sind der Zünder vieler vermeidbarer Konflikte. Dabei wäre alles geregelt. Einerseits durch den § 68 der StVO (Österreich), andererseits durch den leider kaum gelebten respektvollen Umgang miteinander. Aber warum haben die Rennradfahrer*innen immer die Arschkarte? Weil sie doch öfters im Recht sind (öfter als so mancher Autofahrer glauben mag), trotzdem aber immer im Nachteil bleiben. Gegen ein Auto, einen Autobus, einen Traktor, ein Motorrad oder einen Traktor haben Rennradfahrer*innen auf gut wienerisch kein Leiberl.

Fehleinschätzungen als Konfliktherd.

Größter Konfliktherd im ungleichen Kampf Autofahrer gegen Rennradfahrer sind Fehleinschätzungen. Gefolgt von Handlungen, die unnötige Gefahr erzeugen und ganz einfach vermieden werden können. Über Präpotenz, Rechthaberei und bewusste Missachtung sei hier einmal bewusst abgesehen.

Ganz schnell noch Radfahrer überholen.

Die wohl unnötigste Aktion. Wenn Autofahrer (stellvertretend für andere motorisierte Teilnehmer) vor einer Kreuzung, einer Ampel oder eines Kreisverkehrs uns Rennradfahrer noch schnell überholen, um uns dann frech auszubremsen und zu behindern. Sinnlos, riskant und vor allem unnötig. Kettenreaktion nach hinten? Hat man in Autofahrerkreisen wohl nie gehört.

Autofahrertipp: Einfach etwas mehr Geduld aufbringen.

Geschwindigkeit der Rennradfahrer.

Autos wollen uns müssen zu uns auf die Straße. Von links und rechts kommend. Seitenstraßen, Ausfahrten, Parkplätze … Die Geschwindigkeit mit der wir uns annähern wird dabei gerne falsch eingeschätzt. Bei 30 km/h legen wir 8,33333 m/Sekunde zurück. Bei 35 km/h sogar knapp 10 m/Sekunde. Da ist eine vermeintliche Lücke schnell geschlossen und wir näher den Autos als uns lieb ist.

Autofahrertipp Rennradfahrer wie Autos behandeln. Einfach warten.

Seitlicher Abstand.

Ich liebe es von Seitenspiegeln sanft berührt zu werden. Was vielleicht als Zärtlichkeit mir gegenüber gesehen wird, ist in Wirklichkeit Körperverletzung. Es ist einfach Fakt, dass zwei Autos und ein Rennrad gemeinsam auf gleicher Höhe auf der Straße viel zu wenig Platz haben. Das geht sich noch aus, ist eine sehr gefährliche Selbsteinschätzung. Und leider auch eine Fehleinschätzung.

Autofahrertipp: Zum Überholen einfach gegenüberliegende Fahrbahn benutzen. Und wenn diese besetzt ist, warten.

 

Luftströme und Verwirbelungen.

Nicht jede*r Autofahrer *in ist Physiker*in. Schade. Das könnte dazu beitragen, Risikosituationen zu vermeiden. Jedes Auto schiebt nähmlich ein Luftpolster vor sich her. Je größer das Auto und je höher die Geschwindigkeit, desto größer das Luftpolster. LKW haben das größte Luftpolster. Logisch. Fahren wir mit dem Rennrad so einem Fahrzeug entgegen oder überholt es uns, bekommen wir es genau mit diesem Luftpolster zu tun – oftmals eine Mauer. In Kombination mit dem Wind kann das zu einigen gefährlichen Turbulenzen und unwirtlichen Watschen führen. Dazu kommt noch, dass hinter einem fahrenden Fahrzeug Luft-Vakuum herrscht. Mit demselben Effekt je nach Geschwindigkeit und Größe des Fahrzeuges. Luft die geschoben wird bremst, Luft die fehlt, saugt – alles in allem der perfekte Schüttel- und Rüttel-Mix.

Autofahrertipp: Geschwindigkeit reduzieren.

Geschwindigkeit und Abstand

Eine Fehleinschätzung kommt selten allein. Häufig kommt es zu einer Verkettung und somit zu einer Potenzierung des Risikos. Beispielsweise, wenn nicht nur unsere Geschwindigkeit unterschätzt wird, sondern auch der seitliche Abstand beim Überholen. Zu frühes „einscheren“ bringt das Rennrad-Auto Kontinuum ins Wackeln. Besonders gefährlich bei LKW mit Anhänger. Die Fahrer glauben schon durch zu sein, sind es aber nicht.

Autofahrertipp: Ein paar Sekunden länger warten bevor man sich einreiht.

Richtungsänderung und Blinken.

Oft bedanke ich mich beim Universum für hellseherische Fähigkeiten. Wie sonst wäre es mir möglich die Richtungsänderung nicht blinkender Autos richtig einzuschätzen. Besonders beim Verlassen eines Kreisverkehrs sind Blinklicht-Muffeln am liebsten auf den Mond zu schießen. Es gab schon Fälle, da musste ich unfreiwillig eine Ausfahrt mit einem Auto im Paartanz mitverlassen. Blinken kann leben retten.

Autofahrertipp: Blinken.

Unwissenheit schützt uns nicht vor Verletzungen oder Unfällen. Ich weiß nicht wer, aber jemand sollte und könnte sich darum kümmern, Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn weder § 68 StVO noch das respektvolle Miteinander sind Schutz genug.

Bleibt gesund.

ktrchts
#machurlaubfahrrenrad

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen. Ein Nachtrag.

Die Straßenerkehrsordnung

Die letzten Tage habe ich unter anderem damit verbracht, Gespräche zum Thema zu führen. Unter anderem mit den StVO Rechtsexperten des ARBÖ und ÖAMTC. Danke an dieser Stelle an Dr. Stefan Mann (ARBÖ) und Mag. Martin Hoffer (ÖAMTC). Ich möchte euch nicht vorenthalten, was dabei rausgekommen ist.

In erster Linie habe ich die Thematiken „Nebeneinanderfahren“, „Trainingsfahrt“ und auch alles rund um Haftung bei gemeinsamen Ausfahrten angesprochen.

Der Rennradfahrer in der StVO.

Zur Erinnerung: §68 StVO regelt die Rolle des Radrennfahrers im öffentlichen Verkehr. Die Norm ist umfangreich und gespickt mit interessanten Absätzen und Formulierungen. Gleichzeitig sind diese Absätze für mich kleine Fallen, welche viel Interpretationsspielraum offen lassen und so Platz für kreatives Zurechtrücken und -biegen bieten. Grundsätzlich gilt:

Radrennfahrer dürfen zu Trainingszwecken auf öffentlichen Straßen* nebeneinanderfahren

Laut Herrn Mag. Hoffer vom ÖAMTC ist diese Regelung auf Wunsch der Radfahrer-Sportorganisationen legalisiert worden, weil anders ein Halten des Standards österreichischer Radsportler gefährdet gewesen wäre. Wer jetzt meint, damit wäre alles gesagt, der irrt. Denn damit ist fast nichts gesagt.

    • im §68 ist nirgendwo „geregelt“, was genau eine Trainingsfahrt ist. Man spricht von einer Fahrt im Rahmen eines systematsich geplanten, pädagogisch fundierten und methodisch zielgerichteten Handlungsverlaufs zur Steigerung und Optimierung sportlicher Leistungen.
  • Es gibt keine formalen Kriterien diesbezüglich. Ausrüstung und Geschwindigkeit können in diesem Fall Aufschluss darüber geben, ob oder nicht. Also gefahrene Geschwindigkeit, die mit jener wie einer radsportlichen Veranstaltung vergleichbar ist, ein den Normen entsprechendes Rennrad (Fahrrad mit Rennlenker, dessen Eigengewicht im fahrbereiten Zustand 12 kg nicht überschreitet, dessen äußerer Felgendurchmesser mindestens 630 mm und dessen äußere Felgenbreite höchstens 23 mm beträgt) und einer entsprechenden Bekleidung (Vereinstrikot?).

    Zum Thema Bekleidung: Gestern erreichte mich ein Schreiben (danke Thomas), in dem geschildert wurde, dass zwei nebeneinanderfahrende Radrennfahrer von der Polizei ermahnt worden sind. Laut Aussage der Beamten: „Wenn Rennradler mit unterschiedlichen Trikots unterwegs sind, ist Nebeneinanderfahren verboten“. Keine Ahnung ob das so stimmt.

    Wir sehen, dass es eine große Wissenslücke gibt. Sogar bei der Exekutive.

    Laut Herrn Mag. Hoffer: „Mit dieser Regelung sollte aber keinesfalls ein allgemeines Nebeneinanderfahren von Radfahrern (Rennradfahrer? Radrennfahrer?) legalisiert oder gefördert werden. Wenn daher jemand bei solchem Verhalten „kritisiert“ wird, erscheint dies in Hinblick auf das oben Ausgeführte nachvollziehbar.“

Heißt jetzt was? Für mich heißt das jetzt, dass es zwar eine Regelung gibt. Im Falle eines Falles müsste nachgewiesen werden, ob es sich um eine Trainingsfahrt gehandelt hat. Lizenzfahrer haben da sicher einen Vorteil, denn diese können damit nachweisen, dass sie sich für (ein) Radrennen vorbereiten (Ich gehe davon aus, dass jemand, der eine Lizenz hat, auch beabsichtigt Lizenzrennen zu fahren). Hobbyfahrer? Hier wird es wohl etwas komplizierter. Trainieren Hobbyfahrer? Natürlich. Aber wofür? Fitnesstraining (also Kondition und so) ist damit wohl nicht gemeint. Eine Vorbereitung auf einen Radmarathon (oder Triathlon) kommt dem viel näher. Möglicherweise genügt eine Anmeldebestätigung für einen Radmarathon. Oder ein Trainingsplan. Nicht, dass man diese Papiere jetzt mithaben sollte. Sie können aber im Beweisfall vorgelegt werden. Welches Tempo jetzt jenem einer radsportlichen Veranstaltung entspricht, bleibt offen. Eindeutig ist die Regelung was MTB und Triathlonräder betrifft. Mit solchen darf man nicht nebeneinander fahren. Siehe auch interessantes Urteil.

Noch eine Frage stellt sich: Es gibt Felgen bei Rennrädern, welche 24,2 mm breit sind. Laut Regelung also nicht zulässig für Nebeneinanderfahren.

Vorsicht und gute Absicht.

Kommt es bei einer Trainingsfahrt, bei der nebeneinandergefahren wird, zu einem Zwischenfall mit anderen Verkehrsteilnehmern mit Schadensansprüchen, kann man sich auf diese Regelung stützen. Es ist aber wie immer so, dass im Einzelfall ein Richter darüber entscheidet, wie eine Regelung anzuwenden ist. Auch rückwirkend aufgrund der Umstände. Da nicht alles gesetzlich geregelt werden kann, gibt es diesen Spielraum. Vor Gericht gilt es im Nachhinein zu beurteilen, was richtig und falsch war und ein Richter wird entscheiden. Zwei Parteien, zwei „ehrliche“ Sachverhalte, zwei Sachverständigengutachten … ein Richter. Gute Nacht.

Die Verkehrsexperten raten also deshalb immer, die Vernunft walten zu lassen. Es darf kein Hintergedanke verfolgt werden. Wer also durch Nebeneinanderfahren, andere Verkehrsteilnehmer provoziert (zum Beispiel durch langsames Fahren und gleichzeitiges Plaudern), dem kann auch eine Teilschuld anerkannt werden. Es gilt wie immer und überall der Vertrauensgrundsatz.

Sicherheit und Abstand.

Das Thema seitlicher Sicherheitsabstand ich auch so ein heikles. Es gibt ein Urteil des OGH, das besagt, dass der Seitenabstand davon abhängt, wie schnell die Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Fahrzeuges ist. Der genaue Rechtssatz im Wortlaut: „Der Seitenabstand muss umso größer sein, je höher die Fahrgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges und je labiler das überholte Fahrzeug (mehrspurig, einspurig) ist. Beim Überholen eines einspurigen Fahrzeuges ist unter normalen Umständen ein Seitenabstand von einem Meter ausreichend, nicht aber bei einer Fahrgeschwindigkeit von fünfundachtzig bis einhundert km/h und einer Sichtbehinderung gegenüber dem zu überholenden Fahrzeug.“

Was heißt das? Das heißt, dass auf Bundesstraßen Autos seitlich mehr als einem Meter Abstand halten müssten. Bedenkt man jetzt, dass ein Rennradfahrer nicht genau am rechten Fahrbahnrand fährt (aus Sicherheitsgründen), ist ein Überholen eigentlich nur durch Verlassen der rechten Fahrbahn möglich. Also nicht bei Gegenverkehr, bei Verkehrsinseln, bei Sperrlinien (einfach und doppelt). Theoretisch. Die Praxis sieht da ganz anders aus. Die 1,5m Seitenabstand sind gesetzlich nirgends festgehalten. Sie können aber aus den Umständen heraus abgeleitet werden. Auf alle Fälle sind sie eine Forderung der Radfahrerlobby. Und noch eins. Dieses Urteil des OGH heißt nicht, dass es immer so sein muss.

Theorie und Praxis sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Zu guter Letzt noch ein heikles Thema. Die Haftung. Das Nebeneinanderfahren (und auch das Hintereinanderfahren) birgt Risiken und Gefahren, die oft auch im Krankenhaus oder bei Radhändlern des Vertrauens enden können. Wer haftet denn wann für was? Gute Frage. Auch hier gelten die Grundsätze der StVO. Also ist der Hinterherfahrende jener, der das Risiko zu tragen hat. So lange alles nach normalen Umständen abläuft und dem Vordermann keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Rein rechtlich. Auffahren auf den Vordermann ist also eigenes Pech. Stürzt dabei der Vordermann, hat man ein Problem. Zivilrechtlich wie auch strafrechtlich. Beim Nebeneinanderfahren wird’s komplizierter. Hier kenne ich ähnliche Fälle, die beispielsweise unterschiedlich ausgegangen sind. Selber erlebt. Von der Staatsanwaltschaft (ja, diese schaltet sich automatisch ein, wenn es zu Personenverletzungen kommt) wurde in diesem Fall das Verfahren eingestellt. Auch weil alle Beteiligten auf gegenseitige Ansprüche verzichtet haben. Bei einem anderen Fall kam es zu einer Anklage und Verurteilung wegen Körperverletzung. Siehe hier.

Was heißt das jetzt? Auf alle Fälle heißt es aufpassen. Dass nichts passiert. Gegenseitiges Vertrauen. Und natürlich gegenseitige Hilfe. Unter „Kollegen“ und Freunden sollte hier der Verstand siegen. Jeder von uns weiß um die Risiken von Windschattenfahren und Nebeneinanderfahren. Diese Risiken bewusst einzugehen heißt auch mit den Konsequenzen zu leben. Ohne Anwälte. Einzelfälle oder Extremfälle ausgeschlossen. Falls sich jemand „Fremder“ jetzt anhängt oder mitfährt und es passiert was? Fragt mich was Leichteres. Eine Haftpflichtversicherung und eine Rechtschutzversicherung empfehle ich sowieso.

Organisierte Gruppenausfahrten.

Neben der persönlichen Haftung bei Fahrlässigkeit (mit Betonung auf Fahrlässigkeit) gibt es noch die Haftung von Veranstaltern. Wie zB. bei Radmarathons. Ein Veranstalter hat für einen reibungslosen Ablauf seine Veranstaltung zu sorgen. Er haftet für sein Verschulden. Was das ist, wird auch im Nachhinein zu definieren sein. Ein Veranstalter haftet nicht für Verschulden der Teilnehmer oder Dritter. Haftungsauschlüsse seitens der Teilnehmer sind bindend – außer sie sind sittenwidrig. Auch hier sind Einzelfälle und Spezialfälle nicht einfach so pauschal abzuhandeln.

Viel interessanter wird es aber ,wenn es um Gruppenausfahrten geht. So wie sie heute über Facebook oder andere Plattformen organisiert werden. Wird so eine Gruppenausfahrt von einer Person aktiviert, dann kann diese Person sehr wohl auch als „Veranstalter“ im Sinne des Haftungsgesetzes gesehen werden. Beispielsweise, wenn diese Person Startpunkt, Startzeit und die genaue Route festlegt. Mit Betonung auf dem „könnte“. In diesem Fall könnte eine Haftung zum Tragen kommen, wenn beispielsweise die Strecke über eine Passage führt, die für Rennräder nicht geeignet ist (Schotter, Baustelle …), dadurch jemand zu Sturz kommt und sich verletzt. Nicht haftbar ist die Person aber wiederum bei Verschulden einzelner Teilnehmer oder Dritter (parkende Autos, Gegenverkehr …). Pasagen wie „jeder fährt auf eigene Gefahr“ sind mit Vorsicht (seitens des Veranstalters) zu genießen. Eine genaue Kenntnis der Strecke inklusive Plan B oder Ähnliches kann von Vorteil sein.

Ob so eine Gruppenausfahrt auch als Trainingsausfahrt gilt und ab einer bestimmten Anzahl von Teilnehmern angemeldet werden muss – das werde ich noch herausfinden.

Ich hoffe, so etwas mehr Licht in die Dunkelheit des §68 der StVO gebracht zu haben. Weiterhin viel Spass bei der schönsten Nebenbeschäftigung der Welt. Und passt bitte auf euch und die anderen auf.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

PS: auch der ORF hat sich dem Thema gewidmet. Systemgemäß mit einem Prominenten. Ehemaliger Exekutivbeamter und selber vor Gericht. Nicht alles was er sagt stimmt so. Das Video hier.

*nicht auf Schnellstraßen und Autobahnen

Der Radrennfahrer in der StVO. Können. Dürfen. Müssen.

Der Rennradfahrer und die StVO

Niederösterreich. B16. Auf meinem Rennrad am Weg von Wampersdorf  Richtung Weigelsdorf. Es ist Freitagnachmittag. Ich nehme ein immer lauter werdendes Motorgeräusch wahr. Dann taucht im linken Augenwinkel ein dunkler Ford auf, dessen rechter seitlicher Rückspiegel zuerst knapp meinen Oberschenkel und in weiterer Folge meinen linken Arm und meinen Lenker hauchdünn verfehlt. Im Affekt sage ich dem Vorbeirasenden mit italienischer Handbewegung meine Meinung . Das Auto macht eine Vollbremsung und kommt zum Stehen. Auf der rechten Fahrspur. Einfach so. Es riecht nach Gummi. Ich fahre weiter. Rechts am Auto vorbei. Der Fahrer hat das Beifahrerfenster geöffnet. „Oaschloch. Schleich di. Sunst fohr I di übern Haufn“. Ob dieser Drohung überlege ich mir, meine Trinkflasche zu nehmen und zu antworten. Mit einem Kavalierstart Marke fast and furious deeskaliert die Situation. Der Ford ist weg. Die StVO wohl verletzt?

Der Rennradfahrer und die StVO. Können, dürfen, müssen.

Kein Einzelfall auf Österreichs Straßen. Radrennfahrer und Autofahrer. Das ist schlimmer als Hund und Katz, Kai und Abel, Austria und Rapid, Plus und Minus. Aber warum? Ist ja alles geregelt. Benutzung der Straße, Nebeneinanderfahren …. Mit dem § 68 der StVO*. Klar. Deutlich. Vielleicht etwas zu viel Gesetzesdeutsch. Aber immerhin. Aus. Basta. Geregelt ist geregelt. Und an Regeln sollte sich jeder halten. Auch der Autofahrer.

Theoretisch. Das Problem ist, dass Autofahrer kaum akzeptieren können, dass es einen Paragraphen gibt, der sie in „ihrem“ Straßenverkehr schlechter stellt. Schon das Wort „dürfen“ ist Zündstoff. Was? Radrennfahrer dürfen etwas? Frechheit. Skandal. Unverschämtheit. Da wird recht schnell eine gesetzliche Verordnung selbst uminterpretiert. Das „Dürfen“ wird zum „Müssen“. Eine eigene Wirklichkeit (Autofahrerwirklichkeit) konstruiert. Radrennfahrer müssen hintereinanderfahren. Und überhaupt – sie müssen auf den Radweg ausweichen. Den hat man ja schließlich mit Steuern mitfinanziert. Je mehr Radrennfahrer dann in weiterer Folge auf ihr Recht pochen, desto größer wird der Konflikt. Weil in den Augen der Autofahrer ein solches Recht ja unmöglich ist. Was ein Autofahrer nicht kennt, das gibt es nicht. Schon gar keinen § 68 StVO.

§ 68 StVO.

Dazu kommt noch die mediale Berichterstattung. Das Thema, der Klassenkampf, ist ja interessant und schafft Quote. Also hier und da mal einen kleinen Bericht über diesen ewigen Streit im Straßenverkehr. Mit Zitierung des ominösen § 68 StVO und Betonung auf dem „Dürfen“. Redakteure, die womöglich selber noch nie mit einem Rennrad unterwegs waren, schreiben drauf los und gscheiteln. Mit dem einzigen Ergebnis, dadurch die falschen Mäuler zu nähren.

Nicht „dürfen“ und „müssen“, sondern „können“ und „sollen“.

Was tun? Chuck Norris rufen. Er ist der Einzige, der hier reinen Tisch machen kann und machen würde.  Ich selber kann nur vorschlagen, die Thematik einmal ganz von einer andere Seite aus zu betrachten. Kein „Dürfen“ und „Müssen“, sondern ein „Können“ und „Sollen“. Im Sinne der Verkehrssicherheit. Redakteure sollen endlich darüber schreiben, dass Radrennfahrer nebeneinanderfahren sollen. Ein Umstand, der Autofahrern entgegenkommt. Wie dieses Video zeigt. 3×2 Radrennfahrer sind leichter zu überholen, als 6×1. Ohne dabei diese in den Graben zu drängen oder den Gegenverkehr zu unterschätzen. 3×2 Radrennfahrer entsprechen einem Auto. Mehr Radrennfahrer einem Autobus. Nichts Außergewöhnliches. Das wäre einmal der Anfang und nach Chuck Norris ein guter Plan B. Plan C wäre eine Intervention des Verkehrsministeriums. Eine Vereinfachung des Paragraphen inklusive Aktualisierung veralterter technischer Beschreibungen wäre hilfreich. Und bitte, jemand soll mir den Unterschied zwischen Radrennfahrer und Rennradfahrer genau erklären.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#ketterechts #styliseyourride

*es empfiehlt sich für Autofahrer, Motorradfahrer, Mopedfahrer, Busfahrer und Radrennfahrer den Link zu öffnen und das Dokument zu lesen.

Ergänzung 1: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 31.05.2016
Ergänzung 2: jusiline.at – Verhalten der Radfahrer StVO

Offener Brief an die AutofahrerInnen in Österreich.

In anderen Ländern funktioniert das ganz gut.

Werte AutofahrerInnen,

ich weiß, dass sie es schwer haben. Vor allem in Österreich. Da muss man sich doch hier und dort mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit. Immens. Hat fast schon therapeutische Wirkung. Schade, dass das nicht von der Krankenkasse unterstützt wird.

Die hohen Spritpreise sind es. Oder? Täglich schwankend und kurz vor Feiertagen und Urlaube besonders hoch. Diese bösen Mineralölfirmen. In einem Boot mit dem Staat. Der kassiert brav mit. Höhere Preise, höhere Umsatzsteuer. Von der Mineralölsteuer will ich hier aus Platzgründen gar nicht schreiben.

Oder ist es die erhöhte Nova? Schon auch. Plötzlich sind Autos viel teurer. Teurer im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Die Normverbrauchsabgabe. Eine Erfindung Österreichs, um Autofahrer zur Kasse zu bitten. Wie ärgerlich. Und dann noch CO2-Ausstoß abhängig. Will man protzen muss man jetzt mehr zahlen. Gemein. Da muss man sich doch hier und da mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit.

Oder ist es doch der frustrierende Alltag. Die tägliche Arbeit. Der Chef. Die Kollegen. Das Essen in der Kantine. Das verregnete Wochenende. Die Niederlage des Lieblingsvereins. Der entgangene Lotto 6er. Der vergessene Geburtstag. Der verpasste Auftritt der Tochter beim Ballett oder des Sohnes bei der Schulaufführung. Die Warteschlange bei der Post. Das erneute Fettessen bei McDonalds. Die Schwiegermutter. Der gebrochene Nagel. Das ausgegangene Toilettenpapier. Der Buchsbaumzünsler. Der laute Nachbar. Das neue Auto des lauten Nachbar. Das neue Auto der Frau des lauten Nachbarn mit dem neuen Auto. Das neue Auto des Sohnes der Frau mit dem neuen Auto des lauten Nachbarn – auch mit dem neuen Auto. Die Steuerprüfung. Da muss man sich doch hier und da mal ärgern und dem eigenen Frust und Groll ein Ventil geben. Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben. Das befreit.

Liebe AutofahrerInnen. Ich kann das alles nachvollziehen und da und dort sogar Verständnis zeigen. Das eine oder andere trifft mich ja auch. Aber warum zum Teufel müsst ihr Autofahrer das an uns Rennradfahrer auslassen? Was können wir denn dafür? Echt jetzt! Schimpfen, hupen, fluchen, Gas geben, schneiden, abbremsen, nach außen drängeln, Mittelfinger zeigen, aussteigen, bedrohen, Recht haben, kaum einsichtig sein, den Starken spielen – von Alublech geschützt. Was können wir für eure Laune? Nichts. Gar nichts. Nichts im geringsten.

Wir haben das selbe Recht wie ihr auf der Straße zu fahren. Wir müssen nicht den meist desaströs gewarteten Radweg benutzen. Sofern es einen gibt. Auch wenn dieser parallel zur Straße verläuft. Wir können. Ja. Wir tun es auch. Wenn der Radweg für uns zumutbar ist. Oder wenn wir Schutz vor euch AutofahrerInnen suchen und brauchen – denn lieber ein Platten als ein Platz im Friedhof. Wir haben das Recht auf seitlichen Mindestabstand. Das schützt uns vor dem Fahrtwindwirbel, den ihr erzeugt, wenn ihr uns überholt. Meist zu schnell und zu knapp. Das schützt uns vor dem Sog, den ihr erzeugt, wenn ihr uns überholt. Je größer euer Auto und je höher die für das Überholen gefahrene Geschwindigkeit, desto größer ist dieser Sog. Ein seitlicher Abstand von 1,5 Meter schützt uns vor dem Seitenwind, der uns da und dort ungewollt in die Fahrbahn drückt. Wenn da einer von euch vorbeikommt, tut das weh.

Es gibt einen § 68 in der StVO. Und eine Begriffserläuterung dazu. Dieser Paragraph sollte uns schützen. Tut es aber nicht, denn kaum ein Autofahrer weiß, was da drinnen steht. Deshalb sind die 1,5 Meter seitlicher Abstand auch nur ein frommer Wunsch. Ein Blick in diese Paragraphen könnte unser Leben erleichtern. Danke im Voraus.

Wir dürfen sogar nebeneinander fahren. Ja. Wir dürfen. Doch dieses „Recht“ ist schwer gegen Alublech durchzusetzen. Da ziehen wir Rennradfahrer den kürzeren.

Also liebe AutofahrerInnen.
Nehmt das Leben etwas lockerer. Vor allem im Straßenverkehr. Und schaut darauf, dass wir heil und gesund wieder nach Hause kommen. Denn auch wir haben dort die selben Sorgen wie ihr. Wir sitzen also alle im selben Österreich.

Stay tuned
Cristian Gemmato aka @_ketterechts