24 Stunden Burgenland Extrem Tour. Eine Grenzerfahrung weit über der Grenze.

24 Stunden Burgenland ExtremFinishermedaille 24Stunden Burgenland Extrem Tour

Zuletzt aktualisiert am 24. Oktober 2017 um 9:40

 

Einmal, und nie mehr wieder. Zumindest bis zum nächsten Jahr. So könnte mein aktuelles Resümee lauten. Drei Tage nach der 24 Stunden Burgenland Extrem Tour 2017. Drei Tage voller Nachwehen. Im positiven Sinn. Genugtung und Stolz schwellen immer noch meine ledierte Brust. Offiziell sind meine Rippen seit meiner Brezn vergangenen Sonntag „nur“ geprellt. Inoffiziell wohl mehr als das. Ich wollte es nicht wissen und will es immer noch nicht wissen. Weil’s jetzt ja auch nicht mehr relevant und entscheidend ist. Ich habe das Objekt der Begierde. Für eine handvoll Karton bin ich drei Mal um den Neusiedlersee geradelt. Bei -5° Durchschnittstemperatur und lebhaftem wie auch eisigem SO-Wind. Mit weiteren 129 Mitstreitern. 26 davon sind nach 360 km wieder in Podersdorf am See angekommen. Ich war nach 13h34min Bewegungszeit um 2049 Uhr im Seecafè. Erleichtert und erfroren. Meine Grenzerfahrung weiter über der Grenze.

24Stunden Burgenland Extrem.

Wer so lange Rad fahrt, der hat auch viel zu erzählen. Damit dies nicht ausartet, fasse ich meinen Nacherzählung in Kapiteln zusammen.

Kapitel 1: Der Sinn.

Wer daran einen Sinn findet, im kältesten Jänner seit 30 Jahren 360 km mit dem Rad zu fahren, der möge sich bitte bei mir melden. Weil dann brauche ich nicht weitersuchen. Grenzerfahrung, Kick, Reise ins Ungewisse, Herausforderung … all das klingt nicht unbedingt sinnvoll. Dafür aber reizvoll. Der Sinn kann also nur der Reiz sein. Reiz, den ich verspürt habe. Reiz, dem ich nachgegangen bin. Es macht also schon Sinn, keinen wirklichen Sinn zu finden. Das ist der Reiz. Damit stand bei mir schnell fest, dass ich da mitmache.

Kapitel 2: Die Vorbereitung.

Akribisch. Gewissenhaft. Was habe ich getüftelt. Vor allem kleidungstechnisch. Schicht für Schicht habe ich viele Puzzleteile zu einem warmen Ganzen zusammengefügt. Nachzulesen in einem meiner letzten Beiträge. Von Kopf bis Fuß. Dann bin ich im Zeitraum von zwei Monaten sicher an die 10 Mal um den See gefahren. In die Nacht hinein, aus der Nacht heraus. Am 23.12. sogar zwei Mal hintereinander. 252 km sind es damals geworden.

Kapitel 3: Die Entscheidungen.

Im Vorfeld galt es, viele Entscheidungen zu treffen. Allein die Wahl der richtigen Bereifung hat mir viel Zeit und Knochen gekostet. Wie ein kleines Kind, musste ich erst fühlen, um zu glauben. Mehrere Stürze auf glattem Eis zwangen mich zur Vernunft. Die 120 km Runde war ja gespickt mit einigen kritischen Stellen mit mehr oder weniger Eis. Meine letzte Erkundungstour sollte nicht umsonst gewesen sein. Also habe ich mir Spikes zugelegt. Den Schwalbe Marathon Winter mit 240 Spikes je Reifen. Vorne 35mm und hinten 40mm. Ich brauchte einfach ein subjektives Sicherheitsempfinden. 1 kg Zusatzgewicht? Scheiß drauf.

Aufgezogen habe ich die Reifen einen Tag vor der Extrem Tour. War nicht ganz einfach. Der Drahtreifen zickte und meine Rippe auch. Knapp 20 km bin ich die Reifen eingefahren. Die zweite Eisplatte hatte dabei unsere Beziehung schnell gefestigt. Keine Spur von „du brauchst erst Zeit, dich daran zu gewöhnen, dass du nicht stürzen kannst“. Höhepunkt der Jungfernfahrt war eine Runde über den zugefrorenen Neusiedlersee. Gedanken über eine Abkürzung Tags darauf im selben Stil habe ich im Keim erstickt. Notiz am Rande. Alle 480 Spikes sind noch dran.

Eine weitere gute Idee war, die Lüftungsschlitze meines Radhelmes mit Gaffaband zu bekleben. Ein textiler Windstopper. Billig und effizient.

Kapitel 4: Die Ernährung.

Ich hatte mir vorgenommen, regelmäßig zu essen und zu trinken. Diese Strategie ist überhaupt nicht aufgegangen. Ich hatte einfach keine Zeit dazu und war mit anderen Dingen beschäftigt. Soweit ich mich noch erinnern kann: Erstes Frühstück um 0400 Uhr. 1 Cappuccino und ein Laugenstangerl mit Butter und Honig. Zweites Frühstück 0545 Uhr im Seecafè Podersdorf. Einen warmen Tee und ein Stück „Striezel“ mit Butter und Marmelade. Dann in der ersten Runde nichts mehr. Das mitgenommene Essen war zu gut verstaut und der Tee in der Trinkflasche ein rotes Stück Eis. Vom Team Mountainbiker am See habe ich im Vorbeifahren ein Schokocake ergattert.

Zwischen Runde 1 und Runde 2 beim Abholen des Kontrollbandes 0,75l Apfel Karottensaft runtergeschüttet. Dazu eine nicht unerhebliche Protion Striezel mit Butter und Marmelade. Bei km 190 dann ein warmes Getränk von Martina vom Team Weixi. Zwischen Runde 2 und 3 (längerer Stopp zum Umziehen), nochmals Tee und Striezel. Mitte der Runde 3 dann ein letzter Stopp. Martina belebt mich mit einem Red Bull und das Team Mountainbiker am See mit einem Mini-Twix. Der Rest war Askese pur.

Kapitel 5: Der Start.

Pünktlich um 0630 Uhr ging es los. 130 Starten vor dem Seecafè wagen es. Ich bin umringt von Freaks. Die einen mit ihren 29er MTB’s, die anderen mit Rennrädern. Sogar Zeifahrräder waren dabei. Ganz vorne die Spikes Boys. Michael und ich. Mit Michael bin ich die 250 km Trainingsfahrt gefahren. Wir wollten es nochmals gemeinsam versuchen. Gleich nach dem Start bogen wir ab Richtung Radweg. Die Spikes halfen mir, diesen Übergang vom Asphalt in den „Eiskanal“ sicher zu überstehen. So wie die gesamte Strecke nach Weiden am See. Links neben mir Michael. Hinter uns der Rest. Es ist stockfinster. Im Lichtkegel unserer Lumen ist der Schotter vom Eis und Schnee schwer zu unterscheiden.

Egal. Die Spikes rollen. In Weiden am See drehe ich mich um. Schauen, wer noch aller da ist. Wir sind nur mehr zu Viert. Michael, Johannes und Manfred. Letztere zwei ohne Spikes. Sie haben sich waghalsig an uns geheftet. Das war die Geburststunde der Offroad-Gang. Zwei Ultra-Cycler, eine Kette rechts und ein Steirer aus Weiz. Über Neusiedl am See, Jois, Winden am See, Breitenbrunn, Purbach, Donnerskirchen, Oggau, Rust und Mörbisch erreichen wir die Grenze zu Ungarn. Hier stoßen wir auf eine Gruppe von Rennradfahrern bei Ihrem Boxenstopp. Sie haben es über Landstraßen bis hier her geschafft. Randonneure.

Kapitel 6: Die Reise. Teil 1.

Als Mitglied der Offraod-Gang ging es mir von Anfang an recht gut. Als „Einheimischer“ kannte ich nicht nur den Weg, sondern auch dessen Tücken. Meine Anweisungen fanden Gefallen. Das Tempo recht hoch. Die Reise ins Ungewisse hatte gerade erst begonnen. Kurz vor Balf fahren wir auf die ersten Geher auf. Die große Horde trifft uns erst an der Labestation in Balf. Hier kommen die Geher vom Radweg herunter. Wie haben ja die Straße benutzt. Ab jetzt heißt es Miteinander.

Durch die Dörfer ist das kein Problem, trennt uns doch eine Bordsteinkannte. Am Radweg hingegen ist ein Zusammenleben nicht möglich. Die vom Veranstalter mitgegebene Glocke ist im Dauereinsatz. Aber chancelos. Wir von der Offroad-Gang entscheiden uns, die Straße zu nehmen. Direkt. Über die Böschung. Oben treffen wir auf die Randonneure. Wir heften uns an deren Windschatten. Die Reise wird plötzlich schneller. Eine vier taucht plötzlich auf der zweistelligen Geschwindigkeitsanzeige auf. Ich merke an: Mit dem Crosser und den Spikes.

In Hegykö trennen wir uns. Michael, Manfred und ich nehmen den Original Trail in den Nationalpark. Johannes randonneurt weiter. Die Reise wird jetzt ein Abenteuer. Schnee, Eis, und vereinzelt Geher. Die Klingel im Dauereinsatz. Dank Spikes überleben wir diese Passage und erreichen Fertöújlak. Neben uns nur mehr vereinzelt Läufer. Verdammt schnelle Läufer. Beim Grenzübertritt kurz vor Apetlon sichten wir erneut die Randonneure auf der Landstraße von Pamhagen kommend. Johannes gesellt sich wieder zu uns. Die Offroad-Gang ist wieder vereint. Apetlon, Illmitz, Hölle, Podersdorf. Runde eins ist nach 4h8min Geschichte. Kurze Pause.

Kapitel 8: Das Wetter. 

Eigentlich war vorhergesagt worden, dass sich die Sonne im Laufe des Tages durchsetzen würde. Hat sie aber nicht. Start bei Nebel, ein Hauch von Sonnenaufgang in der ersten Runde Richtung Oggau, trüb und nebelig die ganze Zeit. Dafür hat die Temperatur gehalten, was man von ihr befürchtet hat. -8° zum Start, -7° beim Zieleinlauf. Dazwischen ausschließlich Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. -0,6° das Maximum der Frühlingsgefühle. Dazu noch ein äußerst unangenehmer, bissiger und eisiger SO-Wind, der sich in Runde zwei voll und ganz auf uns konzentriert hat. Ein Spielverderber jeweils Richtung Süden und Osten. Ein Motivationsnager und Kräfteräuber. Ein Arschloch. Die 11 km zwischen Fertőrákos und Balf in Runde zwei charakterbildend. Der Radweg zwischen Balf und Hegykö in derselben Runde luftleerer Raum. Atmen nur im Böentakt möglich.

Gegenprogramm dazu die unendlichen Weiten des Seewinkels. Warp Geschwindikeit jenseits der 36 km/h. Ich merke an: Mit dem Crosser und den Spikes. Mit Rückenwind ist mit teilweise warm geworden.

Kapitel 9. Die Reise. Teil 2.

Nach 10 Minuten Pause (essen, Kontrollband, Mützentausch) geht es weiter. Selbe Strecke, selbe Gang, noch mehr Wind. Immer wieder kreuzen wir die Randonneure. Zwischen Purbach und Donnerskirchen wagen sich diese auf den Radweg B10. An der von mir inspizieten Schlüsselstelle kommt einer der 25mm Freaks zu Stürz. Wir informieren den Mountainbiker am See Servicebus. Von Jois bis hierher und von hier bis nach Hegykö spielt der Wind mit uns. Meistens knockt er uns in einem Frontalangriff out. Wir wankeln, fallen aber nicht. Martina vom Team Weixi belebt uns mit warmen Getränken. Die Befreiung meiner Blase bei diesem außerordentlichen Boxenstopp wirkt zudem weitere Wunder. Die Reise geht weiter.

Geschlossen zu Viert biegen wir wieder in den Nationalpark ein. Wir treffen jetzt weitere Geher. Und ich berühre unsaft den Boden. Helm voraus. 120 km davor waren die Verhältnisse hier durch die vor uns vorbeigegangenen plötzlich ganz anders. Eine Unachtsamkeit, eine Rille, eine Wurzel … irgendwas brachte mich zu Sturz. Kurzer Schreck. Dann die Freude. Ich bin nach rechts gefallen. Nicht nach links. Ripp, Ripp, Hurra. Wir treffen einstimmig die Entscheidung in Runde drei, diesen Teil der Strecke zu umfahren.

Teil 2 der Reise ist eine Kopie von Teil 1. Einziger Unterschied: Die vielen Geher von Fertöújlak bis Apetlon. Kurz vor der Grenze wird es etwas kritsch. Die Geher vor uns spielen 1, 2 oder 3. Und entscheiden sich erst beim Blob, ob sie links oder rechts ausweichen. Manch einer ist so in seinem Smartphone vertieft, dass er uns nicht hört (oder hören will). Das Gemüse rettet ihn und uns. Bis Apetlon nehmen wir die Straße und überlassen den Radweg den Gehern. Illmitz, Hölle und Podersdorf. Runde zwei ist um 1530 Uhr beendet. Wir entscheiden um 1600 Uhr weiterzufahren.

Kapitel 10. Die Pausen.

Insgesamt bin ich 45 Minuten gestanden. Die längste Pause zwischen Runde zwei und drei. In dieser Pause habe ich mich umgezogen. Neue Fußwärmer und Sohlenwärmer sowie einen trockenen Baselayer und eine trockenes Langarmtrikot. Zudem habe ich mir eine zusätzliche Windweste einverleibt. Die zwei großen Pausen im Start/Zielbereich im Seecafè. Nach der ersten Runde eine gemütliche Bleibe, nach der zweiten Runde war es hier schon etwas eng und am Ende herrschte Hochbetrieb, weil viele Geher auch ihre verdiente Pause machten. An den vorgegebenen Labstationen bin ich nicht stehen geblieben. Verpasst habe ich somit in Apetlon die legendären Würsteln im Gasthof Weinzettl, in Neusiedl am See die berühmten Suppen in der Tourismusschule Pannoneum und im Gut Purbach weitere Köstlichkeiten. Wie viele Geher oder Biker den Weg zum Hill1gewagt haben, weiß ich nicht.

Kapitel 11. Die Reise.Teil 3:

Nur noch 120 km. Es ist noch hell. Die Hoffnung, dass der Wind möglicherweise noch nachlassen könnte ist gleich null. Die Offroad-Gang ist nur mehr ein Trio. Manfred musste wegen starker Rückenschmerzen aufhören. Ich habe schon mit Müdigkeit zu kämpfen. Die beiden Ultra-Cycler sind jetzt in ihrem Element. Richtung Purbach heißt es Licht an. Die Nacht hat uns. Und wir haben immer noch den Wind. In Oggau überholen uns erneut  die Randonneure. Erste Geher beenden hier ihr Leid. Egal ob Original-Trail oder Final-Trail. Meine Hochachtung. Rust – Mörbisch. Es wird monoton. An der Grenze überflügeln wir zum letzten Mal die Randonneure. Der ungarische Teil hat nun was Gutes. Ich muss hier nicht mehr her. Kann das alles hinter mir lassen. Kurz vor Balf wird die Rangordnung wieder hergestellt. Randonneure vor Offroad-Gang. Ich sehe nur mehr 4 oder 5 rote Lichter vor mir in der Dunkelheit verschwinden. Das wars. Schnell waren sie.

Red Bull belebt die Sinne. Red Bull und Twix beleben die ketterechts. In Balf tanke ich Energie. Noch 50 km. Nur noch zwei Stunden maximal. Radweg, Umfahrung Fertöd, Seewinkel. Immer noch sind hier Geher unterwegs. Es ist stockfinster. Kein einziges Licht am Horizont. Pampas der Extraklasse. Apetlon, Illmitz und zum letzten Mal die Hölle. Dann erreichen wir Podersdorf. Über eine Extra Schleife. Johannes wird von Eis fern gehalten.

Kapitel 12: Das Ende.

Der unspektakulärste, aber dafür der emotionalste Zieleinlauf. Keine Ziellinie. Kein Zielbogen. Dafür jede Menge Genugtuung und Stolz. Das Rad gleich an den Radständer. Rein in die Stube. Finischer Medaille und dann Platz nehme auf der Finischer Couch. Foto. Aus und fertig. Die Reise ist zu Ende. In der Ungewissheit gestartet, in der Sicherheit angekommen. Sicherheit es geschafft zu haben.

Kapitel 13: Danke.

Danke Johannes. Merci Martina. Grazie Manfred. Muchas gracias Michael. Die Offorad-Gang war ein Abenteuer. Ein spannendes Kapitel in meinem Leben. Danke den Organisatoren und Helfern. Speziell den Eigentümern des Seecafè Podersdorf. Maria und ihr Mann waren mit vollstem Einsatz mehr als 24 Stunden nonstop für uns da. Danke den Organisatoren. Danke Michael.

Nie mehr wieder. Bis zum nächsten Jahr.

ktrchts
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Danke für die Empfehlung

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