Ich hätte es wissen müssen. Und ich habe es gewusst. Der Kick und die Suche nach dem Abenteuer waren aber wieder einmal stärker als die Vernunft. Warum also Zwift & Co. beehren, wenn es draußen schneit und stürmt? Skifahren und Langlaufen geht man ja auch bei winterlichen Bedingungen. Es war also unvermeidlich, dass ich nach dem ersten wahren Lebenszeichen des Winters seit langem – vor einem Monat bin ich in Cesenatico noch mit kurzer Hose herumgefahren, unbedingt den Weg ins Freie gesucht habe. Warm eingepackt und vollgestopft mit Erfahrungswerten aus den letzten Jahren. Es war ja bekanntlich nicht das erste Mal, dass ich mich bewusst gegen die Gesetze der Physik stellen wollte. Diesmal in der Hardcore-Version. Ganz ohne Spikes.
Die permanente Suche nach Traktion.
Radfahren im Winter hat so seine Tücken. Wie man es macht, kann es falsch sein. Zumindest in unseren Breitengraden, wo nach jeden noch so zartem Schneefall, die schwersten Geschütze in Sachen Winterräumung ausgefahren werden. Tonnenweise Salz landet auf den Fahrbahnen. Der Schnee verwandelt sich zu Gatsch, der Gatsch zu Wasser und wenn alles trocknet, dann liegt eine weiße Schicht am Asphalt. Eine, die so lange es trocken bleibt kein Problem für das eigene so geliebte und stets gepflegte Fahrrad darstellt. Wird es wieder nass, dann wird dieses Salz gefräßig. Ganz vergessen habe ich zu erwähnen, dass im Winter dort, wo die Radfahrinnen entlang fahren sollten, also am Straßenrad, der von der Fahrbahn geschobene Schnee, gerne vergessen wird. In gefrorenem Zustand ist dieser äußerst tückisch.
Radwege sind da meist eine Alternative. Wenn … Genau, wenn diese geräumt bzw. nicht von irgendeinem landwirtschaftlichen Fahrzeug oder Anrainer benützt würden. Fahrzeuge hinterlassen Spuren, Spuren werden zu Eis und Eis ist einfach böse. Radfahren im Winter in also eine permanente Suche nach Traktion. Traktion, die am Hinterrad fehlt, während die Rutschgefahr am Vorderrad lauert und jede Unachtsamkeit sofort bestraft.
Zwischen Adrenalinkick und Notaufnahme.
Der sicherste Weg als Radfahrer gut über Winter zu kommen, wir reden vom richtigen Winter, jener mit Schnee und Kälte, wäre Auswandern oder Smarttrainer. Alles andere in eine Gratwanderung zwischen Adrenalinkick und Notaufnahme. Meine Rippen können ein Lied davon singen. Mit entsprechender Vorsicht und Einsicht, lässt sich der Winter, so lange ist der ja dann auch wieder nicht mehr, halbwegs gesund überleben. Ein Restrisiko bleibt. Wie auch bei der letzten Ausfahrt. Genau das Thema Physik hat mich zu Fall gebracht. Etwas zu schnell gewesen, Vorderrad nicht hundertprozentig stabil gehalten und schon war es passiert. Die Situation noch immer bildlich im Kopf. In Zeitlupe. Das Vorderrad rutschte nach links, das Fahrrad kippte nach rechts, ich flog mit, streckte mich so weit es geht, um Körperspannung zu erzeugen, erster Aufschlag Hüfte, zweiter Aufschlag Knie, dann der Handballen und zuletzt ein heftiger Tusch mit dem Helm am Eis. Schnell aufgestanden, Brille und Insta360 gesucht, gefunden, kurzer Radcheck und weitergefahren. Mein Erfahrungsschatz hat sich um einen weiteren Abflug erweitert.
Am Ende ist es Kraftausdauer.
Es kommt beim Radfahren im Winter letztendlich darauf an, was man bezwecken muss. Grundlagentraining macht Sinn, wenn die Bedingungen es erlauben. Kälte und trockene Straßen sind da nicht das Problem. Wenn es, wie zuletzt vereiste Radwege gibt (kann man ja nicht wissen), aber vor allem Schneeverwehungen, dann darf die Ausfahrt gerne zu einer Kraftausdauereinheit werden. Mit voller Kraftintervalle gegen die natürliche Bremse Schnee. In verwehter Form ein kaum zu durchbrechendes Hindernis. Wie Skitourengehen, nur auf zwei Rädern. So habe ich für 50 Kilometer fast 3 Stunden gebraucht und am Abend war ich fertig wie nach einem Ultracycling Event. Alter schützt vor Torheit nicht.
Natürlich habe ich wieder etwas daraus gelernt. Auch deshalb, weil ich einiges falsch gemacht habe und unterschätzt habe. Die Ausfahrt selbst war kein Fehler. Was hätte ich jetzt anders machen sollen? 1. Ganz klar, Spikes: Zumindest am Vorderrad. Hat im letzten Jahr perfekt funktioniert. Auch nur nach dem ersten Abflug. 2. Profilreifen aufziehen: Ein abgefahrener Schwalbe G-One Allround 40 ist nicht die beste Wahl. 3. Luftdruck: 2,5 Bar tun’s auch. 4. Pedal-Auslösehärte: Weniger ist im Winter mehr. 5. Ass-Saver oder Kotflügel: Ein nasser Hintern ist im Winter ein kalter Hintern. 6. Geschwindigkeit: Dort, wo es schnell geht, langsamer fahren. Speziell in den Kurven. 7. Einschlagwinkel: 90 Grad einlenken ist auf Schnee und Eis ungesund. 8. Übermut: Diese einfach zu Hause lassen (oder dosiert einsetzen).
Der Winter hat erst angefangen. Es wird sicher noch weitere Möglichkeiten geben, den Lerneffekt zu prüfen. Spätestens bei den 224 Meilen Burgenland Extrem am 24. Jänner 2024.
Wir sehen uns.
#ktrchts