300 Kilometer, 5.300 Höhenmeter, 12 Stunden Zeitlimit. Das war Istria 300. Das neue Rennformat, welches im vergangenen Oktober 2021 mit einem Kurs von und nach Porec eine feine Premiere feiern konnte. Bei fast perfekten Bedingungen. Angenehm kühl und sonnig. Perfekt für einen aktiven Saisonsausklang. Wenn nicht die störende Bora mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 60 – 80 km/h einigen auf der Strecke den Spass verblasen hatte. Inklusive Autor, der sich an dieser Stelle wieder erinnern kann, nach unzähligen Kilometern in Stuntman-Manier und im 45° Winkel zur Fahrbahn von dieser fast gefegt worden zu sein.
Zur Auswahl standen drei Strecken. Offizielle 155, 235 und 300 Kilometer mit respektive 2.200, 3.600 und 5.300 Höhenmeter. Zum Großteil auf gesperrten und gut abgesicherten Straßen. Teilweise waren dies die längst vergessene Seitenstraßen verlassener Nebenstraßen. Entsprechend auch ihr Zustand. Zwei Gravel Passagen und eine Abfahrt, die mehr in die Kategorie Single-Trail einzuordnen wäre, haben das Abenteuer Istria 300 maßgeblich aufgewertet. Aber auch breite und gut ausgebaute Hauptstraßen durften ohne vermeintlicher Gefahr benutzt werden. Einzig bei den Stadtdurchfahrten in Labin und Pazin mussten sich die Teilnehmer*innen der Ungeduld einheimischer Autofahrer beugen. Hier wurde die Verkehrs- und Vorfahrtsordnung pro Rennradfahrer*innen von der Frechheit und Dreistheit einiger Halbinselbewohner untermauert.
Rennradfahren als Rechenaufgabe.
Vermutlich haben viele Teilnehmer*innen im Vorfeld viel gerechnet und sich auf der Strecke verkalkuliert. Die Zahlen lassen einiges an Schlüssen zu. Insgesamt sind 122 Fahrer*innen zwischen DNS, DNF und OTL auf der Strecke geblieben oder zu spät ins Ziel gekommen. Einige (ca. 400) haben sich gleich den Weg nach Porec erspart. Von den Gestarteten haben 302 Männer und 33 Damen die Strecke über 155 Kilometer beendet. 156 Herren und 17 Damen haben sich mit dem „Mittelmaß“ abgefunden und 119 Männer sowie 3 Frauen sind aufs Ganze gegangen und vor dem „Licht aus“ um 1900 Uhr ins Ziel gekommen. Chapeau an dieser Stelle.
Diese Statistik ist sicher auch durch die zwei nicht zu unterschätzenden Zeitlimits entlang der Strecke zustande gekommen. Vom Start weg wussten wohl wenige, wie sie die Balance zwischen Kraftdosierung und Zeitmanagement finden sollten. Auch weil es vom Start weg gleich höllisch rasant zur Sache ging. Alle auf einmal. Ohne Rücksicht auf Streckenwahl. Schnell bildeten sich viele kleine Gruppen, in denen niemand wusste, was die anderen vorhatten. Schnell mitfahren hieß Zeit gewinnen, aber Kraft vergeuden, langsamer schlendern das Gegenteil. Zeit verlieren und Kräfte sparen. Rennradfahren als Rechenaufgabe. Die Streckenposten waren da auch nicht zimperlich und schlossen die Strecken sowie das Ziel exakt nach Vorschrift.
Und über allem schwebte sowieso das Damoklesschwert der 12 Stunden für die 300 Kilometer. Das hätte ein Schnitt von 25 km/h sein müssen. Bei 5.300 Höhenmeter. Frei nach dem Motto der Veranstaltung: Ride you limits. Wobei im Nachhinein betrachtet, dieses Limits reine Kopfsache war. Aber nachher ist man immer schlauer und schneller.
Bora et labora. Die Grenzen im Kopf.
Istria 300 hat gerufen, um den Teilnehmer*innen die Möglichkeit zu geben, ihre persönlichen Grenzen kennenzulernen und diese Grenzen zu verschieben. Rückblickend gesehen wurden dabei die mentalen Grenzen am meisten strapaziert. Mit all den bereits erwähnten Hürden. Wer sich hier letztendlich durchgesetzt hat, musste hart im Nehmen sein. Neben starkem Willen, guten Beinen, einwandfreiem Material war Stehvermögen gefragt. Die Bora hat allen alles genommen und das meiste abverlangt. Selten waren die Meinungen nach einem Rennen so unisono. Die einen wurden gebrochen, andere haben diese Herausforderung angenommen. Entweder ging es bergauf oder gegen den Wind. Istrien kann schon hart sein. Nur die letzten 50 Kilometer waren einfacher. Denn auf diesem Streckenabschnitt war der starke Wind auch Freund und Helfer. Nicht immer, aber immerhin.
Istria 300 war auch hügelig. Den einzigen „richtigen“ Berg hat man bei der Streckenführung ausgebootet. Dafür mehrere kleine und giftige Zwerge berücksichtigt. Dazwischen ging es immer wieder von 0 auf maximal 500 Meter über dem Meeresspiegel. Und das mehrmals hintereinander. Irgendwo mussten ja die vielen Höhenmeter ja herkommen.
Herbstradeln in Istrien – nema problema.
Es lohnt sich also, sich auf das Abenteuer #istria300 einzulassen. Egal ob A, B oder C Strecke. Die Organisation, das ganze Rundherum, die Atmosphäre in Porec, die Bars direkt in der Marina, Valamar als Hotel-Partner – das sind nur einige Wohlfühl-Faktoren, die das Wochenende rund um das Rennen aufwerten. Die Eindrücke, die man gewinnen kann, sind vielfältig. Jene, die bleiben, einzigartig. Man muss Istria 155, Istria 235 oder Istria 300 gefahren sein, um zu verstehen warum. Es gibt einiges, das man so einfach nicht beschreiben kann. Wie beispielsweise
_die streng bemessenen und herausfordernden Zeitlimits, die vom Start weg im Kopf herumschwirren
_die Grenzen, die der Kopf bestimmt und die Beine befolgen
_den Gruppen-Fahrtechnikkurs in der holprigen Abfahrt nach Ravni
_der permanente Seiten- und Gegenwind und die missglückten Windkanten
_der enge Zickzack-Kurs in Pazin
_die Trüffelspaghetti an der letzte Labestation
_einige Längsrillen so breit wie Krater (und 28 mm Reifen)
_die gegen sich und die Natur kämpfende Einzelsportler in einem eigentlich lässigem Mannschaftssport
Istria 300 ist keine Sonntagsausfahrt. Auch weil das Rennen samstags stattfindet. Es erfordert Mut, Kraft und Intelligenz. Nur so können die gesetzten Ziele auch erreicht werden. Durchkommen ist in diesem Fall nicht alles, denn auch das ist nicht so einfach.
Cristian Gemmato
#rideyourlimits #ktrchts
PS: Interessierte können sich direkt beim Autor melden und sich für das Rennen am 8.10.2022 ein Paket „Teilnahme + Unterkunft von DO – SO“ sichern. Einfach informieren: blog@dieketterechts.com oder buchung@machurlaubfahrrennrad.com