Schlagwort: Schnee

Radfahren im Winter – die ersten 20 Minuten entscheiden.

Radfahren im Winter

Nicht dass ich es verschrien habe. Vielleicht. Aber jetzt ist es wohl mehr als amtlich. Der längste Sommer meines noch so jungen Rennradlerlebens ist mit heutigem Tag wohl endgültig zu Ende gegangen. 0,8° hat mein Garmin heute angezeigt. Runden wir auf, weil die Daumen-mal-Pi-Messung von Garmin noch nie gestimmt hat, dann waren es zwischen 1,5  und 2 Grad. Im Plusbereich. Zeit umzudenken. Radfahren im Winter. Eine ganz andere Geschichte. Eine Geschichte, an die ich mich erst wieder gewöhnen muss. Aber nicht will.

Radfahren im Winter. Kopfarbeit statt Beinarbeit.

Radfahren im Winter ist Kopfarbeit statt Beinarbeit. Es ist kompliziert. Viel zu kompliziert. Es ist nicht mehr so dynamisch und lässig. Nicht mehr, Schnell-mal-aufs-Rad-steigen und eine Runde drehen. Rennradfahren im Winter ist mehr Logistik als Sport. 30 Minuten fürs Anziehen. Und wir haben erst Mitte November. Von 20 Grad zum Gefrierpunkt in weniger als einer Woche. Das ist ein geiler Schnitt. KOM verdächtig. Wer soll da noch mithalten?. Was soll da noch mithalten? Herz, Lunge, Nase? Und was ist mit dem Rest des Körpers?

Radfahren im Winter

Radfahren im Winter. Kopfarbeit statt Beinarbeit.

Rennradfahren ist ein Sommersport, der im Winter seine Grundlagen erfährt. Es hilt also kein Jammern und auch kein Zwift. Das ist ein Videospiel. Nicht Rennradfahren. Mein Rennradfahren ist die Natur. Draußen. Im Freien. Die frische Luft. Der Fahrtwind. Das ist im Sommer richtig geil. Wenn es warm ist. Jetzt im Winter ist es „arsch“. Arschkalt. In den ersten 20 Minuten. Danach weniger arschkalt. Wenn alles halbwegs in Schwung kommt und auf Betriebstemperatur steigt. Diese ersten 20 Minuten hasse ich. Sie sind ein Tod auf Raten. Zuerst stirbt die Lust an der Ausfahrt. Dann die Motivation. Danach stirbt das gesteckte Ziel. Der 100er oder mehr. Es stirbt jede Zelle, die der Luft ausgesetzt ist. Wenig später sind es die Fingerspitzen und die Zehenspitzen. Egal, welchen Schutz sie haben. Das spielt in den ersten 20 Minuten keine Rolle.

Winterzeit ist generell Ausredenzeit.

Die ersten 20 Minuten sind 1200 Ausreden. Eine pro Sekunde. Ausreden, umzukehren. Nicht weiterfahren zu müssen. Je schwächer und labiler die Psyche, desto irrsinniger und ausgefallener werden diese Alibis. Und je kälter, desto aggressiver die Selbstreflexion. Es ist eine Achterbahn des Zitterns.

Ich habe oft das Pech, den ersten Kilometer, oft auch mehr, bergab fahren zu dürfen. Von Nicht-Aufgewärmt zu Total-Erfroren ohne zu bremsen. Dass der Körper dabei komplett auskühlt, ist Tatsache. Die Außentemperatur bekomme ich dann überall zu spüren. Gesicht, Kopf, Arme, Oberschenkel, Zehen, Oberkörper und Finger. Warm bleibt nur der Hintern. Das Auftauen beschäftigt mich dann noch lange und intensiv. Da ist meistens schon ein Drittel des Tagespensums erstrampelt. Ich bin die ersten 20 Minuten doppelt gefährdet. Die Überlebenschance demnachhalb so hoch.

Radfahren im Winter

Warm anziehen.

Ein guter Grund mit dem Rennrad zu überwintern.

Radfahren im Winter. Wer hat’s erfunden? Gute Frage. Was bewegt mich eigentlich, das Rennrad im Winter nicht dem Staub zu überlassen? Nehmen wir einmal den gesundheitlichen Aspekt beiseite. Dieser ist ja wissenschaftlich nicht umstritten. Ich überlege. Es sind wohl die vielen zusätzlichen Minuten. Zusätzlich zu den ersten tödlichen 20. Es ist das Gefühl, nach dem anfänglichem Sterben neu geboren zu werden. Neues Leben eingehaucht zu bekommen. Regelrecht reanimiert zu werden. Es ist das Erwachen der Macht.

Radfahren im Winter ist rational nicht zu erklären. Kaum psychologisch zu ergründen. Es ist eine Mischung aus Wille und Charakterstärke, garniert mit einer Dosis Verrücktheit. Es ist eine freiwillige Selbstgeiselung. Radfahren im Winter ist nicht immer lustig und leicht. Es ist das, was ich nicht lassen kann. Weil ich den Sport liebe. Für Videospiele bin ich zu alt und zu ungeduldig.

ktrchts

 

Meine subjektive Meisterprüfung – für den Fall, dass es für das MTB so etwas gibt.

Dass ich einmal einen Blogbeitrag zum Thema Mountainbike schreiben werde. Das war bis jetzt so unwahrscheinlich, wie der Gewinn des Giro d’Italia. Durch mich. Das eine bleibt nach wie unmöglich, das andere hat die Leihgabe eines Mountainbike ermöglicht. Danke an dieser Stelle an Sonja.

Mir war kalr, dass der Winter nicht ewig ein Altweibersommer bleiben konnte. Dass ich kein Fan von Ergometer bin ist auch Tatsache. Was tun also bei schlechtem Wetter. Richtig. Mountainbiken. Im Leithagebirge. Unendliche Weiten. Viele Forstwege. Aber nur eine offizielle Strecke. Bäckersteig, Geißbühel- und in der Verlängerung Leithaberg-Strecke. Befahrbar eigentlich nur im Frühjahr, Sommer und Herbst. Im Winter geschlossen. Wildschutz. Forstarbeiter ausgeschlossen. Die dürfen immer dort am Werk sein.

Bis ich den richtigen Einstieg gefunden habe und mir die Strecken einprägen konnten, musste ich die eine oder andere Übertretung über mich ergehen lassen. Ohne Konsequenzen. Ich wurde nicht erwischt.

Mittlerweile bin ich die kurze Bäckersteig-Strecke mit Einstig beim ORF Zentrum gegen den Uhrzeigersinn mehrmals gefahren. Bei unterschiedlichen Bedingungen. Gatsch, Eis, wenig Schnee, mehr Schnee und gestern viel Schnee. Für burgenländische Verhältnisse. Tiefer Schnee. Nasser Schnee. Rutschig.

Schon beim Einstieg oberhalb des ORF Zentrum habe ich gewusst – das wird kein Spass heute. Anfangs noch konnte ich einer Autospur folgen. Dann aber war ich auf mich allen gestellt. Ein paar Spuren von Wanderern und Langläufern, sonst nichts. Die 10 cm Neuschnee sind vom Regen durchnässt. Jeder Tritt war ein Ritt auf rohen Eiern. Weder Vorderrad noch Hinterrad hatten genug Grip im Steilen. Lenken, Gegenlenken, Lenken, Gegenlenken. Immer auf der Suche nach hartem Untergrund. Oberkörper teilweise über dem Lenker. Dann wieder mit den Hintern möglichst weit zurück. Mit Gefühl. Je nach Bedarf. Den Boden konnte ich einfach nicht erkennen. Steine? Holz? Äste? Ein Lotteriespiel. Die Kraft in die Pedale dosiert. Stark genug, um nicht umzufallen, gering genug, um nicht durchzudrehen. Mit Geschick und Anfängerglück kam ich oben auf der Forststraße an.

Hinunter Richtung Loretto dann Zeitlupe. Dank Scheibenbremsen hatte ich diesbezüglich kein Problem die Geschwindigkeit an die Bodenbeschaffenheit anzupassen. Linker Fuß raus aus dem Pedal. Man weiß ja nie. Und das war gut so. Mehrmaliges Schleudern konnte ich damit ausbalancieren. Die Zeit, um aus den Pedalen zu klicken hätte ich nicht gehabt. Bodenkontakt also keiner. Zum Glück.

Egal, welche Abfahrt oder welche Steigung. Zeitlupe nach unten und Schwerstarbeit nach oben. Statt 1h45 Minuten habe ich ganze 2 /12 h für 25 km gebraucht.

Sollte ein Mountainbiker diese Zeilen lesen – ja ich weiß. Das ist jetzt überhaupt keine Glanzleistung, weil business as usual wenn man im Gelände unterwegs ist. Aber etwas stolz darf ich doch sein, oder? Ich weiß nicht wie, aber ich habe das Mountainbike mit Instinkt und Glück so beherrscht, dass ich nicht auf die Schnauze gefallen bin. Erlaubt mir deshalb kurz dieses Gefühl, eine kleine Meisterprüfung bestanden zu haben.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts

Ein Bericht von ketterechts - dem Rennradblog und Eventliveblogger.

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