Weiße Rennradschuhe. Neu erstrahlen sie wie die schneeweißen Zähne eines Zahnpasta-Models im künstlich verstärktem Scheinwerferlicht. Sie sind mehr als nur ein Accessoire – sie sind Statement, Lifestyle und das ultimative Must-have für all jene, der auf der Straße Eindruck machen will. Ich habe mich lange dagegen gewehrt. Late mover aus Überzeugung. Doch seit zwei Jahren haben sie mich in ihren verhexten Bann gezogen. Ich, nein wir haben uns ein Paar zugelegt und jetzt will ich mehr davon. Täglich. Ich stöbere, klicke, schaue, gustiere und träume. Meine Sucht nach weißen Rennradschuhen ist nicht mehr abzustreiten. Ausgeklügelte Algorithmen tun ihres dazu, diese Sucht zu verstärken und mich netzseitig laufend über neue Modelle und unwiderstehliche Aktionen zu informieren. Einmal geklickt, für immer …
Kein Wunder also, dass sie überall auftauchen: auf Instagram, Facebook, und in der Werbung zwischen zwei YouTube-Videos. Täglich flutet ein Strom an neuen ultimativen Angeboten mein Smartphone-Display, und jedes Mal klicke ich. Logisch. Jeder Klick zieht mich dann noch tiefer hinein in den Kaninchenbau des Konsums, und plötzlich bin ich auf einer italienischen Website, die mir verspricht, dass ich mit genau diesem Schuh mindestens 10 Watt mehr trete. Die Versuchung ist jedes Mal groß. Und der Reiz auch.
Wie soziale Netzwerke die Sucht anheizen.
Social Media ist für Rennradschuhfetischisten wie ich es bin wie Mordor. Der Algorithmus kennt keine Gnade. Einmal nach „Rennradschuh weiß“ gesucht, und schon verfolgt dich die Werbung bis in die Träume. Dabei sind die Bilder immer makellos. Perfekte Schuhe in perfekten Szenarien: am Strand von Mallorca, auf dem Col du Galibier oder beim Latte Macchiato Stop im Hipster-Café. Jeder Swipe zeigt ein noch verführerischeres Modell. Natürlich klicke ich. Natürlich speichere ich und natürlich fange ich an zu vergleichen. Irgendwann denke ich, dass es ohne diese Schuhe überhaupt keinen Sinn mehr hat, auf das Rad zu steigen. Es ist ein teuflischer Kreislauf – und ich bin mittendrin.
Warum mich weiße Rennradschuhe magisch anziehen.
Weiße Rennradschuhe sind keine Schuhe. Sie sind eine Philosophie. Sie signalisieren Stilbewusstsein, Sauberkeit und einen Hauch von Arroganz. Wen ich weiße Schuhe trage, glaube ich an meine Fähigkeiten, sauber durch jede Pfütze zu fahren und unbefleckt das Café zu betreten. Sie sind mein Traum von Perfektion, in der Realität aber eine harte Prüfung. Jeder Fleck, jedes Körnchen Dreck schreit nach Aufmerksamkeit. Dennoch bleibt die Anziehungskraft ungebrochen. Es ist fast so, als wären sie für uns geschaffen, um mich daran zu erinnern, dass ich niemals gut genug für sie sein werde. Und genau das macht sie unwiderstehlich.
Jeder Klick macht die Preise schlimmer.
Habt ihr schon einmal gesehen, wie viel weiße Rennradschuhe kosten? Sie starten bei € 250,- und hören bei € 400,- nicht auf. Natürlich könnte ich auch ein älteres Modell nehmen oder gar auf die Idee kommen, sie gebraucht zu kaufen. Doch das geht bei weißen Schuhen nicht. Weiß ist nur so lange Weiß, bis es getragen wurde. Ich kann also nicht anders, als nach neuen Modellen zu suchen – High-End-Marken, die mit Carbonsohlen, Boa-Verschlüssen und einem Gewicht, das leichter als ein Energieriegel ist, werben. Und jedes Mal, wenn ich denke, dass ich den perfekten Schuh gefunden habe, zeigt mir Instagram ein noch besseres Modell. Das Ergebnis? Noch mehr Klicks und noch mehr Preise, die mich sprachlos machen.
Vernunft als letzte Bastion.
Trotz all dieser Versuchungen gibt es einen kleinen Funken Vernunft in mir. Ja, ich liebe den Look, das Gefühl und die Vorstellung, mit weißen Schuhen schneller zu sein. Aber am Ende siegt – zumindest bisher – der Gedanke, dass € 400,- für ein Paar Schuhe eine Absurdität sind. Schließlich sind meine alten Schuhe noch gut. Mit weißem Gaffa-Tape wie neu. Sie tragen mich durch den Wind, den Regen und hinauf auf die schönsten Gipfel. Und selbst wenn sie schmutzt und verdreckt sind, bringen sie mich ins Ziel. Aber wer weiß, wie lange die Vernunft noch siegt? Vielleicht breche ich irgendwann ein. Vielleicht steht bald ein Paar makelloser weißer Rennradschuhe in meinem Flur. Bis dahin bleibt die Sucht – und die Vernunft kämpft tapfer weiter.
Die Sucht nach weißen Rennradschuhen und ich.
Weiße Rennradschuhe sind mehr als ein Accessoire. Sie sind meine Sucht, mein Lifestyle und meine Herausforderung. Bin schon so weit gegangen, dass ich meine alten Schuhe, nicht makellos weißen Schuhen, mit weißer Farbe besprüht und gefärbt habe. Krank, oder? Social Media macht es nicht besser, sondern treibt mich weiter in einen möglichen Privatkonkurs. Ich habe das Gefühl, ohne weißen Rennradschuhen nicht komplett zu sein. Und doch bleibt die Vernunft der Fels in der Brandung – zumindest noch. Vielleicht gewinne ich diesen Kampf, vielleicht auch nicht. Aber eines ist sicher: Solange weiße Rennradschuhe existieren, wird meine Sucht weiterleben.
#ktrchts
PS: Hier meine favorisierten Schuhe:
1. DMT Pogi
2. Shimano S-Pyre RC9
3. Specialized S-Works Torch/Specialized S-Works Torch Lace
4. Quoc M3 Air
5. Crono Shoes CR1
6. Crono Shoes CV2
7. Quoc Escape Road Lace
Und welche sind eure Favoriten?