Kategorie: Rennradgeschichten

Geschichten rund ums Rennradfahren

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich

Stell dir vor: Du schwingst dich morgens auf dein Fahrrad, setzt den Helm auf – und bist für manche Autofahrer plötzlich kein Mensch mehr, sondern ein bewegliches Hindernis. Kaum zu glauben? Eine aktuelle australische Studie aus dem Jahr 2023 wirft ein Licht genau auf dieses verzerrte Wahrnehmungsmuster. Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

Radfahrende sind nicht vollständig menschlich.

In “The effect of safety attire on perceptions of cyclist dehumanisation” (Mark Limb & Sarah Collyer, erschienen 2023 in Transportation Research Part F) wurden 563 Autofahrer*innen befragt. 

Das Ergebnis: 30 % der Befragten betrachteten Radfahrende als „nicht vollständig menschlich“ – ein erschütternder Befund, der zeigt, wie tief die Entmenschlichung sitzen kann. 

Mit sogenannten paired-choice-Bildern (je zwei Varianten mit Unterschieden im Erscheinungsbild) testeten die Forscher:innen, welches Bild eher als „weniger menschlich“ wahrgenommen wird. 

Zu ihren Hypothesen gehörte, dass Helme die Sicht auf Augen und Haare verdecken – also zentrale Merkmale, mit denen wir instinktiv Menschsein erkennen – und so die Wahrnehmung dämpfen könnten. 

Kleidung, Helm & Sichtbarkeit – die fatalen Unterschiede

Die Studie identifizierte zwei Knackpunkte, die das Entmenschlichungsgefühl besonders befördern:

  1. Sportliche Kleidung (Lycra, eng anliegendes Rad-Outfit) Autofahrer*innen neigten bei Bildern mit Radlern in Sportklamotten dazu, sie stärker zu entmenschlichen – offenbar, weil diese Kleidung klar signalisiert „Radfahrer“ in Reinform und damit Zugehörigkeit zu einer (oft kritisierten) Gruppe. 
  2. Helm + sichtbare Schutzausrüstung Radfahrende mit Helmen wurden 2,5-mal häufiger als „weniger menschlich“ bewertet im Vergleich zu solchen ohne Helm.  Noch extremer: Radler*innen in Sicherheitswesten ohne Helm landeten auf dem Spitzenplatz der Entmenschlichung – sie wurden 3,7-mal wahrscheinlicher als weniger menschlich gilt. 

Bemerkenswert: Der Effekt war stärker mit sichtbarer Schutzausrüstung verbunden als mit dem reinen Abdecken von Augen und Haaren. 

Auch das Geschlecht der Befragten spielte eine Rolle: Männer neigten eher dazu, keinen Unterschied zwischen Ausstattungen wahrzunehmen, während Frauen stärker Unterschiede in der Vermenschlichung zeigten. 

Wenn Schutz zur Schwäche wird

Das klingt paradox: Der Helm – eigentlich Lebensretter – wird hier zur Barriere in der Wahrnehmung. Doch solange Autofahrer*innen Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Geschichten und Familien erkennen, bleibt der Straßenalltag gefährlich.

Auch politische Maßnahmen wie Helmpflicht wirken in diesem Zusammengang fragwürdig. HeImpflicht, die ich persönlich befürworte. In Ländern mit solchen Gesetzen sank laut früheren Studien die Begeisterung fürs Radfahren – und der Sicherheitsgewinn blieb oft aus. Die australische Studie legt nahe: Wenn Radfahrende mit Schutzkleidung entmenschlicht werden, könnten Autofahrer wiederum riskanteres Fahrverhalten zeigen, da sie die Radfahrer als „geschützte Objekte“ statt als verletzliche Menschen wahrnehmen.

Warum das keine kleine Theorie ist – sondern folgenschwer

Entmenschlichung ist kein harmloses psychologisches Phänomen. In der Soziologie und Psychologie gilt sie als Grundreiniger von Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung. Wer einer Person ihre Identität, Verletzlichkeit oder Einzigartigkeit abspricht, schafft den Nährboden für Aggressionen, Unterdrückung oder Missachtung.

Wenn Radfahrende als „Radfahrer:innen“ entmenschlicht werden, reduziert sich ihr Status in den Augen anderer. Kein Wunder also, dass in Foren und auf der Straße privates Desinteresse bald in aggressive Gesten oder lebensgefährliche Ausweichmanöver umschlägt.

Mein Appell: Mehr Mensch – weniger Hindernis

Ich will hier kein Plädoyer für oder gegen Ausrüstung führen – Sicherheit bleibt wichtig. Doch das eigentlich Erschreckende ist etwas anderes: Die Studie zeigt, dass viele Autofahrende Radler schlicht nicht als Menschen wahrnehmen. Nicht, weil wir uns falsch kleiden oder weil uns ein Detail fehlt, sondern weil wir als „Radfahrer:innen“ automatisch in eine Schublade gesteckt werden – und in dieser Schublade hört das Menschsein auf.

Diese Erkenntnis ist schockierend. Denn sie bedeutet: Ganz egal, wie viele Sicherheitsregeln wir einhalten, wie sichtbar wir uns machen oder wie sehr wir uns bemühen – solange Autofahrer*innen uns nicht als Menschen sehen, sind wir im Straßenverkehr gefährdet. Und genau hier liegt die eigentliche Krise.

Was ich mir wünsche?

  • Kampagnen zur Rehumanisierung: Bilder von Radfahrer*innen mit Gesichtern, Namen, Geschichten können Bewusstsein schaffen (z. B. in der Studie vorgeschlagen). 

  • Fahreraufklärung in Fahrschulen: Nicht nur Technik lehren, sondern Empathie – dass hinter jedem Radfahrer ein Mensch steht.

  • Infrastruktur stärken: Radwege, sichere Übergänge und klare Prioritäten auf der Straße zeigen unmissverständlich: Radfahrende gehören dazu.

  • Politische Debatten differenzieren: Pflichten (wie eine Helmpflicht – die ich persönlich befürworte) allein ist kein Allheilmittel, wenn die Wahrnehmung fehlt – wir brauchen ein viel breiteres Konzept für sichere Mobilität.

Was wirklich zählt

Die Studie liefert eine unbequeme Wahrheit: Mehr Helme, Blinker oder grelle Warnwesten werden das Problem nicht lösen.

Solange

Radfahrende nicht als Menschen mit Gesichtern, Namen, Familien und Geschichten sehen, bleibt die Straße ein unsicherer Ort.

Radfahrende sind nicht „Verkehrshindernisse“ – sie sind Mütter, Väter, Kinder, Freunde. Erst wenn diese Wahrnehmung sich ändert, wird Radfahren wirklich sicher.

Cristian G. aka #ktrchts 

 

King and Queen of the Lake 2025

King and Queen of the Lake 2025

Ein Sommer-wie-damals-Revival punktgenau geplant und ausgeführt. Der Attersee glänzte wie poliertes Carbon. Kaiserwetter im Salzkammergut. Glattes Wasser, brennende Beine. Alles war angerichtet für den King and Queen of the Lake 2025. Und alle wissen und fühlen es. Dieses in Europa einzigartige Einzelzeitfahren rund um den See ist kein Rennen – es ist ein Hochamt des Radsports, ein Watt-Festival für Tempo-Gläubige. Wer hier mitfährt und die Ziellinie so schnell wie möglich überquert, graduiert in Velocitas honoris – Summa cum laude, versteht sich

Mixed Rebels statt Mixed Klischees

Auch dieses Jahr mittendrin statt nur daheim. Mein Mixed-Team. Während die meisten Mixed-Teams (immer noch) aus vier Männern und einer Frau bestehen, drehe ich schon zum dritten Mal den Spieß um. Mixed Rebels – ein Name, der Programm macht. Bei mir sind es drei Damen und ein Herr. Nicht nur aus Prinzip, viel mehr aus Überzeugung: Radsport gehört geteilt, nicht quotiert.


So unterschiedlich die Reaktionen darauf sind, so klar bleibt die Botschaft. Manche feiern uns für den Mut, andere schütteln ungläubig den Kopf, als hätten wir die UCI-Regeln neu erfunden. Doch genau darum geht’s: Den Rahmen zu sprengen, Klischees zu brechen, Chancen zu schaffen. Denn auf der Straße zählen keine Rollenbilder, sondern nur Watt, Wille und Witz.

Die jährliche Damenwahl

Jedes Jahr wiederhole ich mein kleines Ritual: die Damenwahl. Drei Frauen, zufällig ausgewählt, bilden mit mir die Mixed Rebels. Dieses Jahr waren es Anne aus Zürich, die mit schweizerischer Präzision und deutscher Gründlichkeit jede Kurve millimetergenau geschnitten hat. Außerdem hat sie als Rookie das gesamte Internet leer gelesen, um bestens vorbereitet zu sein. Dabei auch Chantal aus Graz, die das Stehvermögen einer Löwin mit dem Humor einer Kabarettistin kombiniert, und Natalie vom Veranstalterverein Atterbiker. Natalie kam erst ins Spiel, als ich schon dachte, wir würden mit einem Loch auf der Startrampe stehen. Doch sie hat meinen Hilfeschrei gehört und das Quartett kurzerhand vervollständigt – ein Joker aus dem eigenen Stall. Und was für ein Joker – Natalie war ein Jackpot.

Von Bewerberinnen und Absagen

Was wie ein lockeres Spiel klingt, ist in Wahrheit die härteste Disziplin. Denn die Nachfrage nach einem Platz bei den Mixed Rebels wächst von Jahr zu Jahr. Viele Bewerberinnen melden sich, voller Energie, voller Lust, den See zu rocken. Und jedes Mal bricht es mir ein kleines Stück das Herz, wenn ich Nein sagen muss. Ich würde mit allen fahren, was erstens organisatorisch nicht möglich ist und zweitens auch meine körperliche Physis nicht zulassen würde. Es gibt eben leider nur vier Startnummern. Dieses „Nein“ ist also kein Ausschluss, sondern eine Einladung: nächstes Jahr, neue Chance.

Kurzfristige Absagen machen die Situation auch nicht besser. Denn je näher der Tag X rückt, desto mehr Speed-Junkies tauchen auf – süchtig nach der einmaligen Chance, Teil dieses Rausches zu sein. Der King and Queen of the Lake wirkt wie eine Droge: Wer einmal geschnuppert hat, will mehr. Und ein vakanter Startplatz lockt wie der letzte Schuss Espresso vor dem Rennen – heiß begehrt, schnell vergriffen und garantiert nicht schlaffördernd.

47,2 Kilometer im Rausch

Und dann, wenn endlich alle Trikots sitzen und die Startnummern klappern, wird aus Theorie Praxis. Schulter an Schulter, im Wind, im Rausch, im Jetzt. 47,2 Kilometer später standen 1 Stunde und 14 Minuten auf der Uhr. 38 km/h im Schnitt, getragen von Teamgeist, Adrenalin und einer Prise Wahnsinn. Kein Rennen im klassischen Sinne, sondern ein Tanz auf schmalen Reifen. Jede Attacke gegen die Uhr, jedes Ziehen im Oberschenkel wurde belohnt – mit dem Wissen, dass man gemeinsam mehr schafft, als man alleine je könnte.

Das Video zum Wahnsinn

Rebels ride different. Festgehalten in Bildern, die nach Schweiß, Watt und Freude riechen. Mitten in der Elite der Zeitfahr-Community und aller, die Radsport im Herzen tragen. Betreut und gehätschelt von einem leidenschaftlichen Organisations-Team, freiwilligen Helfern, Exekutive, Sanitäter und vielen Zuschauern entlang der Strecke. Radsport-Emotionen pur. Laktat und Glück inklusive. Wer das Rennrad liebt, muss einmal beim King and Queen of the Lake starten – oder noch besser, immer wieder.

 


Danke Anne, Chantal und Natalie. Ohne euch wäre dieses Erlebnis nicht möglich gewesen. Ihr habt nicht nur Watt aufs Pedal gebracht, sondern auch Herz, Humor und diese unerschütterliche Lust, Grenzen zu verschieben. Mit euch wurde aus einem Rennen das sprichwörtliche Volksfest – und aus einem Team die Mixed Rebels.

Wir sehen uns auf alle Fälle 2026 wieder. Wer will mitfahren?

Cristian Gemmato aka #ktrchts

1,5 Meter Mindestabstand. Kollision zwischen Gesetz und Realität

1,5 Meter Mindestabstand

Am 5. September habe ich auf der Wiener Straße in Großhöflein nahe Eisenstadt (Burgenland) eine Lektion gelernt, die ich eigentlich nie lernen wollte: Wenn ein Linienbus unbedingt überholen will, dann passt auf drei Metern Fahrbahnbreite plötzlich alles – selbst der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern zu Radfahrenden. Zumindest, wenn man Sicherheit als dehnbare Größe betrachtet.

Der Busfahrer, Linie 904, Kurs 113, rauschte trotz eines Fahrbahnteilers an mir vorbei. Schwer vorstellbar, da auf einer 3 Metern breiten Fahrbahn rechnerisch ein 2,5 Meter breiter Bus, ein 1,5 Meter gesetzlich geregelter seitlicher Abstand und ich nie Platz gehabt hätten. Sicherheit? Objektiv nicht vorhanden. Juristisch eine klare Sache:

  • § 15 Abs. 4 StVO verlangt ausreichenden seitlichen Abstand.

  • Rechtsprechung (OGH 9 ObA 33/18b): innerorts mindestens 1,5 Meter.

  • § 26 Abs. 2a FSG macht das zur Pflicht.

  • Und: Überholen ohne diesen Abstand ist schlicht unzulässig (§ 17 StVO).

Der Fahrer wusste das. Sein Kommentar an der Haltestelle: „Hob di eh g’sehn.“ Übersetzt: Ich habe dich wahrgenommen, aber trotzdem entschieden, dass dein Leben weniger wert ist als meine Pünktlichkeit. Als ich insistierte, legte er nach: „Is sich eh ausgegangen.“ Sprich: Ich hatte Glück. Und zum Schluss: „Zeig mich halt an.“ – begleitet von einem süffisanten Grinsen.

Roulette mit Menschenleben

Ich habe den Vorfall juristisch dokumentiert und an den Verkehrsverbund gemeldet. Die Antworten sind ein Lehrstück dafür, wie man Verantwortung elegant im Kreis schickt:

  1. Der Verkehrsverbund: „Wir sind nicht zuständig, bitte an die NÖVOG wenden.“ – oder anders gesagt: Danke für Ihren Hinweis, aber machen Sie Ihre Hausaufgaben bitte bei jemand anderem.

  2. Die NÖVOG, erste Antwort: „Wir entschuldigen uns, bitte schicken Sie uns die Liniennummer.“ – eine Information, die angesichts von Uhrzeit, Ort und Foto wohl auch intern auffindbar gewesen wäre. Für mich blieb der Eindruck: Recherchearbeit outsourcen, am besten an den Betroffenen selbst.

  3. Die NÖVOG, zweite Antwort:

    • Der Fahrer habe den Mindestabstand eingehalten (was faktisch nicht möglich ist)

    • Sicherheit sei auch „eine Frage des subjektiven Empfindens“.

    • Die unangebrachten Aussagen des Fahrers bedaure man, man werde intern nochmals „auf Rücksichtnahme hinweisen“.

Kurz: alles nicht so schlimm, nur ein Missverständnis im Kopf des Radfahrers.

 

Meine juristische Bewertung

Hier geht es nicht um Gefühle, sondern um Geometrie. Ein Linienbus ist rund 2,5 Meter breit. Addiert man 1,5 Meter Abstand zum Radfahrer, landet man bei 4 Metern. Die Straße misst 3. Objektiv unmöglich. Kein Empfinden, keine Interpretation – einfach nur Mathematik.

Dass die NÖVOG aus dieser faktischen Unmöglichkeit eine angeblich regelkonforme Handlung macht, ist mehr als absurd. Es ist eine Relativierung einer konkreten Lebensgefahr.

Rein rechtlich bleibt:

  • Vorsatz (§ 5 StGB), weil der Fahrer mich gesehen hat und die Gefährdung bewusst in Kauf nahm.

  • Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89 StGB).

  • Arbeitsrechtlich: grober Pflichtenverstoß, da Busfahrer zu besonderer Sorgfalt verpflichtet sind.

  • Zivilrechtlich: volle Haftung im Schadensfall (§§ 1295 ff. ABGB).


Fazit

Nach meinem Verständnis ist ein Überholmanöver auf einer etwa 3 Meter breiten Fahrbahn mit einem Linienbus von ca. 2,5 Metern Breite unter Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstandes von 1,5 Metern faktisch ausgeschlossen. Die notwendige Fahrbahnbreite übersteigt die tatsächlich vorhandene deutlich. Die Behauptung, ein solches Manöver sei möglich, entbehrt daher jeder realistischen Grundlage.

Es handelt sich hierbei nicht um eine Frage eines subjektiven Sicherheitsempfindens, sondern um eine objektiv nachvollziehbare, mathematisch belegbare Unmöglichkeit.

Aus dem Schreiben der NÖVOG (Kundendienst) entnehme ich, dass weder eine ernsthafte Aufklärung noch eine disziplinarische Prüfung des Sachverhalts beabsichtigt ist. Damit wird eine Handlung, die objektiv geeignet ist, eine Körperverletzung – im schlimmsten Fall mit tödlichem Ausgang – herbeizuführen, als Bagatelle eingestuft. Eine solche Bewertung ist nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern auch in hohem Maße bedenklich und wirft erhebliche Zweifel an der Schutzfunktion dieser Verkehrsorganisation gegenüber den Verkehrsteilnehmern auf.

Mit tiefem Befremden und aufrichtigem Entsetzen muss ich feststellen, dass hier eine offensichtliche Gefährdung menschlichen Lebens verharmlost und relativiert wird. Es ist schwer nachvollziehbar, wie eine Institution, deren ureigene Aufgabe der Schutz der Allgemeinheit ist, eine derartige Gefährdung nicht nur hinnimmt, sondern faktisch legitimiert. Dieses Vorgehen hinterlässt nicht nur den Eindruck mangelnder Sensibilität, sondern auch den einer eklatanten Missachtung grundlegender Sicherheitsstandards.

 

Zusammengefasst

Ich musste erleben, dass ein Unternehmen und seine übergeordnete Organisation auf einen glasklaren Rechtsverstoß mit Zuständigkeits-Pingpong und Beschwichtigung reagieren. „Subjektives Sicherheitsempfinden“ ist hier kein Argument. Das Risiko war real, messbar und in Paragraphen gegossen.

Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack:

  • Ein Fahrer, der Arroganz über Verantwortung stellt.

  • Institutionen, die objektive Gefährdung verharmlosen.

  • Ein System, das Glück zur Sicherheitsstrategie erhebt.

Und irgendwann, wenn dieses Glück versiegt, liegt jemand unter den Rädern. Dann heißt es wieder: „Hab den Radfahrer nicht gesehen.“

 

Meine Forderung:

Mehr als Forderung sind es Wünsche. Einfach mehr Miteinander. Mit Achtsamkeit und gegenseitigem Verständnis. Darüber hinaus aber auch Konsequenzen für jene, die sich nicht an Regeln halten können. Vor allem dann, wenn sie vorsätzlich Menschenleben gefährden. 

Und weil bald Weihnachten ist, wünsche ich mir:

  • Klare Konsequenzen für den Fahrer.

  • Ein explizites Verbot für Überholmanöver, bei denen der Abstand objektiv nicht einhaltbar ist. Keine unnötigen Ausnahmen, die alles verkomplizieren.

  • Eine Kommunikation, die Verantwortung übernimmt, statt sie zu relativieren.

Bis dahin bleibt mein Eindruck: Die NÖVOG und der Verkehrsverbund haben mir zwar geantwortet – aber nicht mir, sondern vor allem sich selbst einen Gefallen getan.

#ktrchts

Zur 33. Novelle StVO geht’s hier

Radverleih am Monte Grappa – Geschichten eines Vergesslichen

Radverleih am Monte Grappa

Unmittelbar nach Pannonia 400 ging es schon am Tag danach weiter zum Monte Grappa und den Prosecco Hills. Die Rennradreise ist mittlerweile ein Fixpunkt im Programm und scheint auch sehr beliebt zu sein. Schon zum wiederholten Male, waren wir auch dieses Jahr mehr oder weniger ausgebucht. Zu Recht, denn viel ist schon über den Monte Grappa geschrieben und geschwärmt worden. Auch von mir. Ich liebe diesen Berg. Nicht immer. Dafür umso mehr. Die Gegend rund um Bassano del Grappa ist ein Muss auf jeder „Bucket List“. Termin für 2026? Steht noch nicht fest. Aber es wird wohl wieder im Juni sein. Voraussichtlich vom 20. bis 27. Juni. To be confirmed! Fix ist, dass ich im nächsten Jahr sicher nicht ohne Steckachse anreisen werde. Damit erspare ich mir den Radverleih am Monte Grappa. So, wie ich ihn erlebt habe.

Vom Packprofi zum Pannenpilger

Ganz genau. Ich habe zum ersten (und hoffentlich zum letzten Mal) die Steckachse für das Vorderrad einfach nicht mitgenommen. Warum auch immer. Üblicherweise nehme ich diese ab und schraube sie gleich wieder in die Gabel ein (ab und zu geht die Steckachse auch in die Laufradtasche). Dieses Mal aber war mein Prozedere ein anderes. Ich bückte mich, schraubte die Steckachse aus und legte diese auf den Boden. Danach habe ich mein Fahrrad ins Auto eingeladen. Die Steckachse war zu diesem Zeitpunkt schon vergessen. Als Last-Minute-Packer hatte ich ganz andere Dinge zu tun. Wie zum Beispiel mehrmals zwischen trautem Heim und Radkeller hin und her zu rennen. Dinge finden bei mir nicht immer sofort und geballt den Weg ins Auto. Irgendwann bin ich losgefahren. Voller Vorfreude auf meinen gliebten Berg.

600 Kilometer später schießt mir wie aus dem Nichts ein Gedanke in den Sinn. Habe ich die Steckachse eingepackt oder ist zum ersten Mal dieser Anfängerfehler passiert? Mein Gefühlszustand wechselte jetzt in Sekundenschnelle zwischen Panik und Hoffnung. Das Herz raste, der Magen zog sich zusammen – als hätte ich gerade erfahren, dass mein Rennradleben sich dem Ende zuneigt. Doch im nächsten Moment klammerte ich mich an die Möglichkeit, dass alles gut ist, dass die Achse irgendwo verstaut ist, vielleicht dort, wo sie immer liegt. Ich riskierte einen Blick auf die Rückbank, während das Auto weiterrollte. Konnte aber nichts erkennen. Mein Kopfkino malte bereits verschiedene Szenarien aus. Umdrehen? Das wären 600 + 600 + weitere 600 Kilometer! Würde sich bis zum Abendessen nicht ausgehen. Strava-Bekannte aus der Gegend kontaktieren? Ich entschied mich vorerst einmal dafür, bei der nächsten Raststation anzuhalten und der harten Realität direkt in die Augen zu schauen.

Radverleih mit Hindernissen

Die Hoffnung starb beim Kofferraum-Check

Langsam stieg ich aus dem Auto. Näherte mich der hinteren Tür. Öffnete sie langsam. Immer in der Hoffnung, sanft und unbeschadet von diesem Alptraum aufzuwachen. Ich suchte, schaute, blickte mehrmals unter allem, was so herumgelegen ist. Von der Steckachse keine Spur. Fast hätte ich geweint. Aber nur fast. Schnell habe ich mich mit der bitteren Wahrheit auseinandergesetzt und noch Google um Hilfe gebeten. Mein Flehen galt offenen Sportgeschäften. Anmerkung: Es war Sonntag. Und alle mir bekannten Sportgeschäfte hätten am Montagnachmittag wieder geöffnet. Bis auf eines nicht. Das Bassano Club House. Sonntags geöffnet. Eine letzte Rettung? Vielleicht die einzige. Ich sollte es noch bis vor der Schließung schaffen.

Bassano Club House ist ein Cafè, ein Shop, eine Werkstatt und Zimmervermietung in einem. Stylisch, fast direkt am Ponte degli Alpini direkt in Bassane del Grappa gelegen. In der Auslage Basso Räder und das teuerste, was es an Radbekleidung und Zubehör so gibt. Ich war guter Hoffnung. Ich betrat diese heiligen Hallen vorerst einmal ohne Rad und schilderte mein Problem. Eine Steckachse musste her. 100 x 12 mm. Selbstverständlich mit perfektem italienisch. Sprache, die der Mitarbeiter leider nicht verstand. Schnell musste ich auf Englisch umswitchen. Und auf den Mechaniker warten. Der Mitarbeiter hat mich auf ihn verwiesen. Wenig später war der Mechaniker vor Ort. Auch er konnte sich mit mir nicht in italienischer Sprache verständigen. In einem Mix aus englisch und spanisch wurde das Problem analysiert. Die Lösung gab es erst, nachdem ich den Patienten vorgeführt hatte. Es gab keine Steckachse, die in meine 3T-Gabel passten konnte. Das Wort „konisch“ wurde zum unüberwindbarem Hindernis.

Ein Rennradguide frisst in der Not alles

Kein Rad und 11 Gäste, die mich als Guide gebucht hatten. Keine alltägliche Situation. Meine letzte Chance? Ein Leihrad vor Ort. Ein Basso. Der Blick ins System offenbarte die Verfügbarkeit eines Astra Modells in RH 53 und Campagnolo Super Record Wireless 12fach. Bekanntlich frisst ein Rennradguide in der Not alles. Auch ein Basso Astra mit Campagnolo. Ich vereinbarte eine Leihdauer von 5 Tagen. Immer in einer englisch/spanisch Sprachkombination. Sollte ich eine passende Steckachse finden, würde ich das Rad frühzeitig zurückbringen können. Deal perfekt. Bei einem Funktionstest vor Ort fiel mir auf, dass die Bremsen einen späten Bremspunkt hatten. Der Mechaniker meinte, das sei bei Campa normal. Ich habe es im abgenommen. Ich musste zu meinen Gästen ins Hotel. Bezahlte also mein Leihgebür und verabschiedete mich.

Noch am selben Tag vor der Bettruhe wurde das Leihrad an meine Anforderungen angepasst. Soweit das möglich war. Sattel raus – Vorbau runter blieb mir verwehrt. Der Integrität aller Kabel wegen.

Natürlich habe ich versucht, mir meine Steckachse Express zukommen zu lassen. DHL Kosten? Overnight über € 150,-. Post? 2 – 4 Werktage für schlappe € 80,- Mit

Basso Astra Campagnolo Super Record Wireless

Basso Astra – astrein oder nur fast?

Die erste Ausfahrt mit dem Basso Astra galt der Gewöhnung an das Gerät. Schaltung und Übersetzung waren mir fremd. 48/32 und 10/29 ungewohnt und die zwei Schalttasten pro Schalthebel sowieso. Weil diese entgegen meiner Shimano Ultegra Präferenz nicht nur anders gepolt (programmiert) waren, sondern auch anders angelegt. Oben/unten statt vorne/hinten. Unzählige falscher Schaltvorgänge später, hatte ich es immer noch nicht automatisiert. Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier.

Positiv überrascht haben mich die Super Record Wireless Schaltgriffe. Die Form des Griffkörpers hat es mir speziell bei hohem und festen Griff angetan. Äußerst bequem und ergonomisch perfekt. Ganz zu schweigen von dem Bremsen. Auch wenn für mich zu weich: feine Dosierung und wahnsinnig griffig, bei genialem Surren während des Bremsvorganges. Da hat Shimano aus meiner Sicht das Nachsehen. Und das Rad an sich? Schnell habe ich mich an den kleinen Rahmen gewöhnt. Überhaupt kein Problem. Wendig war es auf alle Fälle. Ein feines Rennrad für alltägliche Zwecke. Wie zum Beispiel das Guiden. Vorne im Wind fahren, in der Abfahrt das Tempo und die Spur vorgeben und bergauf so schnell zu sein, dass man nicht von allen Gruppenteilnehmer:innen stehen gelassen wird. Perfekt also? Nicht ganz. Wäre da nicht diese große Kleinigkeit gewesen.

Wenn Radverleih zum Ohrenkrampf wird

Ich habe ein sensibles Ohr, was Geräusche am Rennrad betrifft. Ich höre alles. Oft auch zu viel. Was das Basso Astra aber bereits ab dem zweite Leihtag von sich gegeben hat, war kaum zu überhören. Ohne Übertreibung. Aber hört einfach selber, welches Konzert meine Ohren am dritten Tag ertragen mussten.

Dass das bei einem Leihrad nicht sein darf, ist klar. Auch, dass so etwas passieren kann. Unangenehmes Pech. Deshalb bin ich am dritten Tag ins Bassano Club House gefahren, um mein Fahrrad checken zu lassen. Hätte ich das nicht gemacht. Erstens lies man mich warten und zweitens teilte man mir nach mehrmaligen Nachfragen, was mit meinem Rad los sein, dass dieses morgen an jemanden anderen verliehen worden war. Mein Leihvertrag war auf 3 Tage ausgelegt. What? Keine Chance. Man hat mir das Rad entzogen und keinen Anstand gemacht, mir eine Alternative zu finden. Ja, ein Gravelbike in XL wäre frei gewesen. Nein danke. Und alles in Englisch. Ja, der Mitarbeiter des ersten Tages, nicht der Mechaniker, der hatte sich aus dem Staub gemacht. Ein anderer Mitarbeiter (perfekt Italienisch sprechend) auch. Man ließ mich einfach im Regen stehen, bei 35 Grad im Schatten. Kein Rad, und 10 Gäste, die mich als Guide gebucht hatten. Ein „Hope you will find a solution“ hätte mich fast dazu geführt, den Laden auseinanderzunehmen. Wundert mich, dass ich Kontenance bewahren konnte. Vielleicht weil Stefan und Christa (meine Gäste) auch im Shop waren. Dank ihnen bin ich dann auch zurück ins Hotel chauffiert worden. Radverleih am Monte Grappa – nicht immer ein Erlebnis.

Radlos? Frag ChatGPT

Am Weg dorthin habe ich mich schon im Auto sitzen gesehen. 13 Stunden lang, um meine Steckachse zu holen. Eine ganze Nacht. Ich war gewillt, es zu tun. Um 19:30 Uhr wäre ich losgefahren. Dann aber habe ich ChatGPT gefragt, wo man am Monte Grappa ein Rennrad ausleihen könnte. Die Antwort war prompt.

Irgendwie habe ich mich auf den dritten Vorschlag konzentriert. Auch weil die ChatGPT Beschreibung/Gegenüberstellung der Anbieter sympathisch geklungen hatte. Auch war die Webseite ansprechender. Zwar nicht unbedingt modern. Aber moderner als jene von Veloce Bike Rental. Hier scheint Webdesign nocht in der Kindershcuhen zu steken. Also Via Roma Bike Rental Webseite geklickt, Telefonnummer herausgesucht und angerufen. Am anderen Ende eine männliche Stimme. „Che misura ti serve?“ klang vielversprechend. Mit Massimo schnell noch ein paar Details geklärt. Und ich soll die Ehefrau (Ivana) anrufen. Sie würde alles managen. Ivana angerufen, Ivana nicht erreicht, Ivana WhatsApp Nachricht geschickt, Mann informiert, dass Ivana WhatsApp Nachricht bekommen hat. Funkstille. Die 13 Stunden Autofahrt, waren jetzt schon kein Thema mehr. Mit mulmigem Gefühl, ob alles klappen könnte, Pizza genossen. Dann die erlösende Nachricht. Ein Rennrad würde mir am Morgen um 8 Uhr direkt ins Hotel geliefert. Ein Wilier, mit Scheibenbremsen und Shimano 105 Di2 12fach. Den ganzen Abend war das das Thema. Und die Gruppe litt mit mir mit. Radverleih am Monte Grappa kann auch ganz einfach sein.

Aus der Not eine Liebe gemacht

Am Nächten Morgen war das Rad da. Ein Wilier Garda RH 54 in Grün. Schnell unterschrieben, bezahlt und mit wenigen Handgriffen fahrfertig gemacht. Sattelhöhe eingestellt, Schalt/Bremshebel etwas nach unten gedreht, Garmin Halterung montiert, Pumpe entfernt und Ventilverschlüsse verschwinden lassen. Ich war ready to go.

Die Notlosung entpuppte sich schnell als perfekte Lösung. Das Rad war ideal für die restlichen zwei Tage. Vertraute Shimano Technik (auch wenn anders programmiert), Kompaktkurbel für die Steigungen und ein feines Handling. Ideal zum Im-Wind-Fahren, bergab zügig vorauszufahren und bergauf Tempo zu machen. Listenpreis € 2.700,- Fast hätte ich es mir gekauft. Fast nur. Ich war hellauf begeistert. Vom Rad selbst, vom Verleihangebot und vom Zustellservice. Preislich auch ok. € 50,- pro Tag. Für die Zustellung und Abholung wurden € 20,- verrechnet (im Umkreis). Link zum Verleih? Gerne hier.

Fazit: Keine Steckachse, zwei Verleiher, viele Erkenntnisse

Ende gut, alles gut? Jein. Es war ein teurer Anfängerfehler, der mir hoffentlich nicht mehr passieren wird. Eine zweite Steckachse ist jetzt im Werkzeugkoffer, den ich auch immer mit habe. Ein Plan B für alle Fälle. Und ich habe die Möglichkeit bekommen, Wilier und Basso, Shimano 105 und Campagnolo Super Record Wireless zu testen. Auch habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass ich auch kleine Rahmen (RH 53 und RH 54) gut fahren kann. Mein nächstes Rad wird mit Sicherheit einen kleinen Rahmen haben.


Und noch ein Gedanke: Viele glauben, dass nur das Teuerste gerade gut genug ist – vor allem, wenn es um Rennräder geht. Doch wer sich ausschließlich vom Preisschild leiten lässt, verpasst oft das Wesentliche: das Gefühl, das ein Rad vermittelt. Denn Glück auf zwei Rädern hat nicht zwingend mit Carbon, Wattmessung oder Wireless-Schaltung zu tun. Auch Low-Budget-Räder können überraschen – mit Fahrspaß, Komfort und einem breiten Grinsen nach der Abfahrt. Manchmal ist weniger einfach mehr. Und das Beste? Meistens völlig überbewertet.

#machurlaubfahrrennrad
Cristian

PS: Lust auf Rennradurlaub? Hier geht’s zum Resturlaub in Cesenatico

Giro d’Italia 2025 – zwischen Grenzüberschreitung und Gesichtsverlust

Giro d'Italia 2025

Der Giro d’Italia – einst das stolze Bollwerk italienischer Leidenschaft, Pasta-Power und epischer Alpenetappen – startet 2025 in… Albanien. Nicht in Rom, nicht in Mailand, nicht einmal im verlotterten Neapel. Sondern in Tirana. Warum? Wahrscheinlich, weil man es kann. Oder besser gesagt: weil man sonst nichts mehr weiß. Was früher ein identitätsstiftendes Monument des Landes war – ein Spektakel mit Kirchenglocken, Bergdörfern, Omas am Straßenrand und Carabinieri mit Sonnenbrillen – wird heute zur globalisierten Image-Tour. Beim Giro d’Italia 2025 geht es nicht mehr um Geschichte, sondern um Geschichten. Nicht mehr um Italien, sondern um Klicks.


Start in Albanien – der Giro testet, wie weit er fallen kann

Nicht falsch verstehen, Albanien ist schön. Wild. Unterschätzt. Das Problem ist nicht das Land. Das Problem ist die Geste. Der Giro d’Italia 2025 flüchtet. Nicht vor dem Wetter, sondern vor der Bedeutung. Was bleibt, ist ein rosa Trikot mit immer weniger Stoff, aber immer mehr Sponsorenlogos. Die Frage ist nicht, ob Albanien bereit für den Giro ist. Die Frage ist: Ist der Giro überhaupt noch bereit für sich selbst?

Natürlich verkauft man das als „Zeichen für Völkerverständigung“, als „Brücke zwischen Kulturen“. Aber wenn man ehrlich ist, geht’s ums liebe Geld. Geld, das aus Tirana kommt. Geld, das aus Dubai kam. Aus Ungarn. Geld, das irgendwann auch aus China kommen wird.

Der Giro d’Italia 2025 ist kein italienischer Mythos mehr – er ist ein Wanderzirkus. Und wie bei jedem Zirkus geht es nicht um Inhalt, sondern um Attraktion. Albanien hat Charme, hat Berge, hat Geschichte – aber es hat eben vor allem auch: weniger Fragensteller und mehr offene Kassen.

Giro dItalia 2025 - Die Route

Die Fallhöhe ist kein Problem – solange keiner merkt, dass man fällt.

Die UCI? Applaudiert. RCS Sport? Zählt die Scheine. Und die Fahrer? Werden eingeflogen, abfotografiert, durchgereicht. Der Giro war mal ein Epos – heute ist er ein Instagram-Reel mit rosa Filter.
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Früher hat man auf Schotterpisten Helden gemacht. Heute dreht man PR-Videos mit Drohnen. Die Fallhöhe ist kein Problem – solange keiner merkt, dass man fällt.
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Und was sagen die Italiener? Die echten, die alten, die mit der Kaffeetasse in der Hand am Fernsehschirm kleben? Sie zucken mit den Schultern. Denn sie haben sich längst daran gewöhnt, dass alles, was ihnen mal gehört hat, heute exportiert wird. Fußballer, Opernsänger, Rennradrennen. Dolce Vita für den Weltmarkt. Aber vielleicht ist das der wahre Giro heute: Ein globaler Wanderzirkus auf der Suche nach dem nächsten Sponsor.

#ktrchts

PS: Lust auf Rennradfahren durch Österreich? Hier geht’s zum Austria Giro Bikepacking oder zum Austria Giro Supported.

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Die richtige Rennrad-Bekleidung im Frühling

Die richtige Rennrad-Bekleidung im Frühling

Frühling! Die Sonne blinzelt endlich wieder durch die Wolken, das Thermometer kratzt an der magischen 10-Grad-Marke, und plötzlich mutieren Rennradfahrer zu sommerlichen Leichtmatrosen. Kurze Hose, dünnes Trikot – schließlich sind wir ja nicht aus Zucker, oder? Doch genau da liegt das Problem! Vor allem dann, wenn von einem Tag auf den anderen 15° keine Ausnahme mehr sind. Dann trocknet jeder Tropfen Vernunft in der prallen Sonne sofort aus. Auch wenn die kühle Luft (Fahrtwind) noch vehement Widerstand leistet. Die richtige Rennrad-Bekleidung im Frühling, ein Spagat zwischen hart wirken und orthopädisch intelligent denken.

Kalte Knie = kaputte Knie? Ja, genau so ist es!

Unsere Gelenke, Sehnen und Muskeln sind keine Fans von Kälte. Während der Oberkörper beim Radfahren durch Anstrengung schnell warm wird, bleiben die Beine – insbesondere Knie, Sehnen und Bänder – oft zu kühl. Das führt nicht nur zu einem unangenehmen Fahrgefühl, sondern kann langfristig zu Verletzungen, Entzündungen und Verschleißerscheinungen führen.

Meine goldene Regel lautet deshalb: Unter 20 Grad – niemals ohne Schutz für die Beine! Ausnahmen wären Rennen, aber die fahre ich nicht.

Was ziehe ich beim Rennradfahren an?

Warum du unter 20 Grad besser nicht in kurz fährst

1. Deine Muskeln arbeiten besser, wenn sie warm sind

Stell dir deine Muskeln wie ein Kaugummi vor. Ist er warm, ist er elastisch und dehnbar. Ist er kalt, wird er spröde und kann reißen. Studien zeigen, dass Muskeln und Sehnen in einer optimalen Betriebstemperatur von etwa 36-38 Grad Celsius am besten arbeiten. Wenn deine Beine frieren, sinkt die Durchblutung, und deine Muskelleistung geht in den Keller.

Wissenschaftlicher Fakt: Eine Studie im Journal of Physiology (2008) zeigt, dass kältere Muskeln weniger Sauerstoff aufnehmen können, was die Leistung reduziert und das Verletzungsrisiko erhöht.

Übersetzung für alle, die lieber Watt statt Wissenschaft messen: Kalte Beine = weniger Power = mehr Schmerzen.

2. Dein Knie ist eine Mimose – behandel es auch so!

Das Knie ist kein Fan von Temperaturschwankungen. Vor allem Sehnen und Bänder reagieren empfindlich auf Kälte. Wer bei niedrigen Temperaturen mit kurzen Hosen fährt, riskiert:

Reizungen der Patellasehne (Stichwort: Patellaspitzensyndrom)

Arthrose-Förderung durch ständige Unterkühlung der Gelenkflüssigkeit

Muskelverspannungen in den Oberschenkeln, die das Kniegelenk zusätzlich belasten

Realitäts-Check: Schon mal in der ersten Stunde einer kühlen Rennradausfahrt das Gefühl gehabt, dass deine Knie „zwicken“ oder sich irgendwie „eingerostet“ anfühlen? Genau das ist das Problem!

3. Dein Körper kämpft um Wärme – und du verlierst Energie

Wenn es kalt ist, versucht dein Körper, lebenswichtige Organe warmzuhalten. Deine Beine stehen dabei nicht an erster Stelle. Das heißt: Die Durchblutung in den Extremitäten nimmt ab, die Muskeln werden schlechter versorgt, und du brauchst mehr Energie, um die gleiche Leistung zu erbringen.

Übersetzung: Du könntest schneller fahren – wenn du nicht mit deinem eigenen Körper um Wärme kämpfen würdest.

4. Sehen so Sieger aus? Profis fahren NIE in kurz bei Kälte!

Denk mal drüber nach: Wann hast du zuletzt ein Profi-Peloton bei 12 Grad und Nieselregen in kurzen Hosen gesehen? Genau – noch nie! Die wissen, dass kalte Beine Leistung kosten und Verletzungen begünstigen. Beinlinge, Knielinge, lange Hosen – alles Standard.

Aber du, der ambitionierte Hobbyfahrer, bist natürlich härter drauf als die Profis, oder?

Die Lösung: Lang statt kurz – ohne zu schwitzen!

Keine Sorge, du musst nicht gleich in den Winter-Overkill-Modus schalten. Es gibt leichte, atmungsaktive Beinlinge und Knielinge, die:

✔️ Deine Muskulatur warm halten

✔️ Vor Wind und Feuchtigkeit schützen

✔️ Einfach ausziehbar sind, falls es doch zu warm wird

Meine Empfehlung:

• Unter 15 Grad: Lange Hose oder Beinlinge. Es muss nicht zwingend die wattierte Variante sien.

• Zwischen 15-20 Grad: Knielinge als Kompromiss

• Über 20 Grad: Dann darfst du in kurz – aber ohne Übermut!

Fazit: Cool aussehen ist gut – warme Knie sind besser!

Du kannst natürlich weiterhin bei 10 Grad+ in kurzen Hosen fahren. Vielleicht gewinnst du so ja den „Kälterekord der Schmerzfreien“ in deiner Strava-Gruppe. Aber wenn du langfristig Spaß am Radfahren haben willst, dich nicht unnötig verletzen und vor allem schneller und leistungsfähiger unterwegs sein möchtest, dann halte dich an eine einfache Regel:

Unter 20 Grad – immer was Langes für die Beine!

Deine Knie werden es dir danken. Dein Muskelkater auch. Und wenn du trotzdem meinst, du wärst ein abgehärtetes medizinisches Wunder – ist es auch ok. Für dein Ego, selten aber für deine Muskeln, Sehnen und Bänder.

#ktrchts

 

Photoshop statt Sportlerdiät? Willkommen im Club!

Photoshop statt Sportlerdiät? Willkommen im Club!

Es gab diesen einen Moment in meinem Leben, in dem ich merkte: Mein Stoffwechsel spielt nicht mehr mit. Vielleicht ist es das einst locker sitzende M-Trikot, das nun an mir eher wie eine geschnürte Wurst aussieht. Oder die Träger meiner Radhose, die sich so tief in meine Schultern graben, dass ich befürchte, meine beiden Schlüsselbeine könnten bald durchtrennt werden. Langsam aber stetig. Jetzt stehe ich vor der großen Frage: Wie konnte das passieren?

Spoiler: Es liegt nicht an mir. Es liegt an der Biologie. Und ja, ein bisschen auch an den süßen Versuchungen, die ich nur anschaue – und zack habe ich gleich 500 Gramm mehr auf der Hüfte.

Lasst mich einmal tief in das Mysterium des alternden Stoffwechsels eintauchen. Keine Sorge, ich habe ein paar wissenschaftliche Fakten für den Schein der Seriosität – aber auch genug Humor, um diese bittere Realität herunterzuspülen und zu verdauen. Auch wenn es schwerfällt, sie zu akzeptieren.

Fettstoffwechsel im Alter

Stoffwechsel und Alter: Warum mein Körper mich jetzt auslacht

Damals war es so simpel: Viel essen + viel Sport = immer noch schlank. Ein Traum! Doch dann kam das Alter und mit ihm eine Art Stoffwechsel-Betriebsrat, der beschlossen hat, dass Kalorien jetzt zu 100 % gespeichert und nicht mehr verbrannt werden.

Aber warum verlangsamt sich der Stoffwechsel mit dem Alter?

Die Kurzform? Weil mein Körper faul geworden ist. Wissenschaftlich lässt sich das alles so erklären:

1. Muskelabbau: Ab etwa 30 hab ich pro Jahrzehnt 3–8 % Muskelmasse verloren, weil ich außer Rennradfahren und bis vor genau 12 Jahren schwimmen und laufen, nichts dagegen getan habe. Muskeln verbrauchen mehr Energie als Fett – weniger Muskeln = weniger Kalorienverbrauch. Ohne Muskeln, mehr Fett. That’s it.

2. Hormonelle Veränderungen: Testosteron (bei Männern) und Östrogen (bei Frauen) spielen eine riesige Rolle beim Stoffwechsel. Diese Hormone nehmen im Alter ab – und mit ihnen die Fähigkeit, Nahrung in Energie statt in Fettpolster umzuwandeln.

3. Mitochondrien werden faul: Meine Zellkraftwerke, die Mitochondrien, haben mit zunehmendem Alter angefangen, weniger effizient zu arbeiten. Sie waren früher wie der Akku eines Nokia Telefons. Sie hielten länger als eine Woche. Heute sind sie wie ein iPhone und in weniger als einem Tag leer.

4. Geringerer Grundumsatz: Mein Körper denkt sich jetzt immer öfter: „Warum soll ich mehr Energie verbrennen, wenn ich auch mit weniger auskomme?“ Und zack – der Grundumsatz sinkt von Jahr zu Jahr.

Fazit: Mein Körper wurde mit dem Alter effizienter darin, Fett zu speichern – aber nicht darin, es wieder loszuwerden.

Der größte Mythos: Weniger Essen hilft

Wer jetzt so wie ich denkt, weniger Essen sei die Lösung, der irrt sich. Mein Stoffwechsel ist aktuell ein renitenter Teenager – sobald ich ihn austrickse, macht er genau das Gegenteil.

Das Gegenteil-Syndrom: Warum Diäten dich schwerer machen

Ich kenne das und ich kann das. Ich esse weniger – und trotzdem zeigt die Waage mehr an! Mein Körper ist mittlerweile ein Sparfuchs. Wenn er merkt, dass er weniger bekommt, dreht er den Verbrauch runter. Er denkt sich: „Oh nein, Hungersnot! Speichern, speichern, speichern!“ Und speichern heißt Fett anlegen. Dort, wo das M Trikot dann zu wenig Stoff hat und die nackte Wahrheit ans Licht kommt.

Das führt dazu, dass mein Stoffwechsel noch langsamer wird. Esse ich dann wieder normal, speichert dein Körper erst recht alles ein – Jojo-Effekt deluxe.

 

Sport: Henne oder Ei?

Ich bin leidenschaftlicher Rennradfahrer. Und stehe vor der uralten Frage: Fahre ich Rennrad, um essen zu können – oder esse ich, um Rennrad fahren zu können? Die Antwort ist: Beides. Ein unendlicher Kreislauf und ein schlimmes Dilemma. Weil Sport einer der wenigen Tricks ist, mit denen ich meinen alternden und träger werdenden Stoffwechsel überlisten muss. Denn:

Muskeln verbrennen auch in Ruhe Kalorien (danke, Muskelmasse!)

Sport reguliert Hormone, die den Stoffwechsel ankurbeln

Nachbrenneffekt: Mein Körper verbrennt noch Stunden nach dem Training mehr Kalorien

Aber auch hier gibt es einen Haken: Je älter ich werde, desto härter muss ich arbeiten, um die gleichen figurbetonten Ergebnisse zu erzielen. Mein Körper optimiert sich – aber leider in die falsche Richtung.

 

Photoshop als Stoffwechsel-Upgrade?

Irgendwann kam dann der Moment, in dem ich dachte: „Es reicht nicht mehr, nur Rennrad zu fahren – ich brauche Photoshop.“ Ein schlimmer Gedanke, der eines zeigt: Idealgewicht ist nicht nur bergauf perfekt, sondern auch. Für mich gibt es auf alle Fälle keine Fotos mehr, die mich seitlich am Rennrad zeigen.

Ich hatte mit 20 keinen Sixpack und ich brauche auch jetzt keinen Sixpack. Aber ich brauche auch kein altersbedingtes Übergewicht. Bedauerlicherweise gelingt es mir nicht, dieses auf gesunde Weise zu vermeiden. Mein Körper ist jetzt ein anderer – und das ist bedingt okay. Statt verzweifelt gegen die Biologie zu kämpfen, sollte ich mich auf das konzentrieren, was ich kontrollieren kann:

1. Gute Ernährung statt Crash-Diäten. Und weniger „Ich kann das essen, weil ich verbrenne es sowieso“.

2. Krafttraining, um andere, neue Muskeln zu bekommen und zu erhalten

3. Ausdauersport, um den Stoffwechsel anzukurbeln. Noch mehr? Ja. Viel mehr lange Ausfahrten im Grundlangenbereich, ganz ohne KOMs, Local Heros und FTP-Verbesserungen.

4. Genug Schlaf – ja, Schlaf beeinflusst den Stoffwechsel!

5. Akzeptanz, dass mein Körper sich verändert – und das völlig normal ist.

 

Der beste Rat an mein älteres Ich

Was würde mein 20-jähriges Ich sagen, wenn es mich jetzt sieht? Wahrscheinlich sowas wie: „Was hast du getan? Warum hast du so einen Bauch?“ Womit es recht hat. Das ist die Wahrheit. Mein Stoffwechsel wird nie mehr wie mit 20, 30 oder 40 sein. Aber das bedeutet nicht, dass ich aufgeben muss. Es bedeutet nur, dass ich klüger mit ihm umgehen muss.

Ausgewogen ernähren, weiterhin regelmäßig Rennrad fahren und aufhören, mich mit meinem früheren Ich zu vergleichen. Denn ehrlich: Damals war nicht alles besser – ich hatte nur einen unfairen Stoffwechsel-Vorteil.

Heute brauche ich eben mehr Disziplin – oder Photoshop. Und Krafttraining. Das wird die größte Challenge werden.

#ktrchts

PS: Hier kannst du deinen Stoffwechsel mit ausgiebigen Rennradtouren ankurbeln.

 

Burgenland Extrem Tour 2025: Die bike224meilen – Ein Abenteuer am Limit.

Burgenland Extrem Tour 2025

Die „Rad-Variante“ der Burgenland Extrem Tour 2025 war wieder einmal ein Ereignis, das nicht nur meine körperliche, sondern auch meine mentale Belastungsgrenze forderte. Mit 224 Meilen (360 Kilometern) rund um den Neusiedler See stellte die Tour auch heuer alles auf die Probe – inklusive Vernunft. Gefragt waren dieses Jahr ganz besonders Mut, Ausdauer, Wille, Feinmotorik und vor allem Fahrtechnik. Ein Jahr lang habe ich darauf gewartet, mich vorbereitet und gehofft, Wetterglück zu haben. Um am Ende das zu bekommen, worüber ich mich am wenigsten freuen konnte. Einen eisigen Cocktail aus Straßenglätte, Nässe, Nebel und hoher Luftfeuchtigkeit. Statt eines winterlichen Märchens wartete ein Kampf gegen die Elemente, bei dem jede Kurve ein Tanz auf der Rasierklinge und jede Gerade eine zermürbende Geduldsprobe war. So ist das wohl, wenn man sich auf ein Abenteuer einlässt, das nicht verspricht, einfach zu sein – sondern extrem.

Foto: Cristian Gemmato

Das Warten. 365 Tage für die nächste Chance.

Ein Jahr Vorfreude, ein Jahr Bangen. Nach der letzten Tour 2024 blieb vor allem eine Frage: Wie wird das Wetter? Im Burgenland kann es im Januar bekanntlich alles geben – von eisiger Kälte mit minus zehn Grad bis zu überraschendem Frühlingswetter mit zehn Grad plus. Doch eines ist sicher: Die Unsicherheit ist immer da. Du kannst dir nie zu sicher sein. Das Warten auf die letzte Wettervorhersage wurde zur Zerreißprobe, und je näher der Tag X rückte, desto aussichtsloser wurde die Hoffnung auf Gnade und Milde. Der Hochnebel, der sich angeblich auflösen hätte sollen, wollte zäh und beständig bleiben. Die angekündigten Sonnenfenster? Fehlanzeige. Einzig Schneefall konnte man bei der Burgenland Extrem Tour 2025 ausschließen. Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte – bei jedem Studieren der Vorhersagen stand ich jedes Mal am Start, mit einer Mischung aus Skepsis und Frust. Ich wusste nur: Egal, welches Wetter mir „versprochen“ werde, die Realität auf der Strecke würde sowieso ihre eigenen Regeln brechen. Das pannonische Wetter hatte sich längst auf seine eigene Extrem-Tour begeben – und ich war dabei.

Foto: Cristian Gemmato

Eislaufplatz Neusiedlersee Radweg. Eiertanz auf zwei Rädern.

Der Startschuss fiel kurz nach 8 Uhr und schon nach wenigen Kilometern wurde klar: Der Neusiedlersee Radweg B10 zwischen Oggau und Balf ist ein Eislaufplatz. Unscheinbar und spiegelglatt. Die Strecke war rutschig und die Sturzgefahr allgegenwärtig. Jeder stärkere Antritt brachte das Hinterrad ins Driften. Gefühl war gefragt. Und eine saubere Fahrtechnik. Speziell in den Kurven. Bremsen? Nur wenn unbedingt notwendig und dann so sanft wie möglich. Einige Fahrer:innen eierten wie ich vorsichtig über die vereisten Abschnitte und immer wieder sah und hörte ich jemanden, der mit seinem Rad zu Boden ging – wie Kegel beim Bowling. Einmal sogar direkt vor mir. Konzentration war hier alles. Es ging zu Beginn nicht um Geschwindigkeit, sondern um das pure Überleben auf zwei Rädern. Ein Fußballspiel hätte bei diesen Bedingungen nie stattgefunden. Die Burgenland Extrem Tour 2025 hat man durchgezogen.

In Zeitlupe bewegte ich mich wie auf rohen Eiern und folgte millimetergenau dem Bankett. Jeder noch so kleinste Stein war wie ein Funken Hoffnung, nicht unfreiwillig den Boden zu küssen. Aufnahmen vom Eistanz gibt es natürlich keine. Ich war doch nicht so fotogeil, mich und mein Rad dafür zu riskieren. Man kann sich das auch so vorstellen: „Ahhh, uhhh, ahhh, uhhh“ – zitternd, wackelnd, jederzeit bereit abzufliegen. Alles im maximalen Pulsbereich.

Foto: Cristian Gemmato

Die erste Runde: Kalt, nass und zerissene Gruppen.

Die erste Runde der Burgenland Extrem Tour 2025 begann mit klammen Fingern, beschlagenen Brillen und einer Gruppe, die sich nur schwer finden wollte. Nach den Schreckminuten am Eis weichte Streusalz und die immer höher werdende Luftfeuchtigkeit die Straßen auf und die Nässe kroch durch jede Schicht meiner Kleidung. Die Stimmung bis jetzt verhalten. Es herrschte Kälte. Immer wieder rissen in der spärlich formierten Gruppe kleine Lücken auf, einer zog kurz an, dann wurde das Loch geschlossen und abgebremst. Harmonie? Fehlanzeige. Statt in der Gruppe zu fahren und Kräfte zu sparen, wurden diese wieder und immer wieder verpulvert. Sind wir wirklich solche Egoisten? Auch dann, wenn es um die goldene Ananas geht?

Das Format: Kein Rennen – oder doch?

Die Burgenland Extrem Tour 2025 (#bike224meilen) ist offiziell kein Rennen, und doch fühlt sich jede:r irgendwann wie in einem. Korridorzeiten sollten das Tempo ein wenig einbremsen. Mindestens vier Stunden und maximal sechs Stunden pro Runde soll und darf man unterwegs sein. Ist man für zwei Runden länger als 12 Stunden unterwegs ist Schluss. Gesamtzeitlimit: 18 Stunden. Es gab auch sechs Checkpoints, die das Abenteuer strukturierten. Vom Niemandsland (Checkpoint 1 und 2) über die Mexikópuszta, wo warme Spaghetti serviert wurden, bis nach Oggau mit seiner legendären Gulaschsuppe. Nicht zu vergessen das Sun Bay Restaurant in Podersdorf mit dem heißen und energiespendenden Zuckerwasser (Tee) und das Jois Weingut Leo Hillinger mit feinsten Gourmet-Aufstrichen. Manche hielten kurz an, um sich zu stärken, andere rasten durch, als gäbe es eine Ziellinie. Der Reiz, schneller als andere zu sein, war da – auch wenn offiziell niemand die Zeit stoppte. Gruppenfahren allein – eine weit verbreitete Disziplin. Und Einstellung. Schade eigentlich.

Foto: Cristian Gemmato

Die zweite Runde: Dunkelheit, Wind und ein Hauch von Magie.

Die zweite Runde trennte die Kämpfer:innen von den Vernünftigen. Die Teilnehmer:innen auf der Strecke wurden weniger, wie das Eis und die rutschigen Stellen. Trauen konnte man dem Asphalt jedoch immer noch nicht. Mehr wurde auch der Wind auf der Ostseite des Neusiedlersees. Er frischte ziemlich auf, und jede Pedalumdrehung wurde härter. Windschattenfahren und Windkante fahren bekamen einen großen Stellenwert. Typisch Burgenland. Typisch Seewinkel. Klein machen, ducken und verstecken. Kraft sparen. Doch dann dieser magische Moment: Der zarte Hauch eines Sonnenuntergangs spiegelte sich für ein paar Minuten im Neusiedler See. Es war ein kurzer Augenblick der Ruhe, bevor die Nacht hereinbrach und die Dunkelheit alles verschluckte und tiefschwarz verschleierte. Nur noch unsere Scheinwerfer tanzen durch die Finsternis. Hell und stark die einen, rot blinkend die anderen.

Bike 224 Meilen Burgenland Extrem Tour
Foto: Cristian Gemmato

Die Entscheidung: Noch eine Runde?

Nach knapp 10 Stunden waren zwei von drei Runden der Burgenland Extrem Tour 2025 beendet. Wie schon im letzten Jahr arbeitete auf der gesamten zweiten Runde der Kopf und der Gedanken einer dritten Runde beschäftige mich. Noch eine Runde oder aufhören? Ich war hoch motiviert und fühlte mich halbwegs fit. Eigentlich war ich fest entschlossen. Kurze Pause, umziehen und weiterfahren. Doch dann ließ ich mich auf Diskussionen ein. Meine Wahrnehmung war nur mehr selektiv. Ich hörte Wörter wie „Nebel“ und „Gefrierpunkt“. Diese triggerten mich. Die erste Eiszeit hätte ich überlebt. Für eine zweite nicht bereit. Zu tief noch meine Erinnerungen an den 30.12.2024. Die Vernunft sagte letztendlich: genug. Bei mir und bei den meisten anderen. Nur die wirklich Harten wagten die dritte Runde. Ob sie ins Ziel gekommen sind, weiß ich nicht. Es gibt ja keine offiziellen Listen und Wertungen. Ich vermute schon. Für die anderen hieß es: Ziel erreicht, Abbruch mit Stolz und einem Kaiserschmarrn zur Belohnung. Egal ob man eine, zwei oder drei Runden gedreht hat.

Ultracycling im Weinter
Foto: Cristian Gemmato

Ausblick auf 2026: Neues Jahr, neue Chancen

Am Ende der Burgenland Extrem Tour 2025 bleibt die Erinnerung an ein extremes Abenteuer und die Aussicht auf 2026. Die Burgenland Extrem Tour zieht magisch an – trotz Eis, Wind, Sauwetter und Strapazen. Denn jede Runde, jedes Checkpoint-Menü und jeder Abschnitt schreibt eine Geschichte, die man nicht vergisst. Und so beginnt das Warten erneut – auf das nächste Mal, auf die nächste #bike224meilen, auf die nächste Grenzerfahrung. Ich werde, sofern Gott will, wieder mittendrin sein, statt nur daheim.

Cristian

PS: Das nächste Ultracycling Event im Burgenland findet am 14. Juni 2025 statt. Pannonia 400 führt von Eisenstadt nach Eisenstadt. 400 Kilometer an einem Tag. Gemeinsam.

Meine Sucht nach weißen Rennradschuhen.

Sucht nach weißen Rennradschuhen

Weiße Rennradschuhe. Neu erstrahlen sie wie die schneeweißen Zähne eines Zahnpasta-Models im künstlich verstärktem Scheinwerferlicht. Sie sind mehr als nur ein Accessoire – sie sind Statement, Lifestyle und das ultimative Must-have für all jene, der auf der Straße Eindruck machen will. Ich habe mich lange dagegen gewehrt. Late mover aus Überzeugung. Doch seit zwei Jahren haben sie mich in ihren verhexten Bann gezogen. Ich, nein wir haben uns ein Paar zugelegt und jetzt will ich mehr davon. Täglich. Ich stöbere, klicke, schaue, gustiere und träume. Meine Sucht nach weißen Rennradschuhen ist nicht mehr abzustreiten. Ausgeklügelte Algorithmen tun ihres dazu, diese Sucht zu verstärken und mich netzseitig laufend über neue Modelle und unwiderstehliche Aktionen zu informieren. Einmal geklickt, für immer …

Kein Wunder also, dass sie überall auftauchen: auf Instagram, Facebook, und in der Werbung zwischen zwei YouTube-Videos. Täglich flutet ein Strom an neuen ultimativen Angeboten mein Smartphone-Display, und jedes Mal klicke ich. Logisch. Jeder Klick zieht mich dann noch tiefer hinein in den Kaninchenbau des Konsums, und plötzlich bin ich auf einer italienischen Website, die mir verspricht, dass ich mit genau diesem Schuh mindestens 10 Watt mehr trete. Die Versuchung ist jedes Mal groß. Und der Reiz auch.

Wie soziale Netzwerke die Sucht anheizen.

Social Media ist für Rennradschuhfetischisten wie ich es bin wie Mordor. Der Algorithmus kennt keine Gnade. Einmal nach „Rennradschuh weiß“ gesucht, und schon verfolgt dich die Werbung bis in die Träume. Dabei sind die Bilder immer makellos. Perfekte Schuhe in perfekten Szenarien: am Strand von Mallorca, auf dem Col du Galibier oder beim Latte Macchiato Stop im Hipster-Café. Jeder Swipe zeigt ein noch verführerischeres Modell. Natürlich klicke ich. Natürlich speichere ich und natürlich fange ich an zu vergleichen. Irgendwann denke ich, dass es ohne diese Schuhe überhaupt keinen Sinn mehr hat, auf das Rad zu steigen. Es ist ein teuflischer Kreislauf – und ich bin mittendrin.

Warum mich weiße Rennradschuhe magisch anziehen.

Weiße Rennradschuhe sind keine Schuhe. Sie sind eine Philosophie. Sie signalisieren Stilbewusstsein, Sauberkeit und einen Hauch von Arroganz. Wen ich weiße Schuhe trage, glaube ich an meine Fähigkeiten, sauber durch jede Pfütze zu fahren und unbefleckt das Café zu betreten. Sie sind mein Traum von Perfektion, in der Realität aber eine harte Prüfung. Jeder Fleck, jedes Körnchen Dreck schreit nach Aufmerksamkeit. Dennoch bleibt die Anziehungskraft ungebrochen. Es ist fast so, als wären sie für uns geschaffen, um mich daran zu erinnern, dass ich niemals gut genug für sie sein werde. Und genau das macht sie unwiderstehlich.

Jeder Klick macht die Preise schlimmer.

Habt ihr schon einmal gesehen, wie viel weiße Rennradschuhe kosten? Sie starten bei € 250,- und hören bei € 400,- nicht auf. Natürlich könnte ich auch ein älteres Modell nehmen oder gar auf die Idee kommen, sie gebraucht zu kaufen. Doch das geht bei weißen Schuhen nicht. Weiß ist nur so lange Weiß, bis es getragen wurde. Ich kann also nicht anders, als nach neuen Modellen zu suchen – High-End-Marken, die mit Carbonsohlen, Boa-Verschlüssen und einem Gewicht, das leichter als ein Energieriegel ist, werben. Und jedes Mal, wenn ich denke, dass ich den perfekten Schuh gefunden habe, zeigt mir Instagram ein noch besseres Modell. Das Ergebnis? Noch mehr Klicks und noch mehr Preise, die mich sprachlos machen.

Vernunft als letzte Bastion.

Trotz all dieser Versuchungen gibt es einen kleinen Funken Vernunft in mir. Ja, ich liebe den Look, das Gefühl und die Vorstellung, mit weißen Schuhen schneller zu sein. Aber am Ende siegt – zumindest bisher – der Gedanke, dass € 400,- für ein Paar Schuhe eine Absurdität sind. Schließlich sind meine alten Schuhe noch gut. Mit weißem Gaffa-Tape wie neu. Sie tragen mich durch den Wind, den Regen und hinauf auf die schönsten Gipfel. Und selbst wenn sie schmutzt und verdreckt sind, bringen sie mich ins Ziel. Aber wer weiß, wie lange die Vernunft noch siegt? Vielleicht breche ich irgendwann ein. Vielleicht steht bald ein Paar makelloser weißer Rennradschuhe in meinem Flur. Bis dahin bleibt die Sucht – und die Vernunft kämpft tapfer weiter.

Die Sucht nach weißen Rennradschuhen und ich.

Weiße Rennradschuhe sind mehr als ein Accessoire. Sie sind meine Sucht, mein Lifestyle und meine Herausforderung. Bin schon so weit gegangen, dass ich meine alten Schuhe, nicht makellos weißen Schuhen, mit weißer Farbe besprüht und gefärbt habe. Krank, oder? Social Media macht es nicht besser, sondern treibt mich weiter in einen möglichen Privatkonkurs. Ich habe das Gefühl, ohne weißen Rennradschuhen nicht komplett zu sein. Und doch bleibt die Vernunft der Fels in der Brandung – zumindest noch. Vielleicht gewinne ich diesen Kampf, vielleicht auch nicht. Aber eines ist sicher: Solange weiße Rennradschuhe existieren, wird meine Sucht weiterleben.

 

#ktrchts

PS: Hier meine favorisierten Schuhe:

1. DMT Pogi
2. Shimano S-Pyre RC9
3. Specialized S-Works Torch/Specialized S-Works Torch Lace
4. Quoc M3 Air
5. Crono Shoes CR1
6. Crono Shoes CV2
7. Quoc Escape Road Lace

Und welche sind eure Favoriten?