Kategorie: Rennradgeschichten

Geschichten rund ums Rennradfahren

King of the Lake 2023. Frauen an die Watt.

King of the Lake 2023

Es gibt Dinge, die waren immer schon so und werden genau deshalb immer so bleiben. Typisch Österreich, könnte man behaupten. So auch die Mixed Staffeln beim King of the Lake bzw. bei der Queen of the Lake. Es wäre mir nicht bekannt, dass anstatt drei Männern und einer Frau (klassisch, typisch, eh so wie immer) eine andere geschlechtliche Zusammenstellung je am Start gewesen sei. Vielleicht da und dort eine zweite Dame. Ich habe es nicht recherchiert. Damit sich Dinge, die immer schon so gewesen sind, auch ändern, muss man sie ändern. Und genau das habe ich getan. Bereits beim letztjährigen King of the Lake ist mir diese sozial-kulturelle Disruption in den Sinn gekommen. Wer mich kennt weiß, dass ich Ideen dann auch ganz gerne umsetze. Somit geht beim King of the Lake 2023 eine radikal umgekrempelte 4er-Mixed-Heros-Teamstaffel an den Start. Als Premiere. Mit drei Damen und einem Herrn.

Mannschaftszeitfahren = Mannschaftsschnellfahren.

Eine “Mixed Heros Staffel by ktrchts” gibt es beim King of the Lake schon seit 2107. Damals mit Maria, Paul und Thomas feschgeil knapp das Podium verpasst. 2018 folgte dann die Revanche mit leicht verändertem Ensemble im frisch genähten exklusiven ktrchts-Einteiler. Mit Maria, Paul und Dietmar, war der 40er-Schnitt ein ganz besonderer Ritterschlag. 2019 dann der Abstieg. Mit nur 39,5 km/h Schnitt abermals mit Maria, Paul und Neueinstieg Andreas. Das Jahr danach, neues Glück mit Ariane, Martin und Andreas ganz im Magenta-Look, 2021 eine Teamdress Reunion mit dem Race Around Austria Team Ariane, Martin und Siggi und im vergangenen Jahr die Unterwasserschlacht mit Tina, Jolly-Joker Paul und erneut Siggi. Immer brav einer ungeschriebenen Konvention entsprechend. Mit einer Dame und drei Herren.

Heuer werfe ich mich mit tatkräftiger Unterstützung von Martina, Stefanie und Vanessa ins Getümmel rund um den Attersee. Alle drei Damen nach einem komplizierten und äußerst transparenten Auswahlverwahren ausgesucht.

King of the Lake Teamsuche

Die neuen Attersee Heldinnen.

Experimente sind spannend, weil man nicht weiß, was am Ende des Tages bzw. am Ende des Experimentes als Ergebnis dastehen wird. So ist das Experiment “Mixed Heros reverse” beim King of the Lake 2023 umso spannender. Niemand, nicht einmal ich, weiß, wie wir unsere Runde rund um den Attersee, sagen wir salopp formuliert überstehen werden. Martina (Motto: “Ich nehm was kommt und dann schau ma mal ..”), Stefanie (Motto: “Stillstand ist der Tod”) und Vanessa (Motto: “Life’s a climb, but the view is great”) kennen sich (noch) nicht. Alle drei Auserwählten sind aber jetzt schon die neuen Attersee Heldinnen.

Zum Glück gibt es die sozialen Medien. So kann man Menschen auch stalken. Strava, Facebook oder Instagram verraten einiges. Ganz so unbekannt sind mir die Damen also nicht. Sie mögen es mir verzeihen, dass ich mich auf ihre digitalen Fußabdrücke geheftet habe. Auf alle Fälle können wir uns auf ein Event der Superlative freuen. Ob Martina, Stefanie und Vanessa ahnen können, worauf sie sich da freiwillig eingelassen haben?

King und Queen Spielregeln.

Die Spielregeln in der Mixed Wertung sind einfach. Drei von vier FahrerInnen müssen das Ziel erreichen. Darunter mindestens eine Frau. Der oder die dritte FahrerIn bestimmt die Zeit. Der King of the Lake ist unumstritten ein Wettkampf gegen das eigene Laktat. Auch wenn es einige nicht zugeben wollen. Sobald Mann und Frau oben auf der Startrampe stehen, passiert etwas ganz Besonderes. Ein Schalter legt sich um. Alles, was mit gemütlich oder chillig in Verbindung gebracht werden könnte, schwindet in Windeseile und löst sich in Luft aus. Das Publikum an der Strecke verstärkt diese Wandlung. Wer hier in die Menge schaut, weiß sofort, wofür das alles führen wird. Jeder Starter und jede Starterin wird hier zum Jäger und zur Jägerin. Sekunden sind rund um den See wie Ewigkeiten. Bereits die ersten paar hundert Meter werden zu Plan B. Sofern man die Startrampe überlebt. Nicht überziehen wird zum gut gemeinten Rat, den niemand einhalten kann. Und will. Der King of the Lake darf, nein muss wehtun. Am Ende schmerzen die Beine oder es blutet das Herz.

Allein oder im Team. Ab Kilometer null wird rund um den Attersee rückwärts gezählt und hochgerechnet. Wer kann, schaut nur nach vorne. Alle anderen schauen auf die Geschwindigkeit und die Watt. Wer einen Plan hat, braucht gute Nerven und eine eiserne Disziplin. Es ist bekannt, dass der King of the Lake erst in Unterach beginnt, wenn man sich über die Seeache Brücke von der B152 zur B151 empor schnauft. Das westliche Seeufer hat es nämlich in sich. Neben dem herrlichen Seeblick warten einige Stufen. Parschallen, Nußdorf, der legendäre Buchberg, Litzlberg und ganz zum Schluss noch die Henkers-Auffahrt Richtung Zielschuss, bevor die Fliehkräfte und die Fahrtechnik entscheiden, ob die 90 Grad Kurve über die Ager zum Triumphzug wird oder eben nicht.

Liebeserklärung an den Unterlenker.

Frauen an die Macht und an die Watt. Drei Damen und ich als Herr. Das wird schon schiefgehen. Wir haben noch genau 10 Tage Zeit, um den Unterlenker wieder lieben zu lernen. Um an unserer Aero-Position zu arbeiten. Uns windschlüpfig zu verkleinern und unsere Fahrräder so leicht wie möglich zu downsizen. Wir werden noch beten und uns perfektes Wetter wünschen und am Samstag, 16. September 2023 um 11 Uhr unser gemeinsames Abenteuer als Ride-Date starten. Ich klopfe auf jeden Fall auf Holz, dass alles gut gehen wird.

#ktrchts

Mit dem Rennrad rund um Salzburg.

Mit dem Rennrad rund um Salzburg

Alle Neun. Die noch vor einigen Tagen stabile Schönwetterlage musste genutzt werden, um das Projekt “Roundabout” zu Ende zu bringen. Somit sind jetzt von mir alle neun Bundesländer in Österreich mit dem Rennrad umrundet worden. Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg, das Burgenland, die Steiermark, Kärnten, Tirol und vor ein paar Tagen auch Salzburg. Es musste also schnell gehen, was wiederum mit der wenig flexiblen Möglichkeit einer bequemen und schnellen Anreise mit dem Zug erneut keine einfache Aufgabe gewesen ist. Mit dem Rennrad rund um Salzburg war eine Nacht- und Nebelaktion. Mit Betonung auf Nacht. Start frühmorgens um 4 in Eisenstadt und Rückkehr am Tag danach kurz vor Mitternacht. Zugfahren, Radfahren und Herumhängen. Alles in allem keine 48 Stunden. Aber wie immer schön der Reihe nach.

Rennradfahren mit Dachsteinblick

Roundabout Salzburg – der letzte Akt.

Die Routenplanung war diesmal ganz einfach. Das hat wohl mit der Topografie des Bundeslandes zu tun. Die geplanten 360 Kilometern mit 4.800 Höhenmetern haben stark auch den Plan einer Nonstop-Umrundung aufflammen lassen. Plan, den ich bis zum Ende immer im Hinterkopf gehabt hatte und auch entsprechend vorbereitet wurde. Im Vergleich zu den anderen “Roundabouts” hatte ich diesmal keine Hotel-Vorreservierung und auch mein Packesel war auf Night-Modus StVO-tauglich gemacht worden.

Vier weiße Reflektoren pro Laufradseite und einen pro Gabelseite (nach vorne gerichtet – meine waren fälschlicherweise seitlich montiert), rote Reflektoren an den Sitzstreben und am Sattelrohr (nach hinten gerichtet) und je zwei gelbe/orange Reflektoren an den Kurbeln (nach hinten und nach vorne gerichtet – meine waren fälschlicherweise rot). Auch eine Reflektorweste in stylischem Schwarz hatte ich mit (und teilweise an). Dazu noch Licht vorne mit Bracket für die Garmin Halterung (+ 1 Licht Reserve) und Licht hinten (+ 1x Reserve). Inklusive Powerbank. Erfahrung aus dem Race Around Austria kam mir zugute.

Dann war noch das Thema Anreise nach Salzburg mit der ÖBB. Railjet Express, wenn möglich. Und die Frage, wie komme ich nach Wien? Am Ende wurde es die Sicherheitsvariante. REX von Eisenstadt nach Wien und dann RJX nach Salzburg. Die Nacht wäre aber richtig einladend gewesen, mit dem Rennrad nach Wien zu fahren. Zeitlich hätte es wohl kaum einen Unterschied gemacht. Um 0357 Uhr bin ich in Eisenstadt in den Zug gestiegen, kurz vor 0800 Uhr in Salzburg wieder ausgestiegen. Mit Zwischensprint am Wiener Hauptbahnhof. Rad geschultert und Cleats von Gleis 12 auf Gleis 8 in weniger als 4 Minuten. So ist das mit Anschlüssen, die anstatt 9 Minuten eben nur 240 Sekunden dauern dürfen.

Will man einen Plan B?

Am Weg nach Salzburg kamen mir erstmals Zweifel an meinem Schnellplan aufgekommen. Alle mir zur Verfügung stehenden Wetterdaten hatten über Nacht ihre positive und sonnige Ausstrahlung verloren und mir einen weit weg von stabilem Hochdruckwetter gewitteranfälligen Tag prognostiziert. Prognose, die der Blick aus dem Zugfenster im Raum Linz leidvoll bestätigte. Es schüttete wie aus Kübeln. Plan B? Habe ich keinen gehabt. Im Gepäck neben dem, was ich anhatte, nur eine Regenjacke, Beinlinge, Ärmlinge, Werkzeug (2x Schlauch, 2x CO₂ Patrone und Mini-Multitool), Zahnbürste, Zahnpasta und Ladekabeln. Alles, um Gewicht zu optimieren. Wenn ich etwas beim Radfahren überhaupt nicht leiden kann, dann ist es Regen von oben und Nässe von unten. Mein Frühstück bestehend aus zwei Packungen Mannerschnitten, nahm ich deshalb mit einem flauen Gefühl im Magen zu mir. Der so wichtige Morgenkaffee blieb aus. Kaffee aus dem Speisewagen ist nicht genießbar. Ein Koffeinmangel, der sich später mit massiven Kopfschmerzen rächen würde

Mit Verspätung in Salzburg angekommen, suchte ich rasch die geplante Route durch den städtischen Dschungel. Es war zum Glück trocken und noch (oder wieder) schien die Sonne. Über das Navigieren mit einem Garmingerät (ich verwende den Edge 1030 – 4 Jahre alt – Akkuleistung mittlerweile bei unter 60 %) möchte ich separat meinen Frust auslassen. Ich begrenze mich hier nur auf ein paar f***s, denn von Usability ist Garmin weit entfernt. Zum Glück kannte ich mich auch in Salzburg etwas aus, sodass ich die Innsbrucker Straße und dann den Weg zum Walserberg via Flughafen gegen die Anweisungen meines Navigationsgerätes finden konnte. In Glanegg dann die ersten nennenswerten Regentropfen und ein Himmel, der immer grauer wurde. Plan B? Immer noch keinen.

Nur nicht nass werden. Hallein, Golling, Pass Lueg und dahinter die Sinnflut. Ich bin direkt in eine Gewitterfront gefahren. Plötzlich hatte ich einen Plan B. Umdrehen, in den Zug einsteigen und heimfahren. Ich mag es nicht, wenn ich nass werde.

Rennrad fahren in Salzburg

Schwitzen ist viel besser als nass werden.

Um das Nass von oben zu vermeiden, hielt ich kurz vor Tenneck am Straßenrad an. Dass zu diesem Zeitpunkt meine weißen Radsocken schon schwarz waren, nährte den Wunsch nach Plan B. RegenRadar meinte zu diesem Zeitpunkt, dass die Gewitterzelle nach Süden abziehen würde. Meine Route sollte mich über Werfen, Bischofshofen und den Dientner Sattel nach Westen bringen. Ich entschied weiterzufahren. Stehendes Wasser und ein fließender weißer Schaum in den Spurrinnen begleiteten mich. Ich hasse Spritzwasser.

Am Fuße des Dientner Sattel und hinauf nach Mühlbach am Hochkönig dann ganz andere Bedingungen. Die Wolkendecke am Himmel riss auf und die Sonne brannte jetzt mit voller Kraft auf den feuchten Asphalt. Ein türkisches Dampfbad hätte zu diesem Zeitpunkt weniger spektakulär und kaum effektiver sein können. Innerhalb kurzer Zeit war ich so durchschwitzt, als wäre ich in voller Montur in einen See gesprungen. Die moderate Steigung hielt dieses Leid in Grenzen. Doch das würde sich schnell ändern.

Ich kannte den Dientner Sattel und wusste, dass es oben hinaus steil werden würde. Ich hatte aber keine Erinnerung mehr daran, dass sich die Straße am Ende senkrecht in den Himmel hinaufbiegen würde. Eine nicht enden wollende Auffahrt ins Hochkönigreich mit Gepäck und direkter Sonneneinstrahlung im Genick war somit der erste Höhepunkt des Tages. Auch, weil Schwitzen viel besser ist als nass werden. Der zweite Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten. Nach dem Dientner Sattel ist vor dem Filzensattel. Dasselbe nochmals in verkürzter Form. Am Ende der Abfahrt waren Maria Alm und Saalfelden am Steinernen Meer erreicht. Zell am See in Reichweite. Am Horizont jedoch wieder schwarze Wolken über den Hohen Tauern und der Glocknergruppe. Nicht schon wieder Regen!

Der Tauernradweg ist eine Achtebahn.

Von Saalfelden über Maishofen nach Zell am See war es besser den Radweg entlang der B311 zu benutzen, um dann gut beschildert über den Tauernradweg (Salzburg – Zell am See) vorbei am Schloss Prielau direkt am (oder im) Zeller See zu landen. Der Blick von hier Richtung Süden (und dem Kitzsteinhorn) ist normal atemberaubend. Mein Anblick war jedoch ernsthaft mit Sorgen umhüllt. Noch würde Plan B greifen. Zell am See hat eine gute Zugverbindung nach Salzburg.

Von Zell am See nach Bruck an der Großglocknerstraße war es nicht weit. Die Seeuferstraße? Verkehrstechnisch ein Nadelöhr. Der Mini-Radweg für Rennrad kaum geeignet. Aber warum sollten sich Autofahrer hier über mich ärgern, wenn ein Touristen-Bummelzug das größere Hindernis war? Dass dieser mitten auf der Fahrbahn parkt und Menschentrauben rundherum stehen lässt, weil sie den See fotografieren wollen (müssen), wird wohl eine ortsinterne, touristische Abmachung und Duldung sein. Mir war es egal. Ich erreichte Bruck und ließ die Großglockner Hochalpenstraße bei Kilometer 0 einfach rechts an mir liegen.

Mein Ziel war der Billa in Taxenbach. Fast hätte ich wieder die Essenszeit übersehen. Sechs Stunden war ich mittlerweile schon unterwegs. Diese 12 Kilometer auf der B311 sind tricky, aber machbar. Den hier auf der anderen Flussseite verlaufenden Tauernradweg hatte ich verschmäht. Dafür den Eurovelo 14 (auch Tauernradweg) ab Taxenbach nach Schwarzach umso mehr aufgrund seiner achterbahnähnlichen Topografie genossen. Was man hier RadfahrerInnen anmutet, hat schon sadistische Züge. Gut, dass 99,9 % mit E-Bike unterwegs sind.

Komfort vor Abenteuer. Vernunft im Alter.

St. Johann im Pongau war von Schwarzach ein Katzensprung entfernt. Wagrain in weiterer Folge auch nicht wirklich weit. Erinnerungen an den Amadè Radmarathon vor zig Jahren kamen auf. Damals, war das für mich noch eine kaum zu überwindende Steigung. Bis Flachau und Altenmarkt, the Home of Atomic, war mir vieles bekannt. Auch der Weg weiter nach Eben und Hüttau. Über das Lammertal sollte mich die Route weiter nach Abtenau und die Postalm führen. Ein paar Regentropfen haben mich aber davon überzeugt, nach 200 Kilometern und 2.800 Höhenmeter eine Nachtruhe einzuplanen. Obwohl es nicht einmal 19 Uhr war. So ist das im hohen Alter. Komfort geht vor Abenteuer. Das Hotel Post in Sankt Martin im Tennengebirge hatte mich kurzfristig als Gast gewonnen.

Meine senile Bettflucht wurde tags darauf im Hotel mit einer vorverlegten Frühstückmöglichkeit tatkräftig und freundlich unterstützt. Während ich mich stärken konnte, wurde der Frühstücksraum gesaugt. Am Ende konnte ich am zweiten Tag um 8 Uhr mit dem Rennrad rund um Salzburg weiterfahren. Die Wetterprognose für diesen Tag: Hitze!

Seen und gesehen werden. Das Salzburger Seenland.

Die Postalm zum Frühstück? Eine Challenge. Auch weil die 20 Kilometer Anfahrt von St. Martin im Tennengebirge über Annaberg im Lammertal (the Home of Marcel Hirscher) wenig Möglichkeiten zum Aufwärmen geboten hatten. Ganz im Gegenteil. Eine lange Abfahrt und eine im Schatten liegende Seitenstraße entlang der Lammer nach Thalgau haben eher für Abkühlung gesorgt. Der Postalmstraße war das egal. Sie war jetzt da und musste bezwungen werden. 12 Kilometer und knapp 800 Höhenmeter. Ohne den Gegenanstieg nach dem erreichten Plateau mit eingerechnet. Klettern zum Frühstück.

Rennradfahren auf die Postalm

Am Weg mit dem Rennrad rund um Salzburg ist die Postalm das Tor zum Salzburger Seenland und ein Muss. Eine Umfahrung wäre eine Todsünde und außerdem nicht möglich, ohne das Bundesland zu verlassen. Dank Frühaufsteher-Gen war der Aufstieg einsam, entspannt und ohne Hektik. Im Kopf rannte immer eine virtuelle Zeituhr mit. Kilometer dividiert durch restliche Zeit ergaben den Schnitt, den ich mit leisten musste, um meine Zugverbindung um 1907 Uhr nicht zu verpassen. Getrödelt habe ich trotzdem nicht. Postalm hinauf, Postalm hinunter, Wolfgangsee entlang nach Gilgen, 200+ Höhenmeter wieder hinauf, dann wieder bergab und Fuschl am See war erreicht. Mein Wunsch nach Essbarem bliebt aber dort aufgrund des Ruhetages im Restaurant & Cafè dasJakob sowie der noch geschlossenen Küche im Hotel dasJakob unerfüllt.

Mehr Zeit als einen Blick auf den See und die schnelle Weiterfahrt habe ich mir nicht gegönnt. Im Nachhinein betrachtet eine zu hektische Entscheidung. Mir wäre am Ende des Tages noch viel Zeit übrig geblieben, an einem der Seen im Salzburger Seenland zu verweilen. Ganze drei Stunden zu früh war ich nämlich zurück in Salzburg. Genussradfahrer bin ich leider noch keiner. Aber das ist eine andere Geschichte.

Schweißtreibender Abschied vom Salzkammergut.

Dank Eddy Merckx Classic 2017 und der Rennradreise an den Fuschlsee 2018 wusste ich in diesem Moment, was hinter Fuschl am See auf mich warten würde. Eine böse Seestraße. Ein Stich auf leerem Magen. Mit dem wunderschönen Seepanorama im Rücken. Ein schweißtreibender Abschied vom Salzkammergut. Noch 90 Kilometer bis Salzburg entlang der Originalroute. Der direkte Weg wäre viel kürzer, aber trotzdem keine Option. Traumwetter muss man ausnutzen.

Dank Komoot machte ich nach Thalgau Bekanntschaft mit einer kleinen giftigen Nebenstraße. Enzenbergdörfl und über den Wimmerweg auf die Henndorfer Landesstraße. Eine wirklich geglückte Überraschung. Da war das Erreichen von Henndorf und Neumarkt (beide am Wallersee) ein Kinderspiel. Die Zeit für eine Einkehr im örtlichen Spar war gekommen. Das Menü? Vier Ölz Schulmäuse, dazu ein kalter Cappuccino, einen gespritzten Apfelsaft und Wasser für die Weiterfahrt. Übrigens waren es am Tag zuvor nicht vier Schulmäuse, sondern vier Ölz Rosinen Brötchen. Achtung: Keine Werbung. Eine ganz besondere Diät.

Das Salzburger Seenland besticht (bei Schönwetter) durch seine unendlichen Weiten und ständigen Achterbahnen. Es geht hier nicht hinauf, sondern immer wieder hinauf und gleich wieder hinunter. Zwischen Köstendorf bei Salzburg, Mattsee, Seeham, Berndorf bei Salzburg (hier heißt vieles bei Salzburg, obwohl Salzburg schon noch ein Stück entfernt ist), Mattsee, Obertrumersee und Grabensee. Eine Gegend, die zum Rennradfahren einlädt. Bei Schönwetter. Die Eddy Merckx Classic 2017 fuhr hier bei Sauwetter durch.

Der bayrische Einfluss und die oberösterreichische Nähe.

Die Grenze zu Deutschland ist hier sehr nahe und in Oberndorf bei Salzburg sogar passierbar. Die denkmalgeschützte und historische Salzachbrücke verbindet hier zwei Kulturen (!) und ermöglicht es in Laufen in der Gelateria Rizzardini ein echtes italienisches Eis zu genießen. Was ich, in falscher Eile befindend, natürlich nicht gemacht habe. Der Ruf Salzburgs war stärker.

Zwischen mir und der Endstation am Salzburger Hauptbahnhof lagen entlang der Salzach nur noch Anthering und Bergheim bei Salzburg. Salzburg ist von hier über den Tauernradweg erreichbar. Ab Bergheim verläuft dieser direkt am Fluss. Die letzten Kilometer waren also eine kleine Tour d’Honneur und ein passender Abschluss (Triumphzug) meines Roundabout Projektes. Jetzt hatte ich sie. Alle Neune.

Meine Ankunft in Salzburg war wie schon geschrieben viel zu früh. Es blieb noch Zeit in der Getreidegasse dem Massentourismus radeln auszuweichen und am Alten Markt sowie am Residenzplatz vorbeizuschauen, um dann am Hauptbahnhof in der klimatisierten Passage zuerst sowie später im überhitztem Bahnhof selbst einfach nur herumzuhängen. Wie schön wäre die Zeit an einem der vielen Seen gewesen. Statt dessen schlug ich mir die Zeit tot, Menschen zu beobachten, sie diese erstaunt und ungläubig meinen Rennesel beobachteten.

Immer wieder Oje-ÖBB.

Die Umbuchung meines Tickets auf einen früheren Zug war aufgrund mangelnder Radabstellplätze nicht möglich. Dafür war mein RJX maßlos überbucht. Auch mehr als 5 erlaubte Fahrräder wollten nach Wien. Dem Schaffner war das egal und der Dame, die ihr Fahrrad an meines lehnen wollte (nein, sie hat es zwischen zwei hängenden Rädern versucht einzukeilen) musste ich laut meine Meinung kundtun. So war die Fahrt angespannt und um 30 Minuten länger als geplant. Kurz nach 2200 war ich in Wien und es fiel mir nicht leicht dem REX-Anschluss gegenüber einer Fahrt mit dem Rad nach Eisenstadt den Vortritt zu geben. Ich habe das im Nachhinein bereut. Kurz vor Mitternacht, nicht einmal 48 Stunden nach Beginn meiner Reise war ich wieder dort, wo alles angefangen hatte.

Die geplante Nachtfahrt habe ich dann einen Tag später nachgeholt. Bei angenehmen Temperaturen und einem auf Nacht-Modus getrimmten Rennesel.

#ktrchts

PS: Das ständige Hängen von Fahrrändern mit hydraulischen Bremsen (zB. beim Transport im Zug) kann den Bremsdruck verringern. Über mögliche unerwünschte Auswirkungen informieren Werkstatt, Shimano und Youtube.

Rennradfahren in Tirol. Einmal rundherum.

Rennradfahren in Tirol

“Ticket nicht verfügbar.” Und das tagelang. Obwohl es pro Tag zwischen Wien und Tirol circa 10 Verbindungen mit dem ÖBB Railjet (RJ und RJX) gibt. Die schnellste aller Möglichkeiten, mit dem Zug samt Rennrad zum Rennradfahren nach Tirol zu fahren, wäre theoretisch ganz einfach. Praktisch aber weniger. Nur bis zu fünf Fahrräder, pro Zug, sind möglich. Und das ausschließlich mit Vorreservierung. Am verlängerten Wochenende rund um Maria Empfängnis waren, bis auf ganz wenige Ausnahmen, alle Fahrradmitnahme-Gelegenheiten ausgebucht. Nicht verfügbar. Eine flexible, dem Wetter (meistens schönem Wetter) angepasste Reiseplanung ist mit der ÖBB also kaum möglich. Rennradfahren in Tirol stand auf der Kippe.

Ich wollte mit dem Zug nach Tirol reisen und von dort wieder nach Wien zurückfahren. Dazwischen mit dem Rennrad 3 Tage lang kurzurlauben. Die Suche nach einem freien Platz im Zug gestaltete sich mühsam und die Planung dieses Abenteuer war mehr oder weniger rollend und zum Schmeißen. Zig Verschiebungen und Umplanungen des Startpunktes und der Startzeit später, hatte ich meine vier Tickets. Für mich, meinem Fahrrad, meinem Sitzplatz und dem Fahrrad-Abstellplatz. Zu einer unchristlichen Zeit, aber immerhin. Rennradfahren in Tirol war gebucht. Einmal rundherum bitte.

Fahrradmitnahme im Railjet der ÖBB

Mit dem Rennrad rund um Tirol.

Eigentlich. Ja, eigentlich wollte ich in Kufstein starten. Das Fehlen einer leistbaren Unterkunft für 6 Stunden Schlaf und einem Frühstück haben mich gezwungen, nach Wörgl auszuwandern. Ankunft um 2230 Uhr. Hotel gefunden, Zimmer bezogen. Zeitreise angetreten. In den Schlaf gewogen. Mit Kohldampf zu früh aufgewacht und bis 0730 Uhr spät in den Vormittag auf mein Frühstück gewartet. Um diese Zeit esse ich normalerweise zu Mittag. Egal. Um 8 war ich fertig ausgecheckt und am Rad. Ziel Imst. Über den Inntal-Radweg, das Mieminger Plateau, den Fernpass, das Lechtal und am Ende über das Hahntennjoch.

Wie bei den anderen Roundabout-Routen (Burgenland, Niederösterreich, Oberösterreich, Vorarlberg, Kärnten, Steiermark) bestand die Challenge darin, Tirol innerhalb der Außengrenze zu umrunden. Ohne “Bundesland-Flucht” oder verbotenem Übertritt ins benachbarte Ausland. Was ja nicht immer ganz funktioniert hat. In Wien bedeutete Umrundung, außerhalb der Stadtgrenze zu bleiben. In der Steiermark war ich mit einem Bein in Slowenien und im Burgenland musste ich durch Ungarn. Dieser Regel ist bei Tirol rundherum dann leider Osttirol zum Opfer gefallen. Ob Osttirol Potenzial für eine sanfte Extra-Umrundung hat? Eventuell mit Südtirol zusammen? Interessanter Plan.

Die Topografie Tirols machte es außerdem notwendig, einige Passagen im Inntal doppelt zu fahren. Die Alternative wäre gewesen, in eine Richtung nördlich des Inns zu bleiben und in der anderen Richtung südlich. Aus praktischen Gründen habe ich mich für den Inntal-Radweg entschieden. Ein schöner Radweg, auch wenn nicht durchgängig asphaltiert und teilweise sehr verwinkelt. Speziell durch die Ortschaften. Ich kam aber von Wörgl bis Telfs trotz einiger Zusatzschleifen halbwegs zügig voran. In Innsbruck haben mich meine Ortskenntnisse aus meiner Zeit an der Uni geholfen, das Goldene Dachl zu finden und dann weiter den Weg Richtung Flughafen und Kranebitten zu ohne Umwege zu meistern.

Zeitdruck ist gut, um Druck am Pedal zu erzeugen.

Die geplante Route hätte (!) 560 Kilometer lang sein sollen. Mit knapp 8.000 Höhenmetern. Aufgeteilt in 3 Tagesetappen. Am ersten Tag die längste (über 200k), am zweiten Tag jene mit den meisten Höhenmetern (3.700 HM) und am letzten Tag die kürzeste (140k), um rechtzeitig den Zug in Wörgl zu erwischen. Hätte. Die jeweiligen Unterkünfte hatte ich dieses Mal bereits im Voraus gebucht und reserviert. Etwas Zeitdruck ist gut, um Druck am Pedal erzeugen.

Tirol mit dem Rennrad umrunden

Wer bei 200 Kilometern auf den ersten 100 Kilometern kaum Höhenmeter macht, weiß, dass die zweiten 100 Kilometer umso schwerer sein werden. Was auch der Fall war. Ein Appetizer und Vorgeschmack war ab Telfs der “Aufstieg” zum Mieminger Plateau zuerst und der Fernpass gleich danach. Ja. Diese Strecke sollte man auf der Bundesstraße vermeiden. Vor allem dann, wenn der Arlbergtunnel gesperrt ist und diese Route als offizielle Ausweichroute angegeben wird. Es gibt aber leider keine Alternative. Zumindest keine asphaltierte. So zirkelte ich mich nebst holländischen Wohnwägen und stockendem Kolonnenverkehr kontinuierlich nach oben. Schön war es nicht, aber schnell. Auf der Abfahrt hatte ich dann aufgrund einer Straßensperre (Notarzthubschraubereinsatz) freie Bahn. Zuerst auf der Überholspur ohne Gegenverkehr und dann auf meiner Spur neben einer Kolonne stehender Autos in Gegenrichtung.

Reutte war vorbei an der Zugspitze über Leermoos, Bichlbach, Biberwang, Heiterwang und unter der Highline179 durch am späten Nachmittag erreicht. Das Lechtal erwartete mich. Nur noch ein kleiner Schupfer namens Hahntennjoch. Schupfer, der sich als schier unüberwindbare Mauer entpuppte. Er hat mir gleich nach 500 Metern den Stecker gezogen. Die restlichen 15 Kilometer bis zum Scheitelpunkt waren eine Tortur. Gefühlte 200 Kilo habe ich im Schneckentempo irgendwie nach oben gebracht. Die Angst vor Tag zwei war mir ins Gesicht geschrieben. Einfach viel zu wenig gegessen. Ein unverzeihlicher Anfängerfehler.

Mit dem Rennrad rund um Tirol

Tirol ohne Kühtai ist wie das Kühtai ohne Kühe.

Der Abend und die Nacht in Imst fühlten sich an wie der Aufenthalt in einer Krankenstation. Zwischen Übelkeit, Krämpfen und Resignation. Dass Tag zwei anders ablaufen würde, habe ich schon am Anfang des Hahntennjochs gewusst. Pillerhöhe und Kerschbaumer Sattel sollten meiner Leichtsinnigkeit und Fehler zum Opfer fallen. So blieb nur noch das Kühtai übrig. Denn Tirol ohne Kühtai ist wie das Kühtai selbst ohne Kühe. Imst, Haiming, Ötz und dann warteten schon die legendären 18 Kilometer hinauf zum höchsten Punkt der Tour. Mit größter Demut und haufenweise Respekt habe ich das Tagespensum an Höhenmetern in einem Allzeit-Negativ-Rekord abgehakt. Schnecken sind in Eile wahrscheinlich schneller. Nein. Sicher schneller.

Bei traumhaften Bedingungen konnte ich die Abfahrt nach Kematen so richtig genießen. Im Vergleich zum Ötztaler Radmarathon, wo du hier ständig von links, rechts, oben und unten überrollt wirst. Der Rest des Tages ohne nennenswerter Vorkommnisse. Ein Besuch beim Bäcker Ruetz, eine Stippvisite im internationalen Studentenhaus in Innsbruck (meine studentische Vergangenheit), Kaffeestopp in Schwarz und eine kleine Stärkung in Rattenberg, bevor die Unterkunft, eine Pension direkt am Inntal-Radweg, bezogen wurde.

Kaiserlicher Kaiserwinkel.

Das Schönste beim Rennradfahren in Tirol zum Schluss? Mit Sicherheit das Leichteste. Denn ohne “Arschrakete” und ein paar Kilo weniger, ist das Rennradfahren in Tirol ein ganz anderes Erlebnis. Dank Schließfach am Bahnhof in Wörgl, wo ich alles, was ich nicht brauchen konnte, für ein paar Stunden deponiert habe, war die Abschlussrunde über Westendorf, Brixen im Thale, Kirchberg, Kitzbühel, St. Johann, Fieberbrunn, Pillersee, Waidring, Kössen und Walchsee via Kufstein retour nach Wörgl ein leichtes Spiel. Länger als geplant, aber umso befreiter. Badesehnsucht inklusive. Am Ende des Tages noch einmal über 155 nicht ganz freiwillige Kilometer und die Gewissheit, auch das heilige Land Tirol mit seinen Highlights umrundet zu haben.

Ende gut, alles gut? Nein. Denn die Rückfahrt mit der ÖBB war erneut chaotisch. Aufgrund einer Störung im Deutschen Eck waren nämlich einige RJX-Verbindungen ersatzlos gestrichen worden. So tummelte sich im Regionalexpress von Wörgl via Zell am See nach Salzburg alles, was mit Fahrrad und sonstigem bewegt werden wollte. Für den Anschluss RJ in Salzburg bekam ich dann eine Stunde nach der Abfahrt die Information, dass die Wagenreihung geändert worden war. Zu spät, denn statt schön unter Dach einzusteigen, durfte ich im Wolkenbruch alle restlichen Waggons bis zum Anfang des Zuges marschieren, um meinen reservierten Platz zu erreichen. Drei Tage trocken geblieben und dann am Ende durchnässt in den Zug zu steigen. Genial.

Acht von neun Bundesländern umrundet.

Am Ende bleibt noch ein Bundesland übrig. Salzburg will auch noch umrundet werden. Vielleicht heuer noch. Und Rennradfahren in Tirol? Tirol isch lei oans. Eng und schmal. Dabei sind Anfang und Ende über einen Radweg verbunden. Was das Radfahren hier einfach macht. Habe sehr viele Artgenossen getroffen. Die vielen Seitentäler (Pitztal, Ötztal, Zillertal, Kaunertal, Alpbachtal, Achental, Wipptal, Paznauntal, …) bleiben bei einer Umrundung auf der Strecke. Leider. Oder vielleicht zum Glück.

#ktrchts #machurlaubfahrrennrad #RAT23

PS: Die Räder werden immer schwerer, die Menschen immer unbeholfener und gestresster. Der Platz im Zug für die Fahrradmitnahme bleibt aber trotzdem gleich. Logisch, dass beim Transport durch unsachgemäßes Handling Schaden entstehen. Danke an dieser Stelle an die unbekannte Person. Mein Holzrahmen weint.

Arlberg Giro 2023

Arlberg Giro 2023

Eigentlich. Sätze, die mit eigentlich beginnen, verheißen normal nichts Gutes. Oder sie deuten darauf hin, dass etwas nachgetrauert wird. In diesem Fall den WPCC (World Press Cycling Championship), die im Zuge des Arlberg Giro 2023 hätten stattfinden sollen, und dann leider abgesagt worden sind. Das zu geringe Interesse (nur etwas mehr als 30 Anmeldungen) haben den Veranstalter dazu bewogen, das Ganze abzublasen. Also kein Zeitfahren und kein Sprintrennen. Geblieben ist aber die Teilnahme am Arlberg Giro und Roundabout Vorarlberg in Eigenregie. Zimmer und Zeit in St. Anton am Arlberg waren ja gebucht. Wäre schade gewesen, nur herumzusitzen. Und ein bisschen Einfahren hat noch niemanden geschadet. Auch wenn es 228 Kilometer und 2.900 Höhenmeter waren.

St. Anton ist um 5 Uhr ein finsteres Loch.

Eigentlich (da haben wir es wieder) hätte das Rennen um 6 Uhr in der Früh starten sollen. Aufgrund behördlicher Vorgaben, schickte man uns aber still und heimlich bereits um 5 Uhr morgens los. Der gesperrte Arlbergtunnel und das damit verbundene höhere Verkehrsaufkommen auf der Arlberg Passstraße samt Sperre für Fahrradfahrer bergauf, hat das Land Vorarlberg veranlasst, diese uns sonst keine Startzeit zu genehmigen. Dieser Umstand hat das Rennen von Anfang an spannend gemacht. Mein Hotel war darüber zum Beispiel gar nicht informiert und fiel von allen Wolken, als ich für Sonntag 4 Uhr ein Frühstück bestellen wollte.

Dann kam natürlich noch das Thema Dunkelheit. St. Anton am Arlberg ist Ende Juli zu dieser Zeit noch ein finsteres Loch. Bei bedecktem Himmel und Sauwetter ein stockfinsteres. Regen war ja angesagt. Laut Wetterbericht des Tourismusverbandes für Sonntag in Form von ein paar Regentropfen. Einige Wetter-Apps waren hingegen etwas pessimistischer. Die meisten tappten aber im Dunkeln. Könnte, sollte, eventuell, vielleicht … Im Endeffekt war es vom Start weg bis ins Ziel nass. 150 Kilometer Wasser von unten und immer wieder stark von oben. Was die Abfahrten zu Tänzen auf rohen Eiern mutieren hat lassen. Bengalische Feuer hinauf auf den Arlbergpass und mit aufgedrehten Xenon-Lichtern geparkte Autos am Pass selber, haben das Morgengrauen etwas erhellt. Spektakuläre Bilder und Eindrücke für die einen, Hosenscheißer-Feeling für die anderen. Dass einige auf den ersten 7 Kilometern den viel schnelleren Weg zurück nach St. Anton gesucht und gefunden haben, kann ich verstehen. Überlegt habe ich es mir einige Male.

Soviel ich weiß, ist alles gut gegangen. Glück gehabt. Trotzdem frage ich mich, was sich eine Behörde dabei gedacht hat. Selbstverantwortung hin oder her. Am Ende entscheidet jeder der TeilnehmerInnen für sich. Ich hätte gleich ein Night-Race daraus gemacht. Mit Licht-Pflicht für alle.

Die Strecke und ihre Verkehrsordnung.

In Österreich gilt bei jedem Radmarathon die Straßenverkehrsordnung (StVO). Im FahrerInnen-Briefing am Samstag konnte nicht oft genug darauf hingewiesen werden. Die gesamten 150 Kilometer sind nämlich nicht für den Verkehr gesperrt. “Es ist überall und jederzeit mit Gegenverkehr zu rechnen”. Auflagen, Vorschriften, Regeln … und wenn sich die TeilnehmerInnen nicht daran halten, gibt es keine solchen Rennen mehr. Und was macht die Meute (das Feld)? Beim ersten Kreisverkehr, ca. 1 Kilometer nach dem Start, teilt es sich in zwei Teile. Die einen fahren vorschriftsmäßig rechts und andere links davon durch. Finde den Fehler. Die gesamte Strecke ist aber sonst bestens abgesichert und beschildert. Kaum Verkehr, was auch an die frühe Startzeit und auf das Sauwetter zurückzuführen ist. Vielleicht haben die Behörden außer beim Wetter doch mitgedacht.

Der Arlbergpass fordert gleich zu Beginn von 0 auf 15 % alle, die Abfahrt durch das Klostertal, lässt die Durchschnittsgeschwindigkeit schnell wieder zweistellig werden und die Anfahrt zur Silvretta Hochalpenstraße durch das Montafon trennt den Ehrgeiz vom Gemüt. Alle, die hier in einer schnellen Gruppe mitfahren können, sparen Kraft. Wer hier in einer schnellen Gruppe unbedingt mitfahren will, lässt Kraft liegen. Und wer sich selbst gut kennt, fährt sein Tempo. Mit einer Gruppe oder auch allein. Der Berg ruft nämlich. Und ist dann auch da. 15 Kilometer und knapp 1.000 Höhenmeter von Partenen hinauf auf die Bielerhöhe. Beim Arlberg Giro werden hier die Queen und der King of Mountain gekürt (eigene Zeitnehmung auf einer Länge von 13 Kilometern).

Silvretta Hochalpenstraße

Ende gut, alles Radweg.

Die Silvretta Hochalpenstraße ist schon etwas Besonderes. Das Panorama, sofern die Sicht frei ist, ein Traum. Viele Kehren hoch, zweimal Stausee, der 3.312 Meter hohe Piz Buin, weitere noch spärlich vergletscherte Nachbarn und eine rasante Abfahrt durch das Panznauntal. Das Finale des Arlberg Giro ist etwas für Laktatresistente. Immer vorausgesetzt, Mann und Frau trauen sich. Denn da gibt es schon ein paar knifflige Passagen, die auf nasser Fahrbahn und im Regen Grenzen aufzeigen könnten. Scharf rechts, links durch Galtür, die Kreisverkehre in Ischl, die Tunnelumfahrungen vor Kappl und die scharfe Rechtskurve unter der Trisannabrücke. Nur um einige zu nennen. Der Rest ist Augen zu und Unterlenker. Bis Pians. Dann geht es die letzten 20 Kilometer wieder bergauf.

Dank Autobahn (Schnellstraße) ist dieser Abschnitt weiterhin sehr verkehrsarm und man kann die letzten verbliebenen Kräfte dosieren. Bis Schnann. Wo die Strecke des Arlberg Giro seit heuer auf den Stanzertal-Radweg ausweicht. An und für sich eine geniale Idee, die letzten 10 Kilometer chillig das Ziel anzuvisieren. Ob man jetzt ein “Rennen” auf einen Radweg verlagern soll, dürfen andere entscheiden. Zumal der Stanzertal-Radweg etliche 90° Kurven hat und auch Brücken. Jeder weiß, was es heißt, eine nasse Holzbrücke zu befahren. Wenn nicht, einfach Stefan Kirchmair fragen. Der amtierende UCI-Amateur-Weltmeister und spätere Zweite der Gesamtwertung rutschte auf einer aus und lag am Boden. Eigenverantwortung und Rennen sind oft schwer zu koordinieren.

Auf Wiederradeln.

Es war ein geniales Wochenende. Trotz fehlender WPCC. Vielleicht aber genau deshalb. Einmal rund um Vorarlberg, dann eine Ausfahrt mit dem Team Vorarlberg und ein Arlberg Giro, der seine Reize hat. Für das Wetter kann niemand etwas dafür. Auch wenn der Regen in St. Anton am Arlberg fast schon zum Inventar gehört.

Die Region bemüht sich sichtlich darum, auch RennradfahrerInnen anzulocken. Die direkte Anbindung mit dem Zug, spricht dafür. Vielleicht fehlt ein wenig die Vielfalt. Man hat die Wahl zwischen Arlbergpass rauf oder Stanzertal raus, bevor sich wunderbare Routenmöglichkeiten in Tirol und Vorarlberg eröffnen. Vom Preisniveau gliedert sich St. Anton am Arlberg auf eine Stufe mit Sölden ein. Nicht die Startgebühr. Sondern beim Essen und Wohnen. Kein Wunder, dass Spar und Billa überfüllt sind. Eine Margherita für € 15,- kann und will sich nicht jeder leisten. Mit der Zeit findet man aber auch Preiswerteres. Vorausgesetzt, man schraubt die eigenen Ansprüche etwas herunter.

Zu erwähnen ist, dass das Wochenende rund um den Arlberg Giro am Samstag ein spannendes Kriterium für UCI-FahrerInnen mitten im Ortskern bietet. Und auch das Finisher-Geschenk lässt sich sehen. Heuer war es eine Regenjacke von AGU. Jacke, die die meisten gleich im Renneinsatz hatten. Der nächste Arlberg Giro findet am 4. August 2024 statt.

Arlberg Giro:

  • 150 Kilometer
  • 2.500 Höhenmeter
  • 4 Verpflegungsstationen (Gortipohl km 60, Bielerhöhe km 82, Pians km 124, Ziel km 150)
  • maximale StarterInnen: 1.5000
  • Start: normal 6 Uhr
  • Highlights: Arlbergpass, Abfahrt Stuben am Arlberg, Klostertal, Montafon, Bielerhöhe (Silvretta Hochalpenstrasse), Paznauntal
  • Pastaparty: Ja, mit Gutschein
  • Expo: Ja, mit verschiedenen Ausstellern, Bike-Service und Live-Musik

#ktrchts #machurlaubfahrrenrnad

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg.

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg

Es war mein 7. Streich der Roundabout Idee, jedes Bundesland in Österreich mit dem Rennrad zu umrunden. Unsupported versteht sich. Was mit Wien (1 Tag) begonnen hatte, fand die letzten Jahre mit dem Burgenland (2 Tage), Oberösterreich (2 Tage), Niederösterreich (2 Tage), der Steiermark (3 Tage) und Kärnten (3 Tage) seine Fortsetzung. Jetzt gesellt sich Vorarlberg noch dazu. Mit der weitesten Anreise und der kürzesten Strecke. Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg war deshalb eine ganz kleine Weltreise mit Hindernissen. Jetzt fehlen nur noch Tirol und Salzburg.

Die Streckenplanung.

Roundabout heißt, immer brav innerhalb der Bundeslandgrenzen zu bleiben. Was eigentlich schade ist, denn speziell in Österreich verbinden die schönsten Passstraßen gerne zwei Bundesländer miteinander. Im Falle von Roundabout Vorarlberg also keine Silvretta Hochalpenstraße und keine Arlberg Passstraße. Letztere war dann auch noch für Radfahrer gesperrt (bergauf). Für die Streckenplanung wurden also Ortskenntnisse, Strava und Komoot herangezogen. Nach mehreren Adaptierungen standen am Ende 206 Kilometer und ca. 3.000 Kilometer auf der Tagesordnung.

Ein Bundesland, zwei Gesichter.

Vorarlberg ist flach. Von St. Anton kommend Richtung Bregenz. Die Berge erheben sich links und rechts davon steil in den Himmel. Die ersten 110 Kilometer waren also ein lockeres Einfahren. Kaum 200 Höhenmeter und die Gewissheit, dass ab der Hälfte dann noch 2.600 Höhenmeter geklettert werden mussten. Auf nicht mehr als 100 Kilometern. Die Fahrt durch das Klostertal und im Rheintal war grundsätzlich kein Problem, wenn ich nicht ständig mit Baustellen und mit der eigenen Sturheit zu kämpfen hatte. Die Baustellen, insbesondere eine Brückensperre in Feldkirch und die damit verbundene Unmöglichkeit via Garmin zu navigieren, hatte dafür gesorgt, dass wir (ich war in Begleitung von Phillip) dank meiner Ortskenntnisse einen ungeplanten Abstecher nach Liechtenstein gemacht haben. Ich war noch nie in Liechtenstein. Damit habe ich das auch abgehackt.


Zurück auf die geplante Route haben wir dann erst wieder in Bregenz gefunden. Da Garmin immer wieder versucht hatte, mich zu jenem Punkt zurück zu lotsen, an dem ich die Route verlassen hatte, wurde Garmin einfach abgewürgt und intuitiv navigiert. Trotz weiterer Sperren und für Rennräder ungeeignete Schotterwege entlang des Rheins auf Schweizer Seite waren der Bodensee und Bregenz erreicht. Fotostopp und Pause in der Innenstadt.

Der Bregenzerwald.

Gleich nach der verdienten Mittagspause wurde Anstieg 1 von 11 in Angriff genommen. Richtung Sulzberg. Psychisch ein Hammer. Den Pfänder hatte ich bei der Routenplanung ausgelassen, denn die Auffahrt wäre nur als Stichstraße möglich gewesen. Oder durch nicht bekannte und zu empfehlende Seitenstraßen. Auf dem Weg nach Sulzberg ist uns Emanuel Buchmann entgegengekommen. Deutscher Meister auf der Straße im Bora Hansgrohe Teamoutfit. Trifft man auch nicht alle Tage. Am (oder in) Sulzberg genossen wir eine wunderbare Aussicht auf das Allgäu und gleich anschießen eine steile und vor allem sehr schmale Abfahrt. Techniktraining der Extraklasse. Übrigens ist das Allgäu hier zum Greifen nahe.

Wie schon erwähnt, gilt es möglichst nahe an der Bundeslandgrenze (in diesem Fall Staatsgrenze) zu fahren. Dieser Umstand (und meine Planung) bescherten uns deshalb noch ein paar Extra-Meilen und Höhenmeter Richtung Hittisau. Beim Sutterlüty vor Ort gab es die zweite Pause. Über Egg, Mellau und Au erreichten wir dann die Originalstrecke des Race Around Austria. Erinnerungen an dieses geniale Event wurden wach. Ich habe noch genau gewusst, wo und wann ich hier gefahren bin, wo wir damals gewechselt haben und dass der Hochtannbergpass schon ziemlich fordernd ist. Letzter Stopp für uns, Schoppenau. Im Schlepptau eines Traktors, den wir 5 Kilometer lang catchten und der uns dann aber kaum 1 Kilometer Windschatten gegeben hatte.

Der Hochtannbergpasse.

Es gibt viele wunderschöne Alpenpässe. Der Hochtannbergpass gehört mit Sicherheit dazu. Seine Einzigartigkeit macht ihn aus. Die Brücke von Schröcken ist sein Wahrzeichen und eines der bekanntesten Fotomotive. Der Rest? 12 Kilometer und 700 Höhenmeter bis hinauf auf über 1.700 Metern über dem Meer. Von hier aus bis zum Ziel war nur noch der Flexenpass im Weg.

Hochtannbergpasse bei Schröcken


Vom Hochtannbergpass war Warth am Arlberg schnell erreicht. Neben den grünen Wiesen und schönen Bergen konnten wir die Sünden des hier dekadenten Wintertourismus klar erkennen. Ein Chalet reiht sich dem anderen ein. Lech ist 5 Kilometer weiter nicht anders. Fast schon eine Metropole. Dafür ist Zürs, das wir durch einen kilometerlangen Tunnel erreicht haben, um diese Jahreszeit ausgestorben. Nur ein ständig auf und ab fliegender Hubschrauber störte die beton-betonte Stille.

Endstation Flexenpass. Noch ein paar spektakuläre Galerien und die letzten atemberaubenden Kehren nach Stuben am Arlberg und Vorarlberg war umrundet. Übrigens waren die letzten Kehren aufgrund des Verkehrs (Arlberg Straßentunnel gesperrt) ein Kriechen auf zwei Rädern. Es gibt ganz schön viele LKWs mit Ausnahmegenehmigung. Ende gut, alle gesund daheim. 228 verfahrene Kilometer und 2.888 Höhenmeter.

Mit dem Rennrad rund um Vorarlberg:

  • 206 Kilometer (ohne Verfahren)
  • 2.888 Höhenmeter
  • Highlights: Klostertal, Bregenzer Festspiele, Bodensee, Bregenz Altstadt, Bregenzerwald, Hochtannbergpass, Flexenpass, Abfahrt nach Stuben am Arlberg
  • Idealer Startpunkt: Feldkirch (per Bahn am leichtesten erreichbar)
  • Gefahrenstelle: Tunnel nach Lech Richtung Zürs. Befahren außerhalb der Leitplanken möglich (kein Gehsteig, aber Betonplatten), umfahren nur mit MTB empfehlenswert
  • RenneEsel Holzrahmen: 52/36 und 11/34

#ktrchts #machurlaubfahrrennrad

Autoschubsdienst in den Dolomiten

Autoschubsdienst in den Dolomiten

Mit Adrenalin vollgepumpt und mit einem Puls jenseits meiner Maximalzone krabble ich auf allen Vieren samt Rad ein paar Meter wieder zurück auf die Straße. Eine Dame ruft mir zu “Ich habe alles gesehen. Der Bus wurde absichtlich nach rechts gelenkt und hat sie in den Graben geschubst. Dann ist der Bus einfach weitergefahren.” Ich überlege nicht zweimal. Schnell noch die Kette zurück auf das Kettenblatt und dem Bus hinterher. In der Hoffnung, er würde oben am Würzjoch stehen bleiben. Vergebens. Oben angekommen, war der Täter verschwunden. Was als Autobusdienst gedacht war, entpuppte sich als Autoschubsdienst in den Dolomiten. Unglaublich aber wahr.

Mörderische Absichten.

Rennradfahren in den Dolomiten ist herrlich. Atemberaubende Kulissen, kulinarische Highlights und eine Idylle, die ihresgleichen sucht. Ein Platz für alle, wo aber nicht alle gleichzeitig Platz haben können. Aber wollen. Wer schon einmal auf das Würzjoch gefahren ist, weiß, dass die Straße dort eng ist. Einspurig. Bei Gegenverkehr wird es lustig. Bei großen Autos gefährlich. Und bei Autobussen mörderisch. Irgendwann wirds knapp, denn Platz ist hier keine unendliche Ressource.

Wir schreiben den 9. Juni 2023. Es ist kurz von 15 Uhr. Das ist wichtig, um das ganze auch rekonstruieren zu können. Meine Gruppe fährt aufgesplittet den Pass hoch. Von Afers kommend. Die Schnelleren vorne weg, die Gemütlicheren hinter mir. Auf dem letzten Kilometer ist die Straße eine lange gerade und eigentlich mehr als übersichtlich. Vor mit schiebt eine Dame ihr Fahrrad am Straßenrad nach oben. Von Oben kommt ein Motorradfahrer entgegen. Plötzlich steht ein Bus neben mir. Er versucht, sich vorbeizudrängen. Muss aber stehen bleiben, da der Weg von der Dame und vom Motorradfahrer versperrt ist. Drei Zentimeter rechts von mir die Böschung, 20 Zentimeter links von mir (großzügig geschätzt) ein Bus. Farbe grün und grau. Um nicht umzufallen (man weiß nie) fahre ich weiter und vorbei am stehenden Bus. Nicht ohne meinen Unmut über die Aktion des Busfahrer (der Busfahrerin) Ausdruck zu verleihen. Ich habe mich durch Klopfen auf die Karosserie bemerkbar gemacht.

Kein Platz haben, aber Platz haben wollen.

Ich schaffe es, ohne größeren Schwierigkeiten am Bus und an der Dame vorbeizufahren. Die Straße vor mir jetzt komplett frei. Ein paar Meter später drehe ich mich um, und sehe den Bus. Der Busfahrer (die Busfahrerin) gestikuliert wild und will mir anscheinend etwas mitteilen. Für mich war das Geschehene eigentlich erledigt. Der Bus verlangsamt nicht und drängt sich erneut an mir vorbei. Die Straße ist hier nicht breiter als vorher. Auf gleicher Höhe lenkt der Bus plötzlich aus dem Nichts nach rechts und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich in die Botanik zu verabschieden.

Ob ich mit dem Bus touchiert bin, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass es mich mehrmals überschlagen hat und mein geliebter, kaum 3 Wochen alter maßgefertigter Esel mit mir. Ich komme mit dem Kopf nach unten und dem Holzrahmen auf mir zum Stehen. Der Rest ist wie oben beschrieben. Die Worte der Frau im Ohr krabble ich zurück auf die Straße. Wäre der Bus oben stehen geblieben, hätte die Geschichte mit Sicherheit eine andere Dramaturgie bekommen.

Was folgte, war neben Fassungslosigkeit auch ein bürokratischer Hürdenlauf. Zuerst die Polizei gerufen. Diese wollte (konnte) nicht kommen. Dann mehrmals von einem Kommissariat zum anderen verbunden und weitergeleitet worden. Mörderische Absichten sind anscheinend kein Delikt oder die Lust freitagnachmittags zu arbeiten gering. Die Zeugin habe ich dann auch noch getroffen und mir alles nochmals schildern lassen. Ihre Aussage wird Goldes wert sein.

Am nächsten Tag nochmals zu den Carabinieri in La Villa. Unfall zu Protokoll geben. Der Maresciallo erklärt mir, dass man seitens der Carabinieri nichts unternehmen werde. Ich sei ja nicht verletzt. Mir bleibt nur noch der zivilrechtliche Weg. Rahmen kaputt, Powermeter-Kurberl zerkratzt und eine beim Sturz verloren gegangene Insta360 Go2 wollen eingeklagt werden.

Zerosbatti – Italien ist Vorreiter

Ich gebe nicht gerne auf. Und wo ich mich in meinen Rechten als Mensch (nicht unbedingt als Radfahrer) verletzt fühle, erst recht nicht. Vorsatz ist etwas, was mich triggert. Wissend, dass das ein langer Prozess werden würde, bin ich tätig geworden. Zuerst habe ich den Bus bzw. die Busnummer ausfindig gemacht. Es kann sich nur um den Bus 339 gehandelt haben. Wer ihn operiert hat, bleibt offen. Es fährt für Südtirol Mobil unter der Schirmherrschaft (oder Flagge) der Autonomen Provinz Südtirol. Ein Schreiben an die zuständigen Ämter fiel fehl. Auch ein Schreiben an die Tageszeitung Dolomiten blieb ohne Antwort. Ich dachte mir, die Omertà gäbe es nur in Süditalien.

Dann stoße ich in meinen Recherchen auf zerosbatti.it. Ein ehemaliger Rennradfahrer und Jurist hat diese Idee ins Leben gerufen. Eine rechtliche Assistenz für genau solche Fälle. Gilt europaweit. Und das für nur € 15,-. Gültig 12 Monate. Italien als Vorreiter. Kurz korrespondiert, Fall akzeptiert. Alle Dokumente sind schon vor Ort. Fehlt noch die schriftliche Aussage der Zeugin. Dann geht’s los. Schauen wir, was herauskommt.

Meine persönliche Meinung zählt da nicht. Zu viele Gesetze, bürokratische Hürden, Versteck-Spielchen … Ein Mensch, der vorsätzlich (eine Zeugin kann das bestätigen) einem anderen einen Schaden zufügen will, hat im Straßenverkehr gar nichts zu suchen. Wenn ich was zu sagen hätte, dann Führerschein weg. Tut mir leid. Wo kein Platz ist, kann man sich keinen Platz verschaffen. Alles andere ist nicht die Diskussion wert.

#ktrchts

Ötztaler Radmarathon 2023

Ötztaler Radmarathon 2023

Es war eine heiße Premiere. Der Ötztaler Radmarathon 2023 hat in seiner ersten (und wohl letzten) Juli-Edition vielen TeilnehmerInnen einen großen Traum erfüllt, gleichzeitig aber auch einigen alle Hoffnungen auf das begehrteste Finisher-Trikot der Geschichte genommen. Der “Ötzi” ist und bleibt gnadenlos. Er kennt Jahr für Jahr kein Erbarmen. Schwitzen oder frieren. Dazwischen gibt es selten Spielraum. Wer die letzten Jahre sein Königreich für einen wärmenden Sonnenstrahl am Timmelsjoch verschenkt hätte, wäre dieses Jahr an gleicher Stelle mit einem kühlen Schauer richtig glücklich geworden. Vielleicht haben einige sogar vom Schnee vergangener Jahre geträumt. Der Hitze zum Trotz haben von 4.337 StarterInnen (4.014 Männer und 322 Frauen) 3.869 den Weg ins Ziel nach Sölden gefunden. Sie alle dürfen sich über ein äußerst prestigeträchtiges Stück Lycra freuen. Chapeau. Natürlich auch den SiegerInnen Manuel Senni und Janine Meyer.

Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer.

Es war schon eine ganz große Überraschung, als der Termin 2023 für den 9. Juli angekündigt wurde. Ein Ötztaler Radmarathon im Hochsommer? Feine Sache. Ganz ohne Ballast. Keine Überschuhe, keine Merino-Socken, keine Mütze, keine Handschuhe, keine Beinlinge und vor allem kein nerviges An- und Ausziehen. Das war zumindest die Hoffnung. Hoffnung, aus der, je näher der Termin rückte, Gewissheit wurde. Der Celsius-Dreier war fix. Und wer St. Leonhard kennt, weiß, dass ein Vierer hier unten keine Utopie sein muss. Plötzlich Juli und plötzlich Hochsommer in Sölden. Es war also alles angerichtet. Für ein chilliges Rennwochenende. Ohne den gefürchteten Ötzi-Wetter-Schreck. Ein kühler Donnerstag, ein sonniger und frischer Freitag (samt Gewitter-Eintagsfliege), ein trockener Samstag und der heiße Rennsonntag, von dem viele noch ihren Enkeln erzählen werden.

Tipps vom Profi Anton Palzer.

Eine gute Vorbereitung ist das eine, der Renntag selber das andere. Und die Hitze? Die große Unbekannte. Zum Glück gab es Tipps von Anton “Toni” Palzer (#goschnpoliern) beim Medienempfang im Bergzauber hoch über Sölden. “Viel trinken und vor allem essen. Bis zu 120 bis 140 g Kohlehydrate pro Stunde. Und eine Flasche mit Wasser. Zum Kühlen”. Na bumm. Aerobee haben 18-19 g Kohlenhydrate und 180 mg Salz pro Gel. Das wären dann 7,3 Packungen pro Stunde. Die Tipps vom Profi Anton Palzer waren gut gemeint, haben jedoch ein schier unlösbares Logistikproblem geweckt. Wohin mit den Gels? Das Wasser? Die Salztabletten? Das Pulver für die Flasche? Glücklich all jene, die eine Betreuung entlang der Strecke “buchen” konnten. Trotz Vollpension entlang der 227 Kilometer mit insgesamt 5 + 1 Labestationen auf 5.300 Höhenmeter. Ein Hobbyrennen ist der Ötztaler Radmarathon schon lange nicht mehr.

Dead Valley auf 1500 Metern Höhe.

Alle haben sich es warm gewünscht. Alle haben es heiß bekommen. Der Höhepunkt der Hitze lag eindeutig zwischen St. Leonhard und Moos. Einen Wimpernschlag nach dem Blick auf das kühle Blau des Schwimmbades von St. Leonhard, welches auf der Abfahrt vom Jaufenpass prominent ins Auge gestochen ist. Hier wären einige liebend gerne stehen geblieben und abgetaucht. Ab hier jedoch erwischte es wohl alle. Die 29 Kilometer mit knapp 1.800 Höhenmetern hinauf auf das Timmelsjoch waren ein frontaler Angriff auf den Kreislauf aller noch im Rennen Verbliebenen. Der tiefste Punkt erreicht. Das Vorspiel abrupt beendet. Jetzt ging es nur noch ums Überleben.

Die Kunst bestand von nun an darin, zwischen Schwarzsehen, Umfallen und Kotzen trotzdem einfach weiter zu kurbeln. Rhythmus hatten da nicht mehr viele. Kühlung Mangelware. Die Dame im Bikini in Moos hatte alle Hände und Becher voll zu tun, die Temperatur aufgeheizter TeilnehmerInnen zu regulieren. “Mogsch a wosso?” Mehr war nicht zu vernehmen. Gleichzeitig ergoss sich ein Wasserschwall vom Helm bis tief unter den Rücken. Zehn Sekunden Power. Dann war der Spuk vorbei. Auch die Motorradfahrer konnten nicht mehr wirklich helfen. Ihr Getränkevorrat entweder aufgebraucht oder brodelnd. Fast kochend. Dead Valley auf über 1500 Metern Höhe. Was für ein Traum.

Wem der Kreislauf zu kippen drohte oder wem dadurch langsam die Kräfte schwanden, war am Höhepunkt des Ötztaler Radmarathons 2023 angekommen. Auch die Qual, sich mit Energie versorgen zu müssen und die Unmöglichkeit, den Körper zu kühlen, war Teil des vorprogrammierten Untergangs. Die Gesetze des Ötztaler Radmarathon kann man nicht brechen. Weder im Juli, noch Ende August. Und was hatte Anton Palzer noch am Vortag gesagt?

Ötztaler Leiden

Zwischen Hitzewelle und Wattschwelle.

Der Mensch ist zu vielem fähig. Dazu braucht er den Kopf. Beim Rennrad fahren auch die Beine. Wenn diese nicht mehr wollen, hilft nur mehr der Kopf. Fehlt aber die Verbindung, ist es aus. Hitze und Watt sind schwer in Einklang zu bringen. Das haben die meisten gespürt. Der Ötztaler Radmarathon verwandelt dich. Vor, während und nach dem Rennen. Egal ob kalt oder heiß. Du bist im Ziel ein anderer Rennradfahrer. Eine andere Rennradfahrerin. Die Verwandlung dauert je nach Kondition und Willenskraft 7 bis 14 Stunden. Ganz egal wie oft du bereits am Start gestanden bist. Nirgendwo anders wird das Finisher-Trikot mit derartigem Stolz getragen und vorgeführt. Der Mythos lebt. Eine Erfahrung, die man als RennradfahrerIn gemacht haben will. Warum das so ist, können nur jene beschreiben, die dabei waren und dabei sein werden.

Der Ötztaler Radmarathon ist nicht nur ein Rennen. Es ist ein Urlaub bei Freunden und mit Freunden. Auch wenn nicht mehr ganz so erschwinglich. Wie alles im Leben. Ein Teller Nudeln für € 14,- ist fast wie von einem anderen Stern. Der Stern der Reichen und Schönen. Vonseiten der TeilnehmerInnen wird nicht nur auf der Strecke vieles abverlangt. Es ist auch der Verzicht auf dem Weg nach Sölden. Um in Sölden anzukommen, bleibt einiges auf der Strecke. Familie, Beruf, Vermögen. Das Ötztal hat vieles richtig gemacht. Die Frage ist, wohin es noch gehen wird. Der Hobby-Radsport darf kein elitäres Eventspielzeug werden. Ein Wochenende für 2 Personen in Sölden ist samt Startplatz unter € 1.000 fast nicht mehr zu kriegen. Aber so ist die freie Marktwirtschaft. Angebotsknappheit und ganz viel Nachfrage.

Es geht um die eigenen Grenzen.

Das mit dem schönen Wetter über den vier Pässen hat dieses Mal perfekt funktioniert. Der Juli hat seinen Vorteil voll ausgespielt. Ein Segen für die TeilnehmerInnen und den Veranstalter. Sogar der letzte Teilnehmer konnte bei Tageslicht knapp unter 14 Stunden sein Ziel erreichen. Stress war ihm dabei nicht anzusehen. Er brauchte weder eine wärmende Decke oder Folie noch fremde Hilfe. Der Allerletzte zitterte nicht. Nein, er strahlte und mit ihm die vielen noch im Zielraum verbliebenen ZuschauerInnen. Einzig die Lichter der vielen Begleitfahrzeuge von Rettung, Polizei, Rennleiter und Traumfänger kamen nicht so zur Geltung wie üblich, wenn über Sölden die Nacht hereinbricht. Der Party im Ziel hat das aber nicht geschadet. Hier weiß man, wie man den Tag zur Nacht macht und den Morgen danach gut verschleiert.

Beim Ötztaler Radmarathon geht es um die eigenen Grenzen. Grenzen, die man hier verschieben muss. Beim Schreiben dieser Zeilen sind die Anstrengungen nach wie vor zu spüren. Aber auch die erlebten Hochs und Tiefs. Das 15. Finisher Trikot ist gut verstaut. Die 18. Teilnahme (plus der virtuelle Ötzi 2020) ist “in the books”. Sofern die Rechnung stimmt. Aufzeichnungen aus einer Zeit, als noch Armbändchen die Durchfahrt am Jaufenpass bestätigt haben, gibt es keine. Klopfen wir auf Holz, dass es weitere Teilnahmen geben wird. Warum man sich das antut? Einmal mitfahren und man bekommt die Antwort. Nein, man spürt sie. Sie geht durch den ganzen Körper. Schüttelt dich durch und rührt dich zu Tränen. Der Ötztaler Radmarathon nimmt viel und schenkt dir am Ende mehr als du dir je erhofft hast.

2024 wird alles wieder gleich anders.

Tür auf und gleich Tür wieder zu. Danke Juli. Es war eine schweißtreibende Freude. Wir werden dich vermissen. Kehren zurück zur alten Tradition. Die Frage, wie das Wetter werden wird, beschäftigt uns jetzt schon. Wir werden uns alle wieder anstellen und hoffen, dass wir dabei sein dürfen. Denn nach dem Ötztaler Radmarathon ist wie immer vor dem Ötztaler Radmarathon. Nie mehr wieder, bis zum nächsten Mal.

Der Ötztaler Radmarathon 2023 in Zahlen: 3.869 FinisherInnen und 4.337 Heldinnen. Dazu noch Hunderte von freiwilligen HelferInnen und Tausende Begleitpersonen, ohne die der Ötztaler Radmarathon nicht das wäre, was er ist. Ein ganzes Tal steht kopf. Für all jene, die sich diesen Traum erfüllen wollen. Die nächste Gelegenheit ist am 1. September 2024. Bei vielleicht kühleren Temperaturen oder wie eh und je. Gnadenlos und ohne Erbarmen. Zwischen frieren und schwitzen. Mehr zum Event gibt es hier.

#ktrchts

Gruppenfahren – warum das so schwierig ist.

Gruppenfahren

Was gibt es schöneres, als mit dem Rennrad in einer großen und homogenen Gruppe dahinzurollen. Leichtfüßig dahinzugleiten und die Vorteile des Windschattens zu nutzen. Kilometer zu sammeln, die man sich sonst schwer erarbeiten müsste. Gruppenfahren ist und bleibt die höchste und schnellste Form des Weiterkommens. Kollektives Kräfteschonen. Einer für alle, alle für einen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Individualismus die Gruppendynamik wieder einmal sprengt.

Gruppendynamik ist der Teufel.

Über das sichere Gruppenfahren habe ich mich schon einmal gestürzt. Das Thema ist durch und es gibt nicht mehr viel zu ergänzen. Diesmal sind es andere Gedanken, die mich beschäftigen. Vielleicht, weil ich älter werde und mich deshalb nicht mehr beweisen kann. Möglicherweise bin ich aber für das Gruppenfahren nicht geschaffen. Wer weiß. Für mich ist das Rennradfahren in der Gruppe ein gemeinsames Erlebnis und kein Kräftemessen. Aber genau das erlebe ich immer wieder. Gruppendynamik ist der Teufel und das sich Zügeln eine Tugend, die man braucht, um eine Rennradgruppe zusammenzuhalten.

Rennradgruppen sind wie Organisationen, in der unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten zusammentreffen. Das kann nie friktionsfrei sein. Da geht es um Positionen und Ansprüche. Und um Rollen, die dann jede*r in der Gruppe selbst einnimmt. Spannend, wenn man sich ein wenig mit der Materie beschäftigt. Beispielsweise das Ganze durch das rangdynamische Positionsmodell (Gruppendynamik) von Raoul Schindler betrachtet und analysiert.

Soziale Interaktion innerhalb von Rennradgruppen.

Auch in einer Rennradgruppe geht es um Positionen. Diese werden eingenommen und können auch immer wieder verlassen werden. Es gilt auch, dass Positionen mehr verliehen als genommen werden (Raoul Schindler). Erst durch die Akzeptanz der Anderen gelangt ein Gruppenmitlied in eine bestimmte Position (niemand wird zum Anführer, ohne dass die anderen Gruppenmitglieder ihm folgen).

Gruppendynamik Rennradfahren
© Roberto M.

Rangdynamischse Postionen* im “Peloton”.

G” (Gruppenaufgabe bzw. Gegenüber bzw. Gegner): Auf dieses Außenkonstrukt ist die Wirkung der Gruppe gerichtet. Das kann das Ziel der Gruppenausfahrt sein. Zum Beispiel die Kilometer, die Geschwindigkeit, der Berg … Wichtig ist, dass die Gruppe “G” (das Ziel) durch Alpha erreichbar sieht.

Alpha (Anführer): Alpha führt dem Ziel entgegen und leitet die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber („G“). In einer Rennradgruppe ist Alpha, jene*r, mit dem Ziel vor Augen und sagt, wo es langgehen wird (soll). Alpha ist stark außen gewandt und in seinem Handeln nur davon beschränkt, ob die Gruppe ihm/ihr folgt. Folgt die Gruppe Alpha nicht, so ist Alpha auch nicht länger Alpha. Zum Beispiel, wenn die Gruppe sich nicht in der Lage sieht, das Ziel zu erreichen. Oder der Weg zum Ziel zu beschwerlicher wird (zu schnell, zu anstrengend …). Alpha schaut nach vorne und verliert so gerne den Blick nach hinten.

Beta (ExpertIn): Die klassischen „Zweiten“ sind die typischen BeraterInnen. Das Verhältnis zu Alpha ist ambivalent: Einerseits braucht Alpha Beta, um zu führen, und Beta braucht Alpha, um an der Macht teilzuhaben. Andererseits haben Betas am ehesten das Potenzial, Alpha zu stürzen und selbst die Führung zu übernehmen. Betas sind in der Rennradgruppe jene, die mit Alpha die Führungsarbeit leisten und auf ihre Chance lauern.

Gamma (einfaches Gruppenmitglied): identifiziert sich mit Alpha (genauer: mit seiner Außensicht auf “G” und unterstützt seinen/ihren Weg durch Zuarbeiten ohne eigenen Führungsanspruch. Gammas sind jene, die die „Knochenarbeit“ verrichten, ohne die keine Gruppe arbeitsfähig ist. Gammas findet man in Rennradgruppen zuhauf. Sie sind die HelferInnen, WasserträgerInnen und die Domestiques. Sie schließen Lücken, schauen nach hinten, informieren nach vorne …

Omega (Gegenposition zu Alpha – nicht zu verwechseln mit dem in der Biologie als Omega bezeichneten rangniedrigsten Individuum): ist der Gegenpol des dominanten Gruppengeschehens. Sein/ihr Verhalten äußert sich in offenem oder verdecktem Widerstand gegen die von Alpha kommunizierte Zielerreichung. Zentrales Element ist eine un- oder gegenabhängige Außensicht auf „G“, und genau das zieht in dieser Position den Widerstand auf sich: von Gamma(s), weil er/sie die Identifikation mit Alpha gefährdet (Alpha definiert den Blick auf „G“), und von Alpha, weil er/sie die Führungsposition gefährdet. Omega ist eine konstitutive (= bestimmende) Position in der Gruppe und ein wichtiger Qualitätsindikator für die Gruppenfunktionen – bei Omega drücken sich als Erstes Gruppendefizite (Zielerreichung, Zusammenhalt etc.) aus. Oft wird Omega jedoch nicht als Qualitätsindikator, sondern als Störfaktor angesehen, angegriffen und ausgeschlossen. Nicht selten rutscht nach kurzen kathartischen Episoden ein anderes Gruppenmitglied in diese Position, und das Spiel beginnt von Neuem.

Gruppenfahren ist deshalb so schwierig.

Und jetzt wird es spannend. Wenn die Konflikte um die Omega-Position steigen, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass aus der Perspektive der Gammas die Verbindung Omega zu “G” (dem Ziel) stärker erlebt wird, als die von Alpha zu “G” (dem Ziel). Also, dann die Gruppe Omega eher zutraut, das Ziel zu erreichen. Dazu kommt noch, dass in Rennradgruppen die Betas auch immer wieder auf Ihre Chance lauern und bei einer Schwäche von Alpha gnadenlos zuschlagen.

Genau diese in Gruppe immer wieder auftretenden Spannungen – auch in Rennradgruppen, sind der Grund, warum Gruppenfahren teils schwierig ist oder wird.

Funktion, Position und Rolle in Rennradgruppen.

Funktion und Postion in einer Rennradgruppe geben Auskunft über die Aufgabe und die Macht, die man in einer Gruppe hat. Wie diese ausgeübt wird, bleibt dann von Fall zu Fall offen. Spezifische Merkmale wie Handlungen, Aussehen, Sprache, Körpersprache … sind die Rolle. Rollen sind daher stärker selbstgewählt und haben stärker mit den Persönlichkeitseigenschaften der Rollenträger zu tun

Kompliziert? Nein. Nicht wirklich und von Rennradgruppe zu Rennradgruppe verschieden. Überlegt euch selbst einmal, wo ihr eure Position bei einer Gruppenausfahrt seht. Oder welche Postion ihr beim Gruppenfahren anderen streitig macht oder machen wollt. Dieses Modell ist uns allen näher als wir glauben.

Viel Spass beim Gruppenfahren.
#ktchts

*Quelle: rangdynamisches Positionsmodell von Raoul Schindler (Wikipedia)

Wir haben neue Rennradschuhe. Eine Mann-Frau Geschichte.

Neue Rennradschuhe

Es gibt bekanntlich zwischen Mann und Frau einige Unterschiede. Kleine und große. Im Denken, im Handeln und vor allem im Rennradschuhe-Kaufen. Das ist bei uns nicht anders. Und so war es bei uns auch nicht anders. Der Wunsch nach neuen Rennradschuhen am Anfang war noch ziemlich paarkonform. Auch das Ergebnis am Ende, wenngleich mit unterschiedlichem Ausgang. Doch der Weg dorthin war ein diametrales Auseinanderdriften zweier Welten. Trotzdem haben wir jetzt neue Rennradschuhe. Und so ist es dazu gekommen.

Der Wunsch nach weißen Rennradschuhen.

Es war unser beider Wunsch, wieder einmal weiße Rennradschuhe zu fahren. Meine letzten weißen sind schon 13 Jahre alt und eigentlich weiß rot (Sidi Wire Carbon). Den Lake CX 403 habe ich nie so richtig ins Herz schließen können, weil die Innenseite schwarz war. Sie hingegen hatte auch weiße Lake. Das Model CX ist aber schon ein wenig in die Jahre gekommen. Die Schuhpflege blieb etwas auf der Strecke. Es war also unser beider Wunsch, nach einem Intermezzo bei Suplest (Model Egde3) wieder auf weiße Rennradschuhe zu setzen.

Seit über einem Jahr trage ich schon meinem Wunschschuh mit mir mit. Es war Liebe auf den ersten Blick. Crono CR 1 – Made in Italy. Genau der musste es es werden. Und kein anderer. Fix. Ausgemacht. Doch ich war nicht bereit dafür den Listenpreis von € 360,- auszugeben. Ich musste Geduld aufbringen – was mir sehr schwergefallen ist. Und ich habe einige Möglichkeiten ausprobiert, den Schuh vergünstigt zu bekommen. Allesamt legale Wege. Vom Importeur bis hin zum Hersteller selber. Niemand hat sich meiner erbarmt. Mein Bitten und mein Betteln löste sich in Luft auf. Bis ich eines Tages im Netz das Angebot von muziker gesehen habe. Ein slowakischer “Amazon” mit einem Angebot, welches von Musikinstrumenten über Golf und anderen Sportsachen auch Radschuhe beinhaltet. Dort kostet(e) der Schuh € 259.-. Ohne Ust. noch weniger.

Rennradschuhe von Crono
Crono CR 1

Wie Mann und Frau Rennradschuhe kaufen.

Ein paar Mal hatte ich das Angebot im Warenkorb. In der Hoffnung, vielleicht doch noch erhört zu werden. Dann aber war es so weit. Ein Klick und die Schuhe waren meine. Prompt geliefert haben sie sich schnell in mein Herz geschlichen und an meine Füße geklebt. Mittlerweile haben meine neuen Lieblinge schon ein paar Kilometer auf der Sohle. Alle Indoor. Und sie schauen nicht nur gut aus, sie sitzen perfekt. Zumindest der Linke. Muss aber nicht unbedingt mit dem rechten Schuh zu tun haben. Es kann auch an meinem Fuß liegen. Ist mir nicht neu.

Eigentlich wollte ich den Crono CR 1 auch ihr kaufen (lassen). Zum vergünstigten Preis. Ihre Größe wäre lagernd gewesen. Doch ihr gefällt der Löwe auf der Innenseite nicht. Löwe, der mir gar nicht aufgefallen wäre, wenn sie ihn nicht auf ihre “Dislike-Liste” gegeben hätte. Meine Versuche, ihr den Schuh schmackhaft zu machen, blieben alle erfolglos. Sie macht keine Kompromisse. Und eigentlich will sie keine neuen Schuhe. Denn sie hat ja die noch sehr wenig benutzten Suplest. Das hat sie mehrmals betont, nachdem sie aber doch von der Idee, neue weiße Rennradschuhe haben zu wollen, wieder und immer wieder heimgesucht wurde. In diesen Momenten klebte sie auch im Netz und suchte nach ihrer persönlichen Wunsch-Alternative. Alle von mir vorgeschlagenen Optionen wurden kategorisch abgelehnt. Alles, was nicht weiß war, fiel ihr zum Opfer. Sie macht keine Kompromisse.

Crone Shoes Made in Italy
Crono CR 1 Löwentatoo

Sie weiß, dass sie weiß will.

Da eine Farbe zu viel. Dort ein Merkmal am falschen Platz. Weiß ist eben nicht gleich weiß. Und einige weiße Rennradschuhe sind eben weißer als die anderen. Die weißesten davon sind aber leider auch die teuersten. Specialized S-Works Torch, Shimano RC9 Damen … mit € 400,- +/- keine Schnäppchen. Wer weiß will, muss bluten. Schnäppchen wie der EKOI Ultralight Carbon Weiß wurden trotz ihres Aktionspreises dankend abgelehnt. Für sie war der EKOI Carbon Weiß eben zu wenig weiß. Und mit den Exoten von Spiuk konnte sie wenig anfangen. Gleich wenig wie mit Schuhen von Scott oder Gaerne.

Mein Latein ist selten am Ende. Vor allem dann, wenn es ums Rennrad geht. So zauberte ich dann auch noch die Fi’zi:k Ass aus dem Ärmel. “Christina fährt Fi’zi:k …” hatte sie getriggert. Fi’zi:k? Wer oder was ist das? Das Netz musste wieder dran glauben und in Windeseile wurde alles gestalkt, was mit Fi’zi:k zu tun hatte. Facebook, Instagram und Google wurden, durchforstet. Und am Ende stand ihr Wunschschuh ganz oben. Ein neuer, weißer Rennradschuh. So weiß, dass es weißer nicht geht.

Fizik Rennradschuhe
Fi’zi:k Tempo Decos Carbon

Danach ging es relativ schnell. Preis ok. Fuß vermessen (ja so etwas mache ich immer noch), Größentabelle studieren, kurz beraten (besser etwas größer als, nachher zu klein) und schon war er bestellt. Eigentlich wollte sie zwei Größen bestellen. Gewohnheit. Man könne ja eine zurückschicken. Ich musste ihr erklären, dass bike24 nicht Zalando sei und dass man bei bike24 zwei Größen bezahlen muss, wenn man zwei Größen bestellt. Nach ein paar Tagen, waren die Schuhe (1 Paar) da.

Und dann war da noch die Sache mit den Schuhplatten.

Noch hat der Fi’zi:k keine Kurbelumdrehung hinter sich. Denn sie wolle die Schuhe erst einmal stehen lassen und sie anschauen. Auch hat sie noch keine Cleats. Ich wollte ihr die Garmin Cleats empfehlen. Ich verwende diese seit ich die Vector Pedale habe, weil sie im Vergleich zu den Look Schuhplatten länger leben. Zumindest bei mir. Seit ewig verwende ich dabei die roten (auch bei Look). Sie verwendete bisher die grauen. Die grauen sind bei Garmin aber jene ohne Bewegungsfreiheit. Ich schlage ihr deshalb die roten Garmin Schuhplatten vor. Diese will sie nicht. Nicht wegen der erhöhten Bewegungsfreiheit, sondern weil sie rot sind. Und rot passt nicht zu weiß. Es muss grau sein. Also Look. Also weniger Bewegungsfreiheit. Nur der Ordnung halber und fürs Protokoll. Es geht ja darum, wie Mann und Frau sich um neue Rennradschuhe kümmern. Ich so, sie eben anders.

Pedalplatten Rennradschuhe
Garmin und Look Schuhplatten

Montiert sind ihre neuen Cleats noch nicht. Aktuell ruhen die Schuhe ja. Und wenn man die Cleats montiert, kann man die Schuhe ja nicht mehr zurückschicken. Aber warum zurückschicken? Sind Sie vielleicht doch nicht weiß genug?

Fi’zi:k vs Crono.

Sowohl Fi’zi:k als auch Crono sind Made in Italy. Wobei Crono sogar mit Handmade in Italy wirbt. Kann unabhängig nicht überprüft werden. Vielleicht statte ich Crono Shoes am Weg nach Cesenatico oder zum Monte Grappa einen Besuch ab. Es wäre die Gelegenheit, einen Schönheitsfehler beim Schuh zu reklamieren. Handmade in Italy hat ein wenig gepatzt. Nicht schlimm, sollte und darf aber nicht sein. Auf den Einsatz draußen bin ich schon gespannt. Wie schon geschrieben, habe ich den Schuh Indoor (Zwift) ausgiebig mit mehreren unterschiedlichen Setups getestet. Mit Orignalsohle, mit Solestar BLK und Solestar Kontrol. Dazu habe ich noch ein paar Cleat-Einstellungen ausprobiert. Den ersten 100er hat der Schuh auch schon hinter sich. Beim Vätternrundan Group Ride der Swedish Zwift Riders (SZW). Und das erste Rennen. Etappe 1 bei der Tour de Watopia 2023.

Die Verarbeitung des Fi’zi:k Schuhes (Model Tempo Decos Carbon) scheint auf alle Fälle ideenreicher zu sein. Mit gefällt die Verstärkung im Frontbereich ausgesprochen gut. Denn beim Einklicken in die Pedale, ist das jene Stelle vom gesamten Schuh, die das meiste Fett abbekommt. Chapeau Fi’zi:k. Auch der Hinweis, dass man Schuhe nur am Teppich probieren soll, ergibt Sinn. Mehr zum Schuh selbst, werde ich hoffentlich in Erfahrung bringen, wenn sie ihn gefahren ist und nicht zurückgeschickt hat.


Auf alle Fälle haben wir beide jetzt neue Rennradschuhe. Traumhaft. Oder?

#ktrchts

PS: Beide Schuhe wurden regulär im Handel gekauft. Vergünstigt zu Preisen, die allen zugänglich sind.