Schlagwort: Rennradblog

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 8.

Austria Giro - endlich angekommen

Enttäuscht. Ich war sehr enttäuscht, als ich mit persönlicher Bestzeit die letzten Kilometer auf fiesem Kopfsteinpflaster den Kahlenberg hochgeklettert bin. Oben am großen Parkplatz war keine Musikkapelle da, welche mich mit Pauken und Trompeten empfangen hätte sollen. Keine Groupies. Keine Medien. Außer ein paar Inder und eine erlesen Hochzeitsgesellschaft niemand. Nach 8 Tagen Rennrad kreuz und quer durch Österreich, 9 Bundesländer, die Bieler Höhe, das Timmelsjoch, die Großglockner Hochalpenstrasse mit Hochtor und Fuschertörl, der Sölkpass, der Koblberg Pass, der Feistritzsattel, der Geschriebenstein zum Schluss der Kahlenberg. Mein Austria Giro 2016 ist beendet. Unspektakulär. Im Stillen. Anonym. Das Wetter für einen abschließenden Cappuccino im Freien zu kalt. Nicht einladend. 1400 km. Mehr als 20.000 Höhenmeter. Abspann. Vorhang zu. The End. Jetzt warte ich nur mehr auf die Oscarnominierung. In den Kategorien härteste Route, beste Hotels, große Leidensfähigkeit, unglaubliche Kraftausdauer und perfekte Logistik dank Rennschnecke. Tag 8 ist Zeit für Abschied.

Austria Giro 2016. Tag 8. Die Eroberung Wiens.

Jede Menge Statistiken und Rückblicke gibt es sicher noch genug in den nächsten Tagen. Die heutige letzte Etappe war eine Mini-Ausfahrt. Nur 69,5 km. Von Eisenstadt, durch Wien und dann über Klosterneuburg auf den Kahlenberg. Knapp 650 Höhenmeter. 2h29min Fahrzeit. Schnitt 28,3. Inklusive Stop and Go in der Stadt und dem Aufstieg. Ich habe den direkten Weg gewählt. Dafür bin ich dann noch 100 km zurück nach Eisenstadt geradelt. Über das Leithagebirge. Quasi eine kleine Draufgabe. Ich wollte den Tag und den Giro in der Sonne abschließen. Denn bis auf den Kahlenberg habe ich diese nicht gesehen. Jetzt ist es wolkenlos. Jetzt.

Das Besondere am heutigen Tag war die Unlust in der Früh aufs Rad zu steigen. Zuerst verzögerte sich der Start wegen des leichten Regens. Ja. Regen. Dann war ich so unmotiviert. Bis mich ein Traktor samt Anhänger am Weg nach Hornstein überholt hat. Das habe ich nicht auf mir sitzen lassen können. Ein kleiner Sprint und schon war ich im Windschatten Richtung Wampersdorf. Plötzlich hatte ich wieder Spass am Rennrad fahren. Als der Traktor abgebogen ist, habe ich weiter draufgedrückt. So wie es sich gehört. Bis Wien war der Schnitt angenehme 31,3 km/h.

Die Fahrt durch Wien heute ein Genuss. Eine leere dreispurige Triester Straße. Fast für mich allein. Statt Radweg. Hauptstadteinfahrt. Mit dem Rennrad. Geil. Dann die Wiedener Hauptstraße. Hinter der Straßenbahn. Windschatten wo’s geht. Karlsplatz, Ring und dann Donaukanal. Schnitt immer noch flotte 30 km/h. Als ich den Leopolditempel hoch oben sehen konnte, überkam mich so etwas wie Emotion. Ich spürte, dass es bald geschafft sein wird. Ich wurde automatisch schneller. Touristen am Radweg wurden verblasen. So muss Rennrad sein.

Dann der Anstieg. Kurz noch die Kamera zucken. Kopfsteinplaster fotografieren. Ein Herr mit einem BMC Triathlonrad überholt mich. Ich schieße noch das letzte Foto und gehe in Kampfstellung. Zuerst wird die Lücke zugemacht. Dann wird nachgefahren. Später dann überholt. Und weg war ich. Geschüttel und gerührt. Der Rest ist oben beschrieben. Der Austria Giro 2016 ist Geschichte.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 7

Austria Giro - Burgenland

Tag 7. Nun stehe ich vor der Toren von Wien. Wie einst schon andere in der Geschichte. Keine Angst. Ich will Wien nicht belagern. Nur erklimmen. Den Kahlenberg will ich erobern. Dann ist die Katze im Sack. 8 Tage. 9. Bundesländer. Die jeweils höchsten befahrbaren Pässe. Es fehlt nicht mehr viel. Möge das Projekt erfolgreich zu Ende gehen.

Austria Giro 2016. Tag 7.

Burgenlands höchster Pass, der Geschriebenstein auf 802 m Seehöhe stand heute am Programm. Start früh Morgens in Kirchberg am Wechsel. Ohne Garmin. Dieser ist über Nacht endgültig gestorben. Trotzdem habe ich ihn mitgenommen. Er ist immer noch Teil meines Projektes Austria Giro 16. Tote lässt man einfach nicht irgendwo liegen. Ein Staatsbegräbnis ist das Mindeste, was ich für das Gerät noch organisieren werde.

Gleich zu Beginn, bei herbstlichen Temperaturen St. Corona am Wechsel. 4 km und knapp 260 HM. Aufgeteilt auf sechs schön zu fahrende Kehren. Oben auf 844 m Seehöhe war auch schon der höchste Punkt der heutigen Etappe erreicht. Die Beine schwer wie Captain Jack Sperrow’s Bleikugeln. Die Lust am Rennradeln am Allertiefstpunkt. Die Sehnsucht nach Wien groß. Jene nach Eisenstadt noch größer. Ich habe gelernt, Schritt für Schritt zu denken. Nicht richtig nachgedacht habe ich bei der Entscheidung meine kurze Hose zu tragen. Nicht wegen des Designs, das ist ja stylisch genug. Nein, wegen der Kürze. Und der nackerten Knie und Beine. Das Gefühlt, die letzte Ausfahrt vor dem Winter zu machen war allgegenwärtig. Weger der Kälte aufgestellt rasierte Haärchen auch.

Ein Proteinweckler für schnelles Vorankommen.

Die Abfahrt nach Aspang musste ich hinter einem Auto schlafend hinter mich bringen. Kaum bemerkt habe ich einen mir entgegen kommenden Rennradfahrer. Ich sah nur, dass er sofort nachdem wir uns gekreuzt hatten, umgedreht hat. Unten in Aspang warte ich auf Martin. Die Zugmaschine Martin, war heute wieder mit von der Partie. Gut erholt von den Strapazen der Königsetappe über den Großglockner.

„Servas“. Der unbekannte Radfahrer gesellte sich zu uns. Es war „Proteinweckerl“ aus der Steiermark. Er weilte hier in der Gegend urlaubend und hat die Route über meinen Blogbeitrag erfahren. „Ich begleite dich ein Stück“. Gerne. Danke. Nach Aspang ging es gleich wieder hinauf Richtung Zöbern. Eine Zacke, welche ich im Profil nicht zuordnen konnte. Die Gegend hier ist Neuland für mich. Wir fahren alle gemeinsam. Small Talk über Pedale, Freilauffedern und geputzte Räder inklusive.

Ab fast Zöbern dann sicher ein Höhepunkt der heutigen Fahrt. Über Bad Schönau, Krumbach und Kirchschlag i. b. W Richtung Lockenhaus haben wir es uns gegeben. Vollgas. Geschwindigkeiten weit über die 40 km/h brachten uns schnell Richtung Geschriebenstein. Eine siebtbeste Zeit gesamt im Segment „L154 – Kirschlag“ ist der Beweis dafür. Kurz danach verabschiedet sich Mister Proteinweckerl. Danke fürs Mitfahren. Gerne wieder.

Lockenhaus am Fuße des Geschriebenstein. Kurzer check auf Google Maps (der Garmin ist ja tot und die Polar M400 kann nicht navigieren). Dann doch analog nach dem Weg fragen. „Vorne bei dem großen Gebäude links und dann 18 km“. 18 km? Ich bin etwas verdutzt. Aber was solls. Wir fahren am großen Gebäude links vorbei und fangen an die Kilometerangaben am Straßenrand zu zählen. 0,5, 1, 1,5, 2,0 … Die Straße erhebt sich für burgenländische Verhältnisse steil in den Himmel. Mehr als 9,0 km/h kann ich nicht mehr treten. Das 29er Ritzel am Anschlag. Bei 9,0 km/h Aufstiegsgeschwindigkeit dauern die 18 km ganze zwei Stunden. Das wird wohl ein langer Tag. Erst bei der Abfahrt erfahre ich, dass dieser Abschnitt 12% Steigung zu verzeichnen hatte.

Ab Tafel 4,0 wird die Steigung etwas flacher. Ich habe trotzdem das Gefühl kaum vom Fleck zu kommen. Bei teilweise flachen bis abfallenden Passagen kann ich dann doch eine 20er Geschwindigkeit treten. 5,5, 6,0, 6,5 … immer noch empfinde ich den Geschriebenstein steiler als den Großglockner vor vier Tagen. 9,0, 9,5 und dann plötzlich 10. Hier ist die Passhöhe. Unscheinbar. Ohne Passschild. Nur eine Bushaltestellenstafel „Geschriebenstein Passhöhe“. Das war der 7. Streich. Burgenlands höchster Pass. Die Abfahrt nach Rednitz ersparen wir uns. Wir hätten über Ungarn (Kőszeg) zurück nach Lockenhaus fahren müssen. Ohne Pass in Zeiten wie diesen keine gute Idee.

Also den Geschriebenstein als Stichstraße fahren und zurück. Kurze Einkehr bei Heilingeis. Cappuccino und weiter gehts zum Billa. Getränke auffüllen. Noch ca. 60 km bis nach Eisenstadt. Über Hochstraß, Piringsdorf, Unterrabnitz, Schwendgraben, Oberrabnitz, Karl, Weingraben und Kaisersdorf landen wir in Markt St. Martin auf der B50. Übrigens: dieser Abschnitt der Tour war echt ein Traum. Keinem Auto begegnet.

Die B50 hier kenne ich wie meine Westentasche. So gestaltete sich auch die Rückfahrt. Vorne die Kette rechts. Martin im Windschatten. Nicht Vollgas, aber immer schön auf Druck. Sieggraben, Sieggrabner Sattel, Marz, Rohrbach, Loipersbach, Schattendorf, Baumgarten, Draßburg, Zagersdorf, Siegendorf und dann Eisenstadt. Gute 60 km im Wind. Wettkampfhärte lässt grüßen. Tag 7 endete bei 154 km, 5h29min Fahrzeit, 2.000 HM und einem Schnitt von 28,0 km/h.

Ich stehe vor den Toren von Wien. Morgen fällt hoffentlich der Kahlenberg. Nur mehr 84 km. Dann habe ich das Projekt erfolgreich beendet. Ok. Der Dienstag ist nicht so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Trotzdem. Wir wollen den Tag nicht vor dem Abend loben. Warten wir ab, was der Samstag bringen wird. Hoffentlich schönes Wetter und warme Temperaturen. Den Cappuccino am Kahlenberg möchte ich im Freien genießen können.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

PS: der Regentag am Mittwoch hat bei mir Spuren hinterlassen. Halsweh, Husten und eine Stimme, welche ich bei einer Sex-Hotline für gutes Geld einsetzten könnte.

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 6

Austria Giro - Polar 400

Tag 6. Und ich bin auf Entzug. Garmin Entzug. Heute habe ich einmal auf Garmin verzichtet (politisch korrekt ausgedrückt – in Wahrheit habe ich auf Garmin geschissen) und meine Polar M400 in den Volldienst genommen. Obwohl ganz verzichtet habe ich nicht. Ich habe mir den Spass nicht nehmen lassen, den Garmin Edge 1000 beim Sterben zuzusehen. Einschalten ließ er sich noch, dann hat das Gerät ca 30 km lang immer wieder das GPS Signal verloren, weitere 321 Runden (laps) eigenständig gewertet und nach 3h23min war wieder alles tot. Mit automatischen Wiederbelebungsversuchen. Immer wieder hat sich das Gerät eingeschaltet und dann selbständig wieder ausgeschaltet. So lange, bis der Akku komplett leer war. Derweil ruht der Garmin in einer Reisschüssel. Ein Versuch ist es wert. Der Reis sollte dem Gerät die Restfeuchtigkeit nehmen. Weil, und das ist das Problem: Ich kann keinen Hardreset machen. Denn die Start/Stop Taste funktioniert nicht.

Das wars dann auch schon mit Garmin. Der M400 hat ganze 7h55min seine Dienste erbracht. Die Anzeige „Akku schwach“ nach knapp 7h hat mich leicht verunsichert. Aber alles ist gut gegangen. Ich habe den Track. Und das zählt. 203 km und 3.900 Höhenmeter. 27,3 km/h Schnitt. Danke. Die ersten 151 km mit einem Schnitt von 29,8 km/h. Danke. Den Rest mit Pfaffensattel und Feistritzsattel mit 23 km/h Schnitt. Ausbaufähig.

Der Tag begann mit einer rasanten Abfahrt von Maria Taferl hinunter zu Donau. Von Pöchlarn folgte ich der B1 bis nach St. Pölten. Dann das Traisental. Bis nach Freiland. Ohne besondere Vorkommnisse. Ok. Gegenwind. Viel Gegenwind. Und ein depperter Autofahrer, der meinte, er müsse mich ausbremsen und mich auf den Radweg „oarschlochen“. Ich spürte schon die Nähe zu Wien.

Ab der Abzweigung Richtung Kalte Kuchl war mir die Strecke ganz neu. St. Aegyd am Neuwalde und Kamelhof. Ein großes „Industriedorf“ (die Firma Teufelberger hat hier ein Werk) und ein „weißer Zoo“ sind die hiesigen Attraktionen. Die Attraktion für Rennradfahrer ist die Auffahrt zur/zum Gscheid. Ein böser bissiger Berg. Mit 12% Steigung. Auf der Straße. Der daneben verlaufende Radweg hat Rampen mit bis zu 20%. Am sechsten Tag kann dir so was schon die Grenzen aufzeigen. Ich mag eigentlich keine Radwege – aber dieser Abschnitt ist empfehlenswert.

Die Abfahrt nach Ternz unspektakulär. Der nachfolgende Ansteig zum Lansattel auch nicht wirklich attraktiv. Er tat mir aber weh. Das Mürztal hingegen war wieder High-Speed Revier. Einige TT Segmente bei Strava konnte ich mit persönlicher Bestzeit zurücklassen. Mürzsteg. Kappern. Mürzzuschlag. 152 km und ein knapper 30er Schnitt bis hierher. Zeit zu Essen. Der Spar kurz vor Spittal am Semmering war einladend genug. Wurstsemmel mit Schinken und Gouda. Dazu ein Lattella Himbeere/Zitrone. Bereit für den Pfaffensattel.

12 km von Steinhaus am Semmering bis zum Pass. Gut dosiert war ich rasch oben. Die Temperaturen mittlerweile auf Oktober Niveau. Kurz/kurz schon sehr fahrlässig. Die Abfahrt vom Pfaffensattel nach Retteneg hat viel mit der Paris-Dakar gemeinsam. Sie ist zwar nicht so lang, hat aber mindestens so viele Schlaglöcher. Beim letzten Auftritt hier mit dem Radsporttreff holte ich mir einen Defekt. Diesmal zum Glück nicht.

Den Pfaffensattel musste ich mittnehmen, um zum Feistritzsattel zu kommen. Den höchsten Pass Niederösterreich. In Retteneg dachte ich mit es wären ca. 10 km. In Wahrheit waren es über 17.  Leicht bergauf. Weniger leicht bergauf. Und am Ende ziemlich bergauf.

Ich drückte auf die Tube, denn ich hatte oben am Sattel ein Rendevouz. Mit meiner Rennschnecke. Ausgemacht war, dass sie mir von Kirchberg a. W. entgegenkommt. Doch ich wurde oben versetzt. Niemand da. Also Beweisfoto und ab nach unten. Ca. 2 km unterhalb des Sattels dann doch das Date mit Rennschnecke. Sie hatte ganz oben kehrtgemacht. Ich war ihr wohl zu langsam. Plötzlich war mein Puls auf 180. Bergab. Gemeinsam rollten wir nach Kirchhberg. Wobei rollen etwas untertrieben ist. Die Rennschnecke hielt meine 42 km/h im Windschatten locker mit.

Abgefroren wie zwei Eiszapfenl erreichten wir das Etappenziel. Tag 6 geht zu Ende. Morgen noch Tag 7. Das Burgenland wartet. Verhältnismäßig leichte 152 km und 2.300 Strava Höhenmter. Mit dem Anstieg über St. Corona am Wechsel zum warm werden. Dann geht es über Aspang, Zöbern, Bad Schönau, Kirschlag in der buckeligen Welt nach Lockenhaus zum Geschriebenstein. Dem höchsten Pass Burgenlands. Etappenziel ist dann Eisenstadt.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 5

Austria Giro - Maria Taferl

Tag 5 des Austria Giro 2016. Ein Tag den ich einfach und in weniger Worten beschreiben kann: f***! Und nochmals f***! Nicht nur, dass es heute ein klassischer badass ride war. Nein, auch sämtliche elektronischen Geräte sind mir heute ausgefallen. Allen voran mein Garmin Edge1000. Bereits nach vier Stunden meinte das Gerät, der Akku sei schwach. Akku war voll geladen. Anmerkung. Dann fängt das Gerät an, selbständig Runden (laps) zu zählen. Ganze 524 (!!!!) sind es zum Schluss geworden. Ständig dieses „pieps“ in den Ohren. Ich hätte am liebsten das Gerät am Koblberg Pass auf 1044m Seehöhe vergraben. Dort gehört es auch hin. Am Arsch der Welt. Ein Navigieren war so nicht möglich, weil ständig eine Rundenanzeige am Display war. Verfahren habe ich mich deshalb mehr als oft genug. Nach genau 6h3min hat der Garmin dann seinen Dienst quittiert. Im Stillen. Ganz leise. Zu diesem Zeitpunkt war ich irgendwo im Mühlviertel. Keine Ahnung wo. Am Weg Richtung Donau. Verschollen also. Und niemand, der mich hier rausholen hätte können. Nach Gefühl und ohne Orientierung habe ich dann doch den Weg aus dem Mühlviertel-Labyrinth gefunden. Ohne Garmin. Wer braucht den diesen Scheiß denn eigentlich. Niemand. Richtig. Und doch fahren wir damit. Pervers.

Badass ride vom Feinsten.

Die gezogene Arschkarte habe ich unmittelbar nach der Todesmeldung mit Plan B eingetauscht und meinen Polar M400 aktiviert. Um meine Heldentat zu dokumentieren. Von den 7h15min Fahrzeit auf 200 km mit 2.400 Höhenmeter habe ich ca. 6h45min bei Dauerregen absolviert. Armes Rad. Als es an der Donau angefangen hat aufzutrocknen, konnte ich erst die Folgen dieser Wasserschlacht erkennen. Sofort habe ich die erste Tankstelle aufgesucht und die furia rossa von Dreck und Schlamm befreit.

Der heutige Tag ist also komplett ins Wasser gefallen. Umso heldenhafter ist mein Soloritt zu beurteilen. Ja. Ein bisschen Selbstlob darf stimmen. Start um 0930 Uhr in Schlierbach (OÖ) bei Dauerregen. Tenzend: Gleichbleibend. Hoffnung: Keine. Somit war klar. Badass ride. Überschuhe, Windjacke und Sealskinz Handschuhe. Letztere haben sich 6h45min mehr als bewährt. Meine Hände und Finger waren zwar aufgeweicht wie eine Mafia-Leiche aus dem adriatischen Meer – kalt war mir an den Händen und Fingern nie.

Die ersten 66 km habe ich in 60 Minuten hinter mich gebracht. Vorbei an Linz Richtung Schwertberg und dem Aisttal. Dann der Beginn des Anstieges zum Koblberg Pass. Oberösterreichs höchster Pass auf 1.044m Seehöhe. Mein 6. von insgesamt 9 Streiche. Teile der Strecke kannte ich schon. Der Rest war für mich Neuland. Unnavigierendes Neuland. Dank der Zicke Garmin. Das nächste Mal nehme ich mir einen Freytag und Berndt Atlas mit. Der wird zwar auch nass, piepst aber nicht. Den Koblberg Pass habe ich nach gut 4h erreicht und passiert. 103 km waren hinter mir. 96 km fehlten bis zur Sauna.

Das Mühlviertel ist eine Achterbahn.

Von den 96 km waren die Hälfte nicht lustig. Ständig wechselte ich zwischen 900 und 700 m Seehöhe. Das Mühlviertel ist eine Achterbahn. Eine nasse. Zumindest heute. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich 0,5l Wasser zu mir genommen. Auf dem direkten Weg – von der Trinkflasche. Der Rest kam oral vom Himmel. Ein Peeroton Gel  und ein Fitness-Center Riegel mit weißer Schokolade waren die kulinarische Ausbeute.

Als ich von irgendwo da oben, irgendwie heimfahren wollte, war eine Strasse wegen Holzschägerungsarbeiten gesperrt. Da mein zu diesem Zeitpunkt noch funktionierendes Garmingerät – zickig aber funktionierend – meinte, das wäre mein Route, bin ich diese auch gefahren. Hinweise wie „Lebensgefahr“ und so habe ich nicht gesehen. Über Baumreste, Tannen, Zapfen ging es direkt in die Hände des dortigen Försters. Dieser hielt mich auf und sprach von einer Anzeige. Weil wir Radfahren immer tun was wir wollen und überhaupt würde er die Radfahrer hassen. Ich müsse jetzt für alle büßen. Er wollte meinen Namen und meine Daten. Als ich ihm versucht habe zu erklären, dass eine Strava Route nicht einfach so unterbrochen werden kann und dass ich hier durchfahren müsse, hat sein Hund im Auto bereits alle Zähne an der Glasscheibe zur Schau gebracht. Ich resignierte und drehte um. Die eingerichtete Umleitung war meine neue Herausforderung. Dann geschah es. Bei km 163 trennte sich mein Garmin von der Welt der Lebenden und überließ mich meinem Schicksal. Auf einer Umleitung. Ziel? Unbekannt. Ankunftszeit: Ungewiss. Wenn überhaupt.

Ich schaffte es, mich aus den Fängen des Mühlviertels dank Google Maps zu befreien. An der Donau bei Isperdorf hatte ich wieder Orientierung. Im Trockenen ging es weiter zur Bergankunft Maria Taferl. Aus Ende. Danke.

Abschließend noch etwas Luft ablassen: Ich bin so was von sauer. Auf Garmin und alle elektronischen Dingsda, die wir unbedingt brauchen wollen. Unzählige Abstürze. Ein Hardresets nach dem Anderen. Ständig RMA Zettel ausfüllen. Einschicken. Warten. Ich habe die Schnauze voll. Das nächste Mal zähle ich mir die Kilometer selber. Sind ja eh am Rande der Straße schön markant aufgelistet.
Gute Nacht. Morgen Tag 6. Niederösterreich wartet. Mit dem Pfaffensattel und den Feistritz Sattel. 209 km und über 3.000 Strava Höhenmeter. Wetter? Ich habe noch nicht nachgesehen.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagrio16 #ketterechts

PS: heute war der kälteste Tag des ohnehin bescheidenen Sommers 2016. Am Obertauern hat es sogar geschneit.

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 4.

Austria Giro - Radreparatur in Sillian

Tag 4. Obertauern habe ich noch geschafft. Von Radstadt hinauf auf knapp 1.800 m Seehöhe. Dann hinunter nach Tweng. Exakt 30 km. Statt der geplanten 203. Ein Teil für € 1,50 hat meine Fahrt gebremst. Die Feder im Freilauf, welche die Sperrklinken zusammenhält ist gebrochen. Eine nagelneue Feder. Die zweite innerhalb von 14 Tagen. Aus. Schluss. Basta. Die Rennschnecke mit den Ersatzlaufrädern war selber noch auf Tour. Im Twengerhof hieß es warten. Martin, ich und die Chefin des Hauses. Starker Regen gesellte sich zu uns. So habe ich mir den Austria Giro nicht vorgestellt. Knock out durch technischen Defekt.

An dieser Stelle möchte ich jetzt etwas ausholen. Mitte Juni habe ich meine Campagnolo Bora zu Veletage gebracht. Verdacht auf Freilaufdefekt. Die Diagnose bestätigte sich. Ersatzteile müssen her. Neue Nabe und neue Achse. Die Lieferung aus Italien ließ ganze 5 Wochen auf sich warten. Dann wurde in Akkordarbeit alles zusammengestellt. Den Freilaufkörper ließ man leben. Kosten in Summe € 288,-. Während der Tauerrundfahrt bricht die Feder im Freilauf. Ok. Kann passieren. Vielleicht hätte das mit einem neuen Freilaufkörper vermieden werden können. Vielleicht. Neue Feder bei RIH gekauft und Freilauf wieder in Gang gebracht. Nach zwei lockeren Ausfahrten und Tag 1, 2 und 3 des Austria Giro bricht die neue Feder wieder. Zum Glück erst auf der Abfahrt von Obertauern. Und nicht beim Bergauffahren. Denn dieses Mal hatte ich weniger Glück. Jeder Tritt ging zum Zeitpunkt des Defekts ins Leere.

Samt Rennschnecke bin ich von Tweng nach Lambach zu Radsport Grassinger gefahren. Versuche einen Campagnolo Freilauf bei Mauna Loa in Bad Ischl und Bad Goisern bei Pancho Wheels zu bekommen sind kläglich gescheitert. Zum Glück liegt Lambach am Weg zum geplanten Etappenziel. Der Zwischenstopp beim Zauner in Bad Ischl war rein zufällig. Der Topfenstrudel auch. Die heiße Schokolade nicht. Bei Radsport Grassinger habe ich mir einen neuen Freilauf geholt. € 89,- samt Einbau. Bin gespannt, wann und was als Nächstes bricht.

Zurück zum Austria Giro. Es tut mir leid, dass ich die Tour jetzt nicht wie geplant fertig fahren kann. Die heutige Etappe fehlt. Im Speziellen der Sölkpass. Es hätte der 5. Streich werden sollen. Steiermarks höchster Pass. Natürlich hätte ich die Ersatzlaufräder montieren können. Natürlich hätte ich durchnässt und frierend von Tweng weiterfahren können. Natürlich hätte ich mit guten zwei Stunden Verspätung die noch ausstehenden 173 km in Angriff nehmen können. Habe ich aber nicht.

Tag 5, 6, 7 und 8 bleiben noch. Koblbergpass, Feistritzsattel, Geschriebenstein und Kahlenberg. Das Wetter spielt gerade auch nicht mit. Derzeit schüttet es hier in OÖ in Strömen. Die ganze Nacht soll es so bleiben. Morgen wird es nass und herbstlich. 199,7 km mit 3.000 HM stehen an. Rauf und runter im Mühlviertel.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austiragiro16 #ketterechts

PS: nein –  ich zerstöre nichts mutwillig

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 3.

Austria Giro - kurze Pause

Tag 3. Ich halte mich kurz. Der heutige Tag hat etwas länger gedauert als geplant. Es galt ja in der Früh noch ein Campagnolo Schaltseil zu tauschen. Geklappt hat das bei Zweirad Bodner in Sillian. Es war ein learning by doing. Noch nie wurde dort ein Campagnolo Schaltseil getauscht. Geschweige denn auf einem Pinarello. Warum? Weil man so etwas nicht vorrätig hat. Ein Shimano Schaltseil wurde einfach adapitert. Sonst war Vorsichtig das Gebot der Stunde. Logik und Fingerfertigkeit waren die Tugenden. Jetzt könnte ich es auch machen. Könnte. Danke an dieser Stelle an den Chef persönlich.

Start statt 0830 Uhr kurz vor 1000 Uhr. Von Sillian nach Lienz. 36 km in der ersten Stunde. Dann gleich der Iselsberg. Ich war heute nicht allein. Martin hat sich entschlossen, mich zu begleiten. Gemeinsam sind wir den Berg hinauf. Und hinunter. Von Winklern Richtung Heiligeblut nutzen wir den Rückenwind und machen brav Meter. Nach 2h10min sind wir bereits in Döllach. Wir überfallen den ADEG Markt und gönnen uns Getränke. Entgegen der ursprünglichen Route entscheide ich mich, über Apriach zur Fleißkehre zu klettern. Ich finde diese Straße, den schönsten Abschnitt der ganzen Region. Hoch über dem Mölltal ist der Ausblick genial. Keine einzige Wolke trübt den sattblauen Himmel. Als sich auch seine Majestät der Großglockner bemerkbar macht, ist das Glück komplett.

Ab der Fleißkehre fahren wir die Großglockner Hochalpenstrasse. Es herrscht bereits reger Verkehr. Es ist Mittag. Am Kasereck halte ich inne und warte auf Martin. Immer noch keine Wolke am Himmel. Doch. Eine einzige hat sich hier her verirr. Kurze Verschnaufpause und weiter geht es hinunter zum Kreisverkehr. Eh schon wissen. Den höchstgelegenen in Europa. Dann die letzten 7 km und knapp 650 Höhenmter. Je höher ich komme, desto frischer der Wind. Gegenwind. Teilweise. Und es liegt ab dem Wallack-Haus Schnee. Ok. Es liegen Schneereste. Die Reste der Kaltfront von Freitag. Busse, Autos und Motorräder überholen mich. Ich überhole Mountainbiker. Mit diesen fetten und schweren Bikes da hinauffahren – für mich unvorstellbar. Ich ziehe meinen Hut.

Hochtor. 2.504m. Die Temperaturanzeige am Tunnelportal ist leider ausgegfallen. In der Sonne lässt es sich aber gut aushalten. Genau so darf es sein. Ich vernichte den teuersten Eistee mit Höhenzuschalg. Fotosession und weiter gehts. Fuscher Lacke und Fuschertörl. Der gemeinste Gegenanstieg der Welt.

Die Abfahrt nach Ferleiten ist mir dieses Mal zu langsam. Zu viel Gegenverkehr. Ich will nichts riskieren. Überhole immerhin doch  ein paar Busse, Autos und Motorräder. Unten in Fusch begrüßt uns wieder starker Gegenwind. Bruck erreichen wir trotzdem. Dann biegen wir auf die B311 ab. Richtung Schwarzach. Den Radweg lasse ich aus. Er lässt keine angenehme Reisegeschwindigkeit zu. Auch ist er wie alle Radwege einfach zu verwinkelt. Links, rechts, auf, ab, unter der Straße, über der Straße. In Taxenbach erneuter Stop beim Billa. Ein Laugendreieck mit Schinken und Käse. Dazu ein Latella Marille. Saukalt. Aber so gut.

Kurz vor Schwarzach dann doch Radweg. Tipp von Paul. Hinauf nach Unteroberberg. Weitere extra 200 HM. Weil wir es können. Das nachfolgende Labyrinth bis nach St. Johann i. P. verdränge ich aus meinen Erinnerungen. Die Auffahrt nach Wagrain aber nicht. Vollgas. Früher, als ich noch den Amadè Marathon genau hier gefahren bin, habe ich gelitten. Heute war es ein Kindergeburtstag. Mehr oder weniger. Wagrein – Flachau detto. Schön Druck am Pedal. Martin im Windschatten.

Einzig die furia rossa machte mir jetzt Sorgen. Ein lautes Knacksen und Quietschen. Klingt starkt nach Tretlager. Hört sich überhaupt nicht gut an. Morgen mal selber was versuchen. Wenn das nicht klappt, muss ein Plan B her. Aber welcher?

Nach 7h23 Minuten Fahrzeit, 3.600 Höhenmetern und 4.400 verbrauchten Kaloiren ist Radstadt erreicht. Tag 3 hatte es in sich. Morgen Tag 4 und Halbzeit. Wenn mein Rad mitspielt. Und mein Hintern. Da hat sich wieder mal was eingewachsen. Tut höllsich weh bie Sitzen. Es warten mit Obertauern, Sölkpass und Phyrnpass gute 200 km. Ziel Kirchdorf an der Krems.

Gute Nacht.
Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

ps: Fotos gibt es auf Facebook

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 2.

Austrai Giro - Timmelsjoch

Tag 2. Gestern die längste Etappe. Heute jene, mit den meisten Höhenmetern. Es waren 3.600. Über das Timmelsjoch und den Jaufenpass, durch das Eisacktal und dann das Pustertal. Von Sölden nach Sillian. 190 km. 8h14min Fahrzeit. Insgesamt 8h44min unterwegs.

Ab Sölden gleich bergauf. 1.250 Höhenmeter auf den ersten 25 km. Bis zum Jaufenpass bei km 72 dann gleich 2.600 Höhenmeter. Das nennt sich Einstand nach Maß. Moderat aus diesem Grund auch das Tempo. Obwohl von Sölden auf das Timmelsjoch habe ich heute meine persönliche Bestzeit unterboten. Um ganze 7 Sekunden. Das Wetter war heute nahezu perfekt. Typische Ötztal Frische am Morgen und Eis am Timmelsjoch. Aber dann weiter nach Süden Sonnenbrandgefahr.

Mit dem nötigen Respekt bin ich das Ganze angegangen. Die Gefahr war groß, das Frühstück schnell wieder loszuwerden. Heute erneut mit Knielingen und Ärmlingen. Dafür mit Windweste. Eine gute Entscheidung. Auch die Uhrzeit war gut gewählt. Kaum Verkehr auf der Mautstraße hinauf auf 2.500m Seehöhe. Ein paar Motorräder und ein paar Münchner. Sonst nur ich. Und die Kühe. Das Panorama atemberaubend. Ein dunkelblauer Himmel als Hintergrund einer trostlosen Felslandschaft.

Halbwegs schnell war ich oben. Die Abfahrt nach St. Leonhard für mich eine Premiere. Noch nie bin ich diese Strecke runtergefahren. Eine verdammt lange Abfahrt. Kaum zu glauben, dass ich beim Ötztaler Radmarathon Ende Augsut schon wieder da rauf muss. Eine verdammt lange Auffahrt. Es herrschte auf der engen Straße Hochbetrieb. Radfahrer, Autos und viele Motorräder, teilweise auf meiner Seite. Selten so oft und so lange bergab bremsen müssen. Und den Vogel gezeigt.

Unten angekommen suchte ich nach was Essbarem. Gefunden hat ich einen kleinen Kiosk. 0,5l Gatorade und ein Mars. Das Gatorade habe ich in die Trinkflasche gegeben. Das Mars habe ich dort vergessen. Als ich das bemerkt hatte, wollte ich nicht mehr umdrehen. 20 km Anstieg, 1.300 Höhenmeter ohne fester Nahrung. Ich war schon 2h15 unterwegs.

Nach knapp mehr als vier Stunden erreiche ich die Passhöhe. Gut dosiert. Ich überfalle den Kiosk links und schnappe mit eine Ritter Schokolade Schoko Keks. So schnell konnte ich nicht schauen, war sie schon weg. Verputzt. Dann in die Abfahrt. Bis Kalch lasse ich es krachen. Noch sind es 110 km bis nach Sillian.

In Sterzing entscheide ich mich für den Radweg nach Franzensfeste. Es weht Rückenwind. Ein Vorteil für mich. Der Nachteil ist der Radweg. Der führt auf und ab, von links nach rechts, vorwärts und wieder retour. Über kleine Umwege erreiche ich Franzensfeste. Nach der Festung biege ich links ab ins Pustertal. Vorbei an Aicha und Schabs. Alles Ortschaften, die ich von meiner Kindheit kenne. Habe ich doch hier überall das Tor gehütet. In der A-Jugend und in der Amateurmannschaft.

Kurz vor Mühlbach plagt mich der Hunger. Ich halte bei Lanz. Früher war das eine Holzhütte. Äpfel wurden verkauft. Heute ist es eine riesen Rasstation. Ich hätte gerne ein belegtes Brot. € 8,40 will der Wirt. Ich gehe wieder. Mein Budget von € 10,- reicht nicht aus. Ich fahre weiter Richtung Vintl. Dort kehre ich in einer Tankstelle ein. Zwei Marmelade Crossaints und 1l Eisteee für € 6,-. Es schmeckt. Weiter gehts. Noch 50 km bis Innichen. 64 bis ins Ziel. Seit dem Jaufenpass bin ich mit einem Schnitt von über 30 km/h unterwegs.

Bis Bruneck benutze ich die Staatsstraße. Kaum wieder zu erkennen. Fast nur mehr Umfahrungen. Am Horizont taucht schon der Kronplatz auf. Bruneck ist nicht mehr weit. Ich fahre durch die Stadt und über Umwege hinauf nach Percha. Dann weiter auf der Straße nach Olang. Hier nehme ich wieder den Radweg. Die Rennschnecke hat sich angekündigt. Sie will mir entgegenkommen. Am Radweg. Wieder geht es auf und ab, kreuz und quer. Vorwärts und Rückwärts. Keine Ahnung wer diesen Radweg geplant hat.

Beim Stausee in Olang endet der geteerte Teil des Radweges. Ich fahre knapp 7 km auf Schotter. Vollgas. Der Rennschnecke wegen. Dann passiert es. Das rechte Schaltseil reist. Vermute ich. Ich kann leider nicht mehr schalten. Das kleinste Ritzel ist aufgelegt. Ich habe nur mehr 2 Gänge. 50/11 oder 34/11. Die Rennschnecke hat inzwischen umgedreht.

Ich kämpfe mich mit einer Umdrehung von unter 40 über die Hügel des Pustertals bis Innichen. Dann nehme ich wieder die Staatsstraße. Bei starkem Gegenwind geht es nach Sillian. Mit zwei Gängen. Lustig wars nicht immer.

Morgen steht der Großglockner am Plan. Zuerst aber muss das Schaltseil ausgetauscht werden. Hoffentlich ist es nur das. Entweder gehts zum Zweirad-Center Bodner in Sillian oder mit Kette rechts zu ProBike Lienz. Wäre gelacht, wenn nicht einer von beiden ein Campagnolo Schaltseil hat.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

PS: durch die Radwegorgie hatte ich 190 kam statt 184 km am Garmin stehen.

 

Austria Giro 2016 – von Bregenz nach Wien. Tag 1.

Austria Giro - Bieler Höhe

Tag 1. Das könnte sich rächen. Das wird sich rächen. Ich konnte heute nicht wirklich das Tempo drosseln. Außer am Berg. 217 km von Bregenz nach Sölden. 2.900 Höhenmeter. Soloritt. Highlight das Panznauntal mit einem Schnitt von über 40 km/h. Mit Gegenwind. Das könnte sich rächen. Das wird sich rächen.

Es beginnt mit kühlen 12 Grad und Sonnenschein in Bregenz. Kurz die Festspielbühne betreten. Die Spiele beginnen. Der Track führt mich durch das Rheintal. Auf der B 191. Und ihren Seitenwegen. Wenig Verkehr. Zum Rennradfahren perfekt. Entweder eine eigene Radspur rechts am Fahrbahnrand oder eben ein Radweg. Es rollt. Mit über 30 km/h Schnitt auf den ersten 60 km bin ich rasch im Montafon.

Am Morgen habe ich mich entschieden, Knielinge, Ärmlinge und einen Craft Windstopper base layer anzuziehen. Mit dabei auch eine Windjacke. Beste Entscheidung. Erfahrung macht sich bezahlt. Mindesttemperatur am Berg 8 Grad.

Im Montafon bin ich zwiegespalten. Radweg oder Bundestraße. Der Radweg ist gemütlich, aber nass vom nächtlichen Regen. Die Straße befahren, aber trocken. Dann nehme ich beides. Zuerst bis Schruns am Radweg, dann weiter nach Gaschurn – sowohl als auch. Das Tempo ist immer noch hoch. 1000m Seehöhe sind erreicht, als es in die Slivretta Hochalpenstrasse geht. 12 km und weitere 1000 HM warten. Aufgeteilt auf über 30 Kehren. Die Auffahrt auf die Bieler Höhe ist eigentlich nicht steil. Die Kehren laden zum Ausruhen ein. Aber auch einen stärkeren Gang einzulegen. Ich dosiere. Fotografiere. Nein. Ich fotografriere. Es ist frisch. Der Winter hat die Silvrettakette über Nacht besucht. Auf den Berggipfeln liegt Schnee. Nach knapp 4h10min und 103 km bin ich oben auf 2.032m Seehöhe. Der erste Streich ist vollbracht. Der höchste Pass Vorarlbergs meiner.

Kurz umziehen. Windjacke anziehen und ab ins Paznauntal. Galtür, Ischgl, Kappl, See. 49 km bis Landeck. Bei Gegenwind. Von 2000 Metern hinunter auf 700. 70 Minuten Fahrzeit. Die Beine brennen. In Landeck steuere ich einen  Billa an. Mittagessen. Eine Wurstsemmel. Beinschinken und Gouda. Dazu ein Liter Eistee. 0,5l für sofort. Der Rest kommt in die Trinkflasche. Ein Snickers wird sicherheitshalber mitgenommen. Bis hierher habe ich mir drei Milka Tender Haselnuss und 1l Tiroler Iso-Drink einverleibt. Bevor ich die letzten 67 km in Angriff nehme, gönne ich mir noch ein Peeroton Gel.

Die B171 bis Imst wird vom Gegenwind beherrscht. Bei Mils überrascht mich ein fetter Anstieg. Ich hätte doch den Radweg im Tal nehmen sollen. Ich kann mir die A12 von oben anschauen. Auch nicht alltäglich. Imst – Roppen – Haiming. Es zieht sich. Dann bin ich schon auf der Ötztaler Bundesstraße. Noch 34 km bis Sölden. Pinkelpause. Danach muss das Snickers daran glauben.

Die 34 km vergehen überhaupt nicht mehr. Die letzten 500 Höhenmeter auch nicht. Der Verkehr ist auch nicht ohne. Audi RS quattro mit IM-Kennzeichen überholen mich in Massen. Das Ötztal ist ein reiches Land.

Nach 7h53 Minuten ist es geschafft. Tag 1 ist Geschichte. 28 km/h Schnitt. Das könnte sich rächen. Das wird sich rächen. Gute Nacht. Morgen gibt es das Timmelsjoch und den Jaufenpass zum Frühstück.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#austriagiro16 #ketterechts

PS: Besonderen Dank an dieser Stelle an meine Rennschnecke. Sie weckt mich frühmorgens und empfängt mich am späten Nachmittag.

Die Tauernrundfahrt 2016 – mein persönlicher Rückblick

Tauernrundfahrt

Herrlich. Ich muss heute nicht essen. Ich kann. Aber ich muss nicht. Heute habe ich Ruhetag. Zumindest aus sportlicher Sicht gesehen. Kein doppeltes Frühstück mehr. Kein Gel-Drücken im zwei Stunden Abschnitt. Kein Hingreifen zu Kuchen und Schokolade. Kein Kaiserschmarrn als Nachspeise nach der eigentlichen Nachspeise. Kein googlen nach offenen Döner- und Pizza-Buden. Kein nächtlicher Snack vor und weit nach Mitternacht. Kein „bringens her, wir essen das schon auf.“ Kein Zwang nach Kalorien. Kein Würgen nach fester Nahrung. Nichts von all dem. Die Tauernrundfahrt ist gestern zu Ende gegangen. Der normale Alltag hat mich wieder. Ich muss heute nicht essen. Und ich muss heute nicht Rennradfahren. Ich kann. Aber ich muss nicht.

Tauernrundfahrt. Essen. Schlafen. Rennradfahren.

Das ganze bitte fünf Mal wiederholen. Von Salzburg nach Salzburg über bekannte und weniger bekannte Bergstraßen. Dientner Sattel, Filzensattel, Griessenpass, Kerschbaumer Sattel, Gerlospass, Großglockner Hochalpenstrasse mit Fuscher Törl, Hochtor und der Kaiser Franz Josefs Höhe, Schönfeldsattel, Prebersee, Sölkpass, Koppenpass und Postalm. Macht in Summe 741 km und 11.226 Höhenmeter. Das Ganze in 27h und 25min bei einem Gesamtschnitt von 26,74 km/h und einem Energieverbrauch von 66.679 Kilojoule (dazu kommt noch der normale Bedarf von ca. 33.913 Kilojoule in 5 Tagen). Kopf, Beine und Verdauung waren bis aufs Höchste gefordert.

Die Tauernrundfahrt ist zu Ende. Zeit einfach ein wenig nachzudenken. Solange die Erinnerungen frisch sind. Für dieses Jahr nehme ich folgendes mit:

  • egal wie stark du bist, wie motiviert du bist, wie angriffslustig du bist. Es gibt immer einen, der stärker, motivierter und angriffslustiger ist. Als erster am Berg ankommen? Utopie!
  • Schmäh zählt nicht mehr. Alles was zählt ist Strava. Kaum angekommen wird der Tag schon hochgeladen. Und dann wird analysiert. Watt, VAM, PCO, sufferscore, KOM’s, Vorsprung, Rückstand …
  • 25, 27 und jetzt 29. Ich werde älter. Oder gescheiter? Egal. Das 29er Ritzel war eine Wohltat.
  • nach anfänglicher Skepsis habe ich mich in meinen Hutchinson Fusion 5 Galaktic 25mm Hinterreifen verliebt. Es ist erstaunlich was 2mm mehr ausmachen. Speziell bergab. Das bisschen mehr Grip verleiht dir in den Kurven schräge Flügel.
  • auf Garmin kann man sich leider nicht mehr verlassen. Ganze drei Systemabstürze in fünf Tagen. Zuerst beim Prolog nach Software Update für die Vector2 Pedale. Garmin ließ sich nicht mehr einschalten. Dann unterwegs. Garmin ließ sich nicht mehr in Gang setzen. Blockiert. 40 km meines Lebens wurden mir gestohlen. Gestern dann kein GPS Empfang. Weitere 40 km meines Lebens dahin. Zum Glück musste ich nicht navigieren – ich wäre sonst immer noch irgendwo in den Tauern.
  • Touristen bringen Geld. Und das ist gut für die Wirtschaft. Deutsche Touristen bringen aber auch Ärger mit sich. Sie hupen, schneiden und rasten aus. Wo ist da noch der Urlaub, wenn man sich über ein paar Rennradfahrer so aufregen muss?
  • wenn was kaputt geht ist a) das Material schuld oder b) man hat zu viel Kraft. Ich habe die Feder des Freilaufes zerstört. Jene Feder, welche die Sperrklinken zusammenhält. Es war nicht lustig die Etappe so zu Ende zu fahren.
  • Campagnolo Freilauf ist nicht Campagnolo Freilauf. Was bringt dir ein intakter Freilauf, wenn dieser nicht auf die Nabe passt? Nichts. Statt High Heels bin ich Alu-Heel gefahren.
  • Die Arbeit eines fahrenden Social Media Reporters scheitert an der Sprache. „Bitte mit genügend Abstand hintereinander abfahren, damit ich von jedem ein Foto machen kann“ wurde mit einem kompakten Gruppentreffen in besagter Kehre quittiert. Das nächste Mal vielleicht per WhatsApp Nachricht informieren.
  • Kollektives Leiden ist ein besonderes Leiden. Es tut weh. Doch es tut nicht so weh. Weil es anderen auch weh tut. Kompliment an alle, mit Betonung auf ALLE, welche die Tauernrundfahrt beendet haben. Von den Schnellsten zu den weniger schnellen. Chapeau.
  • Defektteufel sind manchmal auch im Urlaub. Meine Ausgeschlossen. Außer einem Dura Ace Schaltkabel, der sich selbst aufgefressen hat, musste in der schnellen Gruppe kein weiteres Teil einem Defekten weichen.
  • Intimpflege wird überbewertet. Eine Minderheit kümmerte sich nach den Etappen ums Rad. Obwohl in den Hotels Shampoo und Putzlappen zur Verfügung standen. Meine Devise: Zuerst das Rad, dann der eigene Körper.
  • Mach dich immer mit der Topografie der Bergankünfte vertraut! Dann packst du die Jugend mit Taktik. Schlauheit sticht Kraft.
  • Fokussiere dich auf deine Stärken. Und wenn diese im Abfahren liegen, dann fahre ab. Gas geben, bremsen, steuern, Gas geben, bremsen, steuern … Die Mühen der Auffahrt werden so vielfach belohnt. Das Gefühl mit dem kurveninneren Knie a la Valentino Rossi am Asphalt zu streifen ist kaum zu überbieten. Maximal bergauf.
  • Beherrsche dein Rad. Wenn dein Vordermann plötzlich langsamer wird und du mit deinem Vorderreifen beim Ausweichen seitlich seinen Hinterreifen touchierst, darfst du einfach nicht auf die Fresse fallen. Das tut weh. Egal wie, bring dein Fahrrad wieder dorthin, wo es dich verlassen hast. Mir geschehen auf der Auffahrt zur Postalm. Ich weiß nicht wie, aber ich weiß dass ich es geschafft habe, den Asphalt nicht zu küssen. Zuerst links dagegen gehalten, dann rechts. Und als das Fahrrad über das Bankett gesprungen ist, habe ich es wieder zurück geworfen.
  • Adrenalin kann man in Watt umwandeln. An der richtigen Formel und Dosierung bastle ich noch.
  • Eine perfekte Organsiation und Logistik, eine hoch motiverte Mannschaft, ein fachkundiger Mechaniker, eine gelungene Hotelauswahl (von Jungendherberge bis zu ****Hotel) und eine fordernde Streckenauswahl. Ich wurde gut gebettet, versorgt und betreut. Danke.

… Fortsetzung folgt, sofern neue Erinnerungen aufkommen.

Cristian Gemmato aka @_ketterechts
#trf16 #ketterechts #styliseyourride