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Der Ötztaler Radmarathon 2024

Ötztaler Radmarathon 2024

In weniger als 5 Wochen werden wir es wissen. Wir werden wieder schlauer sein. Wie immer. Um einiges schlauer. Wir werden wiederholt über wahr gewordene oder geplatzte Träume diskutieren. Auch über erfüllte und unerfüllte Hoffnungen sinnieren. Vieles wird erneut besser als erhofft oder schlimmer als erwartet gewesen sein. Wir werden nach Entschuldigungen und Ausreden suchen. Oder unsere Leistungen hervorheben. Wir werden über Leid und Freude berichten, werden Emotionen spüren und ganz besondere Gefühle erleben. Wir werden mit den letzten Kräften aus der Ötztal Arena ein ganz besonderes und begehrtes Stück Lycra abholen oder andere dafür beneiden. Mit Sicherheit werden wir das tun, was wir nach einem „Ötzi“ immer tun. Denn der Ötztaler Radmarathon 2024 wird ein Tag am Rennrad werden, wie es hunderte andere Tage auch gibt. Nur spezieller und unvergesslich. Es gibt eben nur die einen 227 Kilometer und 5.500 Höhenmeter.

365 Tage im Jahr, Ötztaler Radmarathon.

Der Ötztaler Radmarathon hat nun wieder seinen gewohnten Platz eingenommen. Für 2024 ist der 1. September rot im Kalender eingetragen. Die hochsommerliche und schweißtreibende Hitzeschlacht des vergangenen Jahres ist Geschichte. Zum Leidwesen all jener, die herbstliche Bedingungen überhaupt nicht leiden können. Eines ist sicher: Die Wahrscheinlichkeit, am Kühtai, am Jaufenpass oder am Timmelsjoch einen allerersten Gruß des Winters zu erleben, ist in den Tiroler und Südtiroler Bergen zu dieser Jahreszeit weitaus höher als Anfang Juli. Ein Blick auf die letzten Ausgaben spricht Bände. Logisch, dass das Thema Wetter bereits jetzt Diskussionsforen verstopft. Wer noch ohne Wetterangst ist, werfe den ersten Stein. ChatGPT hat sein Urteil schon gefällt. Mögen die Wetterspiele beginnen.

Wettervorhersage am 29. Juli 2024

Der Ötztaler Radmarathon wäre nicht der Ötztaler Radmarathon, wenn nicht Tage, Wochen und sogar Monate davor über alles diskutiert werden würde, was man über einen Tag im Sattel diskutieren kann. Angefangen vom Wetter, über die Kleidung, die Verpflegung, die Übersetzung, die Anreise, die Unterkünfte, die Betreuung, die Kleiderbeutel … Man könnte meinen, der Ötztaler Radmarathon findet 365 Tage im Jahr statt.

„Fährst du heuer (wieder) den Ötzi?“

Nach „Willst du mich heiraten?“ ist „fährst du heuer (wieder) den Ötzi“ möglicherweise die meistgestellte Frage. Eine Frage, die man wie beim Heiratsantrag mit Ja oder Nein beantworten kann. Passt gut, denn die Teilnahme am Ötztaler Radmarathon gleicht einem Bund fürs Leben. Ein Mal ist kein Mal und nach der Wiederholungstat wird man ihn lieben. In guten wie in schlechten Zeiten. Bis dass … Warum das so ist? Es ist so. Der Ötztaler Radmarathon hat seine eigenen Gesetze. Der Termin Anfang September sowieso. Weil der Sommer hier schnell in Winter umschlagen kann. Das wissen wir. Das befürchten wir.

43 Mal Ötztaler Radmarathon ist schon ein Rekord. Von den Anfängen 1982 bis jetzt hat sich viel getan. Bis auf die vier Pässe ist Jahr für Jahr selten alles beim Alten geblieben. Auch der Wechsel des OK-Chefs hat frischen Wind ins Ötztal gebraucht. Kennt ihr schon die neue ÖRM-App mit live Tracking, ÖRM-TV oder den ÖRM-Podcast? Der Ötztaler Radmarathon wird von Jahr zu Jahr immer mehr zum multimedialen und digitalen Rundum-Spektakel. Für alle SupporterInnen vor Ort und zu Hause. Nur in die Pedale treten müssen die TeilnehmerInnen immer noch selbst. Das hat sich in den 43 Ausgaben nicht geändert.

Mittendrin, statt nur daheim.

Ich darf auch heuer wieder an den Start gehen. Somit wäre die Frage geklärt. Nicht jene des Heiratens. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, wäre es dann die 19. Teilnahme. 16 Mal müsste ich das Ziel erreicht haben. Einmal habe ich gekniffen und zweimal hat mich der Besenwagen am Weg zum Timmelsjoch noch vor Moos in Passeier aufgegabelt. Keine schlechte Bilanz. Dass ich die besten Zeiten längst hinter mir habe, stört mich nicht. Ganz im Gegenteil. Ich brauche keine Entschuldigungen und Ausreden mehr. Über das Wetter, die Übersetzung, die Verpflegung oder die Bekleidung. Ich freue mich für alle, die sich ihren Traum erfüllen und leben einen Tag lang meinen. Egal was kommt.

#ktrchts

Der Mittelfinger für Radfahrer ist männlich.

Mittelfinger für Radfahrer

Halbwegs flott war ich unterwegs. Bei brütender Hitze am Weg zurück nach Hause. Die Tageskilometer waren noch nicht dreistellig. Meine Route sollte mich über Pottendorf nach Hornstein und dann zurück nach Eisenstadt bringen. Ich fahre die Badener Straße entlang und an der Ecke Schlosstraße sehe ich schon von links kommend ein Auto auf mich zukommen. Der Fahrer hatte dieselbe Intention wie ich. Er wollte auch nach Pottendorf. Auf gleicher Höhe biegt das Auto mit hoher Geschwindigkeit links auf die Badener Straße Richtung Ortszentrum ab. Das geht sich nicht aus, denke ich und bremse abrupt ab. Der Autofahrer muss sich das Gleiche gedacht haben und fährt trotz Nachrang zum Glück statt mich um auf der Gegenfahrbahn mit durchdrehenden Reifen und hoher Geschwindigkeit weiter. Mit entsprechender Mimik und Gestik signalisiere ich dem Fahrer, dass er gerade ein grobes Foul begangen hatte. Prompt war der ausgestreckte Mittelfinger für Radfahrer durch das offene Fenster da.

Frustkübel auf zwei Rädern.

Vor ein paar Tagen bekam ich den Mittelfinger für Radfahrer sogar durch ein offenes Schiebedach gezeigt. Weil ich jemanden gebeten hatte, beim Überholen mehr Abstand einzuhalten. Damit erhöhte sich die Statistik um eine bis dato noch nicht erlebte Facette. Keine Ausfahrt mehr ohne Zwischenfälle dieser Art. Schneiden, Drängeln, zu wenig Abstand oder inhaltsleere und aus der Luft gegriffene Belehrungen. Mittlerweile betrachte ich den „Stinkefinger“ in meine Richtung als höchste Anerkennung für das, was ich mache. Anscheinend gelingt es mir, Ventile zu öffnen, Autofahrern Druck zu nehmen und sie zu von ihren Lasten zu befreien.

Mein Rennrad und ich als Therapiemöglichkeit für Menschen, die speziell beim Autofahren mit ihrem Leben hadern. Ich als willkommener Frustkübel und schlechte Laune-Staubsauger. Gestern zum Beispiel werde ich bei derselben Ausfahrt von einem Pickup geschnitten, der mir die Vorfahrt genommen hatte. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, bog ich statt geradeaus zu fahren rechts ab. Vom Pickup hörte ich noch, wie mir zugerufen wurde, ich solle doch gefälligst mit der Hand das Abbiegen anzeigen. Ich Trottel. Ob es dem Fahrer in seiner Täter-Opfer-Umkehr dann besser gegangen ist, kann ich nicht sagen. Therapieergebnisse sind mir nicht bekannt.

Ein anderes Mal ist es ein grauer VW Sharan mit Anhänger, der mir trotz Stopp-Tafel von rechts kommend vor die Nase fährt. Beim Ausweichen schüttle ich nur den Kopf. Eine männliche, nicht sachgemäß befestigte Ladung im Anhänger schreit mir zu, ich solle gefälligst bremsen. Ich Trottel. Fotobeweis vorhanden.

Arschkarte Rennradfahrer.

Frustration und Aggression sind im Straßenverkehr an der Tagesordnung. Vieles stimmt nicht mehr im Miteinander. Es wird gemeckert, gepöbelt, rebelliert und die Luft wird an anderen ausgelassen. Möglichst dort, wo es am einfachsten ist und am wenigsten schmerzt. Im eigenen Auto. Geschützt durch eine stabile Karosserie, viel Knautschzone, Airbags und technischen Assistenzen, die einem das Gefühl geben, unverwundbar zu sein. Was bringt (zwingt) aber jemanden dazu, sich im Straßenverkehr einen schwächeren als Prellbock auszusuchen? Anders ist es nicht zu erklären. Warum eigentlich ich als Rennradfahrer? Warum soll ich mich ständig f*****? Ich will doch nur meine Ruhe und meinem Hobby nachgehen. Dort, wo es mir gestattet ist und es auch Sinn macht. Dabei teile ich gerne die Straße, weil ich weiß, dass sie nicht mir allein gehört. Ich beanspruche ja nur einen kleinen Teil davon. Rechts außen am Straßenrand. Manchmal etwas mehr links, wenn es meiner Sicherheit dient. Alles erlaubt. Dass ich der Schwächste bin, weiß ich und ist mir auch bewusst.

Die Arschkarte habe ich trotzdem. Ich bekomme Scheibenwischwasser mit Zitronengeschmack gespritzt, darf Huporgien ertragen, müsste mich immer wieder in Luft auflösen, werde gezwungen für andere zu bremsen und darf mich ja nicht aufbuddeln. Wehe, ich benutze einmal nicht den Radweg oder fahre rechts an stehenden Autos vorbei. Auch darf ich nicht auf einen Bus klopfen, der mich seitlich knapp verfehlt. Verständnis muss ich aufbringen, für Autofahrer, die es eilig haben und mich nach dem Überholen ausbremsen, um eine Einfahrt zu erwischen. Im Kreisverkehr sollte ich am besten warten, bis alle hinter mir fahrenden Autos vorgefahren sind. Am wenigsten darf ich Autofahrern andeuten, die Geschwindigkeit zu reduzieren, um für mehr Sicherheit zu sorgen oder Landwirten auf riesigen Traktoren „ihren“ Güterweg streitig machen.

„Wos is?“ Einsicht männlicher Autofahrer.

Leider unterhalte ich keine Statistik darüber, wann, wo und wie mir wer bei meinen Ausfahrten mit dem Rennrad in die Quere kommt. Der ausgestreckte Mittelfinger ist aber eindeutig männlich. Auch sind Männer hinterm Steuer viel aggressiver und sie handeln mit Vorsatz. Freitagnachmittag sind sie am gefährlichsten. Als Fahrer von (Linien)Bussen, zudem brandgefährlich. Frauen sind hingegen einsichtiger, manchmal auch verständnisvoll. Den Mittelfinger hat mir eine Frau noch nie gezeigt. Männer hingegen wollen immer recht haben und recht behalten. „Wos is?“ und „Hob di eh gsehn“ sind des Wieners zarte Versuche, einsichtig zu wirken.

Eigentlich könnte und sollte mir das alles egal sein. Ist es aber nicht. Weil wenn uns (RadfahrerInnen) das alles egal wäre, dann wäre das unser Untergang. Es gibt die StVO (§ 68) mit ihren unzähligen Novellen, die niemand kennt. Ein schwammiges Konstrukt von Normen und Regeln, die viel Interpretationsspielraum lassen. Nichts ist schwarz auf weiß – man muss schon zwischen den Zeilen tanzen, um als Radfahrer Schutz und Recht zu finden. Mühsam ist das Ganze. Teilweise aussichtslos. Weil es oft an Solidarität untereinander fehlt. „Warum fährst du auf der Straße?“ „Reg dich nicht auf.“ „Selbst Schuld.“ Nicht nur Autofahrer reagieren empört.

Verkehr ist selten fair.

Ich brenne fürs Rennradfahren und genieße diese Zeit. Zeit, die ich brauche. Um mich zu spüren. Da passiert so viel. In meinem Kopf und in meinem Körper. Ich komme weit, sehe viel und sammle dabei Kraft. Paradox, oder? Kraft aufwenden, um Kraft zu tanken. Leider muss ich damit leben, mit meiner Leidenschaft anderen in die Quere zu kommen. Sie zu stören. Lästig zu sein. Solange ich ungeschoren davon kommen, lebe ich auch gerne damit. Gut sogar. Sobald ich aber um meine Gesundheit fürchten muss, wird es eng (und laut). Ist es wirklich meine Aufgabe im Straßenverkehr für die Stärkeren mitzudenken? Sie vor Unheil zu schützen? Und mir dabei auch noch vieles Gefallen lassen muss? Wie es aussieht, ja. Da wird sich wohl nichts ändern. Ich fahre jetzt los und freue mich auf die nächsten Mittelfinger.

#ktrchts

Tour de France Experience

Tour de France Experience

Premiere geglückt. Die Tour de France war zum ersten Mal zu Gast in Italien und hat die ersten drei Etappen durch die Toskana, die Emilia Romagna und den Piemont durchgeschlängelt. Rosa Emotion traf auf französische Tradition. Mittendrin statt nur daheim all jene, die sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Von Florenz nach Turin, über den Colle del Barbotto, San Leo, San Marino, Rimini, Cesenatico, die Rennstrecke in Imola, die WM-erprobte Steigung nach San Luca nahe Bologna und Bologna selbst. Tour de France Experience vom Feinsten. Mit einer bunt zusammengewürfelten internationalen Gruppe war ich auch vor Ort und habe Urlaub gemacht, bin Rennrad gefahren und habe mir die Tour de France aus der Nähe angesehen.

Tour de France in San Marino
Die späteren Sieger der 1. Etappe Romain Bardet und Frank van den Broek.

Langes Warten, super Stimmung und kurzes Spektakel.

Wir waren angereist, um das Peloton am Weg nach Rimini zu sehen und am Tag danach den Profis am Start in Cesenatico noch einmal auf die teuren Räder zu schauen. Untergebracht in Gabbice Mare, direkt am Fuße der Via Panoramica. ****Hotel mit Pool, nicht weit vom Strand. Ein dichtes Programm. Bei Temperaturen jenseits der 35°. Normalerweise wird Anfang Juli hier in der Gegend kaum noch Rennrad gefahren. Wenn überhaupt, dann zeitig in der Früh. Die Hotels gehören dann ganz allein dem sich am Strand aalenden und sonnenhungrigen Badevolk. Durchschnittsalter 60+. Rechnet man die vielen Enkelkinder weg, die von den Großeltern beaufsichtigt werden, noch viel höher. Das ganze auf 91 Kilometer Küste. Von Ravenna bis nach Cattolica. Hotel an Hotel. In erster, zweiter, dritter und sogar vierter und fünfter Reihe. Die einen machen Urlaub, die anderen fahren Rennrad.

Es war ein Irrglaube zu meinen, dass man, wie zum Beispiel beim Giro d’Italia üblich, noch vor der Ankunft der Profis, schnell ein paar Streckenabschnitte am Weg zu begehrten Aussichtsplätzen befahren hätte können. Stunden vor dem Durchzug des Fahrerfeldes waren sämtliche Zufahrtsstraßen bereits gesperrt und unter polizeilicher Aufsicht oder in den Händen freiwilliger Helfer mit strenger Miene. Die Werbekarawane sei schuld und der Grund dafür. Deshalb sind wir in San Marino festgesessen. Der Weg nach Chiesanuova und Montemaggio blieb uns verwehrt. Wir machten das Beste daraus und der Zufall wollte es, dass wir einen genialen Platz in der Vial del Serrone finden sollten. Mit viel Weitsicht, DJ-Musik und einer lebensrettenden Bar mit angeschlossenem Lebensmittelladen. Immerhin galt es mehr als 3 Stunden zu überbrücken. Mit Wasser. In PET-Flaschen für 50 Cent.

Die große Show. Und alle gehen mit.

Es war ein langes, aber kurzweiliges Warten. Unter massivem Einfluss der DJ-Beats ließen wir uns auf das Tour-Spektakel ein und hielten es so lange aus, bis der Spuk vorbei war. Dazwischen geschätzt hunderte Autos und Motorräder. Inklusive der Werbekarawane, dessen Ausbeute mickrig war. Vielleicht waren wir zu wenig aufdringlich. Obwohl die Show, die wir geboten haben, letztendlich einen ganzen Straßenzug unterhalten hat. Am Ende tanzten sie alle – mit uns. Die Fahrer selbst hatten weit weniger Spass. Die Strapazen der 230 Kilometer und 4.000 Höhenmeter waren ihnen ins Gesicht geschrieben. Insbesondere Marc Cavendish, der über 30 Minuten hinter der Führung hinterherfuhr und unsere Wartezeit am Straßenrand verlängerte. Im Ziel war Cavendish 11 Minuten vor der Karenzeit. Vier Tage später sollte er seine 35. Etappe bei der Tour de France gewinnen. Eine mehr als der legendäre Eddy Merckx.

Der unökologische Wanderzirkus.

Die Tour den France scheint ein Protokoll zu sein. Alles ist bis ins kleinste Detail geplant. Wer darf und soll wann, was, wie und wo. Sie ist ein unökologischer Wanderzirkus mit vielen Akteuren und freiem Eintritt für die billigen Plätze. Die Straßen sind die Manege. Hier fand auch die Party, unsere Party, statt. Mit einfachen Mitteln, aber mit viel Herz und Kreativität. Wer es luxuriöser haben wollte, der musste sich VIP-Tickets besorgen und konnte damit in eine ganz andere Welt eintauchen. Eingezäunt und abgeschirmt vom Rest. Überall entlang der Strecke, im Ziel und im Startbereich der Etappen. Hier gab es Zutritt nur mit entsprechender Akkreditierung. Ein Stück Plastik, das mit gelben Lanyard gut sichtbar getragen, Tür und Tor zu Sekt, Caviar, Panini und Piadina öffnete.

Die Tour de France Experience ist also, das, was man daraus macht oder das, wofür man bereit ist zu zahlen. Wer es sich leisten will, wird sogar in SKODA-Offical-Cars vor dem Peloton hofiert. Vive Le Tour.

Nach einer gediegenen Nacht im Grand Hotel San Marino und einem nicht weniger gediegenen Abendessen im Ristorante La Terrazza (Titano), hieß es „Le Tour must go on“ und ab nach Cesenatico. Doch auch hier dasselbe Bild. Geschlossene Gesellschaft. Nur ein paar Mannschaftsbusse waren frei zugänglich – für den Rest benötigte man auch diesen um den Hals zu tragenden Wunderschlüssel. Und trotzdem war es genau das, was man ich mir vorgestellt hatte. Guter Blick auf die teuren Räder, die Mannschaftsbusse, die ausgehungerten Fahrer, die sich aufwärmten, Betreuer, die Kühlwesten herrichteten … wie schon erwähnt – alles wie scripted reality. Exakt nach Protokoll. Auch die Show der motorisierten Polizeieskorte beim Starten ihrer Maschinen. Geplant, inszeniert und durchgezogen.

Was da an Autos, Material und Menschen durch die Gegend kutschiert wird, ist schon bemerkenswert. Ökologisch ist das nicht. Aber das wäre eine ganz andere Geschichte. Gut postiert hatten wir auch dank Teleskopstange einen guten, wenn auch nur kurzen Ein- und Ausblick auf den neutralisierten Start und dem Vorbeizischen des Fahrerfelds. Danke, das war es. Adieu, Le Tour de France.

Sieben Kilos in sieben Tagen.

Dass man in Italien gut essen kann, wussten wir. Auch, dass man viel essen kann. Am Ende haben wir sehr gut und viel gegessen. Viel zu viel im Vergleich zu dem, was wir am Rennrad gesessen sind. Plusenergie. Grazie Enio Ottaviani Winery und Ristorante La Casaccia Gradara. Was nur eine Verköstigung hätte sein sollen, war eigentlich eine Mästung. Gutem Essen kann man schwer widerstehen. Selbst gemachter Pasta umso weniger. Ganz zu schweigen vom besten Eis.

Tour de France Experience mit Claudio "Diablo" Chiappucci

Die Tour de France Experience war ein einzigartiges Erlebnis auf bekanntem Terrain. Eine Mischung aus Urlaub wie in alten Zeiten und modernem Entertainment, kitschigen Sonnenuntergängen, Stöbern und Schmökern in Ramschläden, Karaokesingen auf der Piazza, lauten Zikadenkonzerten und Pantomime-Unterhaltung mit Französinnen und Franzosen. Frankreich hat seine eigene Sprache und eigene Sturheit. Und das ist nicht nur die Sprache der Tour de France.

Wir kommen wieder. Und zwar vom 19. Oktober bis 2. November 2024. Zum Saisonabschluss nach Cesenatico. Weil die Emilia Romagna das Schlaraffenland Europas ist. Urlaub machen und Rennrad fahren. Sieben Kilos in sieben Tagen.

#ktrchs

PS: Interessiert an Rennradurlauben oder auch individuellen Rennrad-Gruppenreisen? buchung@machurlaubfahrrennrad.com.



Social Ultracycling – Pannonia 400

Social Ultracyling

In the books. Erledigt. Geschafft. Abgehakt. Überlebt. Mission accomplished. Die Bucket List ist um eine Schnapsidee ärmer. Ich habe es getan, wir haben es getan. Meine Idee, den längsten Tag im Jahr mit der (bisher) längsten Ausfahrt des Jahres zu zelebrieren, wurde umgesetzt. Eine Tradition wiederbelebt. 200 Kilometer sind schnell einmal gefahren. 300 Kilometer am Stück mittlerweile auch. 400 Kilometer hingegen sind eine magische Zahl, die bisher nur Randoneurs und verrückte #festive500 FahrerInnen in der Nonstop-Version sowie Ultracycling-Freaks regelmäßig übertreffen. 400 Kilometer en suite sind eine Ansage. Ein Türöffner in eine andere Welt. Die Welt des Ultracycling. Mit #pannonia400 wurde diese Tür geöffnet und das erste Social Ultracycling Event ins Leben gerufen.

Ein langer Tag schreit nach einer langen Ausfahrt.

Der 21. Juni ist bei uns der längste Tag im Jahr. Es ist dann rund um Wien mehr als 16 Stunden hell. Die perfekte Gelegenheit, diesen Umstand zu nutzen, sehr lange am Rad zu sitzen, ohne im Dunkeln herumgurken zu müssen. Wie schon vor Corona (!). Damals ging es von Wien nach Linz und wieder retour. Flach und schnell. Diesmal musst das Burgenland als Kulisse dienen. Die Streckenplanung war nicht schwer. Ich brauchte nur „Rund ums Burgenland“ kürzen. Fertig. Von Eisenstadt nach Eisenstadt. Über die Ausläufer der Buckeligen Welt, dem höchsten „Pass“ Burgenlands, einem kleinen Abstecher nach Ungarn (und Niederösterreich) und durch die Tiefen des Seewinkels (pannonische Tiefebene).

Vorbei an den burgenländischen Weinbaugebieten wie dem typischen Uhudler im Südburgeland, dem Blaufränkisch im Mittelburgenland und den Neusiedler DAC, Ruster Ausbruch DAC oder Leithaberg DAC im Nordburgenland. Für Wein hatten wir aber keine Zeit. So wie wir keine Zeit hatten für andere Sehenswürdigkeiten. Unser Blick galt der Uhr und dem Himmel. Dann das beste Wetter hatte ich mir für dieses Social Ultracycling Abenteuer leider nicht ausgesucht.

Social Ultracycling rund ums Brugenland

Teamarbeit ist Dreamarbeit.

Fahren. Die Strategie hieß einfach nur fahren. Dauere, was es wolle. Aus der Morgendämmerung heraus in die Abenddämmerung hinein. Keine besondere Strategie, aber alles andere hätte nur Stress bedeutet. Natürlich war ich mit Licht ausgestattet und mein Rennrad teilweise noch RACA-tauglich beklebt. Sicherheit geht immer vor. Was auch für die Mitfahrenden gelten musste. Mitfahrende, die bunt zusammengewürfelt waren und dem Aufruf via Social Media sowie durch persönliches Zurufen zusammengekommen sind. Insgesamt acht haben die 400er-Marke geknackt. Davon 2 Damen. Conny, eine Rookie (längste Ausfahrt bisher 200 Kilometer und seit erst einem Jahr am Rennrad) und Pia, eine Veteranin – zigfach Brevet-erfahren und Finisherin bei Paris-Brest-Paris. Bei den Männern „on stage“ Patrick, RAN-Finisher, Stefan (Wiederholungstäter) sowie Wolfgang, Heinz und Roman bei ihrer Premiere über diese Distanz. Unterstützt wurden wir von weiteren fünf Fahrern, die mitgefahren, später eingestiegen und früher ausgestiegen sind. Ihnen gilt auch der Dank für den einen und anderen Windschatten-Kilometer.

Insgesamt waren vier Pausen eingeplant – am Ende waren es sechs. Eine unfreiwillige wegen es Defektes (Platten) und eine notwendige wegen Flüssigkeitsmangel gesellten sich dazu. Supermarkt nach Kilometer 113 in Stegersbach und nach Kilometer 196 in Lockenhaus, eine dringend benötigte ungarische Bäckerei nach Kilometer 260 in Fertöd, eine kurz vor Ladenschluss überfallsartig geplünderte Bäckerei in Nickelsdorf und die lebensrettende AGIP Tankstelle in Bruck an der Leitha. Gegessen haben wir durch und durch ungesundes Glumpert mit viel Zucker. Getrunken haben wir nicht viel Besseres und Gesünderes. Am Ende standen wir alle mit einem Wasserbauch da. Seitliche Aufnahmen wurden kurzerhand verboten. Social Ultracycling dient auch dazu, sich anderen anzupassen und über die eigenen Gewohnheiten und Besonderheiten in der Ernährung hinwegzusehen. Kleiner Tipp: Salametti mit einem Salzstangerl wirken Kraft-Wunder. BiFis auch.

Beobachten, plaudern, zuhören. Das ist auch Radfahren.

Über 14 Stunden am Rad sitzen und über 17 Stunden zusammen sein. Da lernt man sich und seine Grenzen kennen. Aber auch die Mitfahrenden. Man beobachtet, man plaudert, man hört zu und man stellt Fragen. Gruppenfahren ist Gruppendynamik. Das macht es schwierig und interessant gleichzeitig. Wer, was, wie, wann und wo? Darüber habe ich schon einmal ein paar Zeilen geschrieben. Interessant, dass sich einiges wiedergefunden und bewahrheitet hat. Damit wäre dieses Thema erledigt. Es gibt Rennradfahrende, die gerne in der Gruppe fahren (und den Schutz sowie die Motivation der Gruppe brauchen) und es gibt Rennradfahrende, die in der Gruppe auch gerne allein fahren.

Die moderne Technik spielt dabei auch seine Rolle. Sie hilft und schadet manchmal gleichzeitig. Ohne Track fährt heutzutage kaum jemand los. Auch in Gruppenausfahrten „will“ der Track als Unterstützung geladen sein. Das ist als Guide gut, denn man kann sich dann hinterm Feld mit anderen Dingen beschäftigen. Fotografieren, ausruhen oder pinkeln. Ohne dass dabei die Gruppe von der Strecke abweicht. Wenn da nicht jene wären, die ohne Track ausreißen oder sich mit Track verfahren. Solange alle wieder auf die richtige Spur kommen, soll das alles kein Problem sein (und vor allem keine Polemik erzeugen). Auch finden Ausreißer ohne Track die angepeilte Nahrungsaufnahmestelle, weil Hunger und Durst beste Navigationshilfen sind.

Ultracycling Learnings.

Akkustand-Check: Es ist wenig hilfreich, wenn man (ich) den Garmin Edge vorsichtshalber die ganze Nacht an die Stromversorgung anschließt, um kurz vor der Abfahrt um 4 Uhr feststellt, dass der Akkustand bei 27 % liegt. Not macht erfinderisch. Ich wollte immer schon die Powerbank testen. Also, Lenkertasche rauf, 900 Gramm schwere Powerbank rein, oldschool Garminhalterung auf den Vorbau und Gerät anschließen. Nach drei Stunden Fahrzeit hatte ich 100 % Akkustand, das Garmin-Gerät wieder aerodynamisch vor dem Vorbau platziert und die ganze weitere Tour kein Stromproblem mehr. 25 % waren im 5 Jahre alten Edge 1030 am Ende noch vorhanden. Ich hätte noch weiterfahren sollen. Ohne Powerbank wäre sich das also nicht ausgegangen.

Gummibärchen: Neben BiFi sind Gummibärchen „Best of Junkfood“. Ich hatte die vegane Version von Katjes mit dabei. Traumhaft.

Schulmäuse: Auf meiner Bestenliste auch Schulmäsue. Flaumig zartes Hefeteiggebäck gefüllt mit cremiger Nuss-Nougat-Füllung. Dazu ein Cappuccino. Weckt den Pogačar in dir.

Flüssigwachs: Diesmal habe ich wieder Flüssigwachs verwendet. Das hat sich ausgezahlt. Die Kette lief nach 400 Kilometern, reichlich Wasser von oben und von unten, Staub und Dreck immer noch lautlos und geschmeidig.

Radhose: Das Beste ist mir gut genug. Aber was ist das Beste? Ich behaupte einmal, meine Radhose war es. Keine Probleme, kein Rutschen, kein Scheuern, kein Schaum (Achtung Insider). Den ganzen Tag lang ein schmerzfreier Übergang zwischen trocken, nass und verschwitzt. Übrigens trage ich bei den Hosen Größe S. Vielleicht sitzt sie deswegen so gut.

Kopfsache: Es war nicht mein erster 400er. Aber für einige war es eine Premiere. Ich konnte mir schon ausrechnen, was auf mich zukommen hätte können. Wie das die anderen gemacht haben? Ich würde es gerne wissen. Die Gruppendynamik allein kann es nicht gewesen sein.

Packen: Probieren geht über Studieren und Fluchen. Patrick und Conny waren bestens ausgestattet und hätten wohl mehrere Tage unterwegs sein können. Weil sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt haben und sich auf Größeres einstimmen wollten. 2 x Licht vorne, 1 x Arschrakete hinten, 2 x Flasche hinten (an der Arschrakete stylisch und aerodynamisch befestigt), 1 x Warnweste … 13,5 kg schwer war Patricks Tarmac S-Works mit Felgenbremsen!

Pannonia 400 ein Klassiker?

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Ultracycling Events. Self-supported oder supported. Man kann es sich aussuchen. Was es noch nicht gibt, sind Social Ultracycling Events, bei denen man „schnuppern“ kann. Pannonia 400 wäre in Zukunft eine ideale Gelegenheit dazu. 400 Kilometer im Schutz und im Windschatten einer Gruppe. Jährlich um die Sommersonnenwende. Am längsten Tag im Jahr, die längste Ausfahrt im Jahr. Außer man ist ein Freak, ein Randoneur, ein male oder female Ultracyclist.

Sagen wir es einmal vorsichtig. Nächstes Jahr ist die Sommersonnenwende am 21. Juni. Das wäre ein Samstag. Was wieder perfekt wäre.

#ktrchts
Cristian

PS: Ich brauche mehr Mitgefühl: Ich muss mich besser abgrenzen. Und lernen, die Geräusche der anderer Fahrräder auszublenden. Was habe ich mitgefühlt? Speziell dann, wenn im Wiegetritt ein spanisches Kastagnetten-Konzert die Ruhe und Idylle störte. Es war nicht mein Rennesel. Es hat aber trotzdem wehgetan.

Dolomites Escape 2024

Dolomites Escape

Wir haben es wieder getan und die wunderbaren Dolomiten als Rennradurlaubs-Reiseziel besucht. Wie schon die Jahre zuvor. Dolomites Escape 2024 hat uns richtig gutgetan. Sechs wundervolle Tage, sechs wundervolle geführte Touren und mit dem Sellaronda Bikeday ein krönender Abschluss. Inmitten der imposanten Felswände eines einst prähistorischen Korallenmeers. Kaum zu glauben. Die Dolomiten sind und bleiben die Dolomiten. Speziell Anfang Juni. Wenige Tage, nachdem sich der Winter auf den Pässen noch einmal breit gemacht hatte. Mittendrin im auslaufenden Winterschlaf. Kurz vor der Sommersaison. Urlaub machen und Rennrad fahren.

Rennradurlaub in den Dolomiten.

Pedalo per le Dolomiti.

Die Dolomiten sind ein Wirrwarr an Straßen und Anstiegen, die einen entführen und verführen. Die Herausforderungen sind Asphaltschlangen, die sich über Kuppen und Hänge winden und dem Himmel immer näher kommen. Immer wieder streifen sie schroffe Wände aus Dolomitgestein. Auf und ab. Vorbei an ruhenden Liftanlagen, geschichtsträchtigen Schauplätzen und einladenden Hütten im Wechselbad der Jahreszeiten. Unten im Tal der Frühling. Oben am Berg die letzten Spuren eines schneereichen Winters. Mittendrin statt nur daheim meine Gäste. Ihnen habe ich meine alte Heimat gezeigt. Knapp 500 Kilometer und 11.500 Höhenmeter davon sind jetzt bleibende Erinnerungen. „Pedalo per le Dolomiti“ (ich radle durch die Dolomiten) ist als Auftrag erfüllt. Wir hatten Spass, haben die eigenen Grenzen verschoben, ausgezeichnet gegessen und uns auch ohne Rennrad gut verstanden und unterhalten. Dolomites Escape 2024 war unser Ausbruch vom Alltag.

Die Schönheit der Differenz.

Jede Rennradreise ist für mich wie ein Blind-Date. Ich kenne bis zu Ankunft nur die Namen der Gäste. Mehr nicht. Ausnahme WiederholungstäterInnen. Dann gesellen sich die Gesichter dazu. Der erste Eindruck. Von Tag zu Tag kommen interessante Charakterzüge hinzu. Der Mensch hinter dem Namen und unter Helm tritt in den Vordergrund. Interessante Geschichten kommen an die Oberfläche. Dunkle Seiten werden hell. Rollen werden besetzt. Je bunter und gemischter die TeilnehmerInnen, desto spannender die Ausfahrten und natürlich auch die Abende. Die Schönheit der Differenz ist die reichste Facette eines jeden Rennradurlaubes. Paul Watzlawicks „Man kann nicht nicht kommunizieren“ bringt es auf den Punkt. Auch wer nichts sagt, gibt einiges preis. Stille Wasser sind tief und Hunde, die bellen, beißen nicht. Phrasen, die wie Phrasen klingen, aber Wahrheiten untermauern.

Nach einer Woche bleibt einiges zurück und vieles hängen. Das meiste sind persönliche Eigenheiten, die viel über die betroffene Person aussagen und sie charakterisiert. Oft, und zum Glück, passiert vieles unerwartet und mir bleibt die Rolle des Beobachters im Logenplatz erste Reihe fußfrei. Urlaub machen und Rennrad fahren. Das ist Prime-Time Kinoerlebnis rund um die Uhr.

Rennrad fahren in den Dolomiten

Routine, aber selten Langweile.

Die Woche war kurz und strukturiert, aber nie langweilig. Vieles wiederholte sich, aber nichts wirkte langweilig. Essen, schlafen, guiden, Rad putzen. Endlosschleife. Ich brauche schon längst kein Navigationsgerät mehr. 10 Kilometer rauf, 10 Kilometer hinunter, dazwischen vielleicht eine flache Passage. Vielleicht. Summiert ergab es pro Tag zwischen 70 und 100 Kilometer. Je nach Motivation, Wetter und psychologischer Finesse. Auch wenn manche Gemüter nahe an der Selbstaufgabe standen. Hinaufgebracht habe ich sie alle. Und gesund nach Hause auch. Fast hätte es jedoch mich selbst erwischt. Sportwagenfahrer (hier wird absichtlich auf das Gendern verzichtet) kennen kein Erbarmen, wenn es um den Schutz ihres Heiligtums geht. Lieber ein Rennradfahrer im Graben als der eigene geliebte und geleaste Porsche am Kühlergrill eines LKW. Es fehlten nur wenige Zentimeter. Weil ich es kommen sah, konnte ich noch so viel bremsen, um den Rausschmiss in die Botanik zu vermeiden.

Das Drehbuch einer Rennradwoche schreibt immer die Gruppe selbst. Regie führt dabei nicht immer der Zufall, sondern auch der Moment. Beim diesjährigen Dolomites Escape war es die morgendliche Menüauswahl für den Abend. Das Hotel lud nämlich Tag für Tag zu einem Pingpong Spiel zwischen vegetarisch und nicht-vegetarisch ein. Wir sollten uns je Gang für eine dieser Speisen entscheiden. Das haben wir auch mittels Strichsetzung getan. Leider konnten sich einige (wenige) am selben Abend nicht mehr so richtig an ihre Auswahl erinnern. Vielleicht war es Vergesslichkeit, vielleicht aber auch die nicht selten bessere Optik der „anderen“ Wahl. Die Tage darauf gab es für die Küche die gewohnte Strichliste und zur Beweisführung und Erinnerungshilfe eine Namensliste. Was liegt, das pickt.

Alles, was mit Fahrrad zu tun hat.

Alles, was mit Fahrrand zu tun hat, war am letzten Akt beim Sellaronda Bike Day auf den Beinen. Nein, auf zwei und mehr Rädern. Die für den Autoverkehr gesperrten Pässe rund um das Sellamassiv haben bis zu 18.000 gezählte (geschätzte) RadfahrerInnen angelockt. Selbstverständlich haben wir uns dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Corvara – Grödnerjoch – Sellajoch – Pordoijoch – Passo Campolongo – Corvara. In etwa 10 Kilometer hinauf, 10 Kilometer hinunter. Dazwischen nichts Flaches. Mehr als nur diszipliniert. Bis auf die Staus an den Pässen und den Abzweigungen. Ganz ehrlich, Tierherden sind oft besser organisiert. Oder intelligenter.

Ein Tag lang (oder zumindest ein paar Stunden lang) ohne absichtliche Fehlzündungen. Man hörte nur Herzklopfen und den Freilauf. Den einen und anderen quasselnden Italiener natürlich auch. Was ich sonst noch gesehen habe? Ein Herr war mit einem Stepper-Rad unterwegs, eine Dame hatte ihren Hund in einer Holzkiste mit, Handbiker waren auch dabei, wie auch ein E-Lastenfahrrad samt Passagier sowie eine Ausnahme auf einem Triathlonrad. Es war ein Fest und auch ein starkes Zeichen. Der nächste Sellaronda Bikeday findet übrigens am 7. September 2024 statt.

Urlaub machen. Rennrad fahren.

Wir kommen wieder. Ich komme wieder. Dolomites Escape 2025 findet vom 1. bis 8. Juni statt. Lust mitzufahren?

#ktrchts
PS: Weitere Möglichkeiten Urlaub zu machen und Rennrad zu fahren gibt es hier. Individuelle Rennradwochen auf Anfrage.

RACA 1000 DNS. Do nothing stupid.

RACA 1000

Eigentlich. Ganz genau. Eigentlich. Eigentlich sollten man Sätze streichen, die mit „eigentlich“ beginnen. Ich tue es nicht. Denn das, was ich jetzt schreibe, liegt mir am Herzen. Die Tatsache, dass ich bei der Premiere des Race Across Austria (RACA 1000) nicht am Start war, schmerzt immer noch. Obwohl ich ganz schön froh darüber bin. Paradox, oder? Ein bisschen mehr als zwei Wochen sind vergangen, und ich bin immer noch innerlich zerrissen. Mein DNS tut weh. Das Gefühl feig gewesen zu sein lässt mich nicht los. Gleichzeitig ist mein DNS auch das Ergebnis einer Vernunft, die ich so nicht kannte. „Did not started“ vs „Do nothing stupid“. Ziemlich gut kann ich mich noch an die Stunden erinnern, die ich benötigt habe, mich zu entscheiden. Noch nie habe ich so viele Wetter-Apps gleichzeitig konsultiert und noch nie habe ich mit einer Entscheidung so gerungen. Das Bild, ich am Küchenboden liegend und apathisch an die Decke schauend, während die Zeit vergeht und das Wetter nicht besser wird, habe zum Glück nur ich im Kopf.

Race Across Austria
Es wäre angerichtet gewesen.

Zwischen können, wollen und sollen.

Ich wollte unbedingt. Bin Nächte lang die Route im Kopf gefahren. Habe mir Strategien ausgedacht. Immer wieder und immer wieder aufs Neue. Irgendwie aber immer mit gezogener Handbremse. „Dolomites Escape“ unmittelbar nach dem RACA 1000 hat mich unbewusst und doch merklich gebremst. Wie sollte ich nach so einem Rennen eine Woche lang eine Gruppe RennradfahrerInnen durch die Dolomiten guiden? Als Rennradguide trage ich Verantwortung und meine Gäste haben das Recht auf einen fitten und aktiven Guide.

Ja, ich wollte. Hoffte lange auf gutes Wetter, um das Race Across Austria gemütlich anzugehen. Samstagmittag wollte ich in Feldkirch sein. Unmittelbar nach Zielschluss meine Siebensachen (Dropbags) einsammeln, um den schon reservierten Zug nach Wien zu erwischen. Irgendwann in der Nacht wäre ich zu Hause angekommen. Sachen waschen und am nächsten Tag hätte (hätte Fahrradkette!) ich in die Dolomiten fahren wollen. Das wären 1 1/2 Tage Regeneration gewesen. Ein guter Plan, oder?

Race Across Austria Wintereinbruch
© wienverkehr

Doch die Wetterprognosen wurden von Tag zu Tag nicht besser. Speziell der Donnerstag, der Freitag und der Samstag sollten im Westen einen merklichen Temperatursturz, Dauerregen und sogar Schnee über 1600 Metern bringen. Prognose, die sich bewahrheitet hatte. Nur ein paar wenige (die Schnellsten, jene, die die die 1.000 Kilometer und 16.000 Höhenmetern unter 48 Stunden (!) bewältigen konnten) blieben etwas verschont. Der Rest? Bilder sagen mehr als tausend Worte. Chapeau an dieser Stelle an alle RACA 1000 und RACA 500 TeilnehmerInnen. Alle, ohne Ausnahme. Jene, die das Ziel gesehen haben und jene, die irgendwo auf der Strecke genug bekommen haben. Das waren gut die Hälfte im RACA 1000 Solo-Bewerb!

DNS statt DNF – der Logistik zuliebe.

Ich wollte wirklich. Auch nachdem ich entschlossen hatte, das einfachste aller Exit-Szenarien zu wählen. DNS statt DNF. Somit waren keine Dropbags von mir irgendwo zwischen Nickelsdorf, Irdning, Kötschach, Mutters und Feldkirch unterwegs. Ich hätte auch nicht von irgendwo zurückmüssen und ich hätte dann alles bei mir, was ich für die Dolomiten gebraucht hätte. Saubere und trockene Wäsche, ein funktionstüchtiges Fahrrad und eine gute Gesundheit. So geil die Idee der Dropbags auch war – bei diesen Konditionen hat und hätte sie mich logistisch überfordert. Während ich über einen Start grübelte, habe ich die drei Dropbags mindestens 10 Mal neu bepackt. Inklusive uralter Löffler GORE-TEX Hosen und Jacke. Zwei Utensilien, die mir wohl das Leben gerettet hätten. Neoprenhandschuhe von Endura habe ich mir dann auch noch am Weg zur Startnummerabholung gekauft. Am Ende stand ich mit einer 7 kg Mitgift für das Rad da. Weitere Tonnen Wechselgewand in den Dropbags.

Somit bleiben viele Fragen offen. Auch jene Frage, wie das die anderen gemacht haben. Was hatten sie mit? Wo haben sie was platziert? Und wie kann man bei so einem Wetter noch Rennrad fahren?

Welche Lehren können gezogen werden?

Da ich nicht am Start war, kann ich für zukünftige Selfsupported Ultrachallenges keine Lehren ziehen. Höchsten in der Terminplanung und im Packen. Die Terminplanung RACA 1000 und Dolomites Escape war dilettantisch, grottenschlecht. Mein Packverhalten ebenso. Verzicht ist wohl der Schlüssel. Nicht Komfort. Aber wie soll ich das lernen? Soll ich bei dem bleiben, was ich glaube zu können? Bikepacking im Urlaubsmodus. Ein bisschen Radfahren und die Nacht gemütlich im Hotelzimmer verbringen. Oder will ich die Komfortzone verlassen? Einen Plan hätte (habe) ich nämlich. Das Race Across Austria Solo zu nachzuholen. An den Originalschauplätzen und entlang der Originalstrecke. Bei besserem Wetter. Vielleicht während der ersten großen Hitzewelle, die bis dato noch ausgeblieben ist und die vieles (alles) erleichtern würde. Einen Termin dazu habe ich schon. Aber wie heißt es schön (Achtung Wiederholung): „Hätte, hätte, Fahrradkette …“ Notiz am Rande: Solange die Kette rechts ist, gibt es keinen Grund zur Panik.

#ktrchts

Race Across Austria.

Race Across Austria

In genau 3 Wochen werde ich seit drei Stunden unterwegs und voll im Abenteuer Race Across Austria eingetaucht sein. Ob ich nervös bin. Nein. Weil ich wie immer total unvorbereitet bin. Ich weiß nur, dass es ein langer Weg sein wird. Von Nickelsdorf nach Feldkirch. 1.000 Kilometer und 15.000 Höhenmeter. Ich weiß noch nicht, mit welchem Rad ich fahren werde, wie lange ich fahren werde, wo ich stoppen werde, was ich mitnehmen werde, welches Licht ich fahren werde, ob ich überhaupt in der Nacht fahren werde. Beste Voraussetzungen, oder? Ich lasse es auf mich zukommen. Ob das eine gute Idee ist und war, wird sich am Samstag, 1. Juni 2024 erweisen. Ich habe nämlich mein Zugticket zurück nach Wien schon gebucht. Denn am 2. Juni geht es für eine Woche zum Urlaub machen und Rennrad fahren in die Dolomiten.

Race Across Austria - die Strecke

Ultracycling Halbwissenerfahrung.

Ein bisschen Ultracycling-Erfahrung habe ich ja bisher gesammelt. Race Around Austria im 4er Team oder die unsupported Umrundungen der 9 Bundesländer (Burgenland, Wien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich, Kärnten, Steiermark und Oberösterreich) in Österreich. Alles wohl nicht vergleichbar mit dem, was das Race Across Austria zu bieten hat. Die Zahlen sollten mich vielleicht doch etwas nervös machen. 1.000 Kilometer, 15.000 Höhenmeter (12 Pässe) in 112 Stunden. Zwischen Start und Ziel liegen 4 Nächte. Ja. Nächte. Das sind diese dunklen, kalten und einsamen Tageszeiten. Wäre eventuell gut zu wissen, wo ich zu diesen unmöglichen Zeiten sein werde. Am liebsten wäre mir, ich wäre in der Nacht im Bett. Gut zugedeckt mit einer Wärme schenkenden Daunendecke. Tief schlafend und träumend. Da ich aber keine Ahnung (und keinen Plan) habe, kann ich mir gegenwärtig auch nichts ausrechnen. Und eines ist sicher: Mit spekulativem Halbwissen komme ich nicht weit.

Bikepacking Across Austria

Ich weiß, dass ich eigentlich nichts über Ultracycling weiß.

Eines ist fix. Ich werde sicher nicht durchfahren. Dafür bin ich zu alt und zu sozialisiert. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich das mit dem Equipment, welches ich aktuell habe, bewerkstelligen sollte. Ich habe ein Vorderlicht, welches mir 4 Stunden Helligkeit schenken kann. Die Nächte dauern Ende Mai laut Reglement aber 10 Stunden. Ich bräuchte also viele „Powerbänke“. Diese sind unter 500 Gramm schwer zu finden (falls wer einen Tipp haben sollte, her damit. Nehme ich dankend an). Unterwegs laden? Wo, wie lange? Auch mein veraltetes Garmin 1030 Gerät hält nicht mehr länger als 16 Stunden. Strom! Ich brauche unerwegs viel Strom. Und Ultra-Fast-Charging-Know-how. Gibt es das?

Man sieht schon, dass ich eigentlich nichts über Ultracycling weiß. Obwohl ich einiges da und dort schon gelesen oder angehört haben könnte. Näher beschäftigt habe ich mich damit leider nicht.

Von Basecamp zu Basecamp.

Ich muss und werde improvisieren. Altbekanntes (und für mich Altbewährtes) mit Neumen kombinieren. Also doch ein Plan? Es ist mehr eine Idee, das Abenteuer Race Across Austria zu überleben. Und rechtzeitig beim Zug zu sein. Von Basecamp zu Basecamp wird der Titel meiner Reise durch Österreich sein. Denn die von der Organisation bereitgestellten Basecamps wollen meine Rettung sein. Insgesamt stehen drei Basecamps bereit. Irding, Kötschach und Mutters. Dazwischen viel Tag, hoffentlich wenig Nacht, viele Kilometer und je näher ich dem Ziel sein werde bedauerlicherweise auch viele Höhenmeter. Von Nickelsdorf nach Irding sind es laut Roadbook 294 Kilometer und 2.170 Höhenmeter. Von Irding nach Kötschach 224 Kilometer und 3.780 Höhenmeter. Von Kötschach nach Mutters 327 Kilometer und 5.480 Höhenmeter (!!!!) und von Mutters nach Feldkirch 207 Kilometer und 4890 Höhenmeter. Grund, nervös zu werden? Definitiv ja.

Und in den Basecamps selbst? Umziehen, Duschen, Power-Nappen und Geräte laden. Ja, wenn ich rechtzeitig dort ankommen werde. Gut, dass man drei 20L DropBags hinterlegen kann und diese in den Basecamps zur Verfügung haben wird. Man müsste jetzt nur noch wissen, was in so ein DropBag hineinkommen soll. Nicht nur. Welche DropBag wird letztendlich wo hingeschickt? Ich glaube, ich brauche neben dem Überlebensplan auch einen ordentlich ausgeklügelten Packplan.

Race Across the Limit

Race Across the Limits.

In genau 3 Wochen werde ich jetzt schon ein paar Stunden mehr im Sattel gesessen sein. Und ich werde schnell gemerkt haben, dass „Unplanung“ die schlechteste Option gewesen ist. Theoretisch fühlt sich alles irgendwie machbar an. Praktisch sind noch viel zu viele Fragen offen. Wie wird eigentlich das Wetter? Darf ich nächtens über den Großglockner? Warum plötzlich das Hahntennjoch, der Hochtannbergpass und Fontanella Faschina statt Silvretta Hochalpenstraße? Welches Fahrrad soll ich nehmen? Rennrad, Gravel, Carbon oder Holz? Wo bekomme ich noch auf die schnell ein ultrastarkes und ultraleichtes Licht her? Wie kann ich noch ein paar Kilos abnehmen, ohne Substanz zu verlieren?

Und warum tue ich mir das überhaupt an?

#ktrchts

PS. Eine Frage hätte ich noch. Warum sind die DropBags erst am Samstag, 1. Juni 2024 ab 12 Uhr zum Abholen bereit? Was, wenn ich wider Willen früher finishen sollte?

Le Grand Depart – Die Tour de France im Giro-Land.

Le Grand Depart

Das ist wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig. Dazu noch Geburtstag und sämtliche Jubiläen zusammen. Die Tour de France 2024 startet in Italien. Genauer gesagt am 29. Juni 2024 in Florenz. Das drittgrößte Sportereignis nach Superbowl, und Fußball-WM kommt ins Giro Land und wird Millionen von Zuschauern am Bildschirm und auf den Straßen fesseln. Le Grand Depart – drei Regionen sind bereit, die Rennradgladiatoren zu empfangen. Drei Tage und drei Etappen lang. Firenze – Rimini, Cesenatico – Bologna und Piacenza – Torino. Über Straßen, die vielen Rennradurlaubern bekannt sind und die schon früh das Renngeschehen beeinflussen können.

Visit Emilia Romagna.

Alles begann 2020, als die Emilia Romagna in nur wenigen Wochen eine Ersatz-Straßen-WM auf die Beine gestellt hatte. Hier wurde der organisatorische Grundstein gelegt. Die Amaury Sport Organisation (ASO) war begeistert davon, was hier in kurzer Zeit organisiert wurde. Im Land des beherrschten Chaos. Danach waren Politik und einflussreiche Gremien am Werk. Der Rest dann nur mehr eine Frage des Geldes. Jetzt ist fast alles bereit für ein Spektakel, das nicht nur Radsport bieten wird, sondern auch die kulturellen und kulinarischen Highlights in den Vordergrund stellen wird. Die ganze Radsportwelt wird ihre Blicke auf die Emilia Romagna (Toskana und Piemont) richten. Hotspots wie Barbotto, San Leo, San Marino, aber auch Rimini und Cesenatico erwarten den Ansturm begeisterter Italien- und RennradliebhaberInnen.

Le Grand Depart ist die einmalige Möglichkeit, Meereslaub und Rennradsport zu verbinden. Einen Vorgeschmack konnte ich bei der Pressereise in Zuge der Granfondo Via del Sale am eigenen Leib und mit meinen eigenen Sinnesorganen erleben. Dass die Emilia Romagna nicht nur fürs Radfahren bekannt ist, das brauchte mir aber niemand zu sagen. Das weiß ich, seit ich hier jedes Jahr mit Gästen zum Rennradurlaub anreise.

Die Vorzüge der Emilia Romagna.

Das Essen, die Menschen, die Möglichkeiten. Die Geschichte des Landes, die Kultur und die Landschaft. Ganz egal ob entlang der Küste oder im Landesinneren. Mit dem Rennrad, Gravelbike aber auch mit den E-Bikes. Über 9.000 Kilometer verkehrsarmer Straßen stehen zur Auswahl und zur Verfügung. Highlights wie die Nove Colli rund um Cesenatico, die Panoramica zwischen Gabbice Mare und Pesaro oder der Cippo di Carpegna (Passo Pantan) zählen zu den bekanntesten Routen für Rennradfahrerinnen. Auch wenn die Via Romagna mit ihren 460 Kilometern Schotter- und Asphaltnebenstraßen in der Beliebtheit stark aufholt. Als Mehrtagestour mit Sicherheit ein spannendes Abenteuer.

Hinzu kommt, dass die Emilia Romagna auch bequem mit dem Zug erreichbar ist. Mit Rad. Die wichtigsten Verbindungen erreichen Bologna von Norden oder Westen und Osten. Danach geht’s bequem weiter in (fast) alle Richtungen. Cesenatico Riccione, Cesena, Forli, Faenza … liegen alle am Gleis.

Für alle Nicht-RadfahrerInnen.

Es ist schwer, für alle Nicht-RadfahrerInnen ein geeignetes Programm zu erstellen. Weil die meisten nicht so viel Zeit haben, alles zu sehen. Es gibt in der Emilia Romagna viel Historie. In Savignano hat Julius Cäsar beispielsweise den Rubicone überquert und einen Bürgerkrieg ausgelöst. Mit den berühmt gewordenen Worten „Alea iacta est“. Die Repubblica di San Marino besticht durch ihre Mächtigkeit, hoch oben auf einem Felsen, mit perfekter Rundumsicht. Ravenna, die Stadt der Mosaike, Cervia mit den klassischen Salinen, Bologna die Hauptstadt, bekannt durch die „tortellini in brodo“ oder die „Tante Ceccarelli“ von Wanda (nicht nur). Aber auch die Altstadt von Rimini, mit der Tiberius-Brücke, oder der Porto Canale von Cesenatico bei Sonnenuntergang (hier hatte Leonardo da Vinci seine Finger im Spiel) sind sehenswert.

Oder einfach nur am Strand liegen. Aber auch in den verschiedenen „Borghi“ lässt es sich leben und man kann dort die Dolce Vita genießen. Ein Aperitif in Santarcangelo di Romagna? Ein Stadtbummel durch Cesena? Wie wäre es mit einem Besuch der Formel 1 Strecke in Imola oder eine Begegnung mit Valentino Rossi in Tavullia? Auf alle Fälle lohnt sich auch ein Besuch in der Piadina Experience in Riccione und im Spazie Pantani in Cesenatico.

Non solo bici.

Mehrmals hatte ich schon das Vergnügen, die Vorzüge der Emilia Romagna in vollen Zügen zu genießen. Nicht nur als Austria Bike Guide, sondern auch als Gast und Entdecker. Deswegen geht’s im Herbst wieder dorthin. Vom 19. Oktober bis 2. November 2024. Und wenn’s wird wie die letzten Jahre, dann lohnt es sich, die Badehose einzupacken.

#ktrchts

Hier noch ein paar wichtige Links:

Hotels: www.terrabici.com
Le Grand Depart/Tour de France: www.letouritalia.it
Zugverbindungen: www.trenitalia.it
Rennradurlaub Herbst 2024: www.machurlaubfahrrennrad.com




Granfondo Via del Sale.

Granfondo Via del Sale

Eigentlich wollte ich kein Radrennen fahren. Schon gar keine Granfondo. Ich weiß nämlich, wie ItalienerInnen Radrennen fahren. Sie fahren Radrennen. Vom ersten Zentimeter weg. Eine Gewissheit, die sich mehr als nur bestätigt hat. Schon an der Startlinie wurde ich im Stand von mehr als 20 Menschen überrollt, auf den ersten zwei Kilometern dann von mindestens weitere 1000 RadrennfahrerInnen überholt. Ganz ohne Übertreibung. Auch deshalb, weil ich als eingeladener Medienvertreter und Touristiker (ja, das gibt es) aus der allerersten Startreihe starten durfte. Die Granfondo Via del Sale hat mir einiges aufgezeigt. Ich kann Rennrad fahren, aber ich kann nicht Radrennen fahren.

Gib mir eine Startnummer und ich zeige dir, wer ich bin.

Startnummern beflügeln. Sie machen ein paar Watt aus. Sie pushen. Mit mehr als 40 km/h bin ich auf den ersten Kilometern ganz rechts ein einsames Einzelzeitfahren gefahren. Lasst mich in Ruhe, war meine Devise. Während links die Meute aufgereiht in Einserreihe an mir vorbeigerauscht ist. Eine unendliche Karawane. Gesplittet in Gruppen. Keine Chance, Anschluss zu finden und Anschluss zu halten. Männer, Frauen, Ältere, Jüngere … ItalienerInnen drücken, drücken, drücken. Nach kurzer Zeit liegen schon die ersten Flaschen am Boden. Flaschen, die der eine und andere mit dem Fuß einfach an den Straßenrand schießt. Kurz ausklicken, nach hinten schauen, Tritt – Gefahr gebannt. Bitte zu Hause nicht nachmachen.

145 Kilometer und 1800 Höhenmeter ist die Granfondo Via del Sale lang. Zu lang für dieses Tempo. Ich war ohne Pulsuhr und Wattmesser unterwegs. Hatte mich für das Leihrad entschieden. Cannondale Supersix Evo SE. Mit 32 mm dicken Reifen. Ein Traum. Speziell für dieses Rennen, wo ich kaum Zeit hatte auf die Straße zu schauen. Forlimpopoli, Bertinoro, Fratta Terme …, im Vergleich zum Rest der Fahrrerinnen bewegte ich mich wie eine als Radtourist verkleidete Schnecke.

Endlich Berg. Endlich überholen.

Dass ich kein ausgesprochener Bergfahrer bin, ist kein Geheimnis und lässt sich auch nicht leugnen. Als ich beim ersten richtigen Anstieg angefangen hatte, andere zu überholen, dachte ich mir zuerst, im falschen Film zu sein. Der Auffahrt auf den Monte Cavallo fühlte sich wie ein Triumphzug an. Eine Wiedergutmachung mit großem Ritzel. Videobeweise vorhanden. Plötzlich Radrennfahrer? Leider nein. Wunder gibt es nicht. Kaum wurde es zweistellig, hatte ich Stress, nicht vom Rad zu fallen. Ich hatte in der Schule zwar keinen Physikunterricht, weiß aber, dass wenn sich Masse am Berg zu langsam nach vorne bewegt, diese dann dank Eigengewicht nach hinten, nach links oder nach rechts fällt.

Dafür hat die Masse bergab den Vorteil, sich selbst zu beschleunigen. Die Abfahrt nach Borello war eine gute Gelegenheit, mich etwas zu erholen. Vorbei am ersten Krankenwagen und blutüberströmten Radfahrer. Ein Bild, das mich prägte und den Schalter auf Vernunft stellte. Nichts mehr riskieren.

Granfondo Via de Sale Cervia
©Sportograf

Über kurz oder lang – Radrennen fahren ist hart.

In Borello gab es die Möglichkeit, von „lungo“ auf „medio“ zu wechseln. 104 statt 145 Kilometer. Ich bog, ohne nur einen Augenblick zu zögern nach rechts ab. Lungo, verstand sich von selbst. Es waren noch 80 Kilometer bis zur Erlösung. Ab auf den Colle del Barbotto. Über den von mir noch nie gefahrenen Anstieg über Santa Maria Riopetra. Wunderschöne Straße, bester Asphalt und gemein steil. Das hatte ich jetzt davon. Das war aber nicht alles. Auch die Weiterfahrt über Montegelli war fies und gemein. Bergab ist dieser Streckenabschnitt nicht so anstrengend. Am Berg quatschende ItalienerInnen, die sich dies und das von der Seele erzählten. Als ginge es hier flach dahin, statt steil bergauf. Mit meiner Übersetzung (SRAM Rival eTap AXS 46/33 und 10/36) konnte ich gut kurbeln, kam aber trotzdem nicht vom Fleck. Jeder Versuch in den Wiegetritt zu gehen, fand mit einem Cut am Knie sein Ende. Ich hatte für meinen Geschmack einen zu kurzen Vorbau – trotz 56er-Rahmenhöhe.

Endlich Barbotto und endlich Ristoro. War die Verpflegung am Monte Cavallo mehr eine Diätkur, hoffte ich hier auf typisch italienische Sonderkost für Naschkatzen. Die Kost war besonders, aber leider nicht für Naschkatzen. Bananen, Äpfel, Marmeladenbrote, Cola und Wasser. Nicht berauschend, aber besser als gar nichts. Denn gar nichts hatte ich mitgenommen.

Fertig ist erst, wenn du fertig bist.

Ein kleines Kind hätte jetzt die Eltern gefragt, wie lange es noch bis zu Ankunft sei. Genau das habe ich getan. Es war aber mein Garmingerät, welches mir die Antwort gegeben hat. Noch über 60 Kilometer – inklusive zwei böser Anstiege. Formignano und Lizzano.

Bevor ich aber dort zu leiden hatte, musste noch die „Valle del Savio“ talauswärts gerollt werden. Wobei Rollen hier nicht das beschreibt, was auf der Strecke abgegangen ist. Es war wieder dieses typische „Hilfe, ich verliere den Anschluss“. Weil wieder geballert wurde. Jeder gegen jeden – kannte ich bis jetzt nur von Zwift.

Dann waren sie da. Die zwei kleinen und unscheinbaren Hügel. Wie eine Mauer ragten Sie jeweils von der Hauptstraße in den Himmel. Zickzack fahren war angesagt. Kurbelumdrehung für Kurbelumdrehung. Ich musste alles im Sitzen fahren. Mein Rücken hat immer noch eine posttraumatische Belastungsstörung. In guter alter „kommt Zeit, kommt Gipfel“ Manier schaffte ich beide Gipfel. Gipfel, die jeweils mit einem weiteren Labe bestückt waren. Auf der letzten gab es diesmal Nutellabrote. Bei mehr als 30 Grad in der Sonne, eine Sauerei, die über meine Finger, meinen Lenker bis auf die Schuhe geflossen ist.

Ende gut, alles halb so schlimm.

Das Ende der Granfondo Via del Sale war nur noch 40 Kilometer weit entfernt. 40 Kilometer, die ich endlich so fahren konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Im Windschatten einiger, die noch genug Energie hatten, das Tempo so hochzuhalten, dass immer mehr aus der Gruppe flogen. Ich war mittendrin, statt ganz allein. Wir saugten uns an immer mehr vor uns Fahrenden an, schluckten und überholten sie. Die Gruppe wurde immer größer. Ich wusste es. Ich bin nicht schnell, aber schnell bringt man mich auch nicht um. So erreichte ich nach über 5 Stunden Fahrzeit das Ziel am Lungomare in Cervia. Ende gut, alles halb so schlimm. Denn in der offiziellen Gesamtwertung scheine ich nicht auf. Ich musste ohne Chip starten. Den hatte ich nicht bekommen. Mein ärztliches Attest wurde nicht als „agonistico“ akzeptiert.

Ich wollte kein Radrennen fahren. Bin also auch kein Radrennen gefahren. Zumindest offiziell. Es war ein sauschneller Sonntags-Gruppen-Dropride. Mit viel Lehrgeld und der Bestätigung, dass ich kein Radrennfahrer bin. Dafür fehlt mit der letzte Wille, der letzte Biss, der Mut, die Risikobereitschaft und vor allem das gezielte Training. Und wie Coach-Mario predigen würde: die Regenerationszeit.

#ktrchts